Die AfD muss nur hoffen, dass Seehofer geht

Die AfD treibt die CSU, aber auch die CDU vor sich her

Eine Streitfrage hat die AfD auf ihren Augsburger Parteitag wohl ausgeräumt. Die Rechtspartei erkannte die Desiderius-Erasmus-Stiftung als parteinah an, die von der mittlerweile ebenfalls parteinahen Erika Steinbach geleitet wird. Für die AfD geht es dabei um viel Geld und für rechte Akademiker um lukrative Posten. In den letzten Monaten gab es einen Konflikt zwischen unterschiedlichen Stiftungsmodellen. Dabei spielten aber eher persönliche Animositäten eine Rolle als inhaltliche Differenzen.

Wird das Rentenkonzept zum Stolperstein?

Ob das für nächstes Jahr angekündigte Rentenkonzept zum parteiinternen Streitpunkt wird, wie es viele Medien prognostizieren[1], ist noch nicht so klar. Die Unterscheidung sozial versus national, die in der Rentenfrage aufgemacht wird, ist zumindest irreführend. Denn einig ist man sich in der AfD, dass Rente nur für Deutsche im Mittelpunkt steht.

Auch die von dem Flügel um Höcke propagierte völkische Marktwirtschaft ist nicht antikapitalistisch, auch wenn man sich mit sozialer Phraseologie noch größere Einbrüche in die ehemals sozialdemokratische Wählerschaft erhofft. Bei den Landtagswahlen in mehreren ostdeutschen Bundesländern will sie stärkste Partei werden.

Der wirtschaftsliberale Parteichef Meuthen hat im ZDF-Interview schon die Deckungspunkte zwischen den unterschiedlichen Rentenkonzepten in den Mittelpunkt gestellt und beteuert, sein Konzept sei nicht wirtschaftsliberal und habe auch den Schutz von sozial Schwächeren im Auge.

Ansonsten hat der aktuell starke Mann der AfD, Alexander Gauland, sich noch mal auf das System Merkel eingeschossen und in einer rhetorischen Volte Seehofer aufgefordert, Merkel zu stürzen. Doch insgeheim fürchten das alle in der AfD. Denn dann würde ja die CSU der AfD ihre Themen wegnehmen. Es läuft für die Partei doch zurzeit sehr gut.

„Die AfD hält, was die CSU verspricht“

Mag auch am Sonntag die Zuspitzung des unionsinternen Streits den Parteitag medial etwas in den Hintergrund gedrängt haben, wäre doch der Rücktritt oder eine Demontage Seehofers das Beste, was der AfD passieren könnte. Schließlich hat der in AfD-Kreisen einflussreiche Publizist Jürgen Elsässer im aktuellen Editorial des Compact-Magazin erklärt, dass Seehofer nicht in der Lage sein wird, seine Versprechen der Grenzschließung umzusetzen. Im bayerischen Landtagswahlkampf kann die AfD die CSU dann als Partei vorführen, die zu schwach ist, um ihre Ankündigungen umzusetzen. Schon hat die AfD Plakate mit der Parole aufgestellt: „Die AfD hält, was die CSU verspricht“.

Damit wird aber auch deutlich, wie sich in der Migrationsfrage die AfD beim Themensetting nicht nur bei der CSU durchgesetzt hat. Das gilt auch für die Merkel-Union. Denn im Streit mit Seehofer geht es nicht um Integration versus Abschottung, sondern um Abschottung auf europäischer Ebene versus nationale Alleingänge. Der konservative Publizist Peter Siebenmorgen fasste das Verhältnis in einem Taz-Interview[2] so zusammen:

Das ist ja das Schizophrene. Merkel tut längst das, was die CSU möchte, will aber gleichzeitig ihren Heiligenschein erhalten. Parteien mögen es überhaupt nicht, wenn eine andere Partei für sich die moralische Überlegenheit beansprucht. Genau das macht Merkel.

Peter Siebenmorgen

Trotzdem hören wir tagtäglich das Mantra von Merkel als Garantin der offenen Gesellschaft und von „Europa, dieses schönste Kind der neuen Zeit“, wie die Historikerin Hedwig Richter[3] so schwelgerisch wie frei von Argumenten fabulierte[4]. So zeigt sich der Einfluss der AfD auch bei ihren Gegnern. Wenn dann auf der Anti-AfD-Demonstration in Augsburg CSU-Politiker reden konnten, was allerdings nicht ohne Proteste möglich war, zeigt sich mal wieder ein hilfloser Antifaschismus in Aktion.

Peter Nowak
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[1] https://www.wiwo.de/politik/deutschland/sozial-oder-liberal-wohin-solls-gehen-afd/22754840.html
[2] http://www.taz.de/!5514128/
[3] https://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zegk/histsem/
mitglieder/ls_neuere_geschichte_aktuelles.html
[4] http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5513783&s=&SuchRahmen=Print/

Gekapertes Material


Die FPÖ verliert gegen Filmpiraten

Drei Jahre hat es gedauert, bis der Rechtsstreit zwischen der österreichischen FPÖ und dem Erfurter Verein Filmpiraten mit einem Vergleich beendet wurde. Die rechts­populistische Partei, die mittlerweile Teil der Regierung in Wien ist, muss an den Verein 6.100 Euro zahlen und hat sich zudem verpflichtet, das Video­material der Filmpiraten künftig nicht mehr zu verwenden.Der Verein, der seit mehr als zehn Jahren antifaschistische Videos produ­ziert, verklagte die FPÖ 2015 wegen einer Urheberrechtsverletzung. Die Partei hatte Videomaterial der Film­piraten auf ihrem Youtube­Kanal ver­wendet. Es waren Ausschnitte aus dem Prozess gegen den Jenaer Studen­ten Josef S., der 2014 im Zuge der Proteste gegen den Wiener Akademi­kerball – ein Stelldichein der euro­päischen Rechtsaußenpolitiker – unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs verhaftet worden war und mehrere Mo­nate in Untersuchungshaft saß. In Deutschland und Österreich war damalseine Solidaritätskampagne entstan­den, zu der die Filmpiraten mit ihrem Video einen Beitrag leisten wollten. Nach seiner Freilassung erhielt Josef S. den Zivilcourage­Preis der Stadt Jena.Die FPÖ hatte die Filmausschnitte für eine Kampagne gegen Antifaschisten genutzt und mit entsprechend hetzeri­schen Texten unterlegt. Auf die Urhe­berrechtsklage reagierte sie ihrerseits mit einer Gegenklage vor dem Wiener Handelsgericht wegen Behinderung der Meinungsfreiheit und falscher An­schuldigung. Die Prozesskosten hätten für den kleinen Erfurter Verein, dessen Mitarbeiter ehrenamtlich tätig sind, exis­tenzbedrohend sein können. „Die FPÖ hatte den Streitwert auf 35.000 Euro an­gesetzt. Wir wären sofort insolvent gewesen. Das war wahrscheinlich deren Strategie, die sie auch gegen andere Kritiker wie die Zeitung Linkswende an­wendet“, sagt dazu Jan Smendek, der Sprecher der Filmpiraten. Eine Solidari­tätskampagne, bei der über 10.000 Euro zusammenkamen, bewahrte den Verein vor dem Ruin.Dass Bildmaterial ohne Zustimmung der Urheber verwendet und für eine eigene politische Agenda benutzt wird, kommt immer wieder vor. Die langjäh­rige CDU­-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die im letzten Bundestags­wahlkampf die AfD unterstützte, wurde dabei gleich mehrmals ertappt. Einmal postete sie mit der Headline „Deutsch­land 2030“ ein Foto, auf dem eine Gruppe fremdländisch aussehenderKinder ein blondes Mädchen bestaunt. Das Foto war zuvor auf rechten Internet­seiten verschiedener Länder mit dem jeweiligen Ländernamen aufgetaucht. Hartnäckige Recherchen eines NDR­Journalisten ergaben, dass es auf der In­dienreise einer australischen Familie entstanden war, die „einen Moment vollerLiebe“ festhalten wollte und „das Mit­einander verschiedener Kulturen von Menschen“. Das andere Mal postete sie das Bild einer jungen Frau mit Refu­gees­Welcome­Tasche, die achtlos an einem Bettler vorbeigeht. Es stammte von der Fotodatenbank Fotolia und der Aufdruck war nachträglich einmon­tiert worden. Steinbach wurde danach mit viel Spott, aber nicht mit juristischenKlagen konfrontiert.Jan Smendek bereut nicht, dass die Filmpiraten gegen die FPÖ den Rechts­weg beschritten haben. Jetzt aber wollen sie sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. In einigen Monaten wird ihr bisher aufwendigster Film fertig,für den sie über ein Jahr recherchiert haben. Er erzählt die Geschichte eines bisher unbeachteten Opfers rechter Gewalt in Thüringen.
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aus:
der Freitag | Nr.4 | 25. Januar 2018Kultur

Peter Nowak