Großer Aufwasch bei Accor

Filmdoku über Arbeitskampf von Reinigungskräften in Frankreich

Einigen sind die express-Berichte über den Arbeitskampf der drei Dutzend Reinigungskräfte gegen die Hotelkette Accor in Frankreich sicher noch in Erinnerung: Über drei Jahre, von 2002 bis 2004, hatten wir diese Auseinandersetzung publizistisch und mit Veranstaltungen begleitet. Nicht zuletzt ging es um die Frage, ob und inwiefern politischer und ökonomischer Druck auf den „Generalunternehmer“ in dieser von extremer Fragmentierung und Subunternehmertum geprägten Branche erfolgreich sein kann. Neben den Erfahrungen und Ergebnissen der Auseinandersetzung, die in der Reihe Ränkeschmiede (Nr. 14) festgehalten sind, ist nun eine filmische Dokumentation erschienen, die für gewerkschaftliche und öffentliche Diskussionsveranstaltungen genutzt werden kann:

„Kämpfen – wie in Frankreich“, lautet eine viel strapazierte Parole, wenn es um Streiks und Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit geht. Der Film „Großer Aufwasch im Subunternehmen“, der jetzt auf Deutsch erhältlich ist, zeigt, was damit gemeint sein kann. Er dokumentiert den jahrelangen Kampf von Reinigungsfrauen, meist afrikanischer Herkunft, die in Hotels der Accor-Kette in Frankreich für die Senkung des Arbeitsakkords und die Bezahlung nach Arbeitsstunden statt nach geputzten Hotelzimmern kämpfen. Der Film zeigt einen Streik, wie er in Deutschland kaum denkbar wäre: Die Frauen besetzen Hotelfoyers und lassen sich dort zum Picknick nieder. Unter den Augen der empörten Hotelleitung und mancher nicht minder empörter Hotelgäste, die beim Essen nicht von den Belangen des Reinigungspersonals gestört werden wollen, das ihnen die Zimmer sauber zu halten hat, machen die Frauen deutlich, dass sie sich nicht wegschieben und auch nicht den Mund verbieten lassen werden.
In einem der Hotels hinterlassen die Frauen gemeinsam mit dem Unterstützungskomitee soviel Unordnung, dass es für einige Stunden geschlossen werden muss. Der Film zeigt, mit welcher Gelassenheit diese Menschen Aktionen des zivilen Ungehorsams praktizieren, sich dabei völlig offen äußern und fotografieren lassen. Auch der Druck von Ehemännern und Verwandten kann ihre Kampfbereitschaft nicht dämpfen. Eine Frau berichtet, wie sie während des Streiks von den Eltern ihres Mannes unter Druck gesetzt wurde, den Streik abzubrechen, weil sie doch zum Arbeiten nach Frankreich gekommen sei.
„Großer Aufwasch im Subunternehmen“ dokumentiert damit auch ein Beispiel, wo es die Männer sind, die Druck auf die streikenden Frauen ausüben – und nicht umgekehrt, wie es oft in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung erscheint.

Nachdem die Frauen dem Accor-Konzern und seinen Subunternehmen endlich einen akzeptablen Vertrag abgerungen haben, wird Faty Mayant, eine der Streikaktivistinnen der ersten Stunde, entlassen. Gemeinsam mit einem Solidaritätskomitee nimmt sie den Kampf dagegen auf und lässt sich auch von Polizei und Hotelleitung nicht einschüchtern. Dabei hat sie noch nicht einmal die Unterstützung all jener Frauen, die jahrelang mit ihr gestreikt haben. Doch in dieser Situation zeigt sich, wie wichtig die Arbeit des Solidaritätskomitees ist. Der Film dokumentiert, mit welcher Entschlossenheit Faty Mayant für ihre Sache streitet und schließlich einen Teilerfolg erzielt. Ihren Job bekommt sie zwar nicht zurück, doch erhält sie eine finanzielle Abfindung. Die Filmemacherin Ivora Cusack und das Kollektiv 360°, das die Streikenden begleitet hat, machen in dem Film deutlich, dass die Reinigungskräfte von Accor und insbesondere Faty Mayant mit ihrem Kampf auch vielen anderen Mut gemacht haben, gegen unhaltbare Zustände an ihren Arbeitsplätzen aufzustehen – und dies in einer Branche, die exemplarisch für die Informalisierung, Prekarisierung und Individualisierung von Arbeitsverhältnissen und damit für die These der „Unorganisierbarkeit“ steht.
 
Peter Nowak

„Großer Aufwasch im Subunternehmen“, Frankreich 2010, 70 min., mit deutschen Untertiteln
Produktion/Vertrieb: Kollektiv 360° et même plus
Bestellungen über: http://remue-menage.360etmemeplus.org/
Der Film kann für öffentliche und gewerkschaftliche Schulungs- und/oder Diskussionsveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden und kostet, je nach Finanzausstattung der Veranstalter, zwischen 25 und 100 Euro (Solidaritätsveranstaltungen kostenlos).

Peter Nowak

aus Express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/2011

http://www.labournet.de/express/index.html