Vereint oder getrennt zu Karl und Rosa?

Das Kreuz mit dem linken Gedenken – eine scheinbar nicht enden wollende Debatte

In sechs Wochen jährt sich wieder der Todestag von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Alljährlich am zweiten Sonntag im Januar demonstrieren in Berlin Tausende zu deren Gräbern in Berlin-Friedrichsfelde. Anfang diesen Jahres entbrannte jedoch erneut eine heftige Diskussion über die Frage, wie den ermordeten Sozialisten gedacht werden soll. Ein linkes Jugendbündnis hatte erstmals eine eigene Demonstration angemeldet und wurde daher von einem Teil der Linken als »Spalter« beschimpft. Am Montagabend hingegen wurde im Berliner Initiativenzentrum Mehringhof engagiert und sachlich über »Das Kreuz mit dem linken Erbe« diskutiert.

Kirstin Witte von der Berliner Naturfreundejugend begründete, warum ihre Organisation mit den Falken, Jusos und einigen Solid-Verbänden die Initiative für eine eigene Demonstration ergriffen hat. Ihrer Ansicht nach sei die Erinnerung zu einem Ritual erstarrt. Zudem wäre zu fragen, ob »alt- und neostalinistische Organisationen« die richtigen Bündnispartner bei einer solchen Ehrung seien. Daran anknüpfend erinnerte sich Bernd Gehrke, wie zu DDR-Zeiten ein Freund aus der Oberschule ohne Organisationshintergrund, der individuell mit einer roten Fahne an der L-L-Demonstration teilnahm, anschließend von der Schule relegiert wurde. Danach habe Gehrke sich nicht mehr am alljährlichen Marsch zum Sozialistenfriedhof beteieligt – erst in den späten 90er Jahren wieder. Da machte er jedoch erneut eine unangenehme Erfahrung: Gehrke beobachtete, wie Aktivisten einer sich links verstehenden Jugendgruppe Trotzkisten mit den zynischen Rufen »Eispickel, Eispickel« provozierten. Aus diesem Grund sehe er in getrennten Demonstrationen eine Chance, wieder Menschen anzusprechen, die durch solch unerfreulichen Vorkommnisse abgeschreckt seien.
Bini Adamczak will linkes Gedenken stärker im Kontext des aktuellen Interesses an Alternativen zur kapitalistischen Gesellschaft verankert wissen. Bisher habe es beim Erinnern an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg eher ein »negatives Bündnis« gegeben: Man sei sich einig gegen die reaktionären Kräfte, die außer den beiden Mitbegründern der KPD Tausende Arbeiter ermordet hatte. Wenn es aber um die Frage einer neuen sozialistischen Gesellschaft geht, könne man, so Adamczak, nicht mit Gruppen zusammenarbeiten, die »stalinistische Herrschaftsmethoden begrüßen oder verharmlosen«. Auch der Basisgewerkschaftler Willi Hajek meinte, es genüge nicht, Luxemburg und Liebknecht als linke Ikonen zu verherrlichen. Wichtig sei vielmehr, ihre Schriften in Bezug zur heutigen politischen Situation zu studieren. Besonders aktuell seien Luxemburgs Schriften zum Massenstreik und Liebknechts theoretische und praktische Initiativen gegen Militarismus.
Das Publikum diskutierte die Frage einer getrennten Ehrung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kontrovers. Während die einen Distanz zu »stalinistischen« Demonstrationsteilnehmern forderten, verlangten die anderen, man müsse dann auch auch gleiche Distanz zu sozialdemokratischen Gruppen wahren. Witte stellte die Planungen für die vom linken Jugendbündnis geplante Demonstration am 12. Januar 2014 vor. Die Route soll durch das Berliner Zeitungsviertel gehen, wo im Januar 1919 heftige Auseinandersetzungen zwischen linken Arbeitern und Freikorps tobten. Als Motto habe man gewählt: »Fragend blicken wir zurück! Fragend schreiten wir voran«.
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Peter Nowak