„Auch in der Türkei wurde der Wohnungs- und Immobilienmarkt zum Zugpferd einer kapitalistischen Ökonomie“

Imre Azem Balanli über die Bestrebungen der AKP-Regierung, Istanbul zu einer Global City zu machen, und die Folgen für die Wohnungspolitik, die auch auch zu den Gezi-Protesten geführt haben

Imre Azem Balanli[1] ist Regisseur des Films Ekümenopolis[2], der sich mit der „Recht auf Stadt“-Bewegung in der Türkei befasst.



In Istanbul ist die Umstrukturierung in vollem Gange und wird mit der AKP-Regierung verbunden. Welches ökonomische Modell steht dahinter?

Azem Balanli: Die türkische Regierung will Istanbul zu einer Global City und zum führenden Finanzzentrum des Nahen Osten zu machen. Der Staat schafft dafür die Gesetze und beseitigt die Hindernisse. Allerdings begann diese Entwicklung nicht erst mit der AKP-Regierung, sondern schon mit dem Militärputsch 1980. Das war der Beginn des Neoliberalismus in der Türkei.

Welche Auswirkungen hatte diese Veränderung die Wohnungspolitik ?

Azem Balanli: In den 70er Jahren war eine Wohnung in der Türkei noch eine private Investition in die Zukunft. Das hat sich in den 1980er Jahren verändert. Seit dieser Zeit wurden Wohnungen zum Spekulationsobjekt, mit dem Profite gemacht werden konnte.

Wie in vielen anderen Ländern wurde auch in der Türkei der Wohnungs- und Immobilienmarkt zum Zugpferd einer kapitalistischen Ökonomie, die komplett auf den Import orientiert ist. Während der AKP-Regierung stiegen die Auslandsschulden der Türkei enorm an. Durch die Verkäufe im Wohnungssektor sollte hier ein Ausgleich geschaffen werden.

Welche Anreize schafft die Regierung, um oft mit Verlust gebaute Wohnungen zu verkaufen ?

Azem Balanli: Wohnungen werden verstärkt ins Ausland verkauft. Vor zwei Jahren wurde die Limitierung für Immobilienverkäufe ins Ausland aufgehoben. Schon ein Jahr später wurden in die Golfstaaten Immobilien in Milliardenhöhe veräußert.

Zudem wird im Inland die Herausbildung einer kaufkräftigen Schicht gefördert, die sich einen Kauf dieser Wohnungen leisten kann. Diese Entwicklung wird vom Staat gezielt vorangetrieben und geht mit der Vertreibung der bisherigen Bewohner einher, die sich die neuen, teureren Wohnungen nicht leisten können. In diesem Zusammenhang steht der Kampf gegen die Arbeitersiedlungen, der sogenannten Gecekondular.

Warum sind die Arbeitersiedlungen zum Hindernis für eine Globalcity geworden?

Azem Balanli: Die Gecekondular wurden in den 50er und 60er Jahren von Fabrikarbeitern gebaut, weil der türkische Staat nicht genügend Kapital hatte. Er gab den Arbeitern sogar staatliches Land, damit sie dort ein Haus bauen konnten. Es war eine Subvention der Arbeiter durch den Staat, mit dem sie auch an ihn gebunden werden sollten.

Allerdings wurden diese Stadtviertel oft zu Hochburgen linker Gruppen, in denen eine für den Staat unerwünschte Gegenmacht entstand, die mit repressiven Maßnahmen bekämpft wurde. Seit dem Aufkommen der Dienstleistungsgesellschaft sind die Arbeiter in der Stadt unerwünscht, weil sie nicht genügend Geld zum Konsumieren haben. Sie sollen aus der Innenstadt verschwinden. Die Politik der Stadterneuerung hat das erklärte Ziel, sie an den Stadtrand zu verdrängen.

Welche Schritte hat die AKP-Regierung unternommen?

Azem Balanli: Sie hat ein Gesetz erlassen, dass die Errichtung weiterer Gecekondular verhindert. Die staatliche Wohnungsbaubehörde wurde in ein privates Bauunternehmen umgewandelt. Obwohl Gesetze zum Denkmalschutz erlassen wurden, konnten alte Stadtviertel abgerissen werden. 2012 wurde schließlich ein Gesetz erlassen, das die Wohnungen vor Naturkatastrophen sichern soll. Es ist heute das zentrale Instrument der Umstrukturierung.

Ist ein solches Gesetz angesichts der vielen Erdbeben in der Türkei nicht sinnvoll?

Azem Balanli: Die AKP sorgt für die autoritäre Durchführung der Gesetze, die von der Hauptstadt Ankara zentral durchgeführt werden. Dafür ist das Ministerium für Umweltschutz und Stadtplanung verantwortlich. Es hat die Möglichkeit, ohne jegliche wissenschaftliche Untersuchung ganze Stadtteile als gefährdet zu erklären und abreißen zu lassen.

Wie reagieren die Bewohner darauf?

Azem Balanli: Sie haben keine Möglichkeit, gegen diese Entscheidungen Widerspruch einzulegen. Mittlerweile wurde ein Gesetz erlassen, das Mietern mit Bestrafung und Verhaftung droht, wenn sie versuchen, die Räumung zu verhindern.

In Istanbul ist die Umstrukturierung in vollem Gange und wird mit der AKP-Regierung verbunden. Welches ökonomische Modell steht dahinter?

Azem Balanli: Die türkische Regierung will Istanbul zu einer Global City und zum führenden Finanzzentrum des Nahen Osten zu machen. Der Staat schafft dafür die Gesetze und beseitigt die Hindernisse. Allerdings begann diese Entwicklung nicht erst mit der AKP-Regierung, sondern schon mit dem Militärputsch 1980. Das war der Beginn des Neoliberalismus in der Türkei.

Welche Auswirkungen hatte diese Veränderung die Wohnungspolitik ?

Azem Balanli: In den 70er Jahren war eine Wohnung in der Türkei noch eine private Investition in die Zukunft. Das hat sich in den 1980er Jahren verändert. Seit dieser Zeit wurden Wohnungen zum Spekulationsobjekt, mit dem Profite gemacht werden konnte.

Wie in vielen anderen Ländern wurde auch in der Türkei der Wohnungs- und Immobilienmarkt zum Zugpferd einer kapitalistischen Ökonomie, die komplett auf den Import orientiert ist. Während der AKP-Regierung stiegen die Auslandsschulden der Türkei enorm an. Durch die Verkäufe im Wohnungssektor sollte hier ein Ausgleich geschaffen werden.

Welche Anreize schafft die Regierung, um oft mit Verlust gebaute Wohnungen zu verkaufen ?

Azem Balanli: Wohnungen werden verstärkt ins Ausland verkauft. Vor zwei Jahren wurde die Limitierung für Immobilienverkäufe ins Ausland aufgehoben. Schon ein Jahr später wurden in die Golfstaaten Immobilien in Milliardenhöhe veräußert.

Zudem wird im Inland die Herausbildung einer kaufkräftigen Schicht gefördert, die sich einen Kauf dieser Wohnungen leisten kann. Diese Entwicklung wird vom Staat gezielt vorangetrieben und geht mit der Vertreibung der bisherigen Bewohner einher, die sich die neuen, teureren Wohnungen nicht leisten können. In diesem Zusammenhang steht der Kampf gegen die Arbeitersiedlungen, der sogenannten Gecekondular.

Warum sind die Arbeitersiedlungen zum Hindernis für eine Globalcity geworden?

Azem Balanli: Die Gecekondular wurden in den 50er und 60er Jahren von Fabrikarbeitern gebaut, weil der türkische Staat nicht genügend Kapital hatte. Er gab den Arbeitern sogar staatliches Land, damit sie dort ein Haus bauen konnten. Es war eine Subvention der Arbeiter durch den Staat, mit dem sie auch an ihn gebunden werden sollten.

Allerdings wurden diese Stadtviertel oft zu Hochburgen linker Gruppen, in denen eine für den Staat unerwünschte Gegenmacht entstand, die mit repressiven Maßnahmen bekämpft wurde. Seit dem Aufkommen der Dienstleistungsgesellschaft sind die Arbeiter in der Stadt unerwünscht, weil sie nicht genügend Geld zum Konsumieren haben. Sie sollen aus der Innenstadt verschwinden. Die Politik der Stadterneuerung hat das erklärte Ziel, sie an den Stadtrand zu verdrängen.

Welche Schritte hat die AKP-Regierung unternommen?

Azem Balanli: Sie hat ein Gesetz erlassen, dass die Errichtung weiterer Gecekondular verhindert. Die staatliche Wohnungsbaubehörde wurde in ein privates Bauunternehmen umgewandelt. Obwohl Gesetze zum Denkmalschutz erlassen wurden, konnten alte Stadtviertel abgerissen werden. 2012 wurde schließlich ein Gesetz erlassen, das die Wohnungen vor Naturkatastrophen sichern soll. Es ist heute das zentrale Instrument der Umstrukturierung.

Ist ein solches Gesetz angesichts der vielen Erdbeben in der Türkei nicht sinnvoll?

Azem Balanli: Die AKP sorgt für die autoritäre Durchführung der Gesetze, die von der Hauptstadt Ankara zentral durchgeführt werden. Dafür ist das Ministerium für Umweltschutz und Stadtplanung verantwortlich. Es hat die Möglichkeit, ohne jegliche wissenschaftliche Untersuchung ganze Stadtteile als gefährdet zu erklären und abreißen zu lassen.

Wie reagieren die Bewohner darauf?

Azem Balanli: Sie haben keine Möglichkeit, gegen diese Entscheidungen Widerspruch einzulegen. Mittlerweile wurde ein Gesetz erlassen, das Mietern mit Bestrafung und Verhaftung droht, wenn sie versuchen, die Räumung zu verhindern.

„Wir wollen Teil der Mieterbewegung sein“

Studis gegen hohe Mieten befassen sich auch mit der Rolle von Kommilitonen bei der Aufwertung von Stadtteilen

Am 7. November wird es eine Mietendemonstration der besonderen Art in Berlin geben. Unter dem Motto „Studis für ein Recht auf Stadt“ starten Studierende am Breitscheidplatz zu einem Protestmarsch durch den Stadtteil Charlottenburg. Er soll vor der Senatsverwaltung für Bildung am Fehrbelliner Platz enden. Die Demonstration ist Teil der Aktionstage des kürzlich entstandenen Bündnisses „Studis gegen hohe Mieten“, das sich am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorstellte.

„Unser Ausgangspunkt sind die Wohnungsprobleme, mit denen viele Studierende vor allem zu Semesterbeginn konfrontiert sind“, erklärte die Pressesprecherin des Berliner Bündnisses Studis gegen hohe Mieten. Dazu gehören lange Wartelisten bei den Studierendenwohnheimen, WG-Castings mit Bewerbungen im dreistelligen Bereich sowie Notunterkünfte in Turnhallen. Dem neuen Bündnis ist es wichtig, diese Probleme in den gesellschaftlichen Kontext zu setzen.

„Studierende mit wenig Geld sind genau so von Wohnungsproblemen betroffen wie viele Erwerbslose oder prekär Beschäftigte“, betont Eberle. Sie verweist noch über einen weiteren Aspekt. „Andererseits sind wir uns bewusst, dass Studierende mit ihrer besonderen Wohnsituation zu negativen Entwicklungen beitragen können.“

So komme die große Flexibilität der Studierenden Eigentümern entgegen, die ihre Wohnungen mit Kurzzeitverträgen vermieten. Schließlich können bei Neuvermietungen einfacher höhere Mieten gefordert werden und Proteste sind bei flexiblen Kurzzeitmietern auch weniger zu erwarten. Das neue Bündnis betont, dass es sich mit der Rolle, die Kommilitonen gegen ihren Willen auf dem Wohnungsmarkt spielen, auseinandersetzen.

„Wir wollen Teil der Mieterbewegung sein und fordern keine Sonderrechte als Studierende“, stellte Eberle klar. Das neue Bündnis wäre ohne die Mietenproteste, die es in verschiedenen Städten in den letzten Monaten gab, gar nicht entstanden, so die Pressesprecherin.

In manchen Städten gibt es für einkommensschwache Studierende keine Wohnungen

Daher ist das Bündnis in Berlin, Hamburg und einigen Ruhrgebietsstädten, in denen es in den letzten Monaten Mieterproteste gab, besonders aktiv. Hier sind die Aktivisten oft schon länger in den lokalen Mietenprotesten involviert.

Unter den über 20 Städten, in denen lokale Gruppen von Studis gegen hohe Mieten entstanden sind, befinden sich mit Heidelberg und Erfurt auch Orte, in denen Kommilitonen mit geringen Einkommen oft keine Wohnung mehr bekommen. „Entweder sie haben reiche Eltern oder sie müssen neben ihren Studium arbeiten, damit sie sich eine Wohnung leisten können“, schildert Eberle die Situation. Sie wird auch auf den Aktionstagen thematisiert, die das Bündnis vom 6. bis 8. November an verschiedenen Hochschulen organisiert. Dazu sind Aktivisten verschiedener Mieterproteste eingeladen. Die genauen Daten finden sich auf der Bündniswebseite.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155274

Peter Nowak

Hohe Hürden überwinden

Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung
Knapp sechs Wochen nach den Bundestagswahlen werden die Berliner erneut an die Wahlurnen gerufen.
Sie sollen über einen Gesetzesentwurf für die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung
abstimmen. Festgeschrieben werden soll auch, dass kein Stadtwerk den Strom abstellen darf, wenn Kunden
ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Ein Stromnetzbetreiber soll nachhaltig arbeiten und erzielte Gewinne in Energiewendeprojekte vor Ort reinvestieren. Senatsmitglieder, Arbeitnehmer und gewählte Bürger sollen die Aufsichtsgremien bilden. Am 3. November »Vattenfall den Stecker zieh´n«, lautet das Motto des Berliner Energietisches, zu dem sich über 50 Initiativen und zahlreiche Einzelpersonen zusammengeschlossen haben – von Umwelt- und Erwerbslosengruppen bis zur Volkssolidarität.
Sie leiteten das Volksbegehren in die Wege und sammelten Unterschriften.Schließlich hatten amStichtag über 265.000 Berliner dasAnliegen unterstützt. Damit sind diefürs Volksbegehren notwendigen Unterschriften weit überschritten. »Doch die zweite Phase wird nichteinfach«, erklärt Michael Efler vom Energietisch gegenüber dem Sprachrohr. Schließlich müssen 625.000Menschen in Berlin für den von unsvorgelegten Gesetzesentwurf stimmen. »Das ist eine hohe Hürde. Aberwir können sie schaffen«, gibt sich Efler optimistisch. »Wir sind mit Plakatenim Straßenraum sichtbar, es wird Spots für  Kino und Internet geben«, erklärt Pressesprecher Stefan Taschner. Die Initiatoren hätten sich eine zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfindende Abstimmung gewünscht. Das wäre kostengünstiger gewesen und die Beteiligung höher. Doch die CDU, die sich gegen den Energietisch positioniert, setzte sich gegen ihren Koalitionspartner durch. Die SPD plädierte sogar für eine Übernahme des Volksbegehrens durch den Berliner Senat. Mit den Piraten, der Linken und den Grünen hätte  sie im Abgeordnetenhaus eine
Mehrheit erreichen können. Doch dann wäre die große Koalition geplatzt. So kommt es im November zum vierten Berliner Volksbegehren. Bisher ging nur die Abstimmung über die Offenlegung der Wasserverträge für die Initiatoren positivaus. Die über den Erhalt des Flughafens Tempelhof oder Pro Reli scheitertenan mangelnder Beteiligung.
aus Sprachrohr 4/2013
http://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/sprachrohr

Peter Nowak

Gemeinsam gegen die Wohnungsnot

Peter Nowak über eine studentische Initiative gegen hohe Mieten

Lange Wartelisten bei den Studierendenwohnheimen, WG-Castings mit Bewerbungen im dreistelligen Bereich. Dass sich Studierende in vielen Städten in Deutschland oft über Wochen und Monate um ein Dach über dem Kopf sorgen müssen, ist bekannt. Neu ist, dass sich Kommilitonen dagegen politisch wehren. Kürzlich hat sich ein Bündnis unter dem Titel »Studis gegen Wohnungsnot« gegründet.

Die Erfahrung, dass günstiger Wohnraum immer knapper wird, teilen nichtvermögende Kommilitonen mit Erwerbslosen und vielen anderen einkommensschwachen Menschen. Gerade in dieser Kooperation liegt die besondere Qualität des neuen Bündnisses. Das Bündnis will so verhindern, dass Menschen, die sich teure Wohnungen nicht leisten können, gegeneinander ausgespielt werden. Es engagiert sich bundesweit in lokalen Mieterbündnissen und der Initiative »Recht auf Stadt«. Schon am bundesweiten Aktionstag der Mietenbewegung Ende September war es aktiv beteiligt. Vom 4. bis 8. November wird das Bündnis an zahlreichen Hochschulen bundesweit Aktionstage organisieren. Dann sollen auch möglichst viele Studentinnen und Studenten davon überzeugt werden, dass die Forderungen nach einer Rekommunalisierung von ehemals staatlichem und städtischem Wohnraum und eine Mietpreisbremse allen einkommensschwachen Menschen unabhängig von ihrem Beruf und Schulabschluss nützt und auch nur gemeinsam formuliert werden können.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/837733.gemeinsam-gegen-die-wohnungsnot.html

Peter Nowak

Deutschlands Wirtschaftspolitik ist das Problem

Die Kritiker der Austeritätspolitik der Bundesregierung bekommen Unterstützung aus den USA

Dass an der europäischen Peripherie die Kritik an der Austeritätspolitik der deutschen Bundesregierung nicht verstummt, ist seit langem bekannt und verwundert nicht. Doch jetzt kommt eine Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell auch aus den Regierungskreisen der USA. In einem Bericht des US-Finanzministeriums wird genau die Kritik vorgetragen, die Gegner der Austeritätspolitik made in Germany schon seit Längerem hatten.

Der zentrale Kritikpunkt ist der große Handelsüberschuss, den Deutschland in der Eurokrise angehäuft hat: „Deutschlands anämisches Wachstum der Binnennachfrage und seine Exportabhängigkeit behindern das Ausbalancieren in einer Zeit, da viele andere Länder der Euro-Zone unter schwerem Druck stehen, die Nachfrage einzudämmen und Importe zu drosseln.“

Die Argumentationslinie ist wirtschaftspolitisch schlüssig und nicht neu. Auch aus den USA kam immer wieder Kritik am deutscheuropäischen Wirtschaftsmodell. Selbst ein Ausschluss Deutschlands aus dem Euro wurde öffentlich diskutiert und begründet.

Deutsche Standortverteidiger weisen Kritik zurück

Erwartungsgemäß wurde die Kritik von der Bundesregierung und von deutschen Wirtschaftsverbänden sofort vehement zurückgewiesen. Für das Bundeswirtschaftsministerium ist der Handelsüberschuss Ausdruck der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und Deutschland die Wirtschaftslokomotive. Mit diesen Argumenten wird seit Monaten von der Bundesregierung Reklame für den Standort Deutschland gemacht, für den dann die Lohnabhängigen schon mal den Gürtel schnallen sollen.

Bei Teilen der Gewerkschaften und der SPD kommt diese Standortverteidigung gut an. Sie werden wohl auch nach der jüngsten Kritik aus den USA die Reihen schließen. Die anvisierte große Koalition könnte so auch eine Verteidigungsgemeinschaft des deutschen Standorts gegen die Kritik aus dem Ausland, vor allem aus den USA, werden. Denn im Gegensatz zur Kritik aus Griechenland und anderen Ländern der europäischen Peripherie kann die deutsche Politik die Schelte aus Übersee nicht einfach ignorieren.

Ob die schwachen sozialen Bewegungen in Deutschland, die seit Jahren gegen die Austeritätspolitik der Bundesregierung agieren, die Argumentationshilfe aus Washington annehmen, wird sich zeigen. Es wäre auf jeden Fall eine ungewohnte Situation. Bisher galt die USA auch ökonomisch in diesen Kreisen eher als abschreckendes Beispiel, das man gerne bekämpfte.

Interessengegensätze zwischen Deutsch-Europa und den USA wachsen

Natürlich bedeutet die Kritik aus den Regierungsetagen der USA nun keineswegs, dass dort jetzt Anhänger einer sozialeren Wirtschafts- und Finanzpolitik dominieren. Die Meinungsverschiedenheiten, die auf internationalen Kongressen immer wieder übertüncht werden, sind ein Ausdruck der wachsenden Interessengegensätze zwischen den USA und Deutschland auch in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Auch die vieldiskutierte Abhöraffäre müsste unter diesen Aspekten diskutiert werden. Denn hier hören sich nicht Freunde gegenseitig ab, sondern Konkurrenten, die gelegentlich noch gemeinsame, immer öfter aber gegensätzliche Interessen haben.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155260

Peter Nowak