Kampf dem Vorurteil

Die Polizei kontrolliert nach Hautfarbe – immer mehr Initiativen wehren sich dagegen
Nach einem umstrittenen Gerichtsurteil, das »ethnische Kontrollen« legitimierte, organisieren Initiativen verstärkt Widerstand. Vorbild sind Kampagnen in anderen Ländern wie Kanada oder Großbritannien.

Laut Bundesregierung ist »eine unterschiedliche Behandlung von Personen in Abhängigkeit von Rasse, Herkunft oder Religion im Bundespolizeigesetz schon deshalb nicht enthalten, weil solche Methoden unvereinbar mit dem Verständnis von Polizeiarbeit in einem demokratischen Rechtsstaat sind«. Initiativen fordern indes ein eindeutiges gesetzliches Verbot, denn die Erfahrungen im Alltag sind andere.

Vor kurzem fuhr Biplab Basu mit seiner Tochter im Zug von Prag nach Berlin und wurde kontrolliert. »Der Polizist konnte mir aber nicht erklären, warum er gerade uns dafür ausgesucht hat und nach welchen Kriterien er vorgegangen ist. Als ich seine Motive als rassistisch bezeichnet habe, hat er mir mit einer Anzeige wegen übler Nachrede gedroht.« Was der Mitbegründer der Organisation Reach Out erlebt hat, können viele Menschen mit dunkler Hautfarbe berichten. Auf Bahnhöfen oder in der Innenstadt, immer wieder sind sie bei einer Polizeikontrolle die ersten. Am Wochenende wurde auf einer gut besuchten internationalen Konferenz in Berlin über Polizeikontrollen nach ethnischen Kriterien diskutiert und Gegenstrategien erörtert.

Vertreter aus Großbritannien und Kanada berichteten, dass solche Diskriminierung durch die Polizei in ihren Ländern Praxis sei, allerdings auch der Widerstand dagegen zugenommen habe. So existiert in Kanada eine unabhängige Polizeikommission, die Vorwürfe von ethnischer Diskriminierung untersucht. Auch in Großbritannien beschäftigten sich mittlerweile Polizeigremien verstärkt mit den Vorwürfen. In Deutschland wird von der Polizei hingegen abgestritten, dass Kontrollen nach ethnischen Kriterien wie Hautfarbe, Religion und Sprache durchgeführt würden. Wo es doch geschehe, handele es sich um bedauerliche Einzelfälle.

Im Februar hat ein Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz das »Racial Profiling« indessen sogar für rechtmäßig erklärt. Die Richter sprachen Angehörigen der Bundespolizei ausdrücklich das Recht zu, bei Stichprobenkontrollen in Zügen die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild vorzunehmen. Sie wiesen damit die Klage eines dunkelhäutigen Deutschen ab, der sich gegen die Kontrolle ohne konkreten Verdacht gewehrt hatte. Das Urteil ist derzeit im Berufungsverfahren.

In dem Prozess bestätigte der Polizist, dass der Mann wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde. Das Koblenzer Gericht sah darin »eine nur geringfügige Grundrechtsbeeinträchtigung mit einer sehr niedrigen Belastung im Einzelfall«, was bei Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen auf scharfe Kritik stieß. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) warnte vor einer Stigmatisierung der Opfer.

Das Urteil war der Startschuss für einen stärkeren Widerstand gegen die Kontrollen auch in Deutschland. Eine Onlinepetition wurde von über 15 000 Menschen unterstützt. Nach dem Urteil entstand auch die Idee zu der internationalen Konferenz.

Diskutiert wurde bei dem Treffen in der Berliner Werkstatt der Kulturen auch über antirassistische Schulungsprogramme bei der Polizei, die es in Großbritannien bereits gibt. Sebastian Friedrich von der 2002 gegründeten »Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt« (KOP), die die Konferenz initiierte, schließt eine Beteiligung an solchen Programmen für seine Organisation aus. Man diskutiere zwar auch darüber, wie mit konkreten Forderungen an die Polizeiarbeit die Situation diskriminierter Menschen verbessert werden kann. »Wir stehen dabei aber parteiisch auf Seiten der von Rassismus Betroffenen«, erklärt Friedrich gegenüber »nd«. Er setzt auf eine stärkere Beschäftigung mit der Thematik in außerinstitutionellen Zusammenhängen und eine größere Öffentlichkeitsarbeit.

Das Konzept scheint aufzugehen. Nach dem Vorbild von Berlin hat sich in Dresden eine Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt gegründet. Auch in anderen Städten besteht Interesse.

Ethnische 
Kontrollen

Racial Profiling wird mit ethnischen Kontrollen übersetzt. Dabei geht es um willkürliche Personenkontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen, in Zügen aufgrund von Hautfarbe, Ethnie, Religion oder Sprache, die Sicherheitsbehörden vornehmen. Dies soll »illegale Einwanderung« verhindern. In Berlin, wo verdachtsunabhängige Kontrollen in von der Polizei festgelegten »kriminalitätsbelasteten Orten« ebenfalls möglich sind, folgen diese häufig ethnischen Kriterien. Aus Sicht der »Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz« und vieler antirassistischer Initiativen ist Racial Profiling ein klarer Verstoß gegen die Grund- und Menschenrechte.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/801425.kampf-dem-vorurteil.html
Peter Nowak

Kampagne gegen ethnisches Profiling

Was bei Menschenrechtlern und EU-Gremien auf Kritik stößt, wurde von der deutschen Justiz nicht beanstandet

„Vor Kurzem bin ich mit meiner Tochter im Zug von Prag nach Berlin gefahren, und wir wurden kontrolliert. Der Polizist konnte mir aber nicht erklären, warum er gerade uns dafür ausgesucht hat und nach welchen Kriterien er vorgegangen ist. Als ich seine Motive als rassistisch bezeichnet habe, hat er mir mit einer Anzeige wegen übler Nachrede gedroht.“

Was der Mitbegründer der Organisation Reach Out, Biplab Basu, erlebt hat, können viele Menschen mit dunkler Hautfarbei berichten. Auf Bahnhöfen oder in der Innenstadt, immer wieder sind sie bei einer Polizeikontrolle die ersten. Dafür gibt es den Fachbegriff „racial profiling“, was auch mit „ethnischem Profiling“ übersetzt wird. Nach diesen Kriterien werden Polizeikontrollen in ganz Europa durchgeführt, dies wird von Menschenrechtsorganisationen und EU-Gremien scharf kritisiert.

Nur eine geringfügige Grundrechtsbeeinträchtigung?

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat hingegen vor einigen Monaten das ethnische Profiling für rechtmäßig erklärt und damit die Klage eines Betroffenen abgewiesen. Während einer Kontrolle im Zug hatte er eine heftige verbale Auseinandersetzung mit einem Polizisten, was dem Mann eine Beleidigungsklage einbrachte. In dem Prozess hat der Polizist als Zeuge ausgesagt, dass der Mann wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde.

Das Gericht sah darin nur „eine nur geringfügige Grundrechtsbeeinträchtigung mit einer sehr niedrigen Belastung im Einzelfall“, was bei Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsorganisationen nicht nur in Deutschland auf scharfe Kritik stieß. Eine daraufhin organisierte Onlinepetition gegen ethnisches Profiling wurde von über 15.000 Menschen unterstützt. Auch das Projekt einer Internationalen Konferenz, die am vergangenen Freitag und Samstag in Berlin von der Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt organisiert wurde, ist eine Reaktion auf das Urteil.

Das Interesse an der Konferenz war groß, wie die gut besuchte Auftaktveranstaltung und die Teilnahme an den 8 Arbeitsgruppen zeigte. Die Geschäftsführerin des Londoner Instituts of Race Relations, Liz Fekete, und die kanadische Rassismusforscherin Frances Henry berichteten über die Diskussionen zum Thema ethnische Diskriminierung durch die Polizei in ihren Ländern, die dort weiter fortgeschritten ist als in Deutschland. Der Befund, dass nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September in den USA weltweit Diskriminierungen auch aus ethnischen Gründen zugenommen haben, wäre aber zu einfach.

Schulung der Polizei eine Lösung?

Tatsächlich hat auch die Sensibilität gegenüber solchen Praktiken zugenommen. So existiert in Kanada eine unabhängige Polizeikommission, die regelmäßig Vorwürfe von ethnischer Diskriminierung untersucht. Auch in Großbritannien beschäftigten sich mittlerweile Polizeigremien verstärkt mit solchen Vorwürfen. In Deutschland wird von Polizeisprechern hingegen abgestritten, dass die Polizei nach dem Prinzip von ethnischen Kriterien Kontrollen durchführt.

Werden solche Vorfälle bekannt und können von Zeugen bestätigt werden, wird offiziell von bedauerlichen Einzelfällen gesprochen. Auf der Konferenz wurde auch diskutiert, ob es sinnvoll ist, mit antirassistischen Schulungsprogrammen die Sensibilität bei der Institution Polizei für die Gefahren der ethnischen Kontrolle zu erhöhen. In Großbritannien gibt es bereits solche Programme.

Sebastian Friedrich von der Berliner Initiative gegen rassistische Polizeigewalt schließt für seine Organisation eine solche Arbeit aus: Als Gründe führt er an, dass KOP-Berlin parteiisch auf Seiten der von Rassismus Betroffenen stehe und zum anderen Rassismus bei der Polizei als institutionelles Problem betrachtet wird, dem nicht mit einigen Kursen beizukommen sei.

Allerdings werde bei KOP-Berlin durchaus darüber diskutiert, wie auch mit konkreten Forderungen an die Polizeiarbeit die Situation der von Rassismus Betroffenen verbessert werden kann. Dabei setzt KOP allerdings auf eine stärkere Beschäftigung mit der Thematik in außerinstitutionellen Zusammenhängen und eine größere Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Konzept wird mittlerweile auch von anderen Städten übernommen. So hat sich vor kurzem nach dem Berliner Vorbild in Dresden eine Initiative gegen rassistische Polizeigewalt gegründet.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152985
Peter Nowak