Bernd Langer: Kunst und Kampf. Werke und Aktionen aus 30 Jahren

In Zeiten von AfD-Aufstieg und Pegida fragen sich nicht wenige, warum man heute so wenig von der Autonomen Antifa hört, die noch vor zwei Jahrzehnten Schlagzeilen machte.

Es waren radikale Linke, die in gut organisierten Blöcken gegen diverse Alt- und Neonazitreffen protestierten und dabei auch die Kritik an Staat und Nation nicht vergaßen. Für einen Großteil der Medien und auch für die meisten politischen Parteien war die Autonome Antifa ein Haufen von Chaoten und ein Fall für Polizei und Justiz. Doch ausgerechnet in der niedersächsischen Universitätsstadt Göttingen wurde die Autonome Antifa vor 30 Jahren bündnis- und kulturfähig.

Bernd Langer ist seit 1978 in autonomen Antifazusammenhängen aktiv und war einer der stärksten Befürworter einer Bündnispolitik im autonomen Lager. Jetzt hat er unter dem Titel Kunst und Kampf eine allgemeinverständliche Geschichte darüber verfasst.

Ein Höhepunkt seiner Aktivitäten war eine Demonstration gegen ein Neonazizentrum im niedersächsischen Mackenrode am 7.Mai 1988, zu der bundesweit mobilisiert wurde. Damals war die traditionelle autonome Antifapolitik, die Bündnisse mit bürgerlichen oder reformistischen Linken ablehnte und nur auf die eigene Kraft vertrauen wollte, an ihre Grenzen gestoßen. «In dieser Situation kam es zu Kontakten mit Vertreter_innen von DGB, Grünen und anderen antifaschistisch Gesinnten. Endlich bot sich die Chance, autonome Politik weiterzuentwickeln und aus der Isolation rauszukommen. Bündnispolitik hieß das Zauberwort und wurde fortan zum heiß umstrittenen Thema in der autonomen Szene», beschreibt Langer die Situation vor fast 30 Jahren in Westdeutschland.

2000 Menschen waren am 7.Mai 1988 nach Mackenrode gekommen. Doch was die Demonstration noch heute interessant macht, war ihre Zusammensetzung. An der Spitze lief ein autonomer Block, dahinter hatten sich Mitglieder der Grünen, des DGB und der SPD in die Demonstration eingereiht. Zuvor hat es klare Absprachen zwischen den Spektren gegeben und auch der autonome Block benannte Verantwortliche, die garantierten, dass die gemeinsamen Vereinbarungen eingehalten wurden. So gingen vom autonomen Block keine Angriffe auf die Polizei aus. Aber es gab die klare Ansage, dass er sich gegen Angriffe verteidigen würde. Diese Kooperation war etwas Neues und wurde bundesweit diskutiert.

Symbol der Antifaaktion
Noch in einer anderen Hinsicht war die Mackenrode-Demonstration ein Novum. Auf dieser Demonstration waren erstmals in der BRD Fahnen und Transparente mit dem Emblem der Antifaschistischen Aktion in großer Zahl zu sehen. Bald war dieses Symbol von Demos und Aktionen der Autonomen Antifa nicht mehr wegzudenken. Langer beschreibt sehr detailliert, wie umstritten die Verwendung des leicht veränderten Symbols der Antifaschistischen Aktion aus der Weimarer Republik auch unter autonomen Antifaschisten damals war. Für viele war es zu stark mit der KPD-Geschichte der Weimarer Republik verbunden.

Auch zur Kulturfähigkeit der Autonomen Antifa trug Langer bei, was man in dem Buch gut sehen kann. Dort sind zahlreiche Plakate nachgedruckt, die die von ihm gegründete Gruppe Kunst und Kampf (KuK) seit Ende der 80er Jahre produziert hat. Sie mobilisierten zu Demonstrationen und politischen Kampagnen, die politische Botschaft kam gut rüber und sie hatten einen Wiedererkennungswert. Mit ihnen verabschiedete sich ein Teil der Autonomen Antifa vom Punkstil.

Doch nicht alle wollen mitziehen. Langer beschreibt, wie auch in der autonomen Szene Machtpolitik praktiziert wurde, und verschweigt nicht, dass auch er daran beteiligt war. Wenn KuK beim Vorbereitungstreffen zu einer Demonstration schon mit einem fertigen Plakatentwurf auftrat, war die Chance groß, dass der auch Verwendung fand.

Bernd Langer versteht sich noch immer als radikaler Linker, der keineswegs den Frieden mit diesem Staat gemacht hat. Man muss nicht mit allen seinen politischen Ansichten übereinstimmen, so wenn Langer die Oktoberrevolution als Putsch der Bolschewiki abqualifiziert. Doch mit dem Buch hat er einen Beitrag dazu geleistet, dass ein wichtiges Kapitel linker Geschichte nicht vergessen wird. Menschen, die dabei waren, werden es ebenso mit Gewinn lesen, wie junge Leute, die noch nicht geboren waren, als die Autonome Antifa erstmals Bündnisse einging. Sie können sich diese Geschichte im heutigen Kampf gegen Rechts aneignen und selber entscheiden, was davon heute noch brauchbar ist. Die in dem Buch nachgedruckten Plakate, viele von ihnen sind kaum mehr bekannt, bringen die autonome Geschichte den Lesenden auch optisch nahe.

Münster: Unrast-Verlag, 2016. 256 S., 19,80 Euro

Bernd Langer: Kunst und Kampf. Werke und Aktionen aus 30 Jahren

von Peter Nowak

„Nicht bunt, sondern schwarz und rot sind unsere Fahnen“

KAMPF Jahrelang war Bernd Langer in der autonomen Antifa. Jetzt hat er ein Buch geschrieben

taz: Herr Langer, warum veröffentlichen Sie Ihre eigene Geschichte der autonomen Antifa-Bewegung?
Bernd Langer: Ich möchte die Entstehung der heutigen Antifa authentisch erzählen. Dies kann ich am ehrlichsten anhand meiner Entwicklung. Ich war seit Ende der 70er Jahre, also von Beginn an, beteiligt. Das Buch geht aber weit über Biografisches hinaus, thematisiert die politischen und gesellschaftlichen
Entwicklungen jener Zeit.


Sie schreiben über Ihre Bemühungen Ende der 1980er, die autonome Antifa für andere politische Kräfte bündnisfähig  zu machen. Wo lagen die Probleme?
Vor allem im Dogmatismus pseudoradikaler Szene-Apologeten. In den 80er Jahren war die autonome Antifabewegung nur ein kleiner, militanter Haufen mit einer gut organisierten,  aber sehr abgeschotteten Struktur. Das führte in die Sackgasse. 1988 war ich maßgeblich an der  Organisierung einer Antifa-Demonstration im niedersächsischen Mackenrode beteiligt, welche durch ein Bündnis von Autonomen bis hin zu Teilen des DGB und der Sozialdemokratie zustande kam. Diese Kooperation traf allerdings bei vielen Autonomen auf Widerstand, man versuchte mich durch politische Machtspiele kaltzustellen,
die Bündnispolitik wurde zunächst nicht aufgegriffen.

Welchen Zweck verfolgten Sie Ende der 1980er Jahre mit der Initiative Kunst und Kampf, die mit Agitprop-Aktionen und Plakaten für Aufsehen sorgte?
Dabei ging es um Kulturfähigkeit, das heißt, aus den Kämpfen entstehen eine neue Kunst und Kultur. Nicht individuelle Urheberschaft, sondern das politische Kollektiv ist entscheidend. So war es auch wichtig, eigene
Symbole zu kreieren und zu verbreiten, wie das Logo der Antifaschistischen Aktion. Das traf damals bei großen Teilen der autonomen Szene auf Ablehnung.


Die heutige autonome Antifaist bündnis- und kulturfähig. Ein später Erfolg für Sie?

Kulturfähig? Na ja. Bündnispolitik wird heute allerdings von und mit großen Teilen der Antifa betrieben. Doch oft droht die eigene politische Kontur in einem diffusen bunten Allerlei aufzugehen. Nicht bunt, sondern schwarz und rot sind unsere Fahnen!

INTERVIEW PETER NOWAK


■■„Kunst und Kampf“. Unrast-Verlag, 256 Seiten, 19,80 Euro
■■Buchvorstellung, heute Abendab 20.30 Uhr im Stadtteilladen Zielona Gora, Grünberger Str. 73

■■ Bernd Langer geb. 1960 in Bad Lautenberg, lebt in Berlin. Er war in der autonomen Antifa aktiv und gründete die Initiative Kunst und Kampf.

Barrikaden am Kotti gegen Kapp

Revolutionäres aus Kreuzbergs linker Geschichte / Vortrag heute Abend
Straßenkämpfe und Barrikaden am Kottbuser Tor im Herzen von Kreuzberg. Wer denkt da nicht an den 1. Mai? Doch heute informiert Bernd Langer von der Gruppe Kunst und Kampf (kuk), die sich seit Jahren mit linker Geschichte befasst, über ein vergessenes Kapitel linker Geschichte und Repression.

Vor 91 Jahren, am Abend des 17. und in den frühen Morgenstunden des 18. November 1920, wurden rund um das Kottbusser Tor 18 Personen, überwiegend Arbeiter, von Militärs getötet. Sie hatten wie überall in Deutschland mit einem Generalstreik, Fabrikbesetzungen und Barrikadenbau den Kapp-Putsch verhindert. Er war der erste Versuch der monarchistischen und völkischen Rechten, die Weimarer Republik zu stürzen. An dem Putsch waren auch Freikorps beteiligt, die in den Monaten zuvor von der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gegen revolutionäre Arbeiter eingesetzt worden waren.

Im Widerstand gegen den Putschversuch waren Gewerkschaften, SPD, USPD und KPD vereint. Doch damit hörte die Gemeinsamkeit schon auf. Die SPD wollte zum Status quo vor dem Putsch zurück. Dagegen verlangten die KPD, aber auch Teile der Gewerkschaften und der parteilosen, in Räten zusammengeschlossenen Arbeiter, die Entmachtung der alten wirtschaftlichen und politischen Eliten.

Am Freitagabend wird Langer am historischen Ort, im Südblock des Flachbaus in der Admiralstraße 1-2, über das Geschehen vor 91 Jahren berichten. Wer waren die Menschen, die gegen den Putsch gekämpft haben und getötet wurden? Warum waren sie sogar in einem Stadtteil, der doch viel auf seine revolutionären Traditionen hält, bis heute vergessen? So lauten einige der Fragen. Sicher wird es auch um Möglichkeiten gehen, der Opfer rechter Militärs im Straßenbild zu gedenken.

Bernd Langer, der lange Zeit in der antifaschistischen Bewegung Göttingens aktiv war, befasst sich seit den 90er Jahren mit linker Geschichte. Er organisiert regelmäßig Stadtrundfahrten zu Orten von revolutionärer Geschichte, zu Widerstand und Repression. Im Jahr 2009 hat er im AktivDruck-Verlag das Buch »Revolution und bewaffnete Aufstände in Deutschland 1918-1923« herausgegeben. Daneben nutzt Langer die Kunst für die Geschichtsvermittlung.

So ist im Goldenen Saal des Kunsthauses Tacheles ein Acrylgemälde von Berd Langer ausgestellt, das den Mitteldeutschen Aufstand vor 90 Jahren thematisiert. Im März 1921 wollten Arbeiter im Industriegebiet um Halle/Merseburg und dem Mansfelder Land mit einem bewaffneten Aufstand die Revolution entfachen und die alten Eliten entmachten.

18.3., 19.30 Uhr, Südblock im Flachbau · Admiralstraße 1-2, am Kotti; www.kunst-und-kampf.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193464.barrikaden-am-kotti-gegen-kapp.html

Peter Nowak