Drei Monate aussetzen, aber nicht abschalten – oder doch?

Die Bundesregierung will an der AKW-Front Zeit gewinnen, die nächsten Landtagswahlen werden zeigen, ob es ihr gelingt
Ein Moratorium von drei Monaten bei der Umsetzung der Laufzeitverlängerung der AKWs hat Bundeskanzlerin Merkel am Nachmittag angekündigt. In dieser Zeit sollen alle AKWs in Deutschland einer angeblich tabulosen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Die Details bei der Umsetzung dieses Moratoriums will die Bundeskanzlerin mit der Wirtschaft und den Ministerpräsidenten der Länder besprechen. Davon wird auch abhängen, ob einige AKWs, vor allem in Rheinlandpfalz und Baden-Württemberg, sofort stillgelegt werden.
   

Mit der Entscheidung will die Bundesregierung deutlich machen, dass sie angesichts der Ereignisse in Japan schnell handelt. Ob ihr das gelingt, dürfte sich an den Ergebnissen der anstehenden Landtagswahlen deutlich zeigen.

Unabhängig von der Entwicklung der japanischen AKWs ist das Ereignis für die Bundesregierung schon jetzt ein Supergau. Kurz vor entscheidenden Landtagswahlen, bei denen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten eine wichtige Rolle spielt und einer wieder aktivierten Anti-AKW-Bewegung, die sich anders als noch vor einem Jahrzehnt, durchaus auch für grüne Wahlkampfpläne einspannen lässt, rückt durch die Ereignisse in Japan das Thema AKW-Sicherheit ins Zentrum der deutschen Politik. Allein die vielen Sondersendungen auf fast allen Funk- und Fernsehprogrammen, bei denen oft nur vermeldet wurde, dass über die Situation in den AKWs wenig Neues berichtet werden kann, aber die realen Opfer von Erdbeben und Tsunami nur am Rande erwähnt wurden, macht deutlich, dass die Angst vor der Radioaktivität, die manche als typisch deutsch halten, hierzulande wieder dominiert

 Eine solche Grundstimmung kann die Bundesregierung nicht außer Acht lassen. Sie will deutlich machen, dass sie die Sorgen der Bevölkerung und zumindest teilweise potentiellen Wählern, ernst nimmt. Gleichzeitig muss sie den Eindruck zu vermeiden versuchen, sie hätte mit der Laufzeitverlängerung einen Fehler gemacht und schlage nun durch den Druck aus Japan eine Richtung ein, die die Opposition von Anfang an gefordert hat. Deshalb soll das Moratorium auch nicht mit einer Änderung des Gesetzes zur Laufzeitverlängerung verbunden sein.

„Genau diese Laufzeitverlängerung brauchen wir“

Diese schwer lösbare Aufgabe führte erst einmal zu scheinbar völlig unterschiedlichen Aussagen von Politikern der Regierungsparteien. So gab sich die umweltpolitische Sprecherin der Union Maria-Luise Dött noch heute Mittag im Interview unbeeindruckt von den Ereignissen in Japan. Sie antwortete auf die Frage, ob die Bundesregierung die Laufzeitverlängerungen zurücknehmen soll:
 Nein, der Meinung bin ich nicht. Wir haben eine große Diskussion geführt um unser Energiekonzept, wo wir auch diese Diskussion der Kernkraft innerhalb des Energie-Mixes diskutiert haben, und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass wir genau diese Laufzeitverlängerung brauchen, um in das Zeitalter der erneuerbaren Energien eintreten zu können, also quasi die Kernkraft als Brückentechnologie zu erneuerbaren Energien.
Maria-Luise Dött
Der umweltpolitische Sprecher der FDP Michael Kauch hingegen sprach sich vorsichtig für ein Moratorium bei der Laufzeitverlängerung aus: „Das eine ist die Frage der Laufzeitverlängerung und das andere ist die Forderung, die es jetzt ja auch aus den Grünen gibt, nach sofortigem Ausstieg“, die Kauch ablehnte. Auch Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass das Moratorium kein Abschalten bedeutee und auf die Atomkraft als Brückentechnologie noch nicht verzichtet werden könne.

Verweis auf die Nachbarländer

Vizekanzler Westerwelle wies auf der Pressekonferenz darauf hin, dass in den Nachbarländern noch unsichere AKWs in Betrieb sind. Tatsächlich ist die Atompolitik der Nachbarländer Deutschlands denkbar unterschiedlich. Während in der Schweiz die AKW-Pläne erneut auf den Prüfstand sollen, will die polnische, französische und spanische Regierung den Bau neuer AKW unabhängig von den japanischen Ereignissen weiter verfolgen.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34346/1.html

Peter Nowak

Neuköllner Mischung bedroht

Am Weichselplatz formiert sich Mieterprotest gegen mögliche Verdrängung durch Sanierung

»Wir bleiben alle«. In verschiedenen Farben war die Parole auf schwarzen Stoff gemalt. Am 13. März flatterten die Fähnchen mit dem Motto an zahlreichen Fenstern der Häuser Weichselplatz 8/9 und Fuldastraße 31/32. Der Gebäudekomplex war im letzten Jahr von der Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz gekauft werden. Sie besteht aus neun Personen, die es sich nach eigenem Bekunden zum Ziel gesetzt haben, die Häuser energiegerecht mit finanzieller Unterstützung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu sanieren. Man wolle keinen Mieter verdrängen und die in den Häusern bestehende Neuköllner Mischung erhalten, erklärten die Neubesitzer den Mietern.

Doch manche wollen den beruhigenden Worten nicht mehr so recht trauen. Das liegt vor allem an den drohenden Mietsteigerungen nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen. »Dann kann ich in dem Haus nicht mehr wohnen«, meinte Eva Möller (Name geändert) vom Weichselplatz 8. Bisher zahlt die Hartz-IV-Aufstockerin 470 Euro Miete, nach der Modernisierung wären es 621 Euro. Damit wäre sie aber beträchtlich über dem Mietzins, den das Jobcenter übernimmt. »Ich würde zur Senkung meiner Mietkosten aufgefordert, müsste also ausziehen«, meint Möller illusionslos.

Doch damit will sie sich nicht abfinden. Deswegen hat sie sich mit anderen Mietern zusammengesetzt. »Seit acht Monaten treffen wir uns regelmäßig, tauschen uns aus, informieren uns bei einem Anwalt der Mietergemeinschaft, machen uns gegenseitig Mut und besprechen unser gemeinsames Vorgehen«, meinte auch Klaus Weins (Name geändert). Die Angst vor der Verdrängung habe erst dazu geführt, dass sich die Hausbewohner besser kennengelernt haben, berichtet er. Zurzeit sei die Stimmung unter den Aktivisten überwiegend sehr gut. Das sei wegen der Unterschiedlichkeit der Bewohner nicht einfach gewesen.

In dem Haus wohnt die Studentin, die seit wenigen Jahren in einer Wohngemeinschaft in dem Haus lebt, neben der Rentnerin, die auf einige Jahrzehnte in dem Gebäude zurückblicken kann. Einige Mieter haben in den letzten Monaten auch gekündigt, weil sie sich dem Stress nicht gewachsen fühlten. »Schließlich bedeutet die Modernisierung, einige Monate auf einer Baustelle zu wohnen und hinterher noch mehr Miete zu zahlen«, so ein Bewohner.

Doch mehr als die Hälfte der Mieter hat die Modernisierungsvereinbarungen nicht unterschrieben. Beim angepeilten Baubeginn im November 2010 standen die Handwerker vor verschlossenen Türen. Mittlerweile haben die Eigentümer erste Klagen auf Duldung der Modernisierung an die Mieter verschickt. Die gerichtliche Entscheidung darüber steht noch aus.

Die aktiven Mieter wollen nicht klein beigeben. Am Sonntag sind sie erstmals mit Transparenten, Fahnen, Saft und Tee an die Öffentlichkeit gegangen. Mit einem Blog unter nk44.blogsport.de sind sie auch im Internet. Zuvor haben sie verschiedene Stadtteilinitiativen kontaktiert, die vor den gleichen Problemen stehen. Schließlich ist Nordneukölln ein bei Touristen, aber auch beim kulturinteressierten Mittelstand sehr beliebter Stadtteil, in dem die Mieten in den letzten Jahren im Berliner Vergleich besonders stark gestiegen sind.

Tim Lühning von der Grundstücksverwaltung Weichselplatz zeigte sich überrascht über die Mieterproteste. Es habe immer wieder Gespräche gegeben und man sei auch weiterhin zu Verhandlungen und außergerichtlichen Einigungen mit den Bewohnern des Hauses bereit.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193070.neukoellner-mischung-bedroht.html

Peter Nowak

Bienensterben und Ernährung

UNEP-Report warnt vor negativen Folgen
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) warnt in einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht vor Gefahren für die Welternährung. Die Ursache sieht der Report im weltweit zunehmenden Bienensterben. Besonders im industrialisierten Norden schrumpfen die Bienenvölker massiv. In manchen Regionen sei ein Rückgang um bis zu 85 Prozent zu verzeichnen. Wenn man bedenkt, dass mehr als drei Viertel der für die Ernährung wichtigen Pflanzen, darunter Hülsenfrüchte, Ölpflanzen und viele Gemüse, von Bienen bestäubt werden, wird die Sorge der UNEP verständlich.

Nach Angaben der Experten sind die Gründe für das Bienensterben unterschiedlich. Das verstärkte Auftreten bestimmter für die Bienen schädlicher Pilze, Milben und Viren gehört ebenso zu dem Ursachengeflecht wie die zunehmende Luftverschmutzung und der verstärkte Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft. Zudem macht der Klimawandel und das verarmte Nahrungsangebot durch großflächige Monokulturen den Bienen zu schaffen. Genau davor warnen Imker und landwirtschaftliche Gruppen, die vor allem im globalen Süden für Ernährungssouveränität kämpfen, seit vielen Jahren, wurden aber oft nicht ganz ernst genommen. Die Einschätzung der UNEP bestätigt nun ihre Kritik.

»Der Mensch hat den Irrglauben entwickelt, der technische Fortschritt habe ihn im 21. Jahrhundert von der Natur unabhängig gemacht. Die Bienen zeigen, dass wir in einer Welt mit sieben Milliarden Menschen in Wahrheit viel mehr statt weniger von Dienstleistungen der Natur abhängen«, erklärt UNEP-Chef Achim Steiner. Es ist allerdings vor allem der Irrglaube eines Wirtschaftssystems, das auch die Natur auf der Suche nach der schnellen Verwertung in erster Linie als Ware und Rohstofflager begriffen hat. Das Bienensterben ist nur ein Beispiel, wie dadurch die Grundlagen des Lebens insgesamt immer stärker gefährdet werden.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/192989.bienensterben-und-ernaehrung.html

Peter Nowak

Linke im Krieg

Die Zustimmung einiger Europaabgeordneter der Linken zur Libyen-Resolution im EU-Parlament führt zum innerlinken Streit:
„Wir lehnen jede militärische Intervention ab“, heißt es auf der Homepage des Abgeordneten des Europäischen Parlaments Lothar Bisky.

„Wir halten die in der Kompromiss-Resolution des Europäischen Parlaments enthaltene Forderung nach Einrichtung einer Flugverbotszone für falsch, auch wenn sie Forderungen aus Teilen der libyschen Opposition und von Staaten der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union aufgreift.“

Weil Bisky mit anderen Kollegen aus der gemeinsamen Fraktion der europäischen Linken der Gesamtresolution zustimmte und lediglich in einer gesonderten Abstimmung über den Punkt 10, der eine Flugverbotszone in Libyen vorsieht, mit Nein votierte, wird er jetzt heftig kritisiert. Ein Kommentator der jungen Welt, die sich gerne als das antiimperialistische Gewissen der Linken aufspielt, sieht Bisky nach der Abstimmung bereits auf Interventionskurs.

Der Mehrheitsflügel innerhalb der Europäischen Linksfraktion reichte einen eigenen Antrag ein, in dem es unter Punkt 7 heißt, dass „jede ausländische Militärintervention zur Lösung der Krise in Libyen“ abgelehnt wird.

Flugverbotszone als kriegerische Maßnahme

Die linke Europaabgeordnete Sabine Lösing bringt in ihrer Erklärung das Dilemma zum Ausdruck, in dem sich die linken Parlamentarier befinden.

„Angesichts der Übergriffe auf Demonstranten, der Toten, der Diktatur, der Person Al-Gaddafi, ist der Wunsch nachvollziehbar die Opposition zu unterstützen und eventuell auch zu intervenieren. Wenn aber McCain Präsident Obama zu Militäraktionen auffordert oder konservative EU-Politiker für zukünftige Unruhegebiete, die Ausarbeitung eines Stand-by Planes im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einfordern, dann müssen progressive Menschen aufhorchen!“

Ähnlich argumentiert die linke EU-Abgeordnete Sabine Wils nach der Abstimmung:

„Ich habe die Resolution abgelehnt. Selbst wenn es zu begrüßen ist, dass ein blutiger Diktator in Libyen, der Menschenrechte mit Füßen getreten hat (und dafür von den selben, die jetzt die Intervention fordern mit Handelsverträgen und Waffenexporten unterstützt wurde) gestürzt wird, rechtfertigt das nicht die Vorbereitung eines Krieges.“

Tatsächlich lautet das Argument der Gegner einer Flugverbotszone, die ja offiziell Menschenleben retten soll, dass diese nur mit kriegerischen Maßnahmen durchzusetzen sei. Auch der den Grünen nahestehende Publizist Micha Brumlik schreibt in der Taz:

„Realpolitisch, mit Blick auf absehbare Folgen und nicht kalkulierbare Nebenfolgen, verbietet sich jede militärische Einmischung.“

Ob die Bewaffnung der Opposition gegen Gadaffi, die er zumindest in Erwägung zielt, nicht zu noch mehr Blutvergießen führt, wäre zu fragen. Die Diskussionen zeigen, dass ein wirksames Mittel gegen Gadaffi auch unter Linken noch gesucht wird.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149411
 
Peter Nowak

Hartz-IV-Betroffene dürfen nicht mehr tippen

Nordrhein-Westfalen: Einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln verbietet Sportwetten
Die Westdeutsche Lotterie darf vorerst keine Sportwetten mehr an Hartz-IV-Betroffene verkaufen. Westlotto und Annahmestellen sind ratlos, wie sie das Verbot umsetzen sollen. 
»Ich bin Hartz IV und habe bis 2009 Lotto gespielt, ab Samstag werde ich wieder Lottoscheine ausfüllen und abgeben.« Solche Erklärungen finden sich zurzeit in größerer Zahl auf der Internetpräsenz des Erwerbslosenforums Deutschland (ELO). Unter dem Titel »Ich habe Westlotto gespielt und bin Hartz IV« können sich dort seit dem 9. März Erwerbslose als Lottospieler outen.

 Damit reagiert das ELO-Forum auf eine einstweilige Verfügung des Kölner Landgerichts. Laut Medienberichten hatte das Gericht der Westdeutschen Lotterie GmbH vorerst verboten, Lottoscheine an Hartz-IV-Empfänger zu verkaufen. Tatsächlich bezieht sich das Verbot jedoch auf das staatliche Sportwetten-Angebot Oddset, wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag klarstellte.

Westlotto kündigte sofortigen Widerspruch gegen diese Entscheidung an, die zu einer Verunsicherung bei den Lotto-Verkaufsstellen geführt habe. »Ich weiß nicht, wie Mitarbeiter in den Annahmestellen in der Lage sein sollen, das Einkommen von Kunden zu überprüfen«, sagte Westlotto-Sprecher Axel Weber. Die Lotterie werde ihre Mitarbeiter nicht anweisen, Gehaltsbescheinigungen zu verlangen. Das sei »weltfremd«. Laut Gerichtssprecher müssen die Betreiber der Annahmestellen bei ihren Kunden nicht nachforschen, wie es um die finanzielle Situation bestellt ist. Auch lägen Wetten über kleine Euro-Beträge noch im Ermessensspielraum. Sobald es aber um höhere Beträge gehe und sobald der Betreiber einer Annahmestelle über die finanziell schwierige Situation des Kunden wisse, dürften die Scheine nicht mehr angenommen werden.

Beantragt worden war die einstweilige Verfügung von dem Sportwetten-Anbieter Tipico, der nach Angaben der »Westdeutschen Zeitung« seinen Sitz auf Malta hat. Tipico hatte Westlotto vorgeworfen, gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und den seit 2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrag verstoßen zu haben. Darin ist unter anderem festgehalten, dass Minderjährige, Spielsüchtige, aber auch Menschen mit geringen Einkünften vor Glücksspielen geschützt werden müssen.

»Der klagende Wettanbieter trägt seinen Konkurrenzkampf auf dem Rücken von Hartz-IV-Betroffenen aus«, kommentierte der Sprecher des Erwerbslosen Forum Martin Behrsing die juristische Entscheidung, die er als »absurd und skurril« bezeichnete. Mit dem Internet-Outing will das ELO-Forum auch der Diskriminierung von Hartz-IV-Betroffenen entgegentreten. »Wir wollen doch mal sehen, wie schnell dann so eine diskriminierende Entscheidung ad absurdum geführt wird und schnellst möglichst kassiert wird«, so Behrsing. »Das Kölner Landgericht muss sich fragen lassen, ob diese Entscheidung noch eine Nachwehe des Karnevals ist oder man Hartz-IV-Bezieher zur nicht zugehörigen Kaste zählt«.

Dass es sich bei der einstweiligen Verfügung allerdings nicht nur um eine abwegige Einzelentscheidung handelt, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Essen vom Januar 2011. Danach kann Hartz-IV-Betroffenen auch ein kleiner Lottogewinn von ihrem Regelsatz abgezogen werden. Der Gewinn werde als Einkommen angerechnet, entschied das Gericht. Ein Lottogewinn sei wie andere Glücksspielgewinne als Einkommen anzusehen. Er verringere die Hilfsbedürftigkeit des Klägers, argumentierten die Richter.

Geklagt hatte ein Bielefelder, der in einer Lotterie 500 Euro gewonnen hatte. Er wehrte sich gegen die Anrechnung auf die Hartz-IV-Leistung und scheitere in zwei Instanzen. Der Mann hatte eingewandt, dass er seit 2001 regelmäßig Lotto spiele, dafür insgesamt 945 Euro ausgegeben habe und daher trotz des Gewinns von 500 Euro unter dem Strich Verlust gemacht habe. Dieses Argument ließen die Richter aber nur für den letzten Monat gelten. Die für das Los ausgegebenen 15 Euro durfte der Kläger von den 500 Euros abziehen. Der Rest des Gewinns wurde vollständig mit seinem Hartz-IV-Satz verrechnet.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/192862.hartz-iv-betroffene-duerfen-nicht-mehr-tippen.html

Peter Nowak

Keine Verbesserungen erreicht

Podiumsdiskussion zum jüngsten Hartz-IV-Kompromiss
Für die Politik ist mit dem Hartz-IV-Kompromiss zwischen Bundesrat und Bundesregierung die Debatte über die Regelsätze beendet. Für die Betroffenen gilt das nicht, wie auf einer von der AG Soziales des Berliner Sozialforums sowie der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte organisierten Veranstaltung am Montagabend deutlich wurde.
»Was sind die sozialen Grundrechte wert?«, lautete die Frage an die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD), an Katina Schubert vom Bundesvorstand der LINKEN und Udo Geiger vom Berliner Sozialgericht. Letzterer dämpfte die Hoffnung mancher Erwerbsloser, das Bundesverfassungsgericht (BVG) könne den Hartz-IV-Kompromiss schnell wieder kippen. Der Justiz dürften nicht Aufgaben der Politik zugeschoben werden, meinte er. Massenklagen, wie sie in Erwerbslosengruppen diskutiert werden, seien juristisch eher hinderlich. Gut vorbereitete Musterklagen in ausgewählten Fällen versprächen mehr Erfolg. Gleiches gelte für eine Normenkontrollklage, die von den Bundesländern oder einem Viertel der Bundestagsabgeordneten eingereicht werden kann.

Die SPD werde sich daran aber nicht beteiligen, meinte Mechthild Rawert. Schließlich habe ihre Partei dem Kompromiss zugestimmt, den sie persönlich auch vertreten könne, selbst wenn die Errechnung der Regelsätze nicht den Kriterien des Bundesverfassungsgerichtsurteils genüge. Die Verbesserungen beim Mindestlohn für Leiharbeiter seien für ihre Zustimmung ausschlaggebend gewesen.

Die Notwendigkeit von Kompromissen sei ihr als Politikerin der Berliner LINKEN bekannt, erwiderte Katina Schubert, aber dieser Regelung hätte sie auf keinen Fall zugestimmt. Der Regelsatz sei willkürlich berechnet worden. Zudem sei ein Mindestlohn von 6,83 Euro bei der Leiharbeit in Ostdeutschland keineswegs existenzsichernd.

Rainer Wahls von der AG Soziales zog ein ernüchterndes Fazit: »Wir haben es nicht geschafft, das BVG-Urteil zu nutzen, um die Situation der Erwerbslosen zu verbessern.« Selbst die Minimalforderung, die Situation der Kinder zu verbessern, sei nicht durchgesetzt worden. Er lobte die Arbeit des Bündnisses »Krach schlagen statt Kohldampf schieben«, das im letzten Herbst in Oldenburg eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisierte. Durch Zusammenarbeit mit Milchbauern sei es im Ansatz gelungen, Brücken zu anderen Gruppen zu schlagen.

Aus dem Publikum wurde der Zorn vor allem auf die SPD, aber auch auf die Politik insgesamt deutlich. Mehrfach geäußerte Faschismusvergleiche wurden von den Rednern auf dem Podium und von Moderator Sebastian Gerhardt zurückgewiesen. Er kritisierte die Konzentration auf die Höhe der Regelsätze in der Hartz-IV-Debatte. Von den Verschlechterungen für Erwerbslose, die in den neuen Bestimmungen enthalten seien, werde dagegen kaum geredet. Die Verschärfung von Sanktionen vor allem für Erwerbslose unter 25 Jahren gehöre ebenso dazu wie die Pauschalisierung der Mietkosten, welche zur Zunahme von Mietschulden und von Zwangsräumungen bei Erwerbslosen führen könne.

Ebenfalls verschlechtert hat sich die Situation von behinderten ALG-II-Empfängern, die nur noch 80 Prozent vom Regelsatz, also 291 Euro, bekommen sollen. Die SPD-Politikerin Rawert versicherte, dass diese Bestimmung auf Druck ihrer Partei noch einmal überprüft werden soll.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/192639.keine-verbesserungen-erreicht.html

Peter Nowak

Pro Asyl fordert, Fluchtwege nach Europa zu öffnen

Der Bürgerkrieg in Libyen wird heftiger, was die Zahl der Flüchtlinge erhöhen dürfte
versucht die italienische Regierung und mit ihr die EU alles, um zu verhindern, dass diese Menschen auf europäisches Territorium gelangen und dort womöglich Asyl beantragen könnten. Wenn die Flucht schon nicht verhindert werden kann, sollen die Migranten möglichst nah an ihren Herkunftsländern untergebracht so schnell wie möglich wieder zurück geschickt werden.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und Medico International haben wenige Tage vor dem für den 11. März geplanten europäischen Sondergipfel zu Libyen mit ihrer Erklärung Fluchtwege nach Europa öffnen andere Akzente gesetzt.

Mit einer Email-Aktion wird die Bundeskanzlerin aufgefordert, sich für die Aufnahme von aus Libyen geretteten Flüchtlingen in Deutschland und der EU einzusetzen. Beide Organisationen begründen ihre Intervention für den Flüchtlingsschutz mit der Geschichte. Schließlich haben die europäischen Länder in der Abwehr von Flüchtlingen jahrelang mit dem Gaddafi-Regime, aber auch mit der Diktatur in Tunesien eng zusammengearbeitet.

Pro Asyl und Medico erinnern in ihrem Aufruf daran, dass viele Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern Europas im libyschen Bürgerkrieg zwischen die Fronten zu geraten drohen:

„Transitflüchtlinge und Migranten, die aus den Krisenländern Afrikas wie Eritrea, Somalia und Tschad, aber auch aus den südlicheren Ländern Afrikas und aus Asien stammen und nun zwischen die Fronten geraten. Ohnehin schlecht versorgt, sind sie nun erhöhten Gefahren ausgesetzt, weil sie mit jenen sub-saharischen Militäreinheiten verwechselt werden, die das Gaddafi-Regime offenbar zur Bekämpfung der Aufstandsbewegung einsetzt.“

Rechte von Flüchtlingen mit Kindern gestärkt

Am 8. März hat der Europäische Gerichtshof die Position von Flüchtlingen mit Kindern gestärkt.

Nicht-EU-Bürger haben nach dem Urteil automatisch ein Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union, wenn ihre minderjährigen Kinder die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzen. Geklagt hatte ein kolumbianisches Ehepaar, das seit Jahren in Belgien lebt und deren beiden Kinder die belgische Staatsbürgerschaft besitzen. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149399
Peter Nowak

Kuschen Berliner Grüne vor Sarrazin?

Die Integrationspolitik sorgte auf der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen Streit
„Eintritt frei. Eine Stadt für Alle“ lautete das Motto der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen. Sie war auch medial mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt worden, weil die Berliner Grünen dieses Mal zur Abgeordnetenhauswahl mit dem Anspruch antreten, den Posten des Regierenden Bürgermeisters zu besetzen.

Mittlerweile sind allerdings die zunächst guten Umfragewerte für Renate Künast gefallen. Auch nach der Konferenz reißt die Kritik nicht ab. Bemängelt werden allerdings eher fehlende Visionen der Kandidatin als ihre konkrete Politik.

Dabei ist Künast am Wochenende nur knapp an einer innerparteilichen Niederlage vorbeigeschrammt. Mit 81 zu 61 Stimmen setzte sich ein von ihr unterstützter Antrag in der Integrationspolitik durch. Die Stoßrichtung formulierte Künast schon in ihrer Eröffnungsrede. Nachdem sie die Leistung vieler Migranten gewürdigt hatte, kam sie zu den Schattenseiten: „Es gibt auch kleine Gruppen, mit denen gibt es Probleme. Das müssen wir in unserem Programm ansprechen, wenn wir für die ganze Stadt da sein wollen.“

Im Wahlprogrammentwurf werden sogenannte Ehrenmorde, Drogenhandel und islamischer Fundamentalismus angesprochen. Die Benennung dieser Probleme ist auch in grünen Kreisen kein Tabu. Doch die Art der Präsentierung hatte bei manchen Delegierten den unangenehmen Eindruck, hier würde auf die Sarrazin-Debatte reagiert. Die Bildungsstadträtin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann warnte davor, Vorurteile wie die von Sarrazin oder die des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky zu bedienen. Auch die Parteiarbeitsgemeinschaft Migration moniert, im Wahlprogramm befänden sich Textpassagen mit provokativen und verletzenden Tönen gegenüber Migranten.

Chancen für Schwarz-Grün gestiegen?

Manche Delegierte sahen sogar die berühmten grünen Werte gefährdet. Er befürchte, „dass wir nicht nur den Kampf um das Rote Rathaus verlieren, sondern auch uns selbst“, wurde ein Delegierter in der Taz zitiert. Künast musste noch einmal ans Rednerpult treten, um ihre Positionen zu verteidigen, und wurde dabei auch vom Berliner Fraktionschef Wolfgang Wieland unterstützt. Beobachter sehen in dieser Intervention den Grund, dass ein Gegenantrag zur Migrationspolitik knapp scheiterte. Die grünennahe Taz zumindest sieht Künast danach gestärkt und die Chancen für die Fortsetzung des gerade gescheiterten Hamburger Modells wachsen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149395

Peter Nowak

Bahnretter bleiben unter sich

Die neue Initiative Berliner S-Bahn-Tisch setzt sich für neue Verkehrspolitik ein. Öffentlicher Nahverkehr soll gemeinwirtschaftlich sein.
„Stuttgart 21“ steht auf dem einen Plakat. „Rettet unsere S-Bahn“ auf dem anderen. Ein Moderator auf dem Lautsprecherwagen erklärt, was die beiden Begriffe an den Seiten des Wagens miteinander zu tun haben. Die Gruppe „Berliner Schwabenstreich“, die den Widerstand gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 unterstützt, hatte für Samstagnachmittag zur Kundgebung auf dem Potsdamer Platz in der Nähe des Bahn-Towers gerufen. Ebenfalls an Bord: die Initiative „Berliner S-Bahn-Tisch“.

In dieser neuen Vereinigung haben sich Gruppen und Einzelpersonen zusammen organisiert, die für die S-Bahn als gemeinwirtschaftliches Unternehmen in öffentlicher Hand eintreten. Der Name erinnert nicht von ungefähr an die Initiative „Berliner Wassertisch“, der am 13. Februar der erste erfolgreiche Volksentscheid gelungen war.

Lange Mängelliste

Die Resonanz auf die Einladung zur S-Bahn-Rettung allerdings ist bisher bescheiden. Rund 80 Menschen lauschten den Reden des Europaparlamentariers Michael Cramer (Grüne), der Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig (Linke) sowie des Bundesvorsitzenden von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Die Liste der Mängel, die die RednerInnen aufzählten, ist lang und für Fahrgäste ein bekanntes Ärgernis: „Züge sind wegen Wartungsmängeln nicht einsatzfähig. Ganze S-Bahn-Linien konnten zeitweise nicht bedient werden. Der Notfahrplan mit ausgedünntem Zugverkehr und verkürzten Zügen führte zu längeren Wartezeiten und überfüllten Zügen.“

Viel Zustimmung erhielt Dieter Hartmann von der Initiative „Berlin fährt frei“, der die Kampagne für eine solidarisch finanzierte, unentgeltliche Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für alle vorstellte. „Mobilität ist ein Menschenrecht und darf nicht vom Geldbeutel abhängen“, meinte er. Mit ihrer gerappten Aufforderung zum Schwarzfahren sorgte die Hip-Hop-Band Tapete am Schluss für etwas Stimmung.

Die Kundgebung war der erste Schritt der S-Bahn-Retter. Am 8. März um 19 Uhr soll im Haus der Demokratie über Wege zur Rettung der S-Bahn debattiert werden. Am 17. März soll dann der Berliner S-Bahn-Tisch offiziell gegründet werden.

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/bahnretter-bleiben-unter-sich/

Peter Nowak

»Das System wird in Frage gestellt«

Irans Opposition geht wieder auf die Straße
Mila Mossafer war politische Gefangene in Iran und lebt in Berlin. Sie ist Mitbegründerin des Komitees zur Unterstützung der politischen Gefangenen in Iran-Berlin, dass sich 1997 während des Hungerstreiks oppositioneller Häftlinge in Iran mit dem Ziel gegründet hatte, die Gefangenen zu unterstützen und das für den Sturz des Regimes in Teheran eintritt. Aus Schutz vor Verfolgungen durch iranische Geheimdienste möchte Mila Mossafer nicht fotografiert werden
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ND: Am 1. März gab es im Iran wieder Protestaktionen der Bevölkerung. Was war der Grund?
Mila Mossafer: Anlass der Demonstrationen war die Nachricht von der Verhaftung der beiden Politiker Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karubi und deren Verschleppung an einen unbekannten Ort. Bei den Protesten, die in Teheran, Maschhad, Schiras und Isfahan stattfanden, gingen nicht nur die Anhänger der beiden auf die Straße. Die Demonstranten forderten nicht nur die Freilassung dieser in den westlichen Medien gezielt zu Oppositionsführern erklärten Politkern, sondern die Freilassung aller politischen Gefangenen und den Sturz des islamischen Systems.

Geht die Opposition über den von Mussawi und Karubi eingeschlagenen Kurs hinaus?
Anders als in vielen westlichen Medien dargestellt, gehörte ein Großteil der iranischen Protestbewegung nie zu den Anhängern von Mussawi und Karubi. Beide waren jahrelang Funktionäre des islamischen Regimes und haben sich an der Unterdrückung Oppositioneller beteiligt. Sie haben immer betont, dass sie hinter der islamischen Verfassung und der islamischen Republik stehen. Ein Großteil der Protestierenden forderte aber schon bei den Demonstrationen im letzten Jahr den Sturz der islamischen Republik. Bei den jüngsten Protesten wurde noch deutlicher, dass die Bewegung sich nicht auf eine Verteidigung von Mussawi und Karubi reduzieren lässt. Die Demonstranten schweigen nicht mehr, ihre Parolen stellen das System insgesamt in Frage.

Fürchtet die Führung in Teheran, dass die Revolte in den Nachbarländern auf Iran übergreift?
Auf jeden Fall. Zu Beginn der Aufstände versuchte das Regime, die Bewegungen noch als Fortsetzung der islamischen Revolution zu vereinnahmen. Doch bald kamen keine Meldungen mehr. Die Opposition hat die Proteste genutzt, um wieder auf die Straße zu gehen. Die massive Repression, die bis zur Hinrichtung von Oppositionellen reichte, hatte dazu geführt, dass im letzten Jahr Straßenproteste nicht mehr möglich waren. Eine Parole bei den letzten Protesten lautete: »Mubarak, Ben Ali, jetzt Seyed Ali (Khamenei)«.

Wie steht um die Organisierung des Protests?
Bisher fehlt noch eine politische Organisation, die den Protesten, die sich nicht auf der Linie von Mussawi und Karrubi befinden, eine gemeinsame Plattform gibt. Es gibt allerdings Menschenrechtsorganisationen, wie die »Mütter vom Tulpenpark«. Der Name kommt von dem Park in Teheran, wo sich die Angehörigen von ermordeten politischen Gefangenen der 80er Jahre mit Angehörigen von Opfern der aktuellen Repression einmal in der Woche treffen. Am Anfang hatte sich die Gruppe unter anderem vor dem Eingang des berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis getroffen.

Wie kann die Oppositionsbewegung von Deutschland aus unterstützt werden?
Wichtig ist zu erkennen, dass Debatten über militärische Angriffe auf Iran nicht der Opposition, sondern dem Regime nützen, weil dieses dann die nationalistische Karte spielen kann. Neben der Solidarität mit den Gefangenen sollte die linke Bewegung dafür sorgen, dass der Export von Technologien aus Deutschland, mit denen die Oppositionsbewegung bekämpft wird, gestoppt wird. So wurden die Handys von Oppositionellen mit Programmen abgehört, die von Siemens-Nokia stammen. Zudem sind auf Fotos Militärfahrzeuge von Daimler-Chrysler zu sehen, die gegen die Demonstranten eingesetzt werden.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/192481.das-system-wird-in-frage-gestellt.html

Fragen: Peter Nowak

Militärische Option und Antiimperialismus

Prompt scheinen die alten Frontstellungen wieder zu funktionieren: Die deutsche Debatte über Libyen


Vor wenigen Tagen noch gab es eine fast einhellige Zustimmung zu den Aufständen in Nordafrika und im arabischen Raum. Viele sahen in dem Sturz der Diktatoren in Ägypten und Tunesien den Beginn einer allgemeinen Demokratisierung der islamischen Welt. Als auch in Libyen der Aufstand begann und sich schnell ausbreitete, war die Begeisterung besonders groß. Hatte doch gerade in dem Land niemand einen schnellen Regimewechsel erwartet. Nun können sich die Skeptiker bestätigt fühlen.
   

Denn es zeigte sich, dass das Gaddafi-Regime nicht nur militärische Mittel hat, um gegen die Opposition vorzugehen. Es hat auch außenpolitische Unterstützer, vor allem unter den Linksregierungen in Lateinamerika, die sich schon als Vermittler zwischen Gaddafi und den Aufständischen anbieten und vor einem Eingreifen der Nato in Libyen warnen (siehe Chavez will Gaddafi zu Hilfe eilen).

Damit wird aber aus dem Konflikt zwischen einer Diktatur und der Mehrheit der Bevölkerung ein Bürgerkrieg mit gleichwertigen Verhandlungspartnern und aus dem Unterdrückerstaat ein Regime, das die Souveränität und die Bodenschätze gegen einen Angriff der Nato oder der USA verteidigt. Schon Ende Februar warnte der kubanische Elder Statesman Fidel Castro in seinen Reflexionen vor einem Zugriff der Nato auf das libysche Öl.

 

Kein Blut für Öl?

Dieser Perspektivenwechsel hat auch Auswirkungen auf die Debatte bei der Linken in Deutschland. Prompt scheinen die alten Frontstellungen wieder zu funktionieren. Der Bundestagsabgeordnete der Linken Wolfgang Gehrcke hat sogar eine Parole der Anti-Golfkriegsbewegung von vor 20 Jahren wieder entmottet. „Kein Krieg für Öl – das gilt auch heute noch“, schreibt er in einer Erklärung und warnt vor einem neuen Kriegsszenario wie im Irak.

Eine Woche zuvor hatten Gehrckes Erklärungen noch eine andere Stoßrichtung. „Die Gewalt in Libyen muss sofort beendet werden. Die internationale Öffentlichkeit muss eine Chance haben, sich über die tatsächlichen Zustände im Land authentisch zu informieren“, hieß es noch in seiner Erklärung vom 21. Februar 2011. Da war viel über die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten und dem libyschen Regime vor allem bei der Flüchtlingsabwehr die Rede, eine Warnung vor einer militärischen Lösung fehlte damals noch, was von Teilen der Basis der Linken kritisch registriert worden war.

Vor allem in der Tageszeitung junge Welt, das Flaggschiff der „Antiimperialisten“ in und außerhalb der Linkspartei, hat sich in der letzten Woche die Libyen-Berichterstattung zunehmend auf die Frage einer Militärintervention. fokussiert. So schreibt der Chef-Kommentator Werner Pirker:
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 Bei einem westlichen Eingreifen aber geriete die Herrschaft Gaddafis umgehend in die Rolle eines nationalen Widerstandszentrums, dem sich auch Teile des Anti-Gaddafi-Lagers anschließen könnten.
Sara Flounders von der US-Antikriegsinitiative International Action Center, die vor einer Dämonisierung Gaddafis warnt, erinnert wieder an angebliche Verdienste von Gaddafi erinnert:
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 Über viele Jahre war Gaddafi Verbündeter von Ländern und Bewegungen, die den Imperialismus bekämpften. Als er in einem Militärputsch 1969 die Macht übernahm, nationalisierte er das libysche Öl und investierte einen Großteil des Geldes in die Entwicklung der libyschen Wirtschaft. Die Lebensbedingungen der Menschen verbesserten sich dramatisch. Deshalb waren die Imperialisten entschlossen, Libyen zu zermürben.
Damit wird unkritisch an eine Zeit angeknüpft, wo das Libyen unter Gaddafi als Bündnispartner von Linken aus verschiedenen Ländern galt. Noch in den frühen 1990er Jahren besuchten parteiungebundene Linke aus Ost- und Westdeutschland Libyen. Sie waren von einer staatlichen Organisation eingeladen worden, die das Grüne Buch Gaddafis und die dort vertretene Ideologie als dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus propagierte (siehe Gaddafis Evangelium). Der Diskurs um Libyen erinnert an ähnliche Debatten, als im letzten Jahr das islamische Regime im Iran und vor 10 Jahren der Irak unter Saddam Hussein von manchen antiimperialistischen Gruppen verteidigt wurde.

Wo beginnt der Angriff?

In einer Stellungnahe des Bundesgeschäftsführers der Linken Werner Dreibus wird für humanitäre Hilfe geworben, aber jede militärische Intervention abgelehnt. Dazu werden ausdrücklich auch Flugverbotszonen für das Gaddafi-Regime gezählt, die von Teilen der libyschen Opposition gefordert werden. Der Einsatz von Bodentruppen hingegen wird von der libyschen Opposition abgelehnt.

Unter dem Motto „Flugverbotszone jetzt“ wird in der Zeit für diese Maßnahme geworben. Auch der Begründer der Grünhelme Rupert Neudeck sieht darin ein geeignetes Mittel, um die Bevölkerung in Libyen vor der Repression des Regimes zu schützen, kann sich im Notfall auch eine begrenzte militärische Bombardierung von Militäranlagen vorstellen. Neudeck, der auch den Jugoslawien-Krieg aus humanitären Gründen befürwortete, ist mit dieser Position allerdings auch in zivilgesellschaftlichen Kreisen umstritten.

Sehr bedeckt halten sich die Grünen in der Frage von militärischen Maßnahmen gegen Libyen. „Die Wirksamkeit einer Flugverbotszone ist umstritten, und ein militärisches Eingreifen wird von vielen Regimegegnern selbst abgelehnt“, heißt in einer Erklärung der Bundestagsfraktion, in der eine eigene Positionierung zu dieser Frage nicht erkennbar ist.

Zivile Maßnahmen

Es gibt auch unter Politikern und Militärs in Deutschland viele Warnungen vor einem militärischen Eingreifen in Libyen. Der Politikberater Walther Stützle warnt ausdrücklich davor und hält auch die Einrichtung von Flugverbotszonen für nicht praktikabel.
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 Das Einzige, womit man im Moment wirklich wirksam helfen könnte und müsste und erstaunlicherweise nicht tut von Seiten der Europäischen Union, die dafür die Möglichkeiten haben, wäre die der Flüchtlingsströme aufzunehmen und zwar vor Ort, nicht nach Europa zu lenken, sondern vor Ort zu sein mit Hilfsorganisationen.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hingegen appelliert daran, der aktuellen humanitären Krise durch die stärkere Aufnahme dieser Menschen in Europa zu begegnen Proasyl erinnert auch an die Rolle des von manchen schon wieder zum standhaften Antiimperialisten verklärten Gaddafi bei der Flüchtlingsabwehr in der EU.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34297/1.html

Peter Nowak

Integration ja – Assimilation nein

Erneut sorgt der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan bei seinem Besuch in Deutschland für Aufregung

Der türkische Politiker rief am vergangenen Samstag auf einer von 10.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bejubelten Rede seine Zuhörer dazu auf, sich in Deutschland zu integrieren, aber nicht zu assimilieren. Dabei sparte er nicht mit nationalistischem Pathos. So erklärte der türkische Ministerpräsident:

„Niemand wird in der Lage sein, uns von unserer Kultur loszureißen. Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst Türkisch lernen.“

Dass er damit die Menschen mit türkischem Hintergrund als ein nationales Kollektiv betrachtet, für das er zu sprechen vorgibt, wäre in der Tat kritikwürdig. Diese Anmaßung wird auch von den vielen Betroffenen, die schon selber entscheiden wollen, welche Sprache sie und ihre Kinder lernen wollen, mit Recht zurückgewiesen.

Vorhersehbare Aufregung

Doch die Reaktionen in der politischen Klasse waren so vorhersehbar, wie auf Wählerstimmen schielend. Auf rechten Webseiten wird Erdogan wieder einmal als gefährlicher Islamist dargestellt, der mit Hilfe der türkischen Diaspora Einfluss auf Europa gewinnen will. Dabei sind auch sie gegen die Assimilitation von türkischen Menschen in Deutschland.

In diesen Kreisen stößt natürlich besonders sauer auf, dass Erdogan vor wachsenden Rassismus in Deutschland warnte. Nur wenig moderater ist die Erdogan-Kritik bei den politischen Parteien. Die CSU wirft ihm Aufwiegelung und Gefährdung der Integrationsbemühungen vor, für die sich Erdogan nun gerade stark gemacht hat. Auch der integrationspolitische Sprecher der FDP erklärte Erdogans Rede für abwegig.

Die Debatte erinnert an die Reaktionen auf eine Erdogans mit ähnlichen Inhalt im Jahr 2008 in Köln (siehe Integration oder Assimilation?). Im letzten Jahr sorgte der türkische Politiker mit seiner Forderung nach türkischen Schulen in Deutschland für Aufregung.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149359
 
Peter Nowak

Die Hartz-IV-Diskussion muss geerdet werden

Seit Wochen sind die Hartz IV-Sätze ein zentrales Thema in den Medien, die Betroffenen werden dabei aber meist gar nicht erwähnt.

Diese Entwicklung ist kein Zufall. Schließlich wurde die neue Debatte um die Hartz IV-Sätze durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr ausgelost. Darauf hatten allerdings im Vorfeld auch einige Erwerbslosengruppen gesetzt. Es gab nur wenige Kritiker inner- und außerhalb der Erwerbslosenbewegung, die diese positive Bezugnahme auf die Justiz problematisierten. Denn damit werden wieder Staatsapparate und nicht die Betroffenen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diese Warnungen sollten sich bald bewahrheiten.
       Schnell brach unter den politischen Parteien, die Hartz IV unterstützt und verteidigt hatten, ein Streit über die Konsequenzen des Richterspruchs aus. Dazu trug bei, dass er, wie alle juristischen Urteile auslegbar war. Entgegen mancher zu positiver Bewertung auch in Erwerbslosenkreisen schrieb er keineswegs eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze fest, sondern verlangte lediglich ihre transparente, nachvollziehbare Festlegung. Über die Umsetzung dieser richterlichen Vorgaben entbrannte fortan der Streit zwischen Regierung und Opposition. Dabei spielte auf beiden Seiten wahltaktische Überlegungen eine Rolle. Während SPD und Grüne im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen ihre Verantwortung für die Einführung  Hartz IV vergessen machen wollen und sich als Interessenvertreter von Erwerbslosen aufspielen, geht es der Regierungskoalition vor allem  um die Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft insgesamt, die mediengerecht als Stärkung des Wirtschaftstandortes Deutschland verkauft wird.

Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft

Dabei spielt die Höhe des Hartz IV-Satzes eine entscheidende Rolle, die weit über die Diskriminierung von Erwerbslosen hinausgeht, wie sie Westerwelle und die FDP im letzten Jahr mit der Debatte über die spätrömische Dekadenz auf die Spitze getrieben hat.  In der öffentlichen Debatte wird noch immer zu wenig zu Kenntnis genommen, dass die Zahl der Menschen, die in  einen Vollzeitjob i so wenig verdienen, dass sie mit Hartz IV aufstocken müssen, kontinuierlich steigt. So verdienen nach Angaben des DGB-Arbeitsmarktexperten Wilhelm Adamy ein Drittel der Leiharbeiter weniger als 1200 Euro im Monat brutto. In Ostdeutschaland sind die Gehälter oft noch niedriger.     Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit kommt in einer  Studie zu dem Schluss, dass Zeitkräfte im Schnitt 15 Prozent weniger verdienen als Stammbeschäftigte mit ähnlichen Aufgaben. Eine Untersuchung für das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen kommt bei Helfern sogar auf eine Lohnkluft von 45 Prozent. Dieser Niedriglohnsektor wurde im letzten Jahrzehnt  von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne geschaffen. Der DGB hat ihn trotz anfänglichem Sträuben mittlerweile akzeptiert und macht Tarifabschlüsse im Leiharbeitsgewerbe.  Niedrige Hartz IV-Sätze sollen diesen Niedriglohnsektor zementieren. Hierin liegt auch der Grund, warum  sich die Bundesregierung so vehement weigert, über die Höhe des Hartz IV-Satzes mit sich reden zu lassen. Wenn SPD und  Grüne in die Verhandlungen das Thema Mindestlohn einbringen, ist das eigentlich, weil damit deutlich wird, dass die Hartz IV-Sätze kein Spezialproblem von Erwerbslosen sind. Doch  den beiden Hartz IV-Parteien geht es natürlich um Wahlkampftaktik. Eine Mobilisierung der Betroffenen  war von ihnen nicht zu erwarten. Die Linke, die sich ihren Platz in die Verhandlungsrunde über die Hartz IV-Sätze mit einer Klagedrohung erkämpfen musste, hat allerdings auch wenig zu ihrer Mobilisierung beigetragen. Ihre Verhandlungsführerin Dagmar Enkelmann sogleich kürzte für die Verhandlungen, den im Parteiprogramm festgelegten Hartz IV-Satz von 500 Euro  auf 420 Euro, was bei Erwerbslosengruppen auf Widerspruch stieß Hier stellt sich einmal mehr die Frage, warum eine linke Oppositionspartei die Interessen von Erwerbslosen nicht besser mit ihnen  auf der Straße und im Jobcenter vertreten kann, als in einer Verhandlungsrunde, wo sie als Zeichen ihrer Politikfähigkeit ihre eigenen Forderungen zurechtstutzt.            
 
Krach schlagen statt Kohldampf schieben
    Denn allen medialen Schein zum Trotz, gibt es weiter aktive Erwerbslose, die sich für ihre Rechte einsetzen. Sie finden sich meist nicht auf Großdemonstrationen sondern in Jobcentern, wo sie andere Erwerbslose begleiten und gemeinsam versuchen, Rechte durchzusetzen. Diese Zahltag genannten Aktionen werden in den Medien kaum wahrgenommen. Aber auch wenn die Erwerbslosen die Arbeitsagenturen und Jobcenter verlassen und ihren Protest auf die Straße tragen, haben sie es schwer, wahrgenommen zu werden. So hat sich  anlässlich des Gerichtsurteils zu den Hartz IV-Sätzen im letzten Jahr ein Bündnis aus autonomen und gewerkschaftlichen Erwerbslosengruppen gegründet, das unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ am 10.Oktober im Oldenburg nach langen Jahren wieder eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisierte. Die zentrale Forderung war eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze um 80 Euro. Das Symbol des Bündnisses, ein Kochlöffel, der auf einen leeren Kochtopf schlägt, hat sich verbreitert. An  der bundesweiten Großdemonstration für gesunde Ernährung am 22. Januar Berlin beteiligte sich der „Krach-Schlagen-Block“  laut.  Wenn gesunde Ernährung nicht ein Privileg für Wenige sein soll, müssen alle genug Geld haben, um sie kaufen zu können, lautete das Argument für die Beteiligung. Dabei werden auch die Nahrungsmittelproduzenten wie den Milchbauern unterstützt, die, so die Berichterstattung des medialen Mainstream, durch geizige Verbraucher gezwungen wird, immer billiger zu produzieren. Dass der wachsende Niedriglohnsektor dazu führt, dass immer mehr Menschen auf billige Lebensmittel angewiesen sind, wird dabei nicht natürlich  geblendet. Die Aktivisten haben aber genau diesen Zusammenhang in den Mittelpunkt gestellt- 
Doch das Anliegen der Erwerbslosenaktaktivisten wurde in der Berichterstattung entweder total verschwiegen oder mit wenigen Sätzen abgetan. Das  Aktionsbündnis Sozialproteste hat zu einem bundesweiten Treffen mit der Frage eingeladen. „Wie lange noch werden die  Politiker über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln?“ Die Frage ist nicht schwer zu beantworten.  Es muss wohl noch viel mehr Krach geschlagen werden, damit das Thema Hartz IV-Sätze den Parteien und Staatsapparaten entwunden und wieder auf den Straßen und in den Jobcentern dieser Republik ein Faktor wird.
Peter Nowak
Der Autor ist Herausgeber des Buches,  Zahltag, Zwang und Widerstand: Erwerbslose in Hartz IV. SBN: 978-3-89771-103-7 Preis: 7.80 Euro, Unrast-Verlag ( http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,324,7.html)   

 aus:   ak 558 vom 18.2.2011  

http://www.akweb.de/

Sehnsucht nach der Schröder-SPD

Das Ergebnis der Urabstimmung der SPD in Schleswig-Holstein ist eine Richtungsentscheidung
Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein heißt Torsten Albig. Bei einer Urabstimmung der SPD-Mitglieder setzte sich der Kieler Oberbürgermeister mit 57,22 Prozent gegen den lange Zeit als Favoriten gehandelten Ralf Stegner durch. Stegner kam weit abgeschlagen auf nur 32,15 Prozent. Die Außenseiterkandidaten Brigitte Fronzek (9,09 %) und Matthias Stein (1,28 %) hatten keine Chance.

In seiner Deutlichkeit bedeutet das Abstimmungsergebnis eine herbe Niederlage für Stegner, der nun auch um seine Spitzenämter in der Partei fürchten muss. In dem Ergebnis spiegelt sich auch die Unzufriedenheit der Basis mit dem oft arrogant auftretenden Stegner wieder. Darüberhinaus offenbart die Wahl Grundlegendes, was die Ausrichtung der Partei anbelangt Stegner und Albig stehen für unterschiedliche Konzepte in der SPD.

Während Stegner den Sozialdemokraten ein soziales Profil geben wollte und ein neues Schulgesetz sowie eine kostenlose Kitabetreuung propagierte, lehnte Albig solche Forderungen ab, weil sie seiner Meinung nicht zu finanzieren sind.

„Ich kämpfe für Rot-Grün“, erklärte Stegner noch vor wenigen Tagen in einem Interview, wo er sich von seinen konservativeren Konkurrenten absetzen wollte. Der ehemaliger Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht er sich, wie sein ehemaliger Chef, noch heute als Erbe der Schröder-SPD. Als Kieler Oberbürgermeister hat er sich als Sprecher der mit der Bundespolitik unzufriedenen Kommunalpolitiker zu profilieren versucht.

Die Urabstimmung hat deutlich gemacht, dass die SPD-Basis Sehnsucht nach den Machern der Schröder-Ära hat. Der Erfolg des Schröder-Mannes Olaf Scholz hat diese Tendenz noch verstärkt. Jetzt hofft die SPD bei den durch einen Gerichtsbeschluss festgelegten vorgezogenen Wahlen in Schleswig Holstein auf einen Erfolg eines Kandidaten vom rechten Parteiflügel.

Sämtliche Absetzbewegungen von Schröder und Co., die es in den letzten Jahren in der SPD scheinbar gegeben hat, können nicht darüber hinwegtäuschen. Stegner könnte das Schicksal seiner Parteifreundin Andreas Ypsilantis teilen, die auch für die SPD zu links war, obwohl sie anders als Stegner Wahlen gewonnen hat.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149346

Peter Nowak

Auf den Spuren des NS-Terrors

Italienische Schüler beteiligen sich an Gedenkstättenfahrt
Bitterkalt war es auf dem Gelände der »Topographie des Terrors« in Berlin-Kreuzberg. Doch die jungen Leute aus Italien hörten mit großer Aufmerksamkeit einem Gedenkstättenmitarbeiter zu, der auf dem Areal die Grundstrukturen des nationalsozialistischen KZ-Systems erklärte. Später ging es in die Ausstellungshalle, wo auf zahlreichen Tafeln die Terrorpolitik der Nationalsozialisten erläutert wird. Dann strebten die Jugendlichen wieder zu den Bussen, das offizielle Programm war beendet. Die Teenager verabredeten sich zum Museumsbesuch.

 Gestern ging die Tour weiter. Eine Gruppe fuhr zum einstigen Konzentrationslager Sachsenhausen, eine andere nach Ravensbrück. Auch ein Besuch der Gedenkstätte deutscher Widerstand, der Blindenwerkstatt Otto Weidt in den Hackeschen Höfen und des Zwangsarbeiterlagers in Schöneweide gehörten zum umfangreichen Programm der viertägigen Reise. Das Berliner Olympiastadion als Prototyp einer NS-Architektur wurde ebenfalls von einer Schülergruppe besucht.

Alle Termine werden vor- und nachbereitet. Denn die Jugendlichen sind Absolventen der Oberschulen in der italienischen Region Reggio Emilia bei Bologna. Dort stehen seit Ende der 90er Jahre die Themen Faschismus, Verfolgung, Deportation und Widerstand in den Lehrplänen. Die Gedenkstättenfahrten werden vom italienischen Geschichtsinstitut Istoreco organisiert.

Jedes Jahr steht eine andere Region auf der Agenda. »In den letzten Jahren haben wir Fahrten zur Gedenkstätte Dachau, nach Theresienstadt und nach Auschwitz organisiert«, so ein Istoreco-Mitarbeiter. In diesem Jahr stehen Berlin und Brandenburg auf dem Programm. Die Erfahrungen seien sehr positiv, was auch an dem von Jahr zu Jahr gestiegenen Interesse an den Fahrten deutlich wird. Diesmal sind rund 1000 Schüler dabei.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/191903.auf-den-spuren-des-ns-terrors.html

Peter Nowak