Onlinepetition für ein Recht auf gleiches Einkommen sorgt für Wirbel / Ministerium kündigt Gesetz an
Der Staat übernimmt Kosten für eine Assistenzperson eines Behinderten nur dann, wenn dieser auf Hartz-IV-Niveau lebt.
Constantin Grosch leidet seiner Geburt an Muskelschwund, kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen und braucht bei vielen Dingen des täglichen Lebens eine persönliche Assistenz. Doch der 20jährige ist ein vielbeschäftigter Mann. Er studiert in Bielefeld im zweiten Semester Jura und engagiert sich in der Piratenpartei, für die er in Hameln-Pyrmont im Kreistag sitzt. Sein wichtigstes politisches Anliegen aber will Grosch mit einer Onlinepetition (http://www.change.org/de/Petitionen/recht-auf-sparen-und-gleiches-einkommen-auch-f%C3%BCr-menschen-mit-behinderungen-2600) erreichen, die er auf www.change.org lancierte und bisher schon von mehr als 57000 Menschen unterzeichnet wurde. Dort setzt sich Grosch für ein Recht auf gleiches Einkommen und auf ein Sparguthaben für Menschen mit Behinderungen ein. „Sie haben 2600 Euro auf ihrem Konto. Das ist verboten, weil sie schwerstbehindert sind. Ihr Staat“, heißt es auf einem Banner auf der Seite, auf der man das Anliegen von Grosch unterstützen kann. Ein Ziel hat Grosch mit seiner Initiative schon erreicht. Seitdem er die Petition gestartet hat, wird über eine Regelung debattiert, die Menschen mit Behinderungen, die eine Begleitperson für ihre persönliche Assistenz brauchen, zu einem Leben am Existenzminimum zwingt. Denn nach der bisherigen Regelung werden die Kosten für eine Begleitperson vom Staat nur dann übernommen, wenn der Bedürftige auf Hartz-IV – Niveau lebt. Verdient der Assistenznehmer Geld, spart oder erbt, muss er die Kosten selbst tragen. Wie hoch die sind, kann Grosch an seinen eigenen Fall verdeutlichen. Für seine 16-Stunden-Assistenz müsste er monatlich zwischen 7000 und 8000 Euro aufbringen. Solang er noch Student ist, werden die Kosten vom Sozialamt übernommen. Aber Grosch hat Berufspläne und will Geld verdienen. Sobald er als Anwalt oder Richter arbeitet, müsste er für die Kosten seiner Assistenz selber aufkommen. Dann bliebe von seinem Einkommen wenig übrig. Die Bildung von Rücklagen für die Altersvorsorge würden dadurch ebenso so verhindert, wie das Ansparen von Geld für eine Reise, Reparatur oder größere Anschaffung. Die gesetzlich erzwungene Armut würde vielen Menschen mit Behinderung die Motivation nehmen, einen Beruf zu ergreifen, befürchtet Grosch. „Wer trotz Behinderung erfolgreich einer Arbeit nachgeht und gar beruflich Karriere machen möchte, hat in Deutschland dazu eigentlich keinen Grund. Die Anstrengungen, die eine höher qualifizierte Berufsausbildung und Erwerbsarbeit mit sich bringen, zahlen sich selbst dann nicht aus, wenn der Karriereerfolg sich tatsächlich einstellt.“ Damit wird nach Ansicht von Grosch das von allen Politikern immer wieder formulierte Ziel der gleichberechtigen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft erschwert, oft gar verhindert. Grosch will die Petition mit den Unterschriften der zuständigen Bundessozialministerin Ursula von der Leyen persönlich übergeben. Ein Sprecher des Ministeriums hat gegenüber den Spiegel unverbindlich erklärt, dass in der nächsten Legislaturperiode über ein entsprechendes Gesetz diskutiert werden soll. Ein Forum behinderte Juristinnen und Juristen (FBJJ) drängt auf eine schnelle Änderung und hat bereits einen Gesetzentwurf erstellt. Die gegenwärtige Praxis in Deutschland verstößt nach ihrer Auffassung gegen die UNO-Behindertenkonvention.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/829475.behinderten-wird-die-motivation-fuer-karriere-genommen.html
Peter Nowak