Ruhe auf dem Campus

Zehntausende Studierende demonstrieren gegen das Kürzungsprogramm der Regierung. Solche Bilder kamen in den letzten Tagen aus Italien und Großbritannien. Auch in Österreich sind vor einigen Wochen in verschiedenen Städten Kommilitonen auf die Straße gegangen. Nur in Deutschland herrscht Ruhe auf dem Campus, und auch für Sozialproteste sind die Studierenden zurzeit nicht mehr zu begeistern als die übrige Bevölkerung. Das zeigte sich am 26. November in Berlin. Obwohl an den Hochschulen für die Proteste gegen das Sparpaket der Bundesregierung mobilisiert wurde, beteiligten sich an der Bundestagsbelagerung fast nur die Mitglieder des Studierentenverbandes Die Linke.sds. Vor einem Jahr sah das Bild noch ganz anders aus. Anlässlich des Bildungsstreiks gab es zahlreiche Demonstrationen, und viele Hochschulgebäude in der ganzen Republik waren besetzt.

Der AStA der Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main erinnerte dieser Tage mit einer Pressemitteilung an die Bildungsproteste vor einem Jahr. Doch dabei handelt es sich um eine nachträgliche Distanzierung. »Es ist schade, dass die wichtigen Inhalte der Protestbewegung durch die Casino-Besetzung überschattet wurden (…) Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass eine notwendige Diskussion über Studienbedingungen durch eine unglückliche Aktion überdeckt wird«, heißt es in der Erklärung des AStA. Dabei hatte die Casino-Besetzung viel Unterstützung nicht nur von Studierenden, sondern auch von Seiten kritischer Wissenschaftler erfahren. Die polizeiliche Räumung und die versuchte Kriminalisierung der Aktivisten führten zu einer bundesweiten Solidarisierung.

Es war wesentlich den mehrjährigen studentischen Protesten in Hessen zu verdanken, dass in Hessen die Studiengebühren zurückgenommen wurden, als es eine parlamentarische Mehrheit dafür gab. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Unimaut bisher nicht wieder eingeführt. Studentischer Protest kann also durchaus erfolgreich sein.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/185560.ruhe-auf-dem-campus.html

Peter Nowak