Rache oder Politik?

17 Kurden in Stuttgart vor Gericht

Was geschah am Abend des 8. Mai 2010 in der Lokalität Barfly in der Innenstadt von Nürtingen? Diese Frage sollen zwei Gerichtsprozesse klären, die gerade in Stuttgart begonnen haben. Angeklagt sind insgesamt 17 Männer und Jugendliche kurdischer Herkunft im Alter zwischen 18 und 33 Jahren.  Das Verfahren gegen neun  zur Tatzeit erwachsene Männer begann am   13 Januar mit einem großen Sicherheitsaufwand. Die  jugendlichen Beschuldigten stehen seit dem 17.Januar in einem abgetrennten Verfahren vor Gericht.   Für beide Prozesse  sind Termine bis Mitte März anberaumt. 49 Zeugen sollen vernommen werden.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, vermummt und mit Eisenstangen und Baseballschlägern bewaffnet, die von türkischen Nationalisten häufig besuchte Lokalität gestürmt zu haben. Dabei wurden drei Gäste und der Wirt am Kopf verletzt und mussten ärztlich behandelt werden. Nach der Version der Anklagebehörde hätten die  Beschuldigten bei dem Überfall tödliche Verletzungen in Kauf genommen. Deshalb sind alle Männer wegen versuchten  Mord und schweren Landfriedensbruch angeklagt.    Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Überfall einen Racheakt, weil wenige Tage vor der Aktion einige der Angeklagten mit Verweis auf ihre angebliche Nähe zur kurdischen Arbeiterpartei (PKK)  aus dem Lokal gewiesen worden seien. In der Stuttgarter Lokalpresse wurde diese Lesart weitgehend unkritisch übernommen. Das Verfahren wurde als „Prozess um Ehre und Stolz“ bezeichnet. Außerdem wurde die Aktion als Beispiel für kurdische Gewalt in deutschen Städten angeführt. Schon 2009, lange vor der Aktion, warnte    die Landespolizei vor der Zunahme kurdischer Gewalt und kündigte harte Reaktionen an.

 

Kritik an Ermittlungen
Ein Bündnis kurdischer und türkischer Initiativen und Antifagruppen widerspricht dieser Lesart und sieht in dem Verfahren eine Fortsetzung der Verfolgung kurdischer Linker durch deutsche Gerichte.      
In einem Aufruf kritisiert der Solidaritätskreis die Ermittlungen. Die Polizei habe die Aktion genutzt, um kurdische Strukturen zu durchleuchten. So wurden im Sommer 2010 die Wohnungen von ca. 40 kurdischen Familien im Raum Stuttgart durch ein Sondereinsatzkommando (SEK) durchsucht. Seitdem sitzen 17 junge Männer in ganz Baden-Württemberg verstreut in Untersuchungshaft. Das Solidaritätskomitee kritisiert auch, die Art wie die Polizei mehreren jungen Angeklagten eine Zusammenarbeit schmackhaft gemacht hat. Dabei sei die emotionale Bindung der  Eltern an ihre Kinder  ausgenutzt werden. Die Betroffenen und ihre Familien sein durch all diese Maßnahmen psychisch unter Druck gesetzt werden, so die Kritiker.
Zum Prozessauftakt  gaben sich die Angeklagten und Unterstützer kämpferisch. Am 12. Januar hatte das Solidaritätskomitee eine  Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt organisiert. Dort wurde auch ein kurzer Redebeitrag eines der Jugendlichen Untersuchungsgefangenen verlesen. Er verglich dort das Stuttgarter  Verfahren mit den Prozessen gegen linke Kurden in der Türkei. In den ersten Verhandlungstagen haben es die Angeklagten abgelehnt, sich zu den Tatvorwürfen zu äußern. Die Staatsanwaltschaft hat bei der Verlesung der Anklageschrift längere Haftstrafe für sie verlangt und eine Aussetzung zur Bewährung ausgeschlossen. 
 
https://www.neues-deutschland.de/artikel/188801.rache-oder-politik.html

Peter Nowak

Britischer Polizeispion war auch in Deutschland aktiv

Mark Kennedy spionierte über Jahre linke Bewegungen in 22 Ländern aus

Politische Aktivisten in ganz Europa kannten Mark Stone. Der 41jährige Brite beteiligte sich seit mehreren Jahren auch in Deutschland  an Veranstaltungen und Vorbereitungen von internationalen Protesten, unter Anderem 2009 gegen den Natogipfel in Straßburg.  So war das Entsetzung groß, als das Konterfei dieses Mannes in den britischen Medien auftauchte   und seine wahre Identität enthüllt wurde.
Stone hieß eigentlich Mark Kennedy  und arbeitete unter dem Alias-Namen Stone seit mindestens 2003 für die National Public Order Intelligence Unit (NCDE) bei Scotland Yard. „Die Einheit wurde Ende der 90er Jahre gegründet, um anarchistische und globalisierungskritische Gruppen oder die wachsende Tierrechtsbewegung auszuforschen. Die NCDE hat angeblich ein jährliches Budget von fast 10 Millionen Euro“, so der auf europäische Repression spezialisierte Journalist Matthias Monroy. Nach Recherchen des britischen Guardian war  Kennedy unter dem Alias-Namen Stone im letzten Jahrzehnt in  antirassistischen, klimapolitischen und globalisierungskritischen Protestbewegungen in 22 Ländern involviert.    Der Aktivist  Jason Kirkpatrick, seit vielen Jahren in der globalisierungskritischen Bewegung engagiert,  ist empört. „Ich dachte Stone ist ein Freund von mir und jetzt wird klar, dass er mich verraten hat.“ 

Wie Kirkpatrick, der in Berin lebt, geht es derzeit vielen anderen politischen Aktivisten.
Nach Erkenntnissen von Andrej Hunko, Bundestagsabgeorndeter der Linken,  interessierte sich  Kennedy in Deutschland auch für antifaschistische Zusammenhänge.  „Wir wissen jetzt von mindestens einem Vorfall, in dem Kennedy seine ‚Hilfe‘ gegen Nazi-Strukturen anbot“, erklärt Hunko. Er hatte einem in Deutschland lebenden  Aktivisten angeboten, wenn es „Nazi-Probleme“ gebe, diese „mit Freunden“ zu lösen. Er solle hierfür lediglich Hinweise geben. Hunko stellt auch die Frage, ob neben Scotland Yard auch deutsche Polizeibehörden in Kennedys Spitzelaktivitäten verwickelt waren. Die Bundesregierung schweigt  dazu. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Hunko heißt es:    „Hierzu werden aus einsatztaktischen Gründen weder Negativ- noch Positivauskünfte erteilt“. 
Wie der Einsatz von Polizeispitzel länderübergreifend koordiniert wurde, zeigte eine Entschließung  des Europäischen Rates vom Juni 20007. Dort heißt es:   „Bestehende rechtliche und praktische Hindernisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Bezug auf verdeckte Ermittler sollten im Interesse eines wirksamen Vorgehens gegen die grenzüberschreitende Kriminalität und im Interesse der beteiligten Polizeibeamten identifiziert und beseitigt werden“.
Die Spitzelaffäre dürfte nun auch auf einen von Aktivsten vorbereiteten  Kongress eine Rolle spielen, der am letzten Wochenende in Berlin stattfindet. Dort soll die europäische Sicherheitspolitik analysiert und kritisch auseinandergenommen werden.

http://www.neues-deutschland.de/suche/?and=Britischer+Polizeispion&search=1&modus=0&sort=1&x=14&y=10

Peter Nowak

„Er hat uns betrogen“

 Ein V-Mann von Scotland Yard hat jahrelang die linke Szene in Europa infiltriert. Wen Mark Kennedy in Deutschland ausgeforscht hat, sagt die Bundesregierung nicht

In globalisierungskritischen Kreisen war Mark Stone bekannt. Der 41-jährige Londoner organisierte in vielen europäischen Ländern Veranstaltungen und bereitete seit 2003 auch die Protestaktionen gegen Treffen von EU, G8 und Nato mit vor.

  Ein Polizist war als Spitzel in der britischen Umweltszene aktiv. Und nicht nur dort: Er bereiste 22 Länder und sammelte Informationen über linke Aktivisten Und so war der Schock bei vielen Aktivisten groß, als sie jetzt lesen mussten, dass der Vollzeitaktivist in Wahrheit Mark Kennedy heißt und seit 2003 europaweit linke Zusammenhänge infiltriert hat. Nach Recherchen des Freitag-Kooperationspartner Guardian war er im vergangen Jahrzehnt in antirassistischen, klimapolitischen und globalisierungskritischen Protestbewegungen in 22 Ländern involviert. Kennedy arbeitete für die National Public Order Intelligence Unit (NCDE) von Scotland Yard. „Die Einheit wurde Ende der neunziger Jahre gegründet, um anarchistische und globalisierungskritische Gruppen oder die wachsende Tierrechtsbewegung auszuforschen. Die NCDE hat angeblich ein jährliches Budget von fast zehn Millionen Euro“, sagt der auf das Thema spezialisierte Journalist Matthias Monroy. Jetzt hat er angeblich die Seiten gewechselt und verrät andere verdeckte Ermittler.

Kennedy alias Stone hat sich, so erinnern sich nun Aktivisten, nie auf politische Diskussionen eingelassen, dafür aber viel Wert auf persönliche Kontaktpflege gelegt. Mit seiner Vorgehensweise konnte der Agent in libertären Kreisen gut angekommen. Wie sehr in dieser Szene persönliche Bekanntschaften die Grundlage für gemeinsame politische Arbeit bilden, hat der israelische Aktivist Uri Gordon in Hier und Jetzt beschrieben. Vertrauen ist dabei die Grundlage der Zusammenarbeit, ideologische Debatten sind eher verpönt. Dass macht die oft sehr emotionalen Reaktionen nach Kennedys Enttarnung verständlich: „Er hat uns betrogen.“

Die länderübergreifende Arbeit verdeckter Polizeiermittler ist allerdings keineswegs neu. Man könnte bis zu den Karlsbader Beschlüsse aus dem Jahr 1819 zurückgehen, mit dem das Metternich-Regime die Ausbreitung der Ideen der Französischen Revolution bekämpfen wollte – eine erste länderübergreifend koordinierte Radikalenverfolgung gewissermaßen. Auch heute macht die Enttarnung verdeckter Agenten in regelmäßigen Abständen Schlagzeilen. Im Jahr 2000 sorgte die Aufdeckung des Verfassungsschutz-Mannes Manfred Schlickenrieder für Aufmerksamkeit. Der hatte Kontakte in der antiimperialistischen Szene Deutschlands, der Schweiz, Italiens und Belgiens für den Geheimdienst gespitzelt. Seine Legende als Mitarbeiter einer linken Filmgruppe hatte Schlickenrieder über Jahrzehnte aufgebaut.

Praktische Hindernisse beseitigt

Angesichts der immer stärker länderübergreifenden Protestaktionen vor allem der globalisierungskritischen Bewegung ist eine Zunahme der grenzüberschreitenden Spitzeltätigkeit der politischen Geheimdienste auch kein Wunder. In einer Entschließung des EU-Rats vom Juni 2007 heißt es: „Bestehende rechtliche und praktische Hindernisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Bezug auf verdeckte Ermittler sollten im Interesse eines wirksamen Vorgehens gegen die grenzüberschreitende Kriminalität und im Interesse der beteiligten Polizeibeamten identifiziert und beseitigt werden“. Bisher allerdings hatte das Thema sowohl in der parlamentarischen wie in der außerparlamentarischen Linke einen eher geringen Stellenwert eingenommen.

Das beginnt sich nun zu ändern. So fordert Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken, die lückenlose Aufklärung des Falles „Kennedy/Stone“ mit Blick auf dessen Agieren in Deutschland. Bisher hat die Bundesregierung dazu keine Auskunft erteilt. Auf einen umfangreichen Fragenkatalog von Hunko antwortete das Innenministerium ausweichend, gibt aber zugleich einen ausführlichen Einblick in die europäische Kooperation beim Einsatz von verdeckten Ermittlern.

Auch die außerparlamentarische Linke, die sich gerade erst mit dem Heidelberger Fall eines enttarnten Verfassungsschutz-Mannes auseinandersetzen musste, widmet sich dem Thema mit weiterem Fokus. Unter dem Motto „Out of Control – Europa entsichern“ bereiten verschiedene Initiativen einen Kongress in Berlin vor, der sich Ende Januar kritisch mit der europäischen Sicherheitspolitik beschäftigen soll – nicht zuletzt mit Blick auf den Europäischen Polizeikongress, der Mitte Februar in der deutschen Hauptstadt stattfindet. Dass Beim linken Out of Control womöglich V-Leute irgendwelcher Geheimdienste dabei sind, wird man nun kaum noch für abwegig halten können.

http://www.freitag.de/politik/1102-er-hat-uns-betrogen

Peter Nowak

Spitzeln ohne Grenzen

EU: Verdeckte Ermittler in der Kritik

In den vergangenen Jahren haben sich linke Aktivisten verstärkt länderübergreifend vernetzt, um gegen EU-Treffen, G8-Gipfel und NATO-Konferenzen zu protestieren. Aber auch die Polizeikräfte koordinieren sich verstärkt. So wurde nach dem Castor-Transport vom November 2010 heftig darüber diskutiert, ob der Einsatz französischer Polizisten legal gewesen sei. Mittlerweile gerät auch der länderübergreifende Einsatz von verdeckten Ermittlern verstärkt in die Kritik.

Simon Brenner nannte sich der eingeschleuste Polizeispitzel, der in der linken Szene Heidelbergs enttarnt wurde. Er hatte sich nicht nur an den Castor-Protesten und vielen anderen inländischen Aktionen sondern auch an einem europaweiten antirassistischen Camp in Brüssel Ende September 2010 beteiligt. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau rief der V-Mann von dem Brüsseler Camp mit seinem Handy 47 Mal eine Nummer in Deutschland an. „Wählt man nun die Nummer, meldet sich ein Mann, der auf die Frage, ob er Angehöriger des Landeskriminalamts sei, sofort auflegt“, heißt es in der FR.

Auch in Großbritannien ist im Oktober 2010  ein in die linke Szene eingeschleuster Polizist mit europaweiten Kontakten enttarnt worden. Nach Recherchen des auf europäische Sicherheitspolitik spezialisierten Journalisten Matthias Monroy war der V-Mann unter dem Alias-Namen Mark Stone  „immer wieder bei Aktionen, Demonstrationen und Camps in EU-Staaten unterwegs und unternahm Fahrdienste oder verlieh großzügig seinen UMTS-Stick für mobiles Internet“.  Er sei häufig zu Besuch in Berlin gewesen und war auch bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 aufgetaucht.

 Kleine Anfrage mit vielen Lücken

Der Bundestagsabgeordnete der Linken Andrej Hunko wollte in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zum Komplex „Grenzüberschreitende Ermittlungen und Observationen“ wissen, wie verdeckte Ermittlungen  auf deutschen Hoheitsgebiet zustande kommen. „Hierzu werden aus einsatztaktischen Gründen weder Negativ- noch Positivauskünfte erteilt“, lautete die Antwort. Das war allerdings nicht die einzige unbeantwortete Frage. So sei der Bundesregierung die  Anzahl der grenzüberschreitenden verdeckten Ermittlungen nicht  bekannt, weil keine Statistiken darüber geführt werden. Über die Anzahl der von Deutschland ausgeliehenen verdeckten Ermittler an andere Länder lagen ebenso wenig Zahlen vor, wie über mögliche strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen   ausländische Polizeikräfte. Aufgeführt wurden in der Antwort auf die kleine Anfrage allerdings die verschiedenen bilateralen Verträge zwischen den europäischen Staaten, die die Grundlage für die grenzüberschreitenden Ermittlungen  bieten.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/187939.spitzeln-ohne-grenzen.html?sstr=verdeckte|Ermittler

Peter Nowak

Klagen lohnt sich

 

Journalist gewinnt gegen Geheimdienst
Der Extremismus-Vorwurf ist als Waffe gegen Links recht wirksam. Gerichtsfest ist er nicht. Dies belegt der Fall eines Journalisten, der die Einstellung seiner geheimdienstlichen Beobachtung und Löschung seiner VS-Akte erreichte. Die Gerichtsentscheidung stärkt die Pressefreiheit in Zeiten der Extremismusdokrin

2:0 lautet der Ausgang des Matchs Friedrich Burschel gegen Geheimdienst. Der Publizist wehrte sich dagegen, dass ihn das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) seit einem Jahrzehnt beobachtet und in der Schublade »Linksextremismus« abgelegt hat. Die Stigmatisierung zum gefährlichen »Linksextremisten« fiel vor Gericht vollständig zusammen.

Die Einschätzung des Geheimdienstes fußte auf Artikeln, die Burschel zu Themen wie Antirassismus und Antifaschismus geschrieben, sowie auf Demonstrationen, die er angemeldet hatte, etwa den Weimarer Ostermarsch oder eine antifaschistische Demonstration in Gera. Aufgrund eines Negativvotums des BfVS entzog ihm das Bundespresseamt 2007 eine schon erteilte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm.

Nun hat der Journalist vor Gericht die Löschung der VS-Dossiers und die Einstellung seiner Überwachung erreicht. Das Bundesamt nahm einen vom Verwaltungsgericht Köln angebotenen Vergleich an. Das Gericht stellte die Texte des Klägers und seine Demonstrationsanmeldungen dezidiert unter den grundgesetzlichen Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es akzeptierte einen einzigen Artikel aus dem Jahr 2000 als Auslöser von geheimdienstlicher Tätigkeit, wies jedoch zugleich darauf hin, dass das nicht genug sei, Burschel zehn Jahre lang zu beobachten und einzuschränken.

Vor einem Jahr hatte das Kölner Gericht bereits die Beurteilung des Verfassungsschutzes für rechtswidrig erklärt. Es sei nicht ersichtlich geworden, dass Burschel für den G8-Gipfel eine Gefahr darstelle, urteilte es damals.

Die behördliche Stigmatisierung hatte spürbare Folgen für den Journalisten. Zweimal habe er durch den Stempel »linksextrem« seinen Job eingebüßt, erklärte Burschel. In der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« wurde er als Beispiel angeführt, dass Linksradikale in Initiativen zum Kampf gegen Rechts involviert seien und dort auch Gelder verwalten. Der Beweis des FAS-Autors: die rechtswidrige Verweigerung der Akkreditierung.

Auch wenn die Entscheidung nur für den konkreten Fall gilt, sieht Burschels Anwalt Alexander Hoffmann darin eine Ermutigung »nicht nur für Journalisten«, die vom Linksextremismus-Vorwurf betroffen sind. Journalisten haben sich zwar schön öfter erfolgreich gegen Akkreditierungsverweigerungen gewehrt. Die wenigsten klagten jedoch auf Löschung der Daten, die für die Entscheidung verantwortlich waren. Dabei hatte nicht nur Burschel damit Erfolg. Auch andere Gerichte entschieden bereits zu Gunsten von Journalisten, etwa im Fall von Matthias Monroy, der auf Gipfelproteste spezialisiert ist, oder im Falle des Publizisten Kamil Majchrzak, der für die polnische Ausgabe der »Le Monde Diplomatique« arbeitet.

Rückendeckung und Rechtsschutz bekam Burschel in seinem Verfahren von ver.di. Die Vorsitzende der Journalisten-Fachgruppe Ulrike Maercks-Franzen mahnt eine Änderung der Akkreditierungspraxis bei sportlichen und politischen Großveranstaltungen an, die die Rechte der Journalisten stärkt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/187008.klagen-lohnt-sich.html

Peter Nowak

Journalist stoppt Überwachung

LINKSEXTREMISMUS Der Verfassungsschutz darf einen freien Journalisten nicht mehr observieren. Verdächtig machte ihn auch ein Aufruf zum Ostermarsch
BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) darf den Journalisten Friedrich Burschel nicht mehr observieren lassen. Es kassierte in dieser Woche nun die zweite juristische Niederlage gegen den von ihnen als linksextrem eingestuften Burschel.

Ein Negativvotum des Verfassungsschutzes hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G-8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS rechtswidrig gehandelt hatte. Dieselbe Kammer empfahl jetzt dem Amt, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Dieses nahm den Vorschlag an.

Gegenüber der taz äußerte sich Burschel erleichtert über den juristischen Erfolg. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel „linksextrem“ eingebüßt, erklärte der Publizist.

Die Aufmerksamkeit der Verfassungsschützer erregte Burschel mit einem Artikel, in dem er sich kritisch mit der Kronzeugenregelung im Verfahren um die Revolutionären Zellen auseinandersetzte. In Burschels Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus verschiedenen Zeitschriften auch zahlreiche Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar und einer Antifademonstration in Gera.

„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen ,Linksextremisten‘ fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Damit könne auch für andere Personen, die von einem amtlichen „Linksextremismus“-Vorwurf betroffen sind, ein Anreiz geschaffen werden, dagegen juristisch vorzugehen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2010%2F12%2F22%2Fa0057&cHash=d402bf4d37

Peter Nowak

Datenweitergabe rechtswidrig

Gericht stärkte Rechte von Journalisten

Das Wiesbadener Verwaltungsgericht hat kürzlich mit einer Entscheidung die Rechte von Journalisten gestärkt, die sich bei Großveranstaltungen akkreditieren wollen. Danach ist die Weitergabe von Journalistendaten an das NATO-Hauptquartier rechtswidrig.

Geklagt hatte Kamil Majchrzak, der unter anderem für die polnische Ausgabe der Le Monde Diplomatique berichtet. Für diese Zeitung wollte er auch über den NATO-Gipfel schreiben, der im April 2009 in Straßburg, Baden-Baden und Kehl stattgefunden hatte. „Ich hatte bereits im Januar 2009 über das Internet eine Akkreditierung beantragt. Die NATO übermittelte meine persönlichen Daten daraufhin dem BKA. Die Behörde in Wiesbaden glich diese mit dem polizeilichen Informationssystem INPOL ab. Auf dieser Grundlage empfahl das BKA der NATO, die Akkreditierung abzulehnen“, berichtet Majchrzak.
für die Datenweitergabe habe die gesetzliche Grundlage gefehlt, so das Wiesbadener Gericht. Das BKA dürfe laut Gesetz personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte oder an eine internationale kriminalpolizeiliche Organisation übermitteln. Diese Voraussetzungen träfen aber nicht auf das NATO-Hauptquartier in Brüssel zu.
Es war nicht der erste juristische Erfolg, den Majchrzak mit Unterstützung von ver.di errungen hat. Schon Anfang April 2009 verpflichtete die 6.Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden das Bundeskriminalamt per Einstweiliger Anordnung, die negative Stellungnahme zur Presseakkreditierung zurückzunehmen. Bei dem Vorgang, so das Gericht, habe es sich um die Übermittlung personenbezogener Daten und damit um einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gehandelt. Das BKA legte gegen diese Entscheidung mit Erfolg Beschwerde ein. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hob die Eilentscheidung aus formalen Gründen auf. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Journalisten nun in der Sache Recht gegeben, aber Revision zugelassen.
Der Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, der Majchrzak juristisch verteidigte, sieht in dem jüngsten Wiesbadener Urteil, das inzwischen rechtskräftig ist, positive Signale für die Rechte der Journalisten über den Fall seines Mandanten hinaus. „Die Entscheidung enthält insbesondere für die internationale Kooperation bei Akkreditierungsverfahren wichtige Hinweise. Nachdem sich für den Betroffenen und eine Anzahl anderer Journalisten schon zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm gezeigt hatte, dass die Datenabfragen vor Akkreditierungen rechtswidrig waren, kann diese Praxis jetzt auch für die NATO und andere internationale Organisationen nicht fortgesetzt werden, erklärte der Anwalt gegenüber M. Die Vorsitzende der dju Ulrike Maercks-Franzen mahnt eine Änderung der Akkreditierungspraxis bei sportlichen und politischen Großveranstaltungen an. Die dju hat sich zusammen mit dem Deutschen Presserat, der ARD und Verlegerverbänden auf Grundsätze und Eckpunkte bei der Akkreditierung geeinigt. Danach sollen Journalisten einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Akkreditierung haben. Eine Ablehnung dürfe nur möglich sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit stören könnte. Er muss darüber so rechtzeitig informiert werden, dass er Gelegenheit zu einer Stellungnahme hat.

http://mmm.verdi.de/archiv/2010/12/recht/datenweitergabe-rechtswidrig

   Peter Nowak

Kritik an Weißrussland

 Mit zwei internationalen Aktionstagen soll am 18. und 19. Dezember auf die politische Verfolgung von Anarchisten in Weißrussland aufmerksam gemacht werden. Seit September wurden dort 15 Menschen festgenommen. Fünf sind noch in Haft. Anlass für die Strafverfolgung waren Solidaritätsaktionen mit russischen Umweltschützern, die Oppositionellen sehen aber einen Zusammenhang mit den für Dezember geplanten Wahlen in ihrem Land. »Seit der Verhaftungswelle Anfang September wurden immer wieder Aktivisten vorgeladen, verschleppt, geschlagen und eingesperrt«, heißt es in einer Erklärung auf der Internetplattform Indymedia Belarus. Infoabende, Solidaritätskonzerte und Kundgebungen vor weißrussischen Botschaften sind vor allem in Polen, Ungarn und Rumänien angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/186497.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Ausreiseverbot für den Preisträger

Carl-von-Ossietsky-Medaille wäre an israelischen Whistleblower an Mordechai Vanunu gegangen

Jedes Jahr verleiht die Liga für Menschenrechte in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Doch der diesjährige Preisträger, Mordechai Vanunu, darf Israel nicht verlassen.
Die Carl-von-Ossietsky-Medaille wird an Personen verliehen, die im Kampf für die Verteidigung der Menschenrechte Repressalien auf sich nehmen. Diesjähriger Preisträger ist der israelische Techniker Mordechai Vanunu. Er   verbrachte 18 Jahre in einem israelischen Gefängnis,  weil er das israelische Atomprogramm öffentlich gemacht hatte. Auch nach dem Ende seiner Haftstrafe, ist sein Leben durch juristische Auflagen eingeschränkt. So darf er sich weder  mit Journalisten treffen noch Internet oder Handys benutzen oder Israel verlassen. Deshalb konnte die Carl-vonOssietzky-Medaille erstmals nicht verliehen werden.  Vanunu hatte darum gebeten, mit der Verleihung zu warten, bis er sie persönlich  entgegen nehmen kann. Deshalb wurde die  geplante Preisverleihung im Berliner Gripstheater am Sonntag zum Start einer internationalen Kampagne für die Bewegungsfreiheit von Vanunu.    
Die Präsidentin der Liga Fanny Michaela Reisin macht auf in ihrer Eröffnungsrede auf einen zweiten Aspekt hin, der den Namensgeber des Preises mit dem israelischen Menschenrechtler verbindet.  Auch Carl von Ossietzky wurde noch in der Weimarer Republik zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt, weil er in der Weltbühne über das geheime und gemäß des  Versailler Vertrages illegale Rüstungsprogramm der deutschen Reichswehr berichtete Ossietzky habe die Feinde Deutschlands ermutigt, begründeten die Richter ihr Urteil. Hätte diese Einschätzung nur mehr Realitätsgehalt gehabt, der Nationalsozialismus wäre verhindert worden, wenn die Nachbarstaaten rechtzeitig eingegriffen haben, meinte Reisin. Auch Gideon Spiro, einer der israelischen Organisatoren der Solidaritätsarbeit mit Vanunu, begann seinen Vortrag mit einer Utopie. „Wenn die Nazis nicht an die Macht gekommen wären, wäre ich in Deutschland Journalist oder Politiker geworden“, meinte der 1935 in Berlin geborene Mann. Doch in der Realität gelang ihm mit seinen Eltern 1939 in letzter Minute die Flucht nach Palästina. Aus diesen Erfahrungen leitete Spiro sein Engagement für eine jüdisch-palästinensische Kooperation im Nahen Osten ab.     

Universalität der Menschenrechte
 Das atomare Programm Israel sei  für alle Bewohner der Region eine Gefahr, betonte Spiro mit Hinweis auf die häufigen Erdbeben in der Region und die ungeklärte Lagerung der atomaren Abfälle in Israel.     Auch der israelische Historiker Gadi Algazi betonte, dass der Kampf für einen atomwaffenfreien Nahen Osten natürlich die Ablehnung eines iranischen Atomprogramms einschließt. Dass es die ILM mit der Universalität der  Menschenrechte auch in der Praxis Ernst meinen, machte Reisin in der Verlesung einer Pressemitteilung deutlich.  Eine von der ILM mitorganisierte Kundgebung gegen die Menschenrechtsverletzung des Irans vor der Botschaft des Landes wurde am 12. Dezember von der Berliner Polizei   angegriffen. 8 Demonstranten, darunter eine 57jähige Frau mussten     im   Krankenhaus ihre Verletzungen behandeln lassen. Der Grund für den Polizeiangriff war ein Transparent mit der Parole „Nieder mit der islamischen Republik Iran, dessen Entfernung ein Botschaftsangestellter gefordert hatte.

Peter Nowak       

//www.neues-deutschland.de/artikel/186292.ausreiseverbot-fuer-den-preistraeger.html

Whistleblower ausgezeichnet – in Abwesenheit

Mordechai Vanunu, der der Welt vom israelischen Atomprogramm erzählte, bekommt in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille, darf aber nicht anreisen

„Es ist an der Zeit jedes militärische Geheimnis offenzulegen, selbst wenn dazu Verrat geübt werden musst“. Dieser Satz des Schriftstellers Günter Grass war für zwei Männer mehr als nur eine Phrase: Der Publizist und Pazifist Carl von Ossietzky wurde von der Justiz der Weimarer Republik zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt, weil er in der Weltbühne die geheime Rüstung der deutschen Reichswehr enttarnte. Der israelische Techniker Mordechai Vanunu saß 18 Jahre in israelischer Haft, weil er den internationalen Medien Beweise für das Atomprogramm der israelischen Regierung lieferte. Auch nach seiner Haftentlassung ist Vanunus Leben starken Reglementierungen unterworfen. Er darf weder Handys noch das Internet benutzen, sich nicht mit Journalisten treffen, und Israel nicht verlassen.

 
Die Irin Mairead Maguire, die 1976 den Friedensnobelpreis für ihre Verdienste in der irischen Friedensbewegung bekam, wird im Oktober 2010 von Mordechai Vanunu begrüßt – sie war in Israel am Flughafen festgenommen worden, weil sie an der „Ein Schiff für Gaza“-Aktion teilgenommen hatte
Deswegen konnte Vanunu auch nicht die Carl-von-Ossietzky-Medaille entgegen nehmen, die ihm die Liga für Menschenrechte am Sonntag, dem 12. Dezember in Berlin überreichen wollte. Aus der geplanten Preisverleihung wurde eine Protestveranstaltung gegen die Einschränkung von Vanunus Rechten und der Startschuss für eine internationale Kampagne für seine Freiheit.

Die Präsidentin der Liga, Fanny Michaela Reisin, nannte Vanunu einen Whistleblower, der mit seiner Enttarnung des Atomprogramms nur der Wahrheit sowie dem Ziel verpflichtet gewesen sei, für einen atomwaffenfreien Nahen Osten zu kämpfen. „Wir wenden uns in erster Linie gegen das Atomprogramm von Israel, weil wir dort leben. Aber unser Kampf gilt auch den atomaren Plänen der Nachbarländer, wie dem Iran“, erklärte Gideon Spiro. Der gebürtige Berliner organisiert seit Jahren die Solidaritätskampagne für Vanunu. Dabei gehe es ihm um die Utopie eines friedlichen Zusammenlebens von Palästinensern und Juden, betonte Spiro. Diese Ziele verfolgten auch Menschenrechtsorganisationen wie Tayush, die durch das Beispiel von Vananu inspiriert worden seien, sagte der Aktivist. Er ging auch auf den nicht nur in Israel erhobenen Vorwurf ein, solche Organisationen würden der israelischen Sicherheit schaden. Spiro verwies darauf, dass das Atomprogramm schon in Friedenszeiten eine Gefahr für alle Bewohner sei. Schließlich sei die Lagerung des atomaren Abfalls völlig ungeklärt, und die Region sei stark erdbebengefährdet. Scharf kritisierte Spiro, dass ausgerechnet der grüne Außenminister Josef Fischer in seiner Amtszeit die Lieferung von U-Booten, die auch Atombomben transportieren können, nach Israel genehmigte. Dabei habe Fischer noch Ende der 80er Jahre mit anderen Grünen einen Aufruf für einen atomwaffenfreien Nahen Osten unterzeichnet und in der taz veröffentlicht.
Fragwürdige Zungenschläge

Spiro begründet sein Engagement mit seinem eigenen Verfolgungsschicksal. Er konnte mit seinen Eltern 1939 noch aus Deutschland nach Palästina fliehen. Die Pogrome vom 9. November hat er als Vierjähriger noch miterlebt. „Für mich ergibt sich daraus die Verpflichtung, für die Einhaltung der Menschenrechte überall einzutreten“, formulierte Spiro sein Credo. Er betonte aber auch, dass Verfolgung keine Schule der Menschenrechte und der Demokratie sei. Damit reagierte er auf ein kurzes Statement des Schiffskapitäns Stefan Schmidt, der Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet hatte und dem deshalb im vergangenen Jahr die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen wurde. Zunächst bekundete Schmidt, dass ihn das Vorgehen der israelischen Behörden gegen Vanunu sprachlos mache, um dann hinzuzufügen, dass er ein solches Verhalten gerade von Israel wegen der Verfolgungsgeschichte vieler seiner Bewohner nicht verstehen könne.

Es gab auch manch andere fragwürdige Zungenschläge in den Reden der Protestveranstaltung. So verglich die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairad Origano-Maguire die israelische Politik mit der Apartheid in Südafrika. Der Text von Spiro war in der übersetzten Fassung mit der Überschrift „Eine Gefahr namens Israel“ überschrieben. Mit solchen Formulierungen provozieren die Organisatoren der Veranstaltung fast zwangsläufig die Kritik, hier werde Israel einseitig an den Pranger gestellt. Dass ist umso bedauerlicher, weil die Liga für Menschenrechte Militarismus und Verletzung der Menschenrechte in allen Teilen der Welt verurteilt.

Nicht nur Kritik an Israel

Das machte Fanny Reisin gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich, als sie eine Pressemitteilung verlas, in der gegen das brutale Vorgehen der Berliner Polizei gegen iranische Menschenrechtler protestiert wurde. Diese hatten am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, vor der iranischen Botschaft gegen die Unterdrückung von Oppositionellen protestiert. Ein Botschaftsangestellter fühlte sich von der Parole „Nieder mit der islamischen Republik Iran“ beleidigt und erstattete Anzeige. Dies nahm die Polizei zum Anlass für ihr Einschreiten. Acht Demonstranten, darunter eine 57-jährige Frau, mussten im Krankenhaus ihre Verletzungen behandeln lassen. Die Liga für Menschenrechte gehörte zu den Aufrufern dieser Kundgebung.

http://www.freitag.de/politik/1049-whistleblower-ausgezeichnet-2013-in-abwesenheit

Peter Nowak

Grüner nimmt Buchläden in Schutz

PROZESS Erstmals werden jetzt linke Buchhändler angeklagt wegen des Inhalts von Schriften, die sie verkaufen. Solche Prozesse gefährden die offene Diskussion, kritisiert der grüne Abgeordnete Dirk Behrendt
Die juristischen Ermittlungen gegen linke Berliner Buchläden haben jetzt auch das Abgeordnetenhaus beschäftigt. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Dirk Behrendt wollte vom Senat Einzelheiten zu den Ermittlungsverfahren wissen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage bestätigte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), dass seit dem 1. Januar vier Verfahren gegen BuchhändlerInnen erhoben worden sind – wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen Paragraf 130 a des Strafgesetzbuches, der die „Anleitung zu Straftaten“ sanktioniert.

Gegenstand der Verfahren seien Druckerzeugnisse wie die autonomen Publikationen Interim und Prisma, die bei polizeilichen Durchsuchungen in den Buchläden beschlagnahmt worden seien. Dabei gehe es unter anderem um den Aufruf zu Straftaten gegen öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr, so die Senatorin.

Der erste Prozess beginnt diese Woche: Eine Mitarbeiterin des Buchladens Oh 21 bestätigte der taz, dass ihre Verhandlung am 8. Dezember um 11.30 Uhr am Berliner Amtsgericht eröffnet wird.

Für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen ist dieses juristische Vorgehen gegen die Verkäufer umstrittener Schriften grundsätzlich kritikwürdig. Zwar sei gegen die Beschlagnahme von Schriften mit strafbarem Inhalt nichts zu sagen. „Etwas anderes ist allerdings die Strafverfolgung der Buchhändler. Werden diese in Zukunft verfolgt, müssten sie ihr gesamtes Sortiment kennen und strafrechtlich einschätzen, was kaum möglich ist“, so Behrendt. Er befürchtet, dass viele die Hände von kritischen Texten lassen, denn die Einschätzung, ob etwas strafbar ist, könne ja durchaus differieren. „Durch dieses Verhalten wird womöglich auf den Vertrieb von bedenklichen Texten verzichtet, was eine offene Auseinandersetzung behindert“, befürchtet er.

Aufruf im Internet

In einem Solidaritätsaufruf ruft die Kampagne „Unzensiert lesen“ zu sofortiger Einstellung aller Verfahren gegen die BuchhändlerInnen mit einer ähnlichen Begründung auf. „Es geht um die Legitimität von Opposition. Darüber wird nicht in juristischen, sondern in politischen Auseinandersetzungen entschieden“, heißt es in einem Aufruf, der online unter www.unzensiert-lesen.de unterzeichnet werden kann.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F12%2F06%2Fa0144&cHash=21da2dd7f7

 PETER NOWAK

Repression verfeinert

Den Betreibern der   linken Berliner Buchläden  Schwarze Risse und 021 wurden vor wenigen Tagen Anklageschriften wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und Befürwortung von Straftaten zu gestellt. Der Grund sind Broschüren, Plakate und Flyer zu verschiedenen politischen Themen, die in den Buchläden ausgelegt werden. Zu den inkriminierten Schriften gehört die Autonomenzeitschrift Interim ebenso, wie antimilitaristische Flugblätter und Plakate. Deswegen gab es bei den Buchläden allein in diesem Jahr sechs polizeiliche Durchsuchungen (ND berichtete).
Die Buchläden wehren sich dagegen und haben die Kampagne „Unzensiert lesen“ gestartet.  Die ging vor einigen Tagen  mit einer gutbesuchten Veranstaltung in Berlin an die Öffentlichkeit. 
Der Hamburger Publizist und Rechtsanwalt Oliver Tolmein hält von der These, dass die Repression immer schlimmer wird. Er verwies auf den sogenannten Deutschen Herbst in den späten 70er Jahren. Damals wurden Teilnehmer von angemeldeten Anti-AKW-Demonstrationen bei der Anfahrt von einem großen Polizeiaufgebot  auf Autobahnen gestoppt. Vermeintliche Drucker und Herausgeber der linken Zeitschrift Radikal wurden teilweise über einen längeren Zeitraum inhaftiert. Die gerichtlichen Verfahren zogen sich über  längere Zeit hin. Dennoch gibt die Zeitschrift Radikal mit größeren Pausen  bis heute. Die staatliche Repression hat in dem Fall ihr Ziel nicht erreicht, so Tolmein.
Ein Mauseklick mit strafrechtlichen Folgen
Dass sich mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten auch die Repression verfeinert, zeigte die Bloggerin Anne Roth an neueren Entwicklungen bei der strafrechtlichen Verfolgung von inkriminierten Äußerungen im Internet. So kann es  schon strafrelevant sein, wenn ein User auf Facebook den „Gefällt mir“ Button anklickt, um damit  politische Inhalte, wie etwa das Schottern des Castorgleises oder die Blockade eines Naziaufmarsches,  zu bewerteten. 
  Neue Extremismusklausel
Auf eine andere Form staatlicher Restriktion ging der Politologie Fritz Burschel ein. Vor allem in unionsregierten Bundesländern sollen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die in den letzten Jahren im Kampf gegen Neonazis auch von staatlichen Stellen finanziert werden, eine Klausel unterzeichnen, in der sich nicht nur selber zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bekennen sollen. Sie sollen auch sicherstellen, dass ihre Bündnispartner auf dem Boden der fdgo stehen. Diese Praktiken erinnern an die 70er Jahre, als in Westdeutschland  Bewerber für den öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue geprüft wurden. Schon eine Unterschrift für eine linke Initiative oder die Mitgliedschaft in der DKP reichte aus, um als Verfassungsfeind zu gelten und deswegen nicht Lehrer, Briefträger oder Lokführer werden zu können. Die BRD geriet wegen dieser Praxis im In- und Ausland stark in die Kritik und selbst frühere Verfechter des Radikalenerlasses bezeichneten ihn später als Fehler.
 Dazu trug im Wesentlichen eine Bewegung bei, die bis von der radikalen Linken bis in gewerkschaftliche und liberale Kreise reichte.   Die Solidaritätskampagne für die linken Buchläden steht dagegen noch am Anfang aber ist am Wachsen. So haben am vergangenen Wochenende auf der Linken Buchmesse in Nürnberg knapp 20 Verlage, darunter auch der Neues Deutschland Druckerei- und Verlag GmbH,  eine Unterstützungserklärung mit den Läden verfasst.   Sollten die juristischen Verfahren in Gang kommen, dürfte die Liste noch länger werden. 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/184822.repression-verfeinert.html?sstr=Repression|verfeinert
Peter Nowak

Protest vor dem Reichstagsgebäude teilweise verboten

 

Berliner Polizei verbietet Demonstration gegen Sparpaket, weil zwei antifaschistische Gruppen dazu mit aufrufen

Die Debatte um den neuen Haushalt hat heute im Bundestag begonnen. In diesem Rahmen soll am kommenden Freitag auch das Sparpaket beschlossen werden, das Einschnitte unter anderem bei Erwerbslosen und Rentnern vorsieht. Dagegen ruft seit Monaten ein breites Bündnis unter dem Motto Sparpakete stoppen am 26. November zur Belagerung des Bundestags auf. Heute hat die Berliner Polizei die geplante Demonstration verboten. Lediglich eine Kundgebung am Brandenburger Tor wurde genehmigt.

Im Vorfeld waren verschärfte Auflagen für die Proteste angekündigt werden, weil am 26. November der russische Präsident Putin zu Besuch in Berlin ist. Dieser Staatsbesuch spielt nun in der Verbotsverfügung keine Rolle mehr. Auch die erhöhte Sicherheit anlässlich der Terrorwarnungen, von denen auch der Reichstag betroffen ist, wird in dem Bescheid nicht erwähnt. Die Sicherheitsbehörden sehen offenbar doch in der Berliner linken Szene die größere Gefahr.

In der Begründung zum Verbot wird darauf verwiesen, dass zu den Protesten neben Untergliederungen der Linken, gewerkschaftlichen und sozialen Gruppen auch die Antifaschistische Linke Berlin und die Antifaschistische Revolutionäre Aktion aufrufen. Bei beiden Gruppen bestünde die Gefahr, dass sie in die Bannmeile um den Reichstag vordringen könnten und so die Sicherheit gefährden würden, begründete das Berliner Landeskriminalamt das Verbot.

Der Pressesprecher des Protestbündnisses Michael Prütz kündigte juristische Schritte gegen das Verbot an. Damit will er nicht nur die Proteste gegen das Sparpaket in der geplanten Form durchsetzen, sondern auch gegen die Einschränkung des Demonstrationsrechtes vorgehen. „Schließlich gab es in der Vergangenheit zahlreiche Demonstrationen, zu denen auch die beiden Organisationen mit aufgerufen haben, die jetzt als Begründung für das Verbot genannt werden.“ Sollte das Beispiel Schule machen, könnten in Zukunft viele Demonstrationen verboten werden, befürchtet nicht nur Prütz. Auf einer von dem Bündnis geplanten Pressekonferenz wird auch die Bezirksvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Berlin sprechen. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/148798

Peter Nowak

Unzensiert lesen

 

Das Büchlein „Der kommenden Aufstand“ beschert dem Buchhandel neue Aufmerksamkeit – der Polizei. Jetzt starten linke Buchläden eine Kampagne gegen Razzien

In den Feuilletons von Freitag, FAZ und anderen wurde in jüngerer Zeit ein aus dem französischen übersetztes Büchlein mit dem programmatischen Titel Der kommende Aufstand (La Insurrection qui vient) rezensiert und diskutiert. Die französischen Ermittlungsbehörden klassifizierten diese fulminante Kampfansage gegen die westliche Zivilisation als Aufruf zum Terrorismus, Bewohner einer Landkommune verbrachten als vermeintliche Mitautoren Ende 2008 längere Zeit in Untersuchungshaft. Dass das Buch auch in Deutschland zu neuen Razzien in linken Buchläden führt, ist gut möglich – jedenfalls vermuten Vertreter der linken Buchhandelsszene, dass die messbare Zunahme an polizeilichen Durchsuchungen nicht bloß mit den jeweils konkret beanstandeten Schriften zusammenhing, sondern auch der Aufmerksamkeitswelle für Der kommende Aufstand geschuldet ist. Schließlich haben allein in diesem Jahr die Buchläden Schwarze Risse, 021 und M99 sechsmal Besuch von der Polizei bekommen. Dreimal war das Münchner Buchcafe Marat Ziel der Polizeimaßnahme. Mal war ein Flugblatt des Berliner Büros für Antimilitaristische Maßnahmen (Bamm), mal die Autonomenpublikation Interim Grund für die Polizeibesuche.

Mittlerweile haben die betroffenen Buchläden in einer Erklärung zur Verteidigung unabhängiger und unkontrollierter Medien aufgerufen, eine Kampagnenhomepage eingerichtet und am 17. November im Berliner Festsaal Kreuzberg eine gutbesuchte Veranstaltung organisiert. Dort sprach sich der Hamburger Rechtsanwalt und Oliver Tolmein für Solidarität mit den angegriffenen Buchläden aus, betonte aber auch, dass eine staatliche Verfolgung noch kein Qualitätssiegel für die Inhalte der inkriminierten Broschüren und Büchern ist.

An der Internetzensur wird noch gefeilt
Die auch in der Freitag-Community bekannte Bloggerin Anne Roth ging in ihrem Referat auf die Parallelen zwischen den Zensurversuchen in der realen und der virtuellen Welt ein. Allerdings werden die Mechanismen in dem Internetbereich noch verfeinert. So kann es mittlerweile schon strafrelevant sein, wenn ein User auf Facebook den „Gefällt mir“-Button anklickt, wenn er damit politische Inhalte meint, die den Verfolgungsorganen gar nicht gefallen. Bisher musste ein User in wenigen Worten zumindest ganz klammheimliches Verständnis mit bestimmten Aktionen äußern, damit sich die Betreiber von Internetseiten wie „Scharf links“, Erwerbslosenforum et cetera einen Strafbefehl einhandelten. Nun soll dazu ein Mausklick reichen.

Extremismusklausel für Zivilgesellschaft?
Fritz Burschel ging in seinen Beitrag auf eine relativ neue Form von staatlicher Restriktion ein, die vor allem jene zivilgesellschaftlichen Gruppen betrifft, die in den vergangenen Jahren im Kampf gegen Rechts auch von staatlichen Stellen gefördert worden sind. Künftig sollen diese Gruppen in manchen Bundesländern eine Klausel unterzeichnen, in denen sie sich nicht nur selber zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bekennen solle. Sie sollen auch sicherstellen, dass ihre Bündnispartner auf dem Boden der FDGO steht. Die Zivilcourage der Initiative Pirnaer Initiative AKuBIZ, die dazu nicht bereit war und deshalb auf einen sächsischen Demokratiepreis in Höhe von 10000 Euro verzichtete, fand beim Publikum großen Applaus. Wesentlich zurückhaltender blieb das Publikum bei der Diskussion.

Dabei haben die Referenten gute Vorlagen für kontroverse Debatten gegeben. So wies Anne Roth auf das Dilemma hin, wenn die Sicherheitsbehörden Buchläden oder Initiativen vor die Wahl stellen, bestimmte Daten herauszugeben, um die Beschlagnahme des gesamten Computers zu verhindern. Bei der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner (DFG-VK) führte ein solches Ansinnen vor einigen Monaten zu heftigen Streit zwischen dem Vorstand und der Berliner Regionalgruppe. Auch zur Bündnisstrategie fehlten Anregungen. Dabei war deutlich, dass eine Ausweitung in den sozialen Bereich, sprich eine Verbindung bürgerrechtlicher und ehersozialpolitischer Themen, möglich wäre. Schließlich hat die erfolgreiche Abwehr der Verdachtskündigung der Kaisers-Kassiererin Emmely gezeigt, dass hier Widerstand möglich ist. Dass in diesen Fall statt staatlicher Stellen private Firmen die Arbeiter und Angestellte auf verschiedene Weise disziplinieren, muss für eine Kooperation mit den linken Buchläden und den kritischen Internetnutzern kein Hinderungsgrund sein.

Peter Nowak

http://www.freitag.de/politik/1046-unzensiert-lesen

Juristen zu Stuttgart 21

 Die Kritiker des Projekts Stuttgart 21 bekommen nun auch juristischen Beistand. Im Arbeitskreis »Juristen zu Stuttgart 21« haben sich ca. 30 Juristen unterschiedlicher beruflicher Stellungen zusammengeschlossen. Sie wollen nicht nur die Verantwortlichen für den harten Polizeieinsatz vom 30. September gegen Kritiker des Bahnprojekts ermitteln, sondern auch Meldungen nachgehen, nach denen Polizisten, die sich kritisch mit den Einsatz auseinandersetzen, innerhalb ihrer Behörde starkem Druck ausgesetzt sind.

In ihrer ersten Stellungnahme begrüßt die Organisation den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz in Stuttgart. Die Juristen sind der Überzeugung, dass eine Klage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes (Fortsetzungsfeststellungsklage) zulässig und begründet wäre.

Peter Nowak

http://www.neues-deutschland.de/artikel/183281.bewegungsmelder.html?sstr=Juristen|gegen|Stuttgart