Neue Mietenproteste

Gegen Mieterhöhungen und die Verdrängung von zwei Jugendzentren

Am kommenden Samstag gibt es in Berlin gleich mehrere Proteste gegen Verdrängung. Unter dem Motto „Mietobergrenze ausgetrickst?! – Neue Sozialmietenbombe tickt“ laden MieterInnen vom Maybachufer 40– 42 und der Manitiusstraße 17– 19 in Neukölln zu einem Umzug der Verdrängten ein. Er beginnt vor den betroffenen Häusern am Maybachufer. Die BewohnerInnen der knapp 100 Sozialwohnungen sollen ab dem 1. Dezember bis zu 30 Prozent mehr Miete zah- len und sprechen von Entmietung. „Unsere unsanierten und asbestbelasteten Wohnungen gehören zum Bestand des Sozialen Wohnungsbaus“, sagt eine betroffene Mieterin. „Berlin hat unseren Eigentümern jede er denkliche Förderung gewährt. Jetzt werden unsere Wohnungen in den freien Wohnungsmarkt entlassen.“ Unterstützt wird die Protestaktion vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen, das bereits in den Achtzigerjahren mit satirischen Aktionen MieterInnen unterstützt hat. Darüber wird der Mitbegründer des Büros, Kurt Jotter, am Samstagabend im K.O.B. in der Potsdamer Straße unter dem Motto „Kann denn Lachen Sünde sein?“ berichten. Dabei wird er auch Videos mit den Theatereinlagen, Performance und Happening zeigen, die damals Teil der Protestkultur waren. Nach der Veranstaltung wollen sich die TeilnehmerInnen der „Frei(T)räume-Demonstration“ anschließen, die an den Standorten der selbstverwalteten Jugendzentren Drugstore und Potse an der Potsdamer Straße endet. Sie sollen zum Jahresende ihre Räume verlieren. Die Demo beginnt um 18 Uhr am ehemaligen Post- Tower an der Möckernbrücke. Dort will die CG-Gruppe Lofts für Wohlhabende bauen, was Stadtteilinitiativen kritisieren.

aus Taz vom 17.11.2017
Peter Nowak

Frau Cengiz soll bleiben


Mieterinitiativen und ein Bündnis protestieren gegen Zwangsräumung in Kreuzberg

Im beschaulichen Berliner Westen dürfte es heute unruhig werden. Mieterinitiativen und das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« rufen zu einer Kundgebung vor dem Büro der Falstaf Vermögensverwaltung AG in der Schlüterstraße 4, Stadtteil Charlottenburg, auf.

»Ob Nuriye, ob Kalle, wir bleiben alle«, so heißt das Motto. Damit soll Nuriye Cengiz unterstützt werden, der demnächst die Zwangsräumung droht. Sie sollte die Wohnung am Maybachufer 18 bis zum 30. April räumen. Die fristlose Kündigung wurde juristisch in zwei Instanzen bestätigt. Frau Cengiz hat mittlerweile Berufung beim Berliner Landgericht eingelegt.

Aber Nuriye Cengiz hat sich nicht nur auf den Rechtsweg verlassen. Auf handgeschriebenen Plakaten, die sie in die Fenster ihrer Parterrewohnung klebte, informierte sie die Passanten über ihre drohende Räumung und ihren Widerstand: »Ich gehe hier nicht lebendig raus«, heißt es da. Und: »Ich bleibe hier, ich bin schwer krank.«

Diese Botschaften lasen auch zwei Mitglieder der Berliner »Kampagne gegen Zwangsumzüge«, die sich 2005 gegründet hat, um Erwerbslose zu unterstützen, die nach der Einführung von Hartz IV wegen zu hoher Mieten umziehen sollen. Sie nahmen sofort Kontakt mit der Mieterin auf und daraus ist das Solidaritätskomitee entstanden.

»Ich habe schon immer gegen Ungerechtigkeit gekämpft«, begründete Nuriye Cengiz ihre Plakataktion. Die Metallarbeiterin hat sich als Betriebsrätin gegen niedrige Löhne eingesetzt. Auch im Mieterbeirat hat sie sich schon engagiert. Nachdem sie krank wurde und nach 30-jähriger Berufstätigkeit in Rente ging, wollte sie sich eigentlich zur Ruhe setzen. Daher war sie froh, dass sie 2005 nach langer Suche die behindertengerechte Wohnung am Maybachufer gefunden hatte. Doch mittlerweile liegt das Haus in einer Gegend, in der aus Kreuzberg der angesagte Szenebezirk »Kreuzkölln« wurde. Den Aufwertungsdruck bekam auch Frau Cengiz zu spüren. Nachdem das Haus 2008 von der Falstaf Vermögensverwaltung übernommen wurde und die Anschlussförderung wegfiel, begannen die Mietsteigerungen. »Plötzlich sollte ich für meine 47 Quadratmeter große Wohnung statt 386 Euro 638 Euro zahlen«, sagt die Frau. Die meisten Mieter zogen aus, und es entstanden teure Eigentumswohnungen.

Nur Cengiz entschloss sich zum Widerstand. Die neuen Nachbarn waren von den Plakaten an den Fenstern gar nicht begeistert. Doch durch die Unterstützung der Mieteraktivisten hat sie wieder Mut geschöpft. Oft ist sie im nahen Camp am Kottbusser Tor zu Besuch, wo sich seit Ende Mai Mieter aus Protest gegen hohe Mieten niedergelassen haben. Auch sie unterstützen die Kundgebung.

»Frau Cengiz kämpft exemplarisch für viele Mieter, die nicht mehr wissen, wie lange sie noch ihre Miete bezahlen können«, erklärt ein Sprecher der Initiative »Zwangsräumung verhindern«. Sollte es zu einem Räumungstermin kommen, will sie dieses Motto umsetzen. Dabei sehen die Aktivisten ihr Vorbild in Ländern wie Spanien. Dort haben im Zuge der Krise tausende Menschen ihre Wohnungen verloren, und Blockaden gegen Wohnungsräumungen sind mittlerweile an der Tagesordnung.

2. 8., 15 Uhr, Schlüterstraße 4 / Ecke Schillerstraße
http://www.neues-deutschland.de/artikel/234353.frau-cengiz-soll-bleiben.html
Peter Nowak