Von Occupy bis „Helft Heinrich“


Auch 2012 wird es Krisenproteste geben. Heute geht es
los!
Um die Occupy-Bewegung war es in Deutschland in den letzten Wochen merklich ruhiger geworden. Als vor einer Woche das Camp in der Nähe des Regierungsviertels geräumt wurden, leisteten gerade mal 15 Personen passiven Widerstand.

In Frankfurt/Main ist das Camp im Bankenviertel rechtlich für die nächste Zeit noch gesichert. Dass ist eine gute Nachricht für die Obdachlosen, die dadurch in diesem Jahr vielleicht etwas besser durch den Winter kommen. Diese Funktion und auch die Sichtbarmachen des Problems der Wohnungslosigkeit durch das Camp in exponierter Lage ist eine politische Botschaft, die aber bisher weder von der Occupy-Bewegung noch von den Medien richtig gewürdigt werden.

Wenn sich in der „tageszeitung“ unter der Überschrift „Solidarität oder Suppe“ ein Korrespondent darüber mokiert, dass die Campteilnehmer der Essensausgabe mehr Aufmerksamkeit schenkten als den warmen Grüßen von Occupy New York, wird eben verkannt, dass Suppe, anders als die Grüße, den Hunger beseitigen kann.

Heute wird in verschiedenen Städten zu einem dezentralen Aktionstag aufgerufen. Damit will man die Occupy-Proteste im neuen Jahr fortsetzen. Im Aufruf ist die Rede davon, dass Europa reif für einen Systemwechsel und die ökonomische Krise noch längst nicht vorbei ist. Das ist zwar richtig, geht aber an ein paar drängenderen Fragen vorbei. Denn für die meisten der Dauercamper ist die Krise nicht zuallererst bei den Börsenkursen zu spüren, sondern bei der Frage, wo sie die nächste Nacht verbringen und einige Euro für ein warmes Essen herkriegen können. Der Widerspruch der Occupy-Bewegung, wonach alle Teilnehmer zwar nur für sich selber sprechen können, aber gleichzeitig beansprucht wird, die 99 % zu repräsentieren, zeigt sich an der Ausrichtung des Aktionstages.

Statt über Wohnungslosigkeit und den ständig wachsenden Zulauf zu reden, den die Essenstafel seit der Einführung von Hartz IV bekommt, also über Probleme, die einen Großteil der Aktivisten existentiell berühren, bleibt der Aufruf zum Aktionstag bei beliebigen und daher harmlosen Forderungen. Selbst wenn für Sonntag in vielen Städten in Deutschlands, von Arnsbach bis Würzburg, Aktionen angekündigt sind, dürfte die Resonanz insgesamt bescheiden ausfallen. Und schon werden Schuldige für einen möglichen Mobilisierungsflop gesucht.

So wird bereits kolportiert, dass der globale Aktionstag vor allem eine Erfindung von Attac Deutschland ist, auf den die hiesigen Medien reingefallen sind (deren Berichterstattung sich allerdings in bescheidenem Rahmen hält) – im Ausland wisse überhaupt niemand davon. Dabei war es seit dem Auftreten der Occupy-Bewegung üblich, dass Termine für Aktionstage via Internet global gestreut werden, die Aktionstage aber immer nur von kleinen Gruppen konzipiert worden. Was beim Aufstieg der Bewegung als Schwarmintelligenz gelobt wurde, wird nun als Schwarmdummheit niedergeschrieben.

Der europäische Aktionstag am 31. März

Von vielen Basisgewerkschaften und linken Gruppen in Europa wird denn auch nicht der 15. Januar, sondern der 31. März als Datum für einen euroweiten Aktionstag beworben. Mit einer zentralen Aktion vor der EZB in Frankfurt/Main soll auch die Politik Deutschlands in der EU kritisiert werden. Basisgewerkschafter aus verschiedenen europäischen Ländern kritisieren Deutschlands Rolle als Niedriglohnland, das mit dafür sorgt, dass auch in anderen Ländern die sozialen Rechte gekappt werden.

Damit knüpfen sie an gewerkschaftlichen Initiativen aus Holland und Belgien an, die unter dem Titel „Helft Heinrich“ für kämpferische und durchsetzungsfähigere Gewerkschaften in Deutschland als Beitrag zur europäischen Solidarität eingetreten sind.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151220

Peter Nowak