Folter und Folterandrohung sollen in Europa tabu bleiben

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt die milde Bestrafung der für die Folterandrohungen gegenüber Gäfgen verantwortlichen Polizisten
Der wegen Kindesentführung und -tötung zu lebenslänglicher Haft verurteilte Jurist Markus Gäfgen hat einen Teilsieg errungen, der ihm aber wenig nützt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 1. Juni entschieden, dass deutsche Polizeibeamte bei Gäfgens Vernehmung die Menschenrechte verletzt hätten, als sie den Beschuldigten mit Folter drohten, wenn er das Versteck des entführten Kindes nicht offenbart.

„Der Gerichtshof war überzeugt, dass die deutschen Gerichte, sowohl im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als auch in demjenigen gegen die Polizeibeamten, ausdrücklich und eindeutig anerkannt hatten, dass die Behandlung des Beschwerdeführers bei seinem Verhör gegen Artikel 3 verstoßen hatte.“

Der Gerichtshof sparte auch nicht mit Kritik an den milden Strafen der verantwortlichen Polizisten, die „nicht den notwendigen Abschreckungseffekt hatten, um vergleichbaren Konventionsverletzungen vorzubeugen“. Ausdrücklich rügte das Gericht, dass die Folterdrohung keinen Karriereknick für alle Beamten bedeutete.

„Zudem gab die Tatsache, dass einer der Beamten später zum Leiter einer Dienststelle ernannt worden war, Anlass zu grundlegenden Zweifeln, ob die Behörden angemessen auf den Ernst der Lage angesichts einer Verletzung von Artikel 3 reagiert hatten.“

Mit dieser Entscheidung machte das Europäische Gericht klar, dass an dem absoluten Folterverbot nicht gerüttelt werden darf. Für Gäfgen allerdings ändert sich durch die Entscheidung nichts. Ein neues Verfahren, das er gefordert hatte, wird es nicht geben. Die Richter begründeten diese Entscheidung damit, dass maßgeblich für das Urteil nicht die unter Folterdrohung gemachten Aussagen, sondern ein späteres Geständnis war. Davor war Gäfgen erklärt wurden, dass alle vorherigen Aussagen nicht im Prozess verwendet werden.

In der Öffentlichkeit war teilweise Unverständnis laut geworden, dass Gäfgen die Möglichkeit habe, den langen Rechtsweg zu bestreiten. Das Urteil vom 1. Juni macht noch einmal die Haltlosigkeit einer solchen Position deutlich. Es stärkt rechtsstaatliche Positionen und zieht Pflöcke gegen jegliches kreative Herumlavieren am Folterverbot ein, ohne dass Gäfgen davon direkt profitiert.

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Peter Nowak