Kleine Erfolge

Nikolai Huke zieht Bilanz der Krisen-Protestbewegung in Spanien

Nikolai Huke: Krisenproteste in Spanien. Zwischen Selbstorganisation und Überfall auf die Institutionen, Edition Assemblage, Münster, 175 Seiten, 14,80 Euro, ISBN: 978-3960420064

Knapp fünf Jahre ist es her, dass in Spanien im Zeichen der Euro- und Bankenkrise eine massive Protestbewegung mit Platzbesetzungen, Großdemonstrationen und Streiks eine solidarische Gesellschaft einforderte. Am 15. März 2011 besetzte die Bewegung der Indignados öffentliche Plätze in zahlreichen spanischen Städten.

Die Aktion, die bewusst in Abgrenzung zu sämtlichen etablierten politischen Organisationen vorbereitet wurde, gab der Unzufriedenheit großer Teile der spanischen Bevölkerung mit der Austeritätspolitik einen politischen Ausdruck, schreibt der Tübinger Politologe Nicolai Huke in seiner im Verlag Edition Assemblage herausgegeben fundierten Untersuchung über die kurze Geschichte der Krisenproteste in Spanien.

Obwohl Indignados mit ihren Platzbesetzungen zum Symbol geworden waren, bildeten sie nur einen Teil der spanischen Protestbewegung ab. Ausführlich geht Huke auf die von der Bewegung der Hypothekenbetroffenen (PAH) organisierten Kämpfe gegen Zwangsräumungen ein. „Das individuelle Problem der Hypothekenschulden wurde zu einer Frage kollektiver Organisierung“, beschreibt er die Bedeutung der wesentlich von Frauen getragenen Organisation.

Auch bei den Protesten im Bildungs- und Gesundheitsbereich in den Jahren 2012 bis 2014 spielten Frauen eine wichtige Rolle. Die Marea Verde im Bildungs- und die Marea Blanca im Gesundheitsbereich mobilisierten nicht nur gegen die staatliche Kürzungsorgie. Mit ihrer Forderung nach Bildung und Gesundheit für Alle konnten sie auf großen Vollversammlungen Lehrende, Schüler/innen aber auch Eltern und Patient/innen begeistern. Huke beschreibt, wie die etablierten Gewerkschaften irritiert über die neuen Aktionsformen waren, sich aber in der politischen Auseinandersetzung neue Kooperationen herausbildeten.

Höhepunkt dieser gewerkschaftlichen Mobilisierung war der landesweite Generalstreik vom 29. März 2012. Im letzten Kapitel skizziert der Politologe die verschiedenen neuen Parteineugründungen wie CUP und Podemos aber auch kommunale Wahlbündnisse in Madrid und Barcelona, mit denen die Aktivisten die Institutionen besetzen wollten. Diese neuen Parteien profitierten von der Erschöpfung des außerparlamentarischen Protestzyklus, die spätestens ab 2014 deutlich geworden war.

Hukes Fazit der kurzen Geschichte der spanischen Protestbewegungen ist dennoch optimistisch. Ihnen sei es gelungen, „kleine Erfolge zu erzielen, die durch ihr erfolgreiches Scheitern die spanische Gesellschaft grundlegend veränderten“.

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8. Oktober 2016

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Peter Nowak