Das gierige Start-up

Mitfahrdienst Blablacar führt Gebühren in Deutschland ein – und erntet Kritik

Wer derzeit über das Onlineportal Blablacar eine Mitfahrgelegenheit buchen will, muss mehr Geduld aufbringen. In letzter Zeit ist die Anzahl der dort angebotenen Fahrten zurückgegangen. Grund ist das neue Bezahlsystem, das der Internetdienst kürzlich eingeführt hat. Fahrten können nur noch im Voraus per Kreditkarte, Paypal oder Sofort-Überweisung bezahlt werden. Kürzlich hat das 2006 in Paris gegründete Unternehmen, das seit 2013 auch in Deutschland aktiv ist, eine Vermittlungsgebühr eingeführt, die von der Länge der angebotenen Strecke abhängig ist. Für die Fahrt von Berlin nach Hamburg etwa fallen für Autobesitzer Zusatzkosten von drei Euro an. Reservierungsgebühren sind offenbar ebenfalls im Gespräch.

Das wollen viele Mitfahrer nicht akzeptieren. In einer Pressemitteilung erinnert die Internetplattform Fahrgemeinschaften.de daran, dass bereits 2013 der Onlinedienst mitfahrgelegenheit.de mit der Einführung von Gebühren gescheitert ist. Immer mehr Nutzer suchten nach Alternativen und kurze Zeit später wurde der Betreiber von Blablacar aufgekauft. »Kostenlos sind wir schon«, positionierte sich der französische Konzern damals gegen seinen Kontrahenten. Diese Aussage halten empörte Nutzer Blablacar jetzt Nutzern in sozialen Netzwerken vor. »Die haben schon vor der Einführung des Bezahlsystems Texte gestrichen oder verändert. Ich glaube denen kein Wort«, schreibt ein Kommentator.

Mit der Plattform fahrgemeinschaft.de steht eine vorerst gebührenfreie Alternative bereit. Das Unternehmen erklärt, die täglichen Nutzerzahlen hätten sich verdreifacht, seit Blablacar die Gebührenregelung einführte. Auf der Plattform von fahrgemeinschaft.de wird Blablacar zudem vorgeworfen mit Fake-Profilen, einen größeren Nutzererfolg vorzutäuschen. Der Kontrahent spricht indes von unwahren Behauptungen und prüft rechtliche Schritte.

Das französische Unternehmen, dessen Firmenwert von Investoren zuletzt auf rund 1,4 Milliarden Euro taxiert wurde, sieht sich auch nach der Einführung des Gebührenmodells in Deutschland weiter auf Wachstumskurs. Ein Sprecher verweist auf Frankreich, Italien und Spanien, wo Blablacar trotz Gebühren Marktführer bei den Mitfahrzentralen blieb. Allerdings werden in diesen Ländern Mitfahrgelegenheiten generell weniger genutzt als in Deutschland.

Auch am Konkurrenten fahrgemeinschaft.de gibt es Kritik – wegen seiner Kooperation mit dem Automobilclub ADAC. So schreibt ein Nutzer auf einer Facebook-Seite, auf der über einen Blablacar-Boykott diskutiert wird: »Sollten die es wirklich schaffen und Blablacar ablösen – wer weiß, was dann wieder passiert.« So könnte der »Aufstand der Mitfahrer«, von dem das »Handelsblatt« spricht, nur dazu führen, dass statt Blablacar ein anderes Unternehmen das Geschäft mit der Vermittlung macht. Schließlich gehört es zum Geschäftsmodell von Start-up-Unternehmen, zunächst mit Gratisdiensten zu expandieren und die Konkurrenz zu schlucken, um danach die Nutzer zur Kasse zu bitten.

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Peter Nowak