Der Schritt aus dem Internet

Die extrem rechte »Identitäre Bewegung« besetzte kurzfristig die SPD-Zentralen in Berlin und Hamburg

Die sogenannte Identitäre Bewegung war bisher vor allem im Internet aktiv. Nun sucht sie die Öffentlichkeit. Zielgruppe sind junge Leute, die die traditionelle extrem rechte Szene nicht erreicht.

»Stoppt den großen Austausch, Geburtenrückgang, Masseneinwanderung«, stand auf den in den Farben gelb, schwarz und weiß gehaltenen Transparent, das am Sonntagabend für einige Minuten auf einem Balkon der Bundeszentrale der SPD im Berliner Willy-Brand-Hauses hing. Was war da passiert bei den Sozialdemokraten?

»Fünf Personen haben am frühen Sonntagabend einen Balkon besetzt, der sich an der Spitze des Willy-Brandt-Hauses im ersten Stock befindet. Sie sind nicht in das Haus gelangt, sondern mittels einer Leiter von außen auf den Balkon gestiegen«, erläutert der stellvertretende Sprecher des SPD-Parteivorstands, Steffen Hebestreit, gegenüber dieser Zeitung. Bevor die Polizei eintraf, seien die Personen bereits verschwunden gewesen. Inzwischen ermittelt auch der Staatsschutz ermittelt.

Offenbar war es die extrem rechte »Identitäre Bewegung« (IDB), die nicht nur in Berlin, sondern fast zeitgleich auch die Hamburger SPD-Landeszentrale symbolisch »besetzte«. In einer Erklärung, die zurzeit im Internet verbreitet wird, heißt es: »In öffentlichen Verlautbarungen der politischen Eliten aus dem SPD-Umfeld kann immer wieder festgestellt werden, wie wenig sie für das eigene Volk noch übrig haben, welches sie lediglich als billiges Stimmvieh« betrachteten. Zugleich habe die SPD, »in ihren Mitregierungsverantwortungen klar die Politik des Großen Austausches forciert« und trage damit eine »Verantwortung dafür (…), dass wir als Deutsche in nur wenigen Jahrzehnten zur Minderheit im eigenen Land« würden.

Eine Mitarbeiterin des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildzentrums e. V. (Apabiz) erklärte gegenüber »nd«, dass die Identitäre Bewegung bisher in Berlin kaum in Erscheinung getreten sei. Auch bundesweit war es zuletzt ruhig um die »Bewegung« geworden, die sich in Deutschland im Oktober 2012 als Facebook-Gruppe mit dem Ziel gegründet hatte, nach dem Vorbild des französischen »Bloc Identitaire« mit Flashmobs, Besetzungen und anderen jugendgemäßen Aktionsformen den Kampf der Kulturen zu führen.

Es müsse nun beobachtet werden, meint man beim Apabiz, ob die Kurzzeitbesetzung der Auftakt für eine verstärke Aktivität der »Identitären« werde. Auf einem Treffen vor einem Jahr wurde ein Verein »Identitäre Bewegung e. V.« mit Sitz in Paderborn gegründet. Statt einer losen Facebook-Vernetzung existieren jetzt bundesweit 16 lokale Gruppen. Seitdem sind die »Identitären« in einigen Städten verstärkt mit Plakaten und Aufklebern in Erscheinung getreten, die sich inhaltlich um Schlagwörter wie Heimat, Patriotismus und Tradition drehen.

Die IDB, die sich selbst als Nichtregierungsorganisation bezeichnet, hat sich bisher aus der vielfach zerstrittenen extrem rechten Szene herausgehalten. Allerdings existiert auch kein Abgrenzungsbeschluss nach rechts. So können Mitglieder unterschiedlicher zerstrittener Szenen und Gruppierungen der Szene in der IDB kooperieren. Zudem sollen gezielt junge Menschen angesprochen werden, die sich nicht den traditionellen rechten Gruppierungen anschließen würden.

Peter Nowak

Peter Nowak