Seltene Erden statt Menschenrechte

Kasachstan, deren Diktator heute in Berlin auf Staatsbesuch weilte, steht nicht im Fokus von hiesigen Menschenrechtsinterventionisten

Der Versuch, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, endete in einem Blutbad, bei dem es nach Angaben von Beteiligten der Protestbewegung mindestens 70 Tote gegeben hat. Die Regierung spricht von 10 Todesopfern. Sondereinsatztruppen des Innenministeriums seien im Einsatz gewesen (Der Fluch des Öls in Kasachstan).

Nein, die Rede ist nicht von Syrien, sondern von Kasachstan. Die blutigen Vorfälle ereigneten sich vor knapp zwei Monaten, während des Streiks der Ölarbeiter in der kasachischen Stadt Zhanaozen. Selbst kritische Kommentatoren sehen die Hauptfehler der trotzkistisch orientierten Gewerkschaft und ihrer Unterstützer darin, zu naiv gewesen zu sein und die Arbeiter damit der Repression des autokratischen Regimes des Präsidenten Nursultan Nasarbajew ausgeliefert zu haben. Der hat am Mittwoch einen Staatsbesuch in Berlin absolviert.

Zu den wenigen Kritikern gehörten linke Solidaritätsgruppen und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Schon 2010 hieß es im Länderbericht dieses aus der Erbmasse der Sowjetunion entstandenen Staates: „Es gab nach wie vor zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen, obwohl die Regierung zugesichert hatte, mit einer ‚Null-Toleranz-Politik‘ dagegen vorgehen zu wollen.“ Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch hat sich die Situation der Menschenrechte in dem Land in der letzten Zeit sogar noch verschlechtert. Nach einer Verfassungsänderung darf Nasarbajew sich so lange wie er will zum Präsidenten wählen lassen. Schon bisher konnte von demokratischen Wahlen keine Rede sein.

Doch beim Staatsbesuch spielte nicht das Menschenrechtsthema, sondern der Abschluss von Wirtschaftsverträgen die zentrale Rolle. Kasachstan ist ein wichtiger Partner für die Wirtschaftsmacht Deutschland (Rohstoffpartner Kasachstan). Das Land verfügt über seltene Rohstoffe. Neben großen Mengen an Öl- und Gasvorkommen sind es seltene Erden. Das sind Metalle, die sehr selten vorkommen und für die Produktion moderner technischer Geräte wichtig sind. So wird Samarium für den Bau von Lasergeräten benötigt, Neodym steckt in Festplatten und Lanthan in Akkus für Elektro- und Hybridautos.

Der Chinabesuch, den Merkel mit einer großen Wirtschaftsdelegation .vor wenigen Tagen beendete, diente ebenfalls der Anbahnung von Verträgen zur Sicherung dieser seltenen Erden. Doch seit das Land seine Exporte drosselt, wird Kasachstan zunehmend zu einem gefragten Handelspartner.
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Peter Nowak