Der unmögliche Frieden

 

»Wenn du das, was du siehst, nicht fühlst, wirst du Andere nie dazu bringen, etwas zu fühlen, wenn sie deine Bilder betrachten.« So lautet das Motto des 1935 in London geborenen Fotografen Don McCullin, dem die C/O-Galerie im Alten Postfuhramt mit der Ausstellung »The impossible Peace« eine Retrospektive widmet. Die Ausstellung beginnt mit Aufnahmen aus West- und Ostberlin in den Tagen des Baus der Berliner Mauer. Gleich im Anschluss beginnen die Fotos von den zahlreichen Kriegen, in denen McCullin als Fotograf berühmt wurde. Zypern, Vietnam, Kambodscha, Biafra, der Nahe Osten lauten einige seiner Stationen zwischen 1966 und 1984.www.co-berlin.eu

Mehrmals wurde McCullin dabei schwer verletzt. In einem kurzen Film erzählt der Fotograf, wie er in Kambodscha von einer Kugel getroffen wurde, und mit Morphium betäubt in einen Pritschenwagen verladen wurde, auf dem viele Schwerverletzte und Sterbende lagen. Trotz seiner Schmerzen packte McCullin seine Kamera und schoss Fotos. Dabei ist er keineswegs ein Mann, der für ein Foto über Leichen geht. Im Gegenteil: McCullins Intention ist eine Denunzierung des Krieges. Er wollte verhindern, dass der Krieg wie ein Hollywood-Film dargestellt wird. Dafür zeigte er gefolterte und sterbende Zivilisten und Soldaten. Er lichtete US-Rangers ab, die den spärlichen persönlichen Besitz eines getöteten Vietcong in alle Winde zerstreuen. Doch es sind nicht nur die Schlachtfelder in Asien und Afrika, die McCullins fotografisches Interesse geweckt haben. Er richtet seine Linse auch auf sozialen Verheerungen am Rande europäischer oder US-amerikanischer Städte. Wir sehen einen völlig verwahrlosten Mann auf einer Straße in Liverpool liegen. Sein Alter ist unklar, ebenso ist ungewiss, ob er noch lebt. McCullin hat genau hingeschaut in den Obdachlosenheimen und Irrenanstalten. Seine Fotos denunzieren nicht die abgebildeten Menschen, sondern die Verhältnisse, die sie in ein solches Leben zwingen.

In zwei Räumen sind McCullins Arbeiten der jüngsten Zeit zusehen. Mit Motiven aus den Antike hat er scheinbar seinen Job als Fotograf der Kriege hinter sich gelassen. Doch in dem Film berichtet er davon, dass ihn die Erlebnisse aus den Kriegs- und Krisengebieten bis heute nicht loslassen. Wer den letzten Hilferuf eines sterbenden Soldaten mit der Kamera einfängt oder Bilder über ein Kleinkind schießt, das vor Hunger seine eigene Finger aufisst, kann nicht einfach die Verhältnisse vergessen, die dafür verantwortlich sind. McCullins Fotos sorgen dafür, dass sich auch seine Betrachter Gedanken darüber machen.

Die Ausstellung »The impossible Peace« ist noch bis 28.2. zu sehen, täglich von 11 bis 20 Uhr, in der C/O-Galerie in der Oranienburger Str. 35/36, 10117 Berlin zu sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163488.der-unmoegliche-frieden.html

Peter Nowak