Das Ergebnis macht wieder einmal deutlich, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten auf Ausgrenzung setzt
„Deine eigene Situation wird nicht besser, wenn Du diejenige der anderen verschlimmerst. Stimme Nein am 9. Juni.“ Mit solchen Statements wollten Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen in der Schweiz verhindern, dass bei einem Referendum am vergangenen Sonntag die von der Regierung eingebrachten und Ende September letzten Jahres in Kraft getretenen Verschärfungen des Asylrechts von den Wählern bestätigt werden.
Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen und linke Parteien setzten sich dafür ein, dass die liberale Variante des Asylrechts wieder in Kraft tritt. Ihre Bemühungen waren vergeblich. Knapp 79 % der Abstimmenden votierten für das verschärfte Asylrecht. Das Ergebnis war schon in Umfragen prognostiziert worden.
Repression gegen Flüchtlinge befürchtet
Nach den vom Referendum bestätigten Verschärfungen können Deserteure nicht mehr auf Asyl in der Schweiz hoffen. In den letzten Monaten hatten vor allem Flüchtlinge aus Eritrea häufiger in der Schweiz Asylanträge gestellt und auf die harten Strafen verwiesen, die ihnen in ihrem Heimatland drohen.
Mit der Verschärfung des Asylrechts wird auch ignoriert, dass in vielen Ländern menschenunwürdige Zustände beim Militär bestehen und jungen Wehrpflichtigen unter Umständen zu Menschenrechtsverletzungen gezwungen werden. Während die Schweiz wie Deutschland und viele anderen Ländern beim Waffenhandel eine wichtige Rolle spielt, zieht man vor den Menschen die Mauern hoch, die sich weigern, sie zu benutzen. Zudem ist es nach der Verschärfung nicht mehr möglich, bei Schweizer Botschaften Asyl zu beantragen. Diese europaweit liberale Regelung fällt weg. Auch das Recht auf Familienzusammenführung wird nun eingeschränkt.
Ein besonders heftig diskutierter Punkt im neuen Schweizer Asylgesetz ist die Einrichtung spezieller Zentren für Asylbewerber, die als „Unruhestifter“ stigmatisiert werden. Im Vorfeld des Referendums wurde Stimmung mit der Behauptung gemacht, dass im letzten Jahr die Zahl der von Asylbewerbern begangenen Vergehen um rund 38 Prozent gestiegen sei. Wie bei ähnlichen Meldungen in Deutschland wird hier nicht erwähnt, dass viele dieser Vergehen nur von Flüchtlingen begangen werden können, wenn sie die Einschränkungen des Asylrechts missachten.
Wie in Deutschland haben sich auch in der Schweiz im letzten Jahr Flüchtlinge mit vielfältigen Aktionen dagegen gewehrt und den Grundsatz „Asyl für Alle“ auf die Straße getragen. Die Kampagne gegen Unruhestifter könnte schnell genutzt werden, solche Aktivitäten zu kriminalisieren. Davor warnt auch die Gewerkschaft Unia: „Die Wegsperrung von Menschen ohne Gerichtsbeschluss widerspricht klar rechtstaatlichen Prinzipien und den verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechten. Zudem ist der Begriff „renitent“ völlig vage: Er ist juristisch nicht definiert und öffnet der Willkür Tür und Tor“
Abschottung und Opfer bringen
Der Ausgang des Referendums ist ganz nach dem Geschmack der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei, die in dem Land in Sachen Asylrecht oft den Takt vorgibt. Schon legt ihre Züricher Sektion nach und fordert weitere Einschränkungen beim Asylrecht.
Das Referendumsergebnis macht wieder einmal deutlich, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten auf Ausgrenzung setzt. Das Bewusstsein einer Konkurrenzgesellschaft, wo jeder sich selber der Nächste ist, drückt sich in solchen Ergebnissen aus. Dass ihre eigene Situation nicht besser wird, wenn die Situation anderer verschlechtert wird, stimmt. Doch die Menschen, die stolz oder zumindest schicksalsergeben Opfer für den eigenen Wirtschaftsstandort in Kauf nehmen, setzen sich besonders dafür ein, diesen gegen andere abzusichern.
So hat sich im letzen Jahr bei einem Referendum eine Mehrheit in der Schweiz gegen einen längeren Urlaub ausgesprochen, weil der angeblich den Wirtschaftsstandort beeinträchtigen könnte (Schweizer sagen Nein zu mehr Urlaub). Das ist auch der Grund, warum rechte Parteien mittlerweile die Instrumente der Volksabstimmungen in der Regel gerne nutzen, um ihre Politik zu legitimieren. Die SVP wollte mit einem Referendum erreichen, dass Regierungsmitglieder statt vom Parlament direkt von der Bevölkerung gewählt werden. Diesen Vorstoß lehnten am Sonntag allerdings rund 76 Prozent der Wähler ab.
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Peter Nowak