Mit Gewalt gegen den Krieg

Am Ende eines Friedenscamps brennen Militärfahrzeuge. Muss man sich distanzieren?

Die Gewaltdiskussion hat zum Schluss doch nochmal an Relevanz gewonnen. Friedensaktivisten demonstrieren tagelang gegen den Ausbau des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) der Bundeswehr in der Letzlinger Heide westlich von Magdeburg. Hier trainiert die Armee für den Auslandseinsatz. Kurz vor Ende des Protestcamps wird in der nahe gelegenen Kaserne Havelberg ein Brandanschlag verübt, 16 Militärfahrzeuge werden beschädigt.

Die Polizei erklärte prompt, bei der Aktion vom vergangenen Wochenende  handele es sich um „eine bisher nie da gewesene Gewalt gegen die Bundeswehr in Sachsen-Anhalt“. Deutschlandweit betrachtet sind solche Angriffe auf Bundeswehr-Einrichtungen aber nichts Neues. So wurden im April 2009 bei einem Anschlag auf die Offiziersschule des Heeres in Dresden 42 Armeefahrzeuge zerstört, wie auch mehrere Fahrzeuge im vergangenen Jahr bei Anschlägen auf Bundeswehreinrichtungen in Hannover und Rostock. Personen kamen in allen Fällen nicht zu Schaden.

In der Friedensbewegung sind solche Aktionen umstritten, die Gruppen äußern sich dann meist eher diplomatisch. Das Protestcamp gegen das GÜZ veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt: „Es ist in unseren Augen nachvollziehbar, wenn sich Menschen für Sabotage als antimilitaristisches Mittel entscheiden und Abrüstung selbst in die Hand nehmen.“ Ein Zusammenhang zwischen dem Anschlag und dem Camp wird jedoch als „plumper Kriminalisierungsversuch“ zurückgewiesen.

Der politische Sprecher der Friedensorganisation DFG-VK, Monty Schädel, lehnt eine reflexhafte Distanzierung von der Aktion ab. In seinem Verband gebe es neben entschiedenen Gegnern solcher militanten Aktionen auch Menschen, die die Motive verstehen können. Dass unbrauchbar gemachtes Bundeswehrgerät keinen Schaden mehr anrichten kann, könne auch von Menschen nachvollzogen werden, die diese Aktionen nicht unterstützen.

Eine nachgebaute Kriegsstadt

Wo beginnt illegitime Gewalt? Die Teilnehmer des Protestcamps mussten sich über diese Frage mit den Anwohnern streiten. Die hatten nämlich eine Kundgebung organisiert mit dem Motto „Gegen Gewalt und Sachbeschädigung“. Gemeint waren Aktionen, die den Friedensaktivisten zugeschrieben werden. Einige Bundeswehr-Gebäude wurden mit Farbbeuteln beworfen, zudem wurden Steine aus den Bahngleisen am Übungsgelände entfernt.

„Es ist absurd, diese Aktionen als Gewalt zu bezeichnen und zu schweigen, wenn hier in der Altmark die Kriege der Bundeswehr in anderen Teilen der Welt vorbereitet werden“, sagt eine Campteilnehmerin. Der Austausch zwischen Aktivisten und Anwohnern  beschränkt sich jedoch auf kurze Wortgefechte. Schließlich findet man kaum eine gemeinsame Sprache, wenn die einen mit dem Slogan „gegen Gewalt“ die Vorbereitungen für den Auslandseinsatz der Bundeswehr verurteilen, und die anderen die Aktionen dagegen.

Bisher war die Bundeswehr in der Altmark kaum mit Kritik konfrontiert. Viele Bewohner der wirtschaftsschwachen Region sehen die Armee vor allem als Arbeitgeber. Wenn rund 300 Antimilitaristen zum Protestcamp anreisen, bedeutet das schon Ausnahmezustand. An vielen Laternen kleben bundeswehrkritische Sticker, an den Wänden steht die Parole „War starts here“.

Grund für den Protest ist eine Großbaustelle der besonderen Art. Bereits seit 2006 bereiten sich im GÜZ jährlich rund 700 Soldaten auf ihren Auslandseinsatz vor, bis zum Jahr 2017 soll hier eine komplett nachgebaute Stadt entstehen, nur für den Krieg. Die taz beschreibt die Einrichtung fast lyrisch: „Im dünnbesiedelten Norden von Sachsen-Anhalt, umgeben von einem undurchdringlichen Gürtel aus Wald, ist für 100 Millionen Euro eine Retortenstadt im Werden, eine Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad, ihr Name ist Schnöggersburg.“

Zu der Kriegsstadt gehört dann den Planungen zufolge unter anderem eine Stadtautobahn, eine 1,5 Kilometer lange Kanalisation und eine U-Bahn-Station. Die Soldaten sollen aus ganz Deutschland anreisen. Und auch die Aktivisten werden sich nicht lumpen lassen. Sie kommen wieder. Ganz bestimmt.

aus: Der Freitag, 31/2013

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Peter Nowak