Hausfrauenlohn – eine alte Debatte neu gelesen
Viel wurde in letzter Zeit in linken Debatten vom Ende der Arbeitsgesellschaft gesprochen. Meist wird dieser Befund an der Entwicklung n der industriellen Produktion festgemacht. Doch in letzter Zeit meldeten sich vermehrt Stimmen zu Wort, die in diesen linken Konzepten eine Unsichtbarmachung der Reproduktionsarbeit sehen, die in den letzten Jahrzehnten weltweit gewachsen ist und noch immer überwiegend von Frauen ausgeübt wird. So fand 2009 in Berlin ein gut besuchter Kongress unter dem Titel „Who cares“ statt, der sich mit der Pflegearbeit in den Familien und im Dienstleistungssektor befasst. Feministische Zusammenhänge haben diese Debatten schon vor mehr 40 Jahren geführt. Der Münsteraner Verlag Edition Assemblage hat jetzt einige Grundlagentexte dieser Debatte in einem kleinen Band zusammengestellt und unter dem Titel „Aufstand aus der Küche“ veröffentlicht. Darin sind zwei aktuelle und ein alter Aufsatz der emeritierten US-Professorin Silvia Federici abgedruckt, die 1972 das „Feministische Kollektiv“ mitbegründete, dass mit der Forderung „Lohn für Hausfrauenarbeit“ weit über die feministische Bewegung hinaus für Kontroversen sorgte.
Federici formuliert in dem Band eine aktuelle Kritik der Reproduktinsarbeit im globaen Kapitalismus und plädiert für eine feministische Politik der Gemeingüter. Der Verlag eröffnet damit seine neue Reihe „Kitchen Politics – Querfeministische Interventionen“. Sie soll einen Mangel der aktuellen feministischen Diskussion beheben, die sich zu wenig um Kapitalismuskritik bemühe, zugleich aber den ökonomiekritischen, marxistischen Diskurs erweitern, der bis heute an einem männerdominierten Blick krankt und Geschlechterverhältnisse nur am Rande behandelt.
Federicis zentrales Anliegen war die Politisierung der Arbeitsteilung und der geschlechtsspezifischen Zuweisung der privaten, unbezahlten Sorgearbeit an Frauen. Die Forderung nach einem Hausfrauenlohn sorgte in linken Zusammenhängen für große Aufregung, galt sie doch als „Herdprämie“ fürs Zuhausebleiben und nicht zuletzt stellte sie den Arbeitsbegriff von Karl Marx infrage. Für ihn war Reproduktionsarbeit nicht produktiv, weil sie keinen Mehrwert erwirtschaftet.
Wie heftig die Diskussion damals auch in feministischen Zusammenhängen geführt wurde, zeigt der letzte Beitrag im Buch. Die 1974 verfasste Replik auf die Kritik des Hausfrauenlohns wurde damals von einer marxistischen Zeitung nicht abgedruckt. Fast 40 Jahre später liest sich er Text erstaunlich aktuell. Federicis These „Es ist aber nicht nötig, eine Fabrik zu betreten, um von der kapitalistischen Organisation der Arbeiter_innenklasse betroffen zu sein“. Das mag Mitte der 70er Jahren noch auf Unverständnis gestoßen sein. Im Zeitalter der boomenden Dienstleistungsbranche ist die Einschätzung nachvollziehbar. Das ist ganz im Sinne der Herausgeberinnen: Sie wollen mit dem Buch nicht etwa ein historisches Interesse befrieden, sondern einen Beitrag zur aktuellen Debatte um die Reproduktionsarbeit liefern.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/812138.feministischer-blick-auf-die-krise.html
Peter Nowak
Silvia Federici, Aufstand aus der Küche, Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution, Aus dem Englischen von Max Henninger, Edition Assemblage, Reihe: Kitchen Politics, Band 1, 128 Seiten, 9.80 Euro, Münster 2012, ISBN 978-3-942885-32-4
http://www.edition-assemblage.de/aufstand-aus-der-kuche