Warum Israel?

Klaus Theweleit und Hermann L. Gremliza diskutierten mit Claude Lanzmann
 
Schon um 18 Uhr hatte sich am Montagabend eine lange Schlange vor einem alten Hamburger Bunker gebildet. Viele mussten wegen Überfüllung den Rückzug antreten. Im Popclub »Uebel & Gefährlich« war jeder Platz besetzt und auch um die Theken drängten sich die Menschen. Zu sehen war der Film »Warum Israel«. Seit im Oktober vergangenen Jahres in einem Hamburger Kino eine Aufführung durch sich als propalästinensisch verstehende Linke verhindert wurde (ND berichtete), wurde der Film mehrere Male in Hamburg und auch in anderen deutschen Städten gezeigt. In dem 1973 entstandenen Film lässt der französische Filmemacher Claude Lanzmann unterschiedliche Bewohner Israels zu Wort kommen, die über die Probleme des Staates, aber auch über dessen und ihren Überlebenswillen in einer weitgehend feindlichen Umgebung sprechen.

Wer den Film gesehen hat, wird noch weniger verstehen können, warum Linke in Deutschland die Aufführung dieses Films verhindern wollten. Beim anschließenden Filmgespräch bot der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit eine Erklärung. Für ihn ist das ein Beispiel für rechtes Denken unter linken Vorzeichen. Der Publizist und Herausgeber der Monatszeitung »konkret«, Hermann L. Gremliza, wollte mit seiner Teilnahme an dem Gespräch vor allem ein Zeichen gegen jene setzen, die den Film zu verhindern suchten. Für ihn ist das Problem dabei nicht die kleinen, sich als links verstehende Gruppen, sondern der unterschwellige Antisemitismus bei einem Großteil der Bevölkerung. Der habe mittlerweile gelernt, bestimmte Begrifflichkeiten zu vermeiden, um Ärger aus dem Weg zu geben, so Gremliza.

Gremliza hatte einen Einwand zu dem Film: Die Palästinenser fehlten in Lanzmanns Werk weitgehend, sowohl als Bewohner des Landes als auch als Israel bedrohende Organisationen. Lanzmann ließ diesen Einwand nicht gelten. Er haben keinen ausgewogenen, beiden Seiten gerecht werdenden Film machen können. Zur Erläuterung berichtete Lanzmann aus seiner Biografie. Der Gründung Israels habe er anfangs keine Aufmerksamkeit geschenkt. Später wollte er die Eindrücke, die er von einer Israelreise mitbrachte, schriftlich verarbeiten. Dazu sei es aber nicht gekommen. Mit dem Film »Warum Israel« lieferte er schließlich 1973 sein ganz persönliches Statement zu diesem Land mit all seinen Widersprüchen.

Arte zeigt heute, 20.15 Uhr, den 1. Teil von Claude Lanzmanns Doku »Shoah«, der zweite folgt am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163409.warum-israel.html

 

Peter Nowak

Freiheit der Kunst?

 

Black Metal-Musiker mit braunen Flecken.

Die Berliner Volksbühne ist seit Jahren ein Ort von künstlerischen Provokationen. Doch der Auftritt der norwegischen Black Metal-Band „Mayhem“ am 17. Januar war für viele in erster Linie eine politische Provokation. Denn die vor 25 Jahren gegründete Band spielt nicht nur mit Insignien der rechten Szene. So ist „Mayhems“ Interimsänger Maniac auf einem Foto mit von Schweineblut übergossenem nacktem Oberkörper und einem in die Stirn geritzten Hakenkreuz zu sehen. Das Verwenden von NS-Symbolen begleitete die Geschichte der Band. Dass sie dazu bis heute stehen, zeigt das geplante Filmprojekt „Lords of Chaos“ über die Anfangsjahre der Gruppe.

Das Hantieren mit rechten Symbolen beschränkte sich bei manchem „Mayhem“-Musiker nicht nur auf die Bühne und das Platten-Cover. Band-Mitglied Varg Vikernes wird zu einer zentralen Figur des NS-Black Metal (NSBM) gerechnet. Diese innerhalb der Black Metal-Szene minoritäre Strömung verherrlicht in ihren Texten den Nationalsozialismus und Adolf Hitler. Eine Organisation in den USA begreift sich als Dachverband der NSBM-Bewegung. Gleich auf der Startseite ihrer Homepage finden sich zahlreiche Hakenkreuze. Sie propagieren die Vorstellung, dass zu viele Menschen auf der Erde leben und daher die Schwächsten unter ihnen sterben müssten. Mit Varg Vikernes unter anderem haben sie auf ihrer Homepage einen Musiker des NSBM unterstützt, der wegen Mordes verurteilt wurde.

Varg Vikernes saß wegen der Ermordung des „Mayhem“-Gitarristen Euronymous, mit dem er lange befreundet war, und wegen Brandstiftung an mehreren christlichen Kirchen in Norwegen neun Jahre im Gefängnis und wurde im vergangenen Jahr freigelassen. Die Kirchenbrandstiftungen waren politisch motiviert. Denn das Christentum wird in der Ideologie des NSBM als Feind der nordischen Religion gesehen.

In Deutschland spielt die rechte Black Metal-Bewegung eine sehr geringe Rolle. Die Band „Absurd“ machte vor allem durch ihr Mitglied Hendrik Möbius Schlagzeilen (bnr.de berichete).

http://www.bnr.de/content/freiheit-der-kunst-0

Peter Nowak

Polizeiaktion wegen Antifa-Blockade

Die Polizeiaktion hat bisher zur Mobilisierung gegen den Neonaziaufmarsch beigetragen.
Am 19.Januar bekamen die Geschäftsstelle der Dresdener Linkspartei sowie der antifaschistische Laden Red Stuff Polizeibesuch. Beschlagnahmt wurden neben Computern Aufrufe und Plakate, die zu einer Blockade gegen einen Alt- und Neonaziaufmarsch am 13. Februar in Dresden aufriefen.

Anlässlich des Jahrestages der alliierten Bombardierung gelang den ansonsten zerstrittenen Rechten in der Elbestadt ein einheitliches Auftreten. Unterstützung bekamen sie dabei auch von Rechtskonservativen. So entwickelte sich der Aufmarsch zu Deutschlands größter rechter Demonstration. Die unterschiedlichen linken Gruppen mobilisierten viele Jahre getrennt gegen den rechten Aufmarsch. Noch im letzten Jahr stellte ein Bündnis die Kritik auch am offiziellen Dresden-Gedenken in den Mittelpunkt, während der größere Teil der Nazigegner ein Bündnis gegen die äußerste Rechte in den Mittelpunkt stellte und dafür andere Fragen zurückstellte.

In diesem mobilisieren nun auch die Gegner der Rechten gemeinsam zu einer gewaltfreien Blockade. Zu den Unterstützern gehören neben verschiedenen Politikern der Linken und Gewerkschafter auch der Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter.

Die Polizeiaktion hat bisher eher zur Mobilisierung gegen den Neonaziaufmarsch beigetragen. Auch die Grünen und die SPD kritisiert die Maßnahme. So zeigte sich das SPD-Mitglied des sächsischen Landtages Hanka Kliese, ebenfalls Mitunterzeichnerin des Aufrufes, erstaunt über die Aktion: „Es handelt sich um einen Aufruf zu einer gewaltfreien Demonstration. Das halte ich für legitim.“ Sie wundere sich sehr darüber, welche Schwerpunktsetzung die Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Demo für ihre Arbeit gewählt hat. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/146938

Peter Nowak

Der verdächtige Link

Wie das Babelsberger Projektehaus ins Visier des Brandenburger Verfassungsschutzes geriet
Idyllisch liegt das Babelsberger Projektehaus am Griebnitzsee. Auf dem Areal leben seit fünf Jahren Menschen aus mehreren Ländern und Generationen zusammen. Sie haben das Haus selbst nach ökologischen Grundsätzen renoviert. Beim Töpferkurs sitzt schon mal die Mutter aus dem Schlaatzer Wohnblock mit der Mutter aus der Babelsberger Villa an einem Tisch. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte, wie die Opferperspektive, der Brandenburger Flüchtlingsrat sowie Umweltgruppen haben ihre Büros. »Unser Ziel ist es, gesellschaftliches Engagement und Zusammenleben zu verbinden«, betont der Koordinator des Projekthauses, Holger Zschoge.

Dieses Engagement hat das Projekt ins Visier von CDU-Politikern und Medien gebracht. Den Anfang machte der Brandenburger Verfassungsschutz (VS). Auf dessen Homepage heißt es unter der Überschrift »Linksextremistische Bündnispolitik/UN-Klimakonferenz« über den Träger des Projektehauses: »Der in Potsdam ansässige ›Förderverein innovativer Wohn- und Lebensformen‹ (Inwole) hat sich auf seiner Homepage mit ›Never trust a cop‹ verlinkt«. »Trau niemals einem Polizisten« war der Name des linken Bündnisses, das anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen zu Aktionen des zivilen Ungehorsams aufgerufen hatte.

Auf der VS-Homepage wurde auch auf einen kritischen Aufruf zu den Klimaprotesten hingewiesen. Danach wurden mehrere Förderer des Vereins aufgeführt, darunter die GLS Gemeinschaftsbank, die Bewegungsstiftung und die Organisation Jugend für Europa. Über die wiederum teilt der VS mit, dass der Verein nach eigenen Angaben im Auftrag des Bundesfamilienministeriums arbeite.

Der CDU-Innenpolitiker Sven Petke begrüßte das »offensive Vorgehen des Verfassungsschutzes« und forderte die Streichung der Fördermittel für den Verein. »Es ist untragbar, dass der Staat seine Gegner mit Fördergeld unterstützt.« Auch die Regionalzeitung »Potsdamer Nachrichten« griff die Kampagne auf und titelte: »Aufrufe zur Gewalt – gefördert von Bund und EU«. Eine Gegendarstellung des Vereins druckte sie nicht.

»Dabei stammt der inkriminierte Aufruf von der Initiativgruppe Soziale Bewegung / Potsdamer Klimabündnis Kopenhagen, die kein Projekt des Vereins ist«, betont Katja Altenburg von Inwole. Die Gruppe nutzte allerdings die Internetplattform von Inwole. Das entspreche dem Selbstverständnis von Projektehaus und Verein. Ziel sei es, möglichst viele Menschen in selbst organisierter Projektarbeit zu unterstützen. »Das Projektehaus wird daher auch von nicht zum Verein gehörenden Gruppen und Personen genutzt, die selbst über Inhalte und Form ihrer Projekte entscheiden«, betont Altenburg.

Auch der Link zu der Homepage der linken Klimabewegung stehe nicht auf der Vereins-Homepage, sondern ist nur über mehrere Klicks auf andere Initiativen zu erreichen. »Da könnte auch die Stadt Potsdam zu den Unterstützern gerechnet werden, denn die hat auf Freizeitaktivitäten von uns auf ihrer Homepage hingewiesen«, so Altenburg. Da bisherige Bemühungen, mit dem Verfassungsschutz zu kommunizieren, ergebnislos waren, erwägt der Verein juristische Schritte, um die Mitteilung entfernen zu lassen.

Peter Nowak

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/163155.der-verdaechtige-link.html

Der unmögliche Frieden

 

»Wenn du das, was du siehst, nicht fühlst, wirst du Andere nie dazu bringen, etwas zu fühlen, wenn sie deine Bilder betrachten.« So lautet das Motto des 1935 in London geborenen Fotografen Don McCullin, dem die C/O-Galerie im Alten Postfuhramt mit der Ausstellung »The impossible Peace« eine Retrospektive widmet. Die Ausstellung beginnt mit Aufnahmen aus West- und Ostberlin in den Tagen des Baus der Berliner Mauer. Gleich im Anschluss beginnen die Fotos von den zahlreichen Kriegen, in denen McCullin als Fotograf berühmt wurde. Zypern, Vietnam, Kambodscha, Biafra, der Nahe Osten lauten einige seiner Stationen zwischen 1966 und 1984.www.co-berlin.eu

Mehrmals wurde McCullin dabei schwer verletzt. In einem kurzen Film erzählt der Fotograf, wie er in Kambodscha von einer Kugel getroffen wurde, und mit Morphium betäubt in einen Pritschenwagen verladen wurde, auf dem viele Schwerverletzte und Sterbende lagen. Trotz seiner Schmerzen packte McCullin seine Kamera und schoss Fotos. Dabei ist er keineswegs ein Mann, der für ein Foto über Leichen geht. Im Gegenteil: McCullins Intention ist eine Denunzierung des Krieges. Er wollte verhindern, dass der Krieg wie ein Hollywood-Film dargestellt wird. Dafür zeigte er gefolterte und sterbende Zivilisten und Soldaten. Er lichtete US-Rangers ab, die den spärlichen persönlichen Besitz eines getöteten Vietcong in alle Winde zerstreuen. Doch es sind nicht nur die Schlachtfelder in Asien und Afrika, die McCullins fotografisches Interesse geweckt haben. Er richtet seine Linse auch auf sozialen Verheerungen am Rande europäischer oder US-amerikanischer Städte. Wir sehen einen völlig verwahrlosten Mann auf einer Straße in Liverpool liegen. Sein Alter ist unklar, ebenso ist ungewiss, ob er noch lebt. McCullin hat genau hingeschaut in den Obdachlosenheimen und Irrenanstalten. Seine Fotos denunzieren nicht die abgebildeten Menschen, sondern die Verhältnisse, die sie in ein solches Leben zwingen.

In zwei Räumen sind McCullins Arbeiten der jüngsten Zeit zusehen. Mit Motiven aus den Antike hat er scheinbar seinen Job als Fotograf der Kriege hinter sich gelassen. Doch in dem Film berichtet er davon, dass ihn die Erlebnisse aus den Kriegs- und Krisengebieten bis heute nicht loslassen. Wer den letzten Hilferuf eines sterbenden Soldaten mit der Kamera einfängt oder Bilder über ein Kleinkind schießt, das vor Hunger seine eigene Finger aufisst, kann nicht einfach die Verhältnisse vergessen, die dafür verantwortlich sind. McCullins Fotos sorgen dafür, dass sich auch seine Betrachter Gedanken darüber machen.

Die Ausstellung »The impossible Peace« ist noch bis 28.2. zu sehen, täglich von 11 bis 20 Uhr, in der C/O-Galerie in der Oranienburger Str. 35/36, 10117 Berlin zu sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163488.der-unmoegliche-frieden.html

Peter Nowak

Kampagne für Unia-Sekretär

Gewerkschafter sitzt seit Wochen im Gefängnis

Der Gewerkschafter Murad Akincilar sitzt in der Türkei im Gefängnis. Die Unia startete eine internationale Kampagne für seine Freilassung.

Murad Akincilar ist in der Schweiz als aktiver Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet seit vielen Jahren als Gewerkschaftssekretär für die Gewerkschaft Unia in Genf, wo er seit 1999 wohnt. In diesem Jahr hat er gemeinsam mit seiner Frau Asyl in der Schweiz beantragt und erhalten. Als aktiver Linker und Gewerkschafter war er in der Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt. Nun muss er diese Erfahrungen erneut machen. Denn Akincilar sitzt seit mehr als drei Monaten in einem türkischen Gefängnis. Am 30. September 2009 war er im Beisein seiner Frau in der Istanbuler Wohnung seiner Eltern von türkischen Zivilpolizisten ohne Angabe verhaftet worden. An diesem Tag fanden in mehreren türkischen Städten Razzien gegen Linke statt. 17 Personen wurden festgenommen, wenige Tage später wurde gegen acht von ihnen ein Haftbefehl erlassen, Akincilar gehörte dazu.

Ihm wird die Mitarbeit an der sozialistischen Zweimonatsschrift Demokratik Dönüsüm Dergisi (Demokratisches Transformations-Magazin) vorgeworfen, einem seit dem Jahr 2000 legal erscheinende linken Debattenzeitschrift.

Nachdem bisher alle Versuche von Akincilars Rechtsanwälten gescheitert sind, die Freilassung des Mannes zu erreichen, hat die Unia eine länderübergreifende Solidaritätskampagne gestartet.

Darin wird neben seiner sofortigen Freilassung auch die Gewährung der Grundrechte eingefordert. »Murad muss die Möglichkeit haben, mit seiner Familie und seinem Anwalt in Kontakt zu treten, die Vorwürfe gegen ihn zu kennen und würdige Haftbedingungen zu haben, die der internationalen Verpflichtung der Türkei entsprechen«, heißt es in einem Appell.

»Wir haben seine moralische Integrität und seinen Gerechtigkeitssinn immer geschätzt«, heißt es in einer Erklärung der Unia zu Akincilar. Unter dem Motto »Gewerkschafter gehören nicht ins Gefängnis« hat es in den letzten Wochen in der Schweiz zahlreiche Solidaritätsaktionen gegeben, an denen sich ein Bündnis linker Gruppen beteiligte.

Neben zahlreichen Gewerkschaftern aus verschiedenen europäischen Ländern hat sich auch die Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament den Forderungen nach seiner Freilassung angeschlossen.

Die Aktivisten befürchten, dass ein weiterer Gefängnisaufenthalt die schon lange angeschlagene Gesundheit von Akincilar weiter schädigt. So musste der schwer sehbehinderte Mann während der Haft an beiden Augen operiert werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163046.kampagne-fuer-unia-sekretaer.html

Peter Nowak

Erinnerung an einen linken Aufbruch

Ein Sammelband vermittelt einen Überblick über Lateinamerikas Bewegungen in den 60ern

Den Spuren des linken Aufbruchs in Lateinamerika in den 60er Jahren ist der lesenswerte Sammelband »Kontinent der Befreiung?« gewidmet.

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Alljährlich erinnern Aktivisten in Mexiko an das Massaker von 1968 und ihre Drahtzieher (Präsident Díaz/Innenminister Echeverría).
Foto: AFP

Noch immer ist unklar, wie viele Menschen ums Leben kamen, als Polizei und Militär am 2. Oktober 1968 in der Hauptstadt von Mexiko die Studentenproteste blutig niederschlugen. Diese Ereignisse haben im magischen Jahr 1968 in Europa kaum Reaktionen hervorgerufen. Für viele lateinamerikanische Linke hingegen ist das Massaker noch immer ein Trauma. »Auf Schläge und Gefängnis waren wir vorbereitet. Doch auf den Tod waren wir nicht vorbereitet«, sagt die damalige Aktivistin Elisa Ramirez im Gespräch mit der Lateinamerikaspezialistin Anne Huffschmid. Die arbeitet am Berliner Lateinamerikainstitut in einer Projektgruppe, die sich den Spuren des linken Aufbruchs in Zentral- und Lateinamerika widmet.

Mit dem jüngst im Verlag Assoziation A erschienenen Buch, das Huffschmid mit einer studentischen Projektgruppe erarbeitet hat, wird diese Arbeit jetzt auch über den universitären Rahmen hinaus bekannt.

Die Themenpalette, die in dem Buch behandelt wird, ist sehr breit. Der kolumbianische Guerillapriester Camilo Torres hat ebenso seinen Platz wie der in Europa kaum bekannte radikale argentinische Gewerkschaftsaktivist Agostin José Tosco und die brasilianische Feministin Leila Diniz. Neben der politischen Entwicklung in Lateinamerika spielt auch Kultur eine große Rolle. An den Internationalen Kulturkongress in Havanna, an dem im Januar 1968 Intellektuelle aus aller Welt teilnahmen und für eine Revolutionierung der Verhältnisse eintraten, wird erinnert. Es wäre interessant zu erfahren, wie der westdeutsche Kongressteilnehmer Hans Magnus Enzensberger heute darüber denkt.

Das in Europa kaum bekannte argentinische Kunstprojekt »Tucumán brennt« hat in Lateinamerika einen großen Anteil bei der Herausbildung einer gesellschaftsverändernden Kunst gehabt. Im Rahmen dieses Projektes haben Ende 1968 Künstler und Gewerkschafter gemeinsam mit den Bewohnern der argentinischen Armutsregion Tucumán die Gründe für Verelendung der Menschen erforscht und künstlerisch aufgearbeitet.

Die Zeitspanne der in dem Buch vorgestellten Themen reicht von Anfang der 60er bis Anfang der 70er Jahre. Dabei ist die kubanische Revolution ein zentraler Bezugspunkt für die unterschiedlichen Bewegungen auf dem amerikanischen Kontinent. In vielen Ländern forderten nicht nur Studenten, sondern auch aktive Arbeiter und Mitglieder linker Parteien einen offensiveren Oppositionskurs. Der Tod Che Guevaras trägt nicht zur Niederlage, sondern eher zur Radikalisierung der Bewegung bei. Erst gewaltsame Eingriffe, wie 1968 in Mexiko oder Militärputsche in den 70er Jahren in vielen lateinamerikanischen Ländern, sorgen für ein oft blutiges Ende des linken Aufbruchs. Nicht nur in Argentinien wird davon gesprochen, dass eine ganze Generation linker Aktivisten zum Verstummen gebracht wurde. Das Buch entreißt ihre Hoffnungen und Kämpfe dem Vergessen. Zugleich wird auch an die Vorgeschichte der hiesigen 68er Bewegung erinnert. Mehrere lateinamerikanische Gesprächspartner betonen, dass der Pariser Mai 68 für sie keine große Rolle gespielt hat. »In Frankreich begann alles, weil die Jungs mit den Mädchen schlafen wollten. In Brasilien gab es einen seit 1964 dauernden Kampf gegen die Militärdiktatur«, betont Vladimir Palmeira aus Brasilien die Differenzen. Umgekehrt hat der Kampf und Tod Che Guevaras für die Entwicklung der europäischen 68er schon eine Bedeutung gehabt.

Durch zum Thema passende Fotos und die Unterteilung in überschaubare Kapitel ist das Buch sehr lesefreundlich gestaltet.

Anne Huffschmid/Markus Rauchecker (Hrsg.), »Kontinent der Befreiung? Auf Spurensuche nach 1968 in Lateinamerika«, Assoziation A, 256 Seiten, 16 Euro.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163251.erinnerung-an-einen-linken-aufbruch.htmlPeter Nowak

Aufregung über Anti-Kriegs-Provokation

Bundeswehrstudenten stellen Strafanzeige wegen angekündigten Sektumtrunks nach Soldatentod
Eine antimilitaristische Kampagne aus Berlin hat ihr erstes Ziel erreicht: Politik, Bundeswehr und Medien äußern öffentlich ihre Empörung.

Das Büro für Antimilitaristische Maßnahmen (BamM) und der Berliner Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner erhielten in den letzten Tagen viele Hassmails. Die Pazifisten werden dort als Vaterlandsverräter und Kakerlaken beschimpft und mit dem Tod bedroht.

Der Grund für diese Angriffe ist ein offener Brief der beiden Organisationen an die in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten. Gleich in den ersten Sätzen wird deutlich, dass die Absender den Soldaten keineswegs gewogen sind: »Sie führen Krieg in aller Welt. Das Töten unschuldiger Zivilisten ist dabei nach Meinung Ihres Vorgesetzten, des sog. Bundesverteidigungsministers, unvermeidlich. Sie setzen diese menschenverachtende Haltung um, indem Sie hin und wieder größere Menschenansammlungen bombardieren oder Ihre Bündnispartner bei solchen ›friedenserzwingenden Maßnahmen‹ unterstützen«, heißt es dort. Besonders erzürnt haben dürfte die Uniformierten der letzte Absatz, in dem sich die Kriegsgegner mit dem Ehrenmal für die getöteten Bundeswehrsoldaten in Berlin auseinandersetzen. Dort werden die Namen von umgekommenen Bundeswehrsoldaten mit einer LED-Lampe acht Sekunden lang an die Wand des Ehrenmals projiziert.

»Der ›ewige Ruhm‹ kommt bei Ihnen ganz schön kurz«, spotten die Pazifisten. »Um den Soldatentod noch ein wenig süßer zu machen als er ohnehin schon sein soll, werden wir künftig jedes Mal, wenn einer von Ihnen ›fällt‹, eine Runde Schampus schmeißen. Aus lauter Freude, direkt an Ihrem Ehrenmal.« Mittlerweile zirkulieren in Berlin Aufrufe, in denen dazu aufgerufen wird, sich an dem Tag, an dem ein Bundeswehrsoldat umkommt, um 17.30 Uhr zum Sekttrinken zu versammeln.

Die Aufregung auf diesen Brief war nicht nur bei der Springerpresse groß. Der Studentische Konvent der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, an der viele Offiziersanwärter studieren, hat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Internetplattform bamm.de gestellt. »Wir wollen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden, es ist nicht das erste Mal, dass auf der Seite so etwas auftaucht«, erklärt ein Sprecher des Konvents. Auf der Internetplattform StudiVZ hat mittlerweile eine Nutzergruppe die Initiative »Flagge zeigen gegen bamm.de« gegründet, die sich gegen die »Verunglimpfung der Soldaten« wendet. Der Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe (SPD) spricht von einer perfiden und nicht zu überbietenden Geschmacklosigkeit.

Günther Schütz von der BamM sieht in der Aufregung den Beweis, dass »unsere Kampagne genau zum richtigen Zeitpunkt kommt und die richtige Wirkung hat«. Es gehe darum, den Soldaten auf eine drastische Art die Folgen ihrer Beteiligung am Kriegseinsatz vor Augen zu führen. Auch die angekündigten juristischen Schritte sieht der Sprecher der BamM gelassen. Bereits im November 2009 seien die Ermittlungen in einem ähnlichen Verfahren eingestellt worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163337.aufregung-ueber-anti-kriegs-provokation.html

Peter Nowak

Im Gespräch mit Claude Lanzmann – eine Hamburger Begegnung

Schon um 18 Uhr hatte sich am 18. Januar vor einem alten Hamburger Bunker eine lange Schlange gebildet. Die Menschen wollten allerdings nicht eine angesagte Band, sondern eine Filmvorführung mit einem anschließenden Gespräch besuchen. Viele mussten wegen Überfüllung den Rückzug antreten. Im Popclub „Übel und gefährlich“ war jeder Platz besetzt und auch um die Theken drängten sich die Menschen. Auf vier Leinwänden war der Film „Warum Israel“ zu sehen. Seit im Oktober in einem Hamburger Kino sich als propalästinensisch verstehende Linke die Aufführung dieses Films verhinderten, wurde der Film mehrere Male in Hamburg und auch in anderen deutschen Städten gezeigt. In dem 1973 entstandenen Film lässt der französische Filmemacher Claude Lanzmann unterschiedliche Bewohner Israels zu Wort kommen, die über die Probleme des Staates, aber auch den Überlebenswillen der Bevölkerung in einer weitgehend feindlichen Umgebung sprechen. Wer den Film gesehen hat, wird noch weniger verstehen können, warum ausgerechnet Linke in Deutschland die Aufführung dieses Films verhindern wollten.

Beim anschließenden Gespräch bot der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit eine Erklärung. Für ihn sei das ein Beispiel für rechtes Gedankengut unter linken Vorzeichen. Der Publizist und Herausgeber der Monatszeitung KONKRET, Hermann L. Gremliza, wollte mit seiner Teilnahme an dem Gespräch vor allem ein Zeichen gegen jene setzen, die den Film verhindern wollten. Für ihn sind das Problem dabei nicht kleine, sich als links verstehende Gruppen sondern ein Großteil der Bevölkerung. Die habe allerdings mittlerweile gelernt, bestimmte Begrifflichkeiten zu vermeiden, um Ärger aus dem Weg zu geben, so Gremliza, der in der Konkret jeden Monat Beispiele für getarnten Antisemitismus aufspürt und sprachlich seziert. Gremliza hatte einen Einwand zu dem Film. Die Palästinenser fehlen weitgehend, sowohl als Bewohner als auch die Israel bedrohenden Organisationen.

Doch der Regisseur Claude Lanzmann, der für den Publikumsandrang gesorgt hatte, betonte, dass er zu Israel keinen ausgewogenen, beiden Seiten gerecht werdenden Film machen könne. Ein entsprechendes Angebot des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Rabin musste er daher ablehnen. Zur Erläuterung berichtete Lanzmann aus seiner Biographie.

Als Schüler war er Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes und organisierte in seiner Heimatstadt den Widerstand gegen die Nazis und die französischen Unterstützer. Die Gründung Israels habe bei ihm noch kein besonderes Interesse erzeugt. Damals habe er an der Freien Universität Berlin gelehrt. Noch Anfang der 50er Jahre habe er sich mehrere Wochen in der jungen DDR ohne Papiere aufgehalten und Berichte für große französische Zeitungen geliefert. Als er einige Jahre später erstmals Israel besuchte, war es ihm aus persönlichen Gründen nicht möglich, Zeitungsartikel darüber zu schreiben. Auch eine geplante Buchveröffentlichung kam nicht zum Abschluss. Mit dem Film „Warum Israel“ lieferte er schließlich 1973 sein ganz persönliches Statement zu diesem Land und seinen Widersprüchen. Es war auch das Statement eines ehemals aktiven Kommunisten, der wegen der nominalsozialistischen Praxis von seinen politischen Überzeugungen abgerückt war und durch den Besuch in Israel den Zionismus entdeckte.

Rufmord an Lanzmann

Der Applaus des Publikums weit nach Mitternacht galt dem Film und dem Lebensweg dieses Mannes. Diese Anerkennung wird ihm in großen Teilen der Öffentlichkeit verweigert. Das zeigt sich an einer unerfreulichen Debatte über eine im Herbst im Rowohlt-Verlag erscheinende Biographie „Der patagonische Hase“. Ein Autor der ZEIT unterstellte Lanzmann indirekt, die Geschichte zu fälschen. Die FAZ hingegen sprach von einem Rufmord an Lanzmann. Die Tatsache, dass Teile des deutschen Feuilletons ausgerechnet den Regisseur des Filmes Shoah in die Nähe der Geschichtsfälschung bringen, zeigte die Notwendigkeit dieser Veranstaltung und gibt auch Gremliza recht, der das Problem in der deutschen Gesellschaft und nicht in erster Linie bei kleinen linken Gruppen sieht .

Die Reaktionen auf die Filmvorführung und die Debatte waren denkbar unterschiedlich. Im Hamburger Abendblatt wurde unter der Überschrift „Zu viel Ehrfurcht vor dem Stargast“  der Angriff gegen Lanzmann fortgesetzt: „Zwei Fragen nach der Aktualität des Films und seiner künstlerischen Handschrift nutzte der aus Paris eingeflogene Regisseur zu einem 45 Minuten langen Monolog, in dem er viel aus seinem Leben erzählte und nebenbei Werbung für seine im Herbst erscheinende Autobiografie machte.“

Diese Ausführungen, aus denen die Aversion gegen Lanzmann herauszulesen ist,  sind tatsächlich eine Unverschämtheit.

Diesen Vorwurf macht der Hamburger Publizist Günther Jakob in seinen „spontanen Notizen“ aber auch den Organisatoren der Veranstaltung. Er bezeichnete sie als „ein politisches Desaster“, und eine „unverschämte Zumutung“ für Lanzmann. Dieser schlug dann auch nach einer Stunde vor, den Abend abzubrechen.  Nun könnte dieser Wunsch auch der fortgeschrittenen Zeit geschuldet sein. Es war schon nach Mitternacht und der Saal begann sich zu leeren. Außerdem hat Lanzmann deutlich gemacht, dass er keine Lust hat, über den Gaza-Streifen und die Palästinenser zu diskutieren. Das hatte aber auch Hermann L. Gremliza nicht im Sinn, als er seine Frage stellte. Er betonte ausdrücklich, dass er auch die palästinensischen Organisationen, die Israel bedrohen, in dem Film vermisst.

Peter Nowak

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