Richter sorgen sich um „Marke Unabhängigkeit“

Das Berliner Landgericht lud Journalisten zum zweistündigen Pressegespräch. Der Grund: Zahlreiche Urteile und Entscheidungen in Mietsachen standen in der Kritik

„Baulärm ist hinzunehmen“, „Für die Rendite werden Mieter skrupellos vergrault“, „Richterin in Mietstreit in der Kritik“.

Das sind nur drei von vielen Überschriften Berliner Medien, die sich in den letzten Monaten kritisch mit Urteilen des Berliner Landgerichts in Mietsachen befassten. Doch nicht nur aus der Presse kam Kritik. So haben Mieteraktivisten ein Seminar des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen besucht, das von der Richterin der 63. Kammer des Landgerichts, Regine Paschke, geleitet wurde.

Die Kritik zeigt Wirkung. Am vergangenen Montag hatte Bernd Pickel, der Präsident des Berliner Landgerichts, zu einem zweistündigen Hintergrundgespräch über das Bild der Justiz bei Mietprozessen eingeladen. Schon in der Pressemitteilung wurde die Intention deutlich. „Die Neutralität der Gerichte wird zu einzelnen Mietprozessen in der Presse und in Internetforen intensiv diskutiert“, heißt es dort. „Unabhängigkeit ist unsere Marke“, hieß es beim Gespräch. Die muss also wieder mal poliert werden.

Muss die Mauer vor dem Küchenfenster weg?

Nun könnten sich die Richter die Frage stellen, ob die kritisierten Entscheidungen Anlass zur Kritik gegeben haben können. Aber die Einladung weist in Richtung Presseschelte: „Nicht immer wird in der Berichterstattung über Mietthemen deutlich, welche Rolle ‚die Justiz‘ in dem Geschehen einnehmen darf, nach welchen rechtlichen Vorgaben sie tätig wird und wo sie Entscheidungsspielräume hat und wo nicht. In der oft hitzigen Diskussion kommen auch die Fakten des jeweiligen Prozesses in den Medien manchmal zu kurz.“

Die Fakten sollten nun in Hand einiger der besonders kritischen Urteile des Berliner Landgerichts nachgeliefert werden. Dabei standen die Klagen der Mieter der Moabiter Calvinstraße 21 im Mittelpunkt. In dem Haus wehren sich mehrere Mieter gegen eine Luxusmodernisierung.

Bundesweit bekannt wurde ein Urteil des Landgerichts im Fall einer Mieterin in dem Haus, deren Fenster in Küche und Bad durch eine Mauer verdeckt wird. Sie wurde von der Eigentümerin, die Terrial Stadtentwicklung GmbH hochgezogen. Anders als die Vorinstanz war die Kammer des Landgerichts mit Frau Paschke als Richterin der Meinung, ein Abriss der Mauer wäre für die Eigentümer ein zu großes Opfer. Zudem hätte es die Mieterin versäumt, mittels einstweiliger Verfügung den Bau der Mauer vor der Fertigstellung zu verhindern. Dann wäre das Opfer für den Vermieter nicht so hoch gewesen. Hier vermissten die Richter in der Medienberichterstattung auch den Hinweis, dass zu diesem Urteil Revision zugelassen wurde.

Nicht nur in diesem Fall wollten Richter auf der Pressekonferenz den Eindruck entgegenwirken, vor der 63. Kammer des Berliner Landgerichts hätten Mieter keine oder nur geringe Chancen, sich gegenüber den Vermietern durchzusetzen. Die Nachfragen und Kommentare der anwesenden Journalisten zeigten aber auch, dass der Erfolg der Überzeugungsarbeit nicht besonders groß war. So machte ein anwesender Journalist darauf aufmerksam, dass eine Mieterin ihre Kündigung wegen einer Mietminderung nur abwenden konnte, weil sie die vom Vermieter geforderte Summe zahlte. Die Kammer Justiz könne es nicht als Beispiel für mieterfreundliche Urteile heranziehen.

Ist ein Seminar beim Immobilienverband ein Eintauchen in die Gesellschaft?

Auf wenig Verständnis bei den anwesenden Journalisten stieß auch die Verteidigung der Nebentätigkeiten der Richterin Regine Paschke beim Haus- und Grundbesitzerverband. Die Honorare überstiegen nicht die üblichen Sätze und zudem sei es doch ein Vorteil für die Rechtspflege, wenn Richter nicht immer nur Akten lesen, sondern sich in der Gesellschaft bewegen würden, erklärten die Richter auf der Pressekonferenz.

Dass der Haus- und Grundbesitzerverband als gutes Beispiel für eine Öffnung der Justiz in die Gesellschaft angeführt wurde, verwundert nur, wer die soziale Positionierung der überwiegenden Mehrheit der Richterinnen und Richter in Deutschland außer Acht lässt. Schließlich sind viele von ihnen selber Besitzer einer Eigentumswohnung oder eines Eigenheims, wenige sind Gewerkschaftsmitglieder und wohl keiner war je Hartz-IV-Empfänger oder wird es in seinem Leben werden.

In den 1970er Jahren gab es zahlreiche Bücher und Aufsätze auch in kritischen juristischen Publikationen, die sich fragen, was es für die Justiz bedeutet, wenn die Staatsanwälte und Richter überwiegend dem mittleren und höheren Bürgertum angehören, in diesen Kreisen verkehren und deren Wertvorstellungen teilen, während ein Großteil der Angeklagten, aber auch der Kläger beim Mietprozessen den subalternen Teil der Gesellschaft angehen, man könnte auch altmodischer von Unterklassen sprechen.

Beim Pressegespräch wurde diese gesellschaftliche Kluft mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen wurde an die Pressevertreter appelliert, mehr Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz zu haben.

Die Justiz und die gesellschaftlichen Debatten Erstaunlich war auch, wie beharrlich die vier Richter beim Pressegespräch betonten, sie würden sich mit ihren Entscheidungen nur an der Gesetzgebung orientieren. Dass es eine Rechtsprechung gibt, die diese Gesetze unterschiedlich auslegt und interpretiert, und dass oft genug die Gesetze an Gerichtsentscheidungen angepasst wurden, wird dabei völlig ausgeblendet.

Allein die Einberufung des Pressegesprächs machte deutlich, dass die Justiz nicht unabhängig von den gesellschaftlichen Debatten ist. Durch eine in Berlin sich entwickelnde Mieterbewegung stehen die Entscheidungen des Landgerichts in Mietersachen unter einer besonderen Beobachtung und Kritik. Damit bestätigt sich eine ältere Beobachtung, dass in Bewegungszeiten, Einrichtungen und ideologische Staatsapparate, die sonst völlig unhinterfragt akzeptiert werden, kritischer betrachtet werden. So haben streikende Arbeiter die Bildzeitung boykottiert, die sie jahrelang unhinterfragt gelesen haben. Nun macht das Berliner Landgericht im Zuge der Mieterbewegung die Erfahrung, dass ihre Marke Unabhängigkeit in die Diskussion gerät. In anderen Städten dürften der Justiz ähnliche Erfahrungen noch bevorstehen.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155145

Links:

[1]

http://www.berliner-zeitung.de/bezirke/prozess-wegen-mietminderungen-calvinstrasse–baulaerm-ist-hinzunehmen,10809310,22704664.html

[2]

http://www.welt.de/finanzen/immobilien/article118954666/Fuer-die-Rendite-werden-Mieter-skrupellos-vergrault.html

[3]

http://www.tagesspiegel.de/berlin/ein-fall-von-befangenheit-richterin-in-mietstreit-in-der-kritik/7995596.html

[4]

http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/landgericht/standorte/dienstgebaeude-littenstrasse/

[5]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/2013/06/08/kundgebung-gegen-seminar-von-richterin-paschke-fuer-vermieterinnen-mi-12-juni-1330-uhr-luetzowufer-15/

[6]

http://www.bfw-bund.de/index.php?id=130&tx_ttnews[tt_news]=2943&tx_ttnews[backPid]=130&cHash=efdc3b569f

[7]

http://www.bfw-bund.de

[8]

http://www.moabitonline.de/12036

[9]

http://www.tagesspiegel.de/berlin/calvinstrasse-in-moabit-zugemauerte-mieter-streit-verschaerft-sich/6832270.html

[10]

http://home.immobilienscout24.de/1263426

Zwischen Selbstorganisation und Neoliberalismus

Links

[1]

http://ngbk.de/development/index.php?lang=de

[2]

http://www.smur.eu/intersections/valle-borghesiana/

[3]

http://www.teatrovalleoccupato.it/

[4]

http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6074:theaterbrief-aus-italien-3-ein-abend-im-besetzten-teatro-valle-in-rom&catid=624&Itemid=99

[5]

http://de.euronews.com/2010/01/22/rom-raeumt-romalager/

[6]

http://www.amnesty.ch/de/themen/armut-und-menschenrechte/slums-zwangsraumungen/dok/2012/italien-muss-auf-umsiedlung-von-roma-verzichten

Stadtteilkampf in Rom

Ausstellung über informelle Siedlungen

Einen Blick auf Rom jenseits von Tourismusattraktionen liefert die von Jochen Becker kuratierte Ausstellung in der Galerie »Neue Gesellschaft für bildende Kunst« (ngbk) in Berlin-Kreuzberg. Mit zahlreichen Videos, Hörspielen und Informationstafeln widmet sie sich den informellen Siedlungen, die auf etwa einem Drittel der bebauten Fläche Roms ohne staatliche Genehmigung und ohne Anbindung an die städtische Infrastruktur errichtet wurden.

In dem nach 1970 informell errichteten Stadtteil Valle Borghesiana organisierten sich die Bewohner, um den Anschluss an das Wasser- und Stromnetz und das Recht auf ein menschenwürdiges Leben durchzusetzen. Auf den Ausstellungstafeln erfahren die Besucher, dass sich die Menschen Mitentscheidungsrechte erkämpft haben.

Ganz anders wurde mit den migrantischen Besetzern der ehemaligen Teigwarenfabrik Pantanella umgegangen, die nach acht Monaten geräumt wurde. Mehrere Installationen thematisieren den Umgang mit den Roma, die aus der römischen Innenstadt in schwer bewachte Lager am Stadtrand vertrieben werden. Besonders gelungen ist der Teil der Ausstellung, in dem aktuelle urbane Kämpfe mittels der italienischen Kunstgeschichte dargestellt werden.

So wird auch die Entwicklung der Stadtpolitik anhand von Filmbeispielen von Pier Paolo Pasolini gezeigt. Der Regisseur vergleicht Siedlungsstrukturen in Italien beispielsweise mit solchen im Jemen. In einer Filmcollage werden in der Ausstellung die von Erwerbslosen errichteten Dörfer in den römischen Sümpfen unter anderem Kolonialbauten in Lybien und Äthiopien gegenüber gestellt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/833524.stadtteilkampf-in-rom.html

Peter Nowak

Weltladen „La Tienda“ am Boxi muss schließen

100 PROZENT MIETSTEIGERUNG

Am kommenden Samstag findet zum zehnten Mal das Weltfest unter dem Motto „Global goes Local“ am Boxhagener Platz statt. Für Michael Fuhrberg ist es allerdings ein trauriger Anlass. Der von ihm betriebene Weltladen „La Tienda“ wird in den nächsten Tagen schließen. „Nach fast 20 Jahren Engagement im fairen Handel droht dem einzigen Weltladen in Friedrichshain wegen zu hoher Mietforderungen seitens des Neu-Eigentümers das Ende“, so Fuhrberg zur taz.

Eigentlich hatte Fuhrberg für den Laden, den er aus persönlichen Gründen nicht mehr weiterbetreiben wollte, schon einen Nachfolger gefunden. Doch der ist wegen der Mietforderungen des Eigentümers wieder abgesprungen. Nach dem Auslaufen des Mietvertrages Ende September soll die Miete bei einem Neuvertrag um 100 Prozent steigen, sagte Fuhrberg. Verhandlungen mit dem Vermieter und ein Appell an den Eigentümer Anfang Juli hätten jedoch nur zu einem Übergangsangebot geführt, berichtet er. PassantInnen und KundInnen wurden auf im Schaufenster angebrachten Schildern über die drohende Schließung informiert. „Faire Welt am Boxhagener Platz – wie lange noch?“, hieß es dort.

Bei der Hausverwaltung hat man für diese Art Öffentlichkeitsarbeit kein Verständnis. Fuhrberg sorge „durch Aushänge im Schaufenster des Ladens und an der Fassade für Propaganda und Diffamierung gegen den Vermieter“, so Peter Jorga von der Lotz Consulting. Lediglich aus Kulanzgründen habe der Vermieter auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung verzichtet, sagte er der taz. Grundsätzlich sei man gerne bereit, an Menschen mit sozialem und ökologischem Engagement zu vermieten. Mittlerweile verhandle man aber auch mit anderen Interessenten.

Link: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F09%2F11%2Fa0113&cHash=9314574c734ce3b94395d6328ecb65a6

Peter Nowak

Letzter Weltladen in Friedrichshain

Nicht nur Mieter, auch unkommerzielle Projekte sind von Wucher bedroht

»Faire Welt am Boxhagener Platz – wie lange noch?« Diese Frage steht auf einen Schild am Eingang Weltladen La Tienda in der Krossener Straße. Der Besitzer Michael Fuhrberg will damit Kunden und Passanten darauf hinweisen, dass der Laden womöglich Ende September schließen muss. Dann läuft der bisherige Mietvertrag aus. Aus persönlichen Gründen beendet Fuhrberg seine Tätigkeit als Ladeninhaber. Doch es gibt Interessenten, die den Laden weiterführen und sogar mit einem angeschlossenen Reisebüro erweitern würden. Bisher ist aber kein neuer Vertrag zustande gekommen und die potenziellen Nachmieter werden langsam unruhig. »Nach dem Auslaufen des aktuellen Mietvertrages Ende September soll die Miete bei einem Neuvertrag um 100 Prozent steigen. Verhandlungen mit dem Vermieter und ein Appell an den Eigentümer Anfang Juli haben nur zu einem Übergangsangebot geführt«, so Fuhrberg gegenüber »nd«. Vor einigen Wochen hat er in einem Offenen Brief verfasst, in dem er seine Kunden sowie Passanten darüber informierte, dass es den Laden vielleicht bald nicht mehr geben wird. Fuhrberg begründet seinen Schritt in die Öffentlichkeit mit der Sorge, dass der Eigentümer auf Zeit spielt, um die Rendite zu steigern. Schließlich ist das Areal rund um den Boxhagener Platz eine angesagte Gegend und die Mietpreise steigen. »Nach 20 Jahren Engagement im Fairen Handel droht dem einzigen Weltladen in Friedrichshain und einem der wenigen größeren Läden dieser Art in Berlin das Ende, wegen zu hoher Mietforderungen seitens des Neu-Eigentümers«, so Fuhrberg. Er hat sich nach Abschluss seines Studiums der Volkswirtschaftslehre mit dem Fairen Handel befasst und lernte die Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit (GSE) kennen, die 1993 den ersten Weltladen eröffnete.

Sowohl die GSE als auch der Weltladen waren in die »Lokale Agenda 21«-Bewegung eingebunden, die Anfang der 90er Jahre vom sogenannten Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 angestoßen wurde. »Zusammen mit anderen Initiativen und Organisationen im Bezirk Friedrichshain, nicht zuletzt auch mit dem Bezirksamt, ging es um Öffentlichkeitsarbeit und konkrete Schritte für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung auf lokaler und globaler Ebene«, beschreibt Fuhrberg die Zielsetzung des Ladens.

Peter Jorga von der Lotz Consulting, der Eigentümerin des Hauses, erklärt gegenüber »nd«, dass bisher für den Laden kein Folgemietvertrag abgeschlossen wurde und alle Anfragen geprüft werden. Grundsätzlich sei man gerne bereit, an Mieter mit sozialen und ökologischen Engagement zu vermieten. Doch mittlerweile verhandle man auch mit anderen Interessenten über die Gewerbefläche. Kein Verständnis hat Jorga für die Öffentlichkeitsarbeit des Ladeninhabers. Herr Fuhrberg sorge »durch Aushänge im Schaufenster des Ladens und an der Fassade für Propaganda und Diffamierung gegen den Vermieter«. Lediglich aus Kulanz des Vermieters sei auf die mögliche strafrechtliche Verfolgung verzichtet worden.

Die Friedrichshainer Initiative »Keine Rendite mit der Miete«, sieht das drohende Ende des Weltladens als ein Beispiel dafür, dass es in dem Stadtteil nicht nur für Mieter sondern auch für nichtkommerzielle Projekte immer schwieriger wird, ihre Räume zu behalten. So wurde dem Kunst- und Kulturverein Vetomat die Räume in der Scharnweberstraße 25 gekündigt. Der Verein hat juristische Schritte angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/831568.letzter-weltladen-in-friedrichshain.html

Peter Nowak

Polizei darf auf manchen U-Bahnhöfen in Echtzeit zuschauen

Links

[1]

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/videokameras-polizei-ueberwacht-u-bahn-fahrgaeste,10809148,24031254.html

[2]

http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/20110512.1120.343978.html

[3]

http://www.humanistische-union.de

[4]

http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Sicherheit/Kriminalitaetsbekaempfung/Jugendkriminalitaet/jugendkriminalitaet_node.html

Wenn Zweckentfremdung belohnt wird

Links

[1]

http://www.rp-online.de/wirtschaft/laender-missbrauchen-wohn-zuschuesse-1.3585546

[2]

http://www.rp-online.de

[3]

http://www.bmvbs.de/DE/Home/home_node.html

[4]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154680

[5]

http://mietenstopp.blogsport.de/

[6]

https://www.facebook.com/ZwangsraeumungVerhindernNrw?filter=2

[7]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/2013/07/11/zwangsraeumung-in-hamburg-harburg-69-jaehriger-zum-auszug-gezwungen/

[8]

http://www.keineprofitemitdermiete.org

Länder werden für Zweckentfremdung von Geldern für den sozialen Wohnungsbau belohnt

Eine in der Rheinischen Post (RP) vom 6.8. veröffentlichte  Übersicht aus dem Bundeswohnungsministeriums macht deutlich, dass viele Bundesländer, darunter Berlin und Brandenburg, zur Schaffung billigen Wohnraums vorgesehene Gelder zweckentfremdete. Mit dem Geld seinen Haushaltslöcher gestopft worden, anstatt in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.
Nach der Föderalismusreform im Jahr 2006 sind die Länder für den Wohnungsbau zuständig, erhalten dafür aber von der Bundespolitik zweckgebundene  Gelder.

Die RP zitiert aus dem Ministeriumsbericht, dass Berlin, Bremen, das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen in den Jahren 2009, 2010 und 2011 so gut wie keine Sozialwohnungen geschaffen hätten. Dabei hätten sie jährlich 518 Millionen Euro vom für  den Neubau und die Sanierung von Sozialwohnungen erhalten.  Das Land Berlin zahlte mit dem Geld Wohnungsbau-Altverpflichtungen aus früheren Jahren ab. In  der fraglichen Zeit bekamen steigende Mieten in der Stadt und die drohende Verdrängung einkommensarmer Bevölkerungsschichten aus bestimmten Stadtteilen in der öffentliche Debatte einen großen Stellenwert in der öffentlichen Debatte.  Die von verschiedenen Mieterverbänden erhobene Forderung nach einer stärkeren Förderung des sozialen Wohnungsbaus wurde vn den politisch Verantwortlichen jedweder Couleur in Berlin in den letzten 10 Jahren mit dem Verweis auf die leeren Klassen abgewiesen.
Nach dem  von der RP veröffentlichten  Ministeriumsbericht ging der soziale Wohnungsbau in diesem  Zeitpunkt weiter zurück:   So seien 2009 bundesweit noch 23 600 zusätzliche Sozialwohnungen gebaut, waren es 2011 nur noch 19 300 geförderte Wohneinheiten.

Ab 2014 wird Praxis legal
Es ist sicher kein Zufall, dass wenige Wochen vor den Bundestagswahlen in der der CDU nahestehenden Zeitung ein Bericht aus einem von dieser Partei geführten Ministerium erscheint. Schließlich stehen in dieser Zeit auch die Parteien in einer gewissen Konkurrenz zueinander. Nach dem 22. September  werden sie dann genau sowenig Mieterinteressen vertreten, wie sie es bisher schon getan haben. Das wird auch an dem Umgang mit der  Zweckentfremdung der Gelder für den sozialen Wohnungsbau deutlich. Die Länder müssen dafür  nicht etwa Sanktionen befürchten, sondern werden noch belohnt. Ab 2014 bestehe nur noch eine allgemeine „investive Zweckbindung der Kompensationsmittel“, wird in der RP aus den  Unterlagen des Bauministeriums zitiert. Übersetzt aus dem Beamtendeutsch bedeutet es, dass die Bestimmungen der Zweckentfremdung so  aufgeweicht werden, dass die aktuelle Praxis, die für den sozialen Wohnungsbau bestimmte kreativ zur Haushaltssanierung zu nutzen, dann ganz legal möglich ist.

MieterEcho online 06.08.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/sozialer-wohnungsbau.html

Peter Nowak

Kampagne gegen Neuvermietung von zwangsgeräumten Wohnungen

Vor fünf Monaten  sorgten die Proteste gegen die Zwangsräumung der Familie Gülbol in Berlin-Kreuzberg  in der Lausitzer Straße 8  für großes  Aufsehen.    Eine monatelange Kampagne mit bundesweitem Presseecho  konnte die Räumung nicht verhindern. Sie konnte aber nur mit  mehr als  800 Polizisten und einen über dem Stadtteil kreisenden  Hubschrauber durchgesetzt werden. Die Proteste haben auch dazu geführt, dass in Berlin und mittlerweile auch in anderen Städten Proteste gegen Zwangsräumungen von Mietern zunehmen.
Jetzt steht die seit der Räumung leerstehende  Wohnung der Familie  Gülbol im Fokus einer neuen Initiative. Das Berliner Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ hat in einen offenen Brief an die Anwohner und solidarische Menschen aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Wohnung nicht wieder vermietet werden kann. In dem Brief argumentieren die Aktivisten auf zwei Ebenen: In einem  stark moralisch bestimmten Abschnitt heißt es,  dass mit der Aktion dafür gesorgt werden soll, „dass  das geschehene Unrecht sich nicht manifestiert und Unwissende nun diese Wohnung anmieten“. Daher soll mit der Kampagne  jeden potentiellen Interessenten  deutlich werden, dass aus dieser Wohnung Mieter zwangsgeräumt wurden. Im zweiten Abschnitt werden die ökonomischen  Interessen der Eigentümer  angesprochen, die durch die  Kampagne tangiert werden. „ Wir wollen also am Beispiel Lausitzer Straße 8 erreichen, dass diejenigen, die in unseren Wohnungen nichts als ihre Profite sehen, zukünftig erhebliche Probleme haben werden“, heißt es in dem Brief.  Dieser Aspekt könnte durchaus für Eigentümer relevant werden, die zu den Mitteln der Zwangsräumungen greifen und sie gegen alle Proteste durchsetzen. Konnten sie bisher darauf hoffen, dass das Thema in der Öffentlichkeit einige Zeit nach einer vollzogenen Räumung an Bedeutung verliert, so müssen sie nun damit rechnen, dass die Proteste auch noch Monate anhalten und sie daher daran gehindert sind, mit den Wohnungen Profite zu machen. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass die Kampagne Unterstützung bei den Anwohnern findet. Denn anders als beim Protest gegen die Räumung für den berlinweit mobilisiert werden konnte, weil der Termin vorher feststand, werden Wohnungsbesichtigungen von potentiellen Nachmietern in der Regel nicht öffentlich bekannt gegeben.    Daher werden die Anwohner in dem Brief der Kampagne auch gebeten,  Informationen, die auf Besichtigungstermine oder andere Aktivitäten zur Neuvermietung der Wohnung in der Lausitzer Straße 8 hinweisen, zu melden.  Zudem sollen die zwangsgeräumten Wohnungen mit Plakaten und im Internet bekannt gemacht werden. Dann könnten sich Mieter bei der Wohnungssuche nicht nur  über die höhe der Miete  und die Lage,  sondern  auch die Sozialkompetenz der Eigentümer informieren.

MieterEcho online 29.07.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/zwangsraeumungen.html

Peter Nowak

Widerstand gegen Zwangsräumungen von Mietern weitet sich aus

Seit Jahren werden in Deutschland tagtäglich Mieter zwangsweise geräumt, weil sie ihre Miete nicht zahlen können. Lange Zeit hat sich dafür kaum jemand interessiert. Dass hatte sich seit Herbst 2012 geändert, als  in Berlin eine Bewegung gegen solche Zwangsräumungen entstanden ist.  Die betroffenen Mieter gingen gemeinsam mit  Mieterinitiativen und solidarischen Nachbarn an die Öffentlichkeit.  Der Tag der Zwangsräumung wurde so zum  Tag des Protests gegen hohe Mieten und Vertreibung von einkommensschwachen Menschen. In den letzten  Wochen gab es erstmals seit Jahren auch in anderen Städten solche Proteste gegen Zwangsräumungen.

70jähriger in Hamburg  zwangsgeräumt
Am 11. Juli beteiligten sich etwa 50 Menschen aus der Nachbarschaft und aus Mieterinitiativen an Protesten gegen die Zwangsräumung des  70jährigen Hans Werner M. durch Polizei und Gerichtsvollzieher.  Die SAGA GWG und das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen (f&w) bestanden  trotz der Proteste  auf  der Durchsetzung der Räumung, schoben aber die Verantwortung auf die jeweils andere Partei. Der zwangsgeräumte Mieter bedankte sich bei den Unterstützern für die Solidarität. Er  unterschrieb schließlich einen Mietvertrag für eine ihm unbekannte Wohnung, weil ihm sonst die Obdachlosigkeit und die Einlagerung seines Hausrats auf eigene Kosten gedroht hätten. Der Mieteranwalt Andreas Blechschmidt erklärte, dass  Hans-Werner M. ohne den Protest gegen die auf der Straße gelandet wäre. „Es gibt in Hamburg etwa 1000 Zwangsräumungen pro Jahr Die Hälfte der Betroffenen wird obdachlos, „ erklärte der Jurist.
Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ in NRW gegründet
Auch in Nordrhein-Westfalen hat sich vor einigen Wochen ein Bündnis unter dem Motto „Zwangsräumung verhindern, Menschenrechte schützen, Solidarität zeigen“ (http://zrvnrw.wordpress.com/) gegründet. In Krefeld wurde eine terminierte Zwangsräumung nach Ankündigungen  von Protesten verschoben. Auch in Düsseldorf und Köln haben sich von der Räumung bedrohte Mieter an die Öffentlichkeit gewandt und  bekommen  von dem Bündnis Unterstützung. Am 15. Juli gab es in Bottrop Proteste gegen die Zwangsräumung der Mieterin Ursula K.  Ihr war nach langem Streit mit den Eigentümern  gekündigt worden. Die Kündigung wurde in zwei Instanzen vom Gericht  bestätigt. Die Mieterin wandte sich an das Protestbündnis. Am 15. Juli waren ca.30 Personen vor Ort, die aber die Räumung nicht verhindern konnten. Mehrere  Teilnehmer der Proteste waren nach einem Blockadeversuch kurzzeitig festgenommen worden. Nach der Sommerpause lädt das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ ein NRW-weites Treffen ein  auf dem   es um die bessere e Koordinierung und Effektivierung ihrer Arbeit gehen soll.

aus:   MieterEcho online 26.07.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/zwangsraeumungen-in-anderen-staedten.html

Peter Nowak

Häuserkampf in Holland?

nd: Auch in den Niederlanden nehmen Wohnungsnot und Räumungen zu. Gibt es Widerstand?
Verweij: Das Problem wird eher als individuelles gesehen. Eine Bewegung dagegen gibt es bisher nicht. Aber es existieren mehrere Mieterorganisationen, von denen die meisten jedoch auf Seiten der Wohnungsbaugesellschaften stehen. Dazu trägt auch die niederländische Tradition der Konsensgesellschaft bei. Soziale Konflikte werden in der Regel nicht konfrontativ ausgetragen. Wenn es Konflikte gibt, werden sie meist auf institutioneller Ebene gelöst.

Sie haben kürzlich bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Sozialer Wohnungsbau ade« in Berlin über die Lage in den Niederlanden informiert. Wann ging es in Ihrem Land mit bezahlbarem Wohnraum zu Ende?
In den Niederlanden waren 2,3 Millionen der insgesamt drei Millionen Mietwohnungen Eigentum von Wohnungsbaugesellschaften. Sie machten keinen Gewinn und wurden vom Staat reguliert. Das änderte sich 1995, als sie privatisiert wurden und der Profit in den Fokus geraten ist. Die Regierung will die Wohnungsbaugesellschaften völlig dem freien Markt ausliefern. Damit ist das seit 1900 bestehende System des sozialen Wohnungsbaus beendet.

Die Niederlande sind als Ursprungsland der Kraakerbewegung bekannt. Sie hatte eine große Bedeutung für Hausbesetzungen in vielen Ländern. Welchen Einfluss hat sie heute auf die Mieterbewegung?
Das sind verschiedene Welten und Kulturen. In Gegenden, in denen Nachbarschaftsinitiativen gegen Gentrifizierung bestehen – wie in Amsterdam – gibt es aber Kontakte zur Kraakerbewegung.

In welchem Bereich engagieren sich solche Initiativen?
Ein gutes Beispiel ist Nieuw Crooswijk in Rotterdam-Ost, wo die Stadt 1800 von 2100 Sozialwohnungen abreißen wollte, um Eigentumswohnungen für Bewohner mit höheren Einkommen zu errichten. Es ist das erste Public-Private-Partnership-Projekt des Landes und zum Vorbild für andere Städte geworden. Aber dagegen gibt es mehrere Initiativen.

Zuletzt haben die Niederlande mit Antikraak-Projekten von sich reden gemacht. Was ist das?
Leerstehende Wohnungen sollen kurzfristig gegen eine Nutzungsgebühr an einkommensschwache Mieter vergeben werden, die sofort ausziehen müssen, wenn der Eigentümer es wünscht. Damit sollen Besetzungen verhindert werden. Die Nutzer verzichten dabei auf sämtliche Rechte.

Warum lassen sich Mieter darauf ein?
Das ist eine Folge der Wohnungsnot gerade bei Menschen mit geringem Einkommen. Zudem werden die Antikraak-Projekte in der Öffentlichkeit als modernes und flexibles Wohnen hochgelobt. Gegen diese Projekte gab es aber bereits im Parlament eine Gesetzesinitiative, um die Zahl der Antikraak-Firmen zu begrenzen. Für Druck sorgte auch ein Film. Zunächst schien es eine Mehrheit für die Regulierung zu geben. Doch die neoliberalen Parteien verwässerten das Gesetz. Jetzt sollen sich die Antikraak-Firmen ein freiwilliges soziales Siegel geben.

War die Debatte damit beendet?
Im Parlament schon. Aber die sozialen Bewegungen haben das Thema weiter im Blick.

Interview: Peter Nowak
http://www.neues-deutschland.de/artikel/828462.haeuserkampf-in-holland.html


Arm durch hohe Mieten

Laut einer von der Bertelsmann  Stiftung  am 22. Juli vorgestellten Studie   geraten immer mehr einkommensschwache Menschen durch hohe Mieten unter das Hartz IV-Niveau.

Untersucht wurde ihre Einkommenssituation in 100 deutschen Großstädten.  In 60 der 100 größten Städte in Deutschland  haben Familien  nach Abzug der Miete im Schnitt weniger Geld zur Verfügung als den Hartz-IV-Regelsatz von 1169 Euro im Monat, schreibt die Bertelsmann Stiftung in einer Pressemitteilung, in der die Ergebnisse der Studie zusammengefasst sind.  Ausgangspunkt ist  eine vierköpfige Familie mit weniger als 60 Prozent des regionalen Durchschnittseinkommens, mit einem Kind im Alter von bis zu sieben Jahre sowie einen Kind zwischen sieben und 14 Jahren
In der Studie wird das nationale Gefälle bei der Mietpreisentwicklung deutlich.  So bleiben einer solchen Modellfamilie in  Jena laut Studie nach dem Abzug der der Miete rechnerisch 666 Euro im Monat. Damit liege ihr verfügbares Einkommen 43 Prozent unter dem Niveau der Grundsicherung. Eine Familie mit ähnlicher sozialer Zusammensetzung käme  hingegen in Heilbronn mit einem entspannteren Wohnungsmarkt und relativ hohen Durchschnittseinkommen auf 1941 Euro im Monat. Damit lägen sie  66 Prozent über dem Grundsicherungsniveau.  In Berlin  beträgt der Anteil der Miete am Gesamteinkommen einkommensarmer Familien 30 %.  Das verfügbare Restbudget dieser Familie  liegt demnach 3 % unter dem Hartz IV-Regelsatz.

Die für die Studie verantwortlichen Wissenschaftler  machen die für Mieter nicht überraschende Feststellung, dass  der Wohnraum „zum teuersten Kulturgut“ geworden ist. Der Zusammenhang zwischen der mangelnden Verfügbarkeit von preiswerten Wohnraum und der Mietbelastung für einkommensarme Familie wird gut herausgestellt. Je geringer diese Zahl in einer Region ist, desto mehr der Betroffenen rutschen in den Armutssektor ab.      „Durch die  hohen Mietkosten verfügt eine arme Familie in Frankfurt am Main über 37 Prozent weniger Mittel als Familien mit SGB-II-Bezug“, heißt es dort. Bei der Anteil der Wohnquartiere, in denen Wohnungen für einkommensschwache Familien angeboten werden, liegt Berlin im unteren Drittel. Auch bei der  Durchschnittsentfernung der Wohnungen mit geringen Mieten vom Stadtmittelpunkt liegt Berlin mit 8 km im Mittelfeld. Spitzenreiter ist in diesem Bereich München, wo diese Wohnungen bis zu 40 km von der City entfernt liegen.
Im Fazit betonen die Autoren der Studie, die Einflussmöglichkeiten der Kommunen um die Situation von einkommensschwachen Familien auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Lösungsmöglichkeiten jenseits des Marktes und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus sind von der Bertelsmann Stiftung nicht zu erwarten. Allerdings bieten die Ergebnisse der Studie durchaus Anknüpfungspunkte für diese  Forderungen. Die Studie macht deutlich, dass selbst wirtschaftsliberale Institute  die Konsequenzen einer Politik, bei der Privatisierung und Profit die Leitlinien sind, nicht mehr übersehen können.
Peter Nowak
Die Studie kann unter www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8696679E-344F9B0F/bst/xcms_bst_dms_38453_38454_2.pdf abgerufen werden.

aus:  MieterEcho online 23.07.213

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/bertelsmann-studie.html

Ponyreiten gegen den Großkonzern

Gegner des Braunkohletagebaus in Brandenburg versuchen, um öffentliche Unterstützung für ihr Anliegen zu werben. Doch auch die Verantwortlichen von Vattenfall wissen, wie man die Bevölkerung für sich gewinnt.

»Kein Land mehr für Kohle« – unter diesem Motto trafen sich Interessierte am vergangenen Wochenende zum dritten »Energie- und Klimacamp« in der Lausitz in Brandenburg. Eine Woche lang soll gegen den Braunkohletagebau protestiert werden. Das erste Camp dieser Art fand 2011 in Jänschwalde, das zweite 2012 in Cottbus statt.

Die Veranstalter legen großen Wert darauf, die Bewohner der Region für ihre Ziele zu gewinnen. »Vorträge, Zuckerwatte und Ponyreiten gegen den Klimawandel« lautet der Titel einer Pressemitteilung des Lausitzer Camps, die über das familienfreundliche Programm informieren soll. Auch Gottesdienste werden angeboten. Schließlich spielt die Kirche eine große Rolle beim Widerstand gegen die Verdrängung weiterer Lausitzer Dörfer zum Zwecke der Kohleförderung.

Weil der Konzern Vattenfall in dem neuen ­Tagebaufeld Welzow Süd II Braunkohle abbauen will, sollen einem Entwurf des Förderungsplans zufolge über 800 Menschen aus Welzow und Umgebung ihre Häuser verlassen. Im jüngsten Beteiligungsverfahren für den Braunkohleförderplan gab es knapp 5 000 Einwendungen. Sie betreffen Verfahrensfehler ebenso wie die möglichen Folgen der Kohleförderung für das Klima. Auch die Umsiedlungen sind in den betroffenen Regionen eine Quelle des Unmuts.

Doch ein größerer Widerstand ist nicht zu erwarten. Die Bevölkerung in der Region ist seit Jahrzehnten mit den Folgen des Kohleabbaus und der Stromerzeugung aus Kohle konfrontiert. Nach Angaben der Veranstalter des Klimacamps mussten in den vergangenen 80 Jahren 136 Dörfer und Ortsteile dem Braunkohletagebau weichen, mehr als 30 000 Menschen wurden um­gesiedelt.

Manche Bewohner haben sich mit dem unfreiwilligen Umzug abgefunden. Denn Vattenfall hat ihnen mehr zu bieten als Zuckerwatte und Pony­reiten. Der schwedische Konzern gehört mittlerweile zu den größten Sponsoren in der Lausitz, einer Region, in der in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein großer Teil der sozialen Infrastruktur der Sparpolitik zum Opfer gefallen ist. Dort, wo sich die Politik zurückgezogen hat, füllt Vattenfall mit seinem Sponsoring die Lücken und verschafft sich so Sympathien in der Region.

So hat die von Vattenfall im Jahr 2004 gegründete Stiftung Lausitzer Braunkohle, deren Vermögen sich nach eigenen Angaben auf 5,3 Millionen Euro beläuft, im September sieben Stipendien an Studenten aus Sachsen vergeben. »Jungen Menschen verbesserte Perspektiven und Entwicklungschancen zu eröffnen«, nennt die Stiftung als ihr Ziel. Unter dem Motto »Stark für die Lausitz« hat sie bereits zum vierten Mal einen Förderpreis für Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz ausgelobt. Die Fördersumme beträgt insgesamt 17 500 Euro und wird auf drei Preisträger aufgeteilt – angesichts der dürftigen staatlichen Zuschüsse eine erhebliche Unterstützung für die Gewinner. Auch mit dem Olympiastandort Brandenburg hat die Stiftung im Mai einen neuen Vertrag zur Sportförderung abgeschlossen. Besonders eng sind die Verbindungen von Vattenfall zur Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). So stellte der Konzern der BTU nach Angaben der Taz allein im Jahr 2011 mehr als 800 000 Euro an Drittmitteln zur Verfügung.

Die große Spendebereitschaft zahlt sich offenbar aus. Der Verein »Pro Lausitzer Braunkohle« sammelt unter dem Motto »Meine Stimme fürs Revier« seit Wochen Unterschriften für den weiteren Abbau. »Braunkohle ist der wirtschaftliche und industrielle Motor der Region«, führt er unter anderem als Argument an. Sein Vereinslogo ziert mittlerweile zwei Waggons des Vattenfall-Eisenbahnbetriebs. Ob die Teilnehmer und Veranstalter des Camps bei der Bevölkerung mit umweltpolitischen Argumenten Gehör finden werden, ist daher fraglich.

http://jungle-world.com/artikel/2013/29/48100.html

Peter Nowak

Die Wohnung wird zum „teuren Kulturgut“

Links

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http://www.bertelsmann-stiftung.de

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http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8696679E-344F9B0F/bst/xcms_bst_dms_38453_38454_2.pdf

[3]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-8696679E-344F9B0F/bst/hs.xsl/nachrichten_117419.htm

[4]

http://mietenstopp.blogsport.de/2013/03/09/sa-16-3-loehne-rauf-mieten-runter

[5]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/

[6]

http://mietenwahnsinn.rechtaufstadt.net/

[7]

http://zrvnrw.wordpress.com/

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154680

Peter Nowak

Ein Wohnblock wehrt sich

In der Frankfurter Allee kämpfen alte und neue Mieter gemeinsam gegen Verdrängung

„Keine Profite mit der Miete“, heißt es auf dem großen Transparent, das am Donnerstag in der Frankfurter Allee aufgehängt wurde. So lautete das Motto des ersten Alleefestes mit Filmen, Informations- und Kulturveranstaltungen. Dazu gehörten die Lesung aus Texten des Dramatikers Peter Hacks und die Vorführung des Films „Betongold“ über eine Verdrängung von Mietern in Berlin-Mitte. Organisiert wurde das Fest von dem Mieterrat der Frankfurter Allee 15 – 21. Es ist Teil einer bundesweiten Aktionswoche, in der Mieterinitiativen aus 11 Städten ihre Aktivitäten gegen Verdrängung und Luxusmodernisierung bündeln wollen. In den Häusern der Frankfurter Allee ist diese Entwicklung genau seit mindestens zwei Jahren zu beobachten. Alle Wohnungen sind zum Jahresbeginn formal in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Knapp die Hälfte wurde bereits verkauft. Auf den Dächern werden Penthäuser gebaut. Dagegen werden notwendige Reparaturen in den Wohnungen immer wieder auf verschoben, klagen die Bewohner. „Wir Mieter sind mit dem damit verbundenen erheblichen Lärm und Dreck konfrontiert, ohne dass in unseren Wohnungen real etwas verbessert wird. Zugleich kommen nun die ersten Mieterhöhungen nach dem neuen Mietspiegel, die wir natürlich sehr genau auf ihre rechtliche Grundlage prüfen lassen werden“, berichtet ein Mieter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Schließlich laufen mehrere Räumungsklagen gegen Mieter. Erste Urteile geben ihnen Recht. Doch die juristischen Auseinandersetzungen gehen weiter. Inzwischen haben erste einen Neu-Eigentümer den Mietern wegen Eigenbedarf gekündigt, obwohl das in den ersten 7 Jahren gar nicht möglich ist. Damit werden die Mieter aber ständig mit Auseinandersetzungen konfrontiert und so zum Auszug gedrängt. Viele Wohnungen stehen schon leer. Doch die meisten der verbliebenen Bewohner wollen sich wehren. Dazu gehört Erika Eberlein, die mit am Aufbau der Häuser beteiligt war und seitdem dort wohnt. Aber auch jüngere Mieter, die dort in den letzten Jahren eingezogen sind, beteiligen sich am Protest. In dem im letzten Jahr gewählten Mieterrat sind Bewohner beider Gruppen vertreten. In den letzten Monaten hat die Initiative mehrere Veranstaltungen organisiert, an denen auch Bezirkspolitiker wie der Bürgermeister von Friedrichshain – Kreuzberg Franz Schulz teilgenommen haben.
„Doch wir sind uns einig, dass wir ohne öffentlichen Druck keine Erfolge gegen den Eigentümer erringen können“, meinte ein Mieter gegenüber ND. Das Alleefest solle daher auch dazu dienen, andere Mieterinitiativen kennen zu lernen. Wie wichtig eine solche Kooperation ist, betont auch die Friedrichshainer Stadtteilinitiative „Keine Rendite mit der Miete“, die das Mieterfest unterstützt. „In Friedrichshain sind Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlicher kulturellen Hintergrund von Vertreibung durch hohe Mieten bedroht. Es ist wichtig, dass sie sich gemeinsam wehren. Straßenfeste bieten genau sowie Kiezspaziergänge Möglichkeiten des Kennenlernens“, erklärte Erika Koch von der Initiative.

aus Neues Deutschland vom 28.6.2013
http://mieterrat-frankfurter-allee.org/2013/07/ein-wohnblock-wehrt-sich/
Peter Nowak