Die Organisatoren der Proteste gegen den G20-Gipfel lassen sich durch großen Druck nach dem Riot der letzten Nacht nicht spalten. Allerdings haben manche Ex-Linke schon im Vorfeld des Gipfels für Merkel Partei ergriffen
Sitzblockaden sind nicht automatisch strafbar. Das ist das Resümee einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März.
Geklagt hatte ein Frankfurter, der im März 2004 zusammen mit 40 weiteren Aktivisten aus Protest gegen den Irak-Krieg eine Zufahrt zu einem US-Stützpunkt blockiert hatte. Daraufhin wurde er vom Amtsgericht Frankfurt wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun fest, dass diese Verurteilung den Angeklagten in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, festgeschrieben in Artikel 8 des Grundgesetzes, verletze. Die Richter in Frankfurt hätten die Angemessenheit der Gewaltanwendung berücksichtigen müssen. So sei die Aktion im Vorfeld angemeldet worden und es standen Ausweichstrecken zur Verfügung. Der Fall muss nun vor dem Landgericht Frankfurt neu verhandelt werden.
In der Begründung ihrer schreiben die Richter:
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Der Umstand, dass die gemeinsame Sitzblockade der öffentlichen Meinungsbildung galt – hier: dem Protest gegen die militärische Intervention der US-amerikanischen Streitkräfte im Irak und deren Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland -, macht diese erst zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG.
Die Richter machten ihren Kollegen von der Vorinstanz zudem klar, dass die Demonstranten selber über den Ort ihrer Proteste entscheiden.
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Der Argumentation des Landgerichts, dass die unter Umständen betroffenen US-amerikanischen Staatsbürger und Soldaten die Irakpolitik der US-amerikanischen Regierung nicht beeinflussen könnten, so dass die Aktion von ihrem Kommunikationszweck her betrachtet ungeeignet gewesen sei, scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass ein derartiger Sachbezug nur dann besteht, wenn die Versammlung an Orten abgehalten wird, an denen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger und Repräsentanten für die den Protest auslösenden Zustände oder Ereignisse aktuell aufhalten oder zumindest institutionell ihren Sitz haben. Eine derartige Begrenzung auf Versammlungen im näheren Umfeld von Entscheidungsträgern und Repräsentanten würde jedoch die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit mit unzumutbar hohen Hürden versehen und dem Recht der Veranstalter, grundsätzlich selbst über die ihm als symbolträchtig geeignet erscheinenden Orte zu bestimmen, nicht hinreichend Rechnung tragen.
Klar wird auch erklärt, dass nicht jede Behinderung als „unfriedlich“ gelten kann:
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Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.
Auch Antifa-Blockaden angemessen?
Die Entscheidung dürfte auch über den aktuellen Fall hinaus Bedeutung haben. Besonders die Blockade eines Neonaziaufmarsches in Dresden sorgte für große Diskussionen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Bautzen im Januar 2010 entschieden hatte, die Polizei hätte eine antifaschistische Blockade im Jahr 2010 auflösen und den Rechten ihr Demonstrationsrecht gewährleisten müssen.
Gegen zahlreiche Menschen, die sich im Februar 2011 abermals an Blockaden gegen den rechten Aufmarsch in Dresden beteiligten, ermittelt die Polizei. Gegen das für die Blockaden verantwortliche Bündnis Dresden nazifrei wird sogar nach dem Paragrafen §129 wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt sich die Frage, ob auch die Blockaden gegen den rechten Aufmarsch angemessen sind oder nicht.