Der Widerstand wohnt jetzt im Ostflügel

BESETZT Das New Yorck – Kreuzbergs letzte erfolgreiche Besetzung – feiert 10-Jähriges. Eine Ausstellung im Bethanien erinnert an die wechselvolle Geschichte des Hausprojekts und dokumentiert zugleich dessen aktuelle Kämpfe für eine gerechtere Stadt

„Kinderpoliklinik ins Bethanien“ lautete eine Kampagne der maoistischen Westberliner KPD in den frühen 1970er Jahren. Die längst vergessenen Aufrufe und Zeitungsausschnitte sind in einer Ausstellung dokumentiert, die zum zehnten Jubiläum der Besetzung des „New Yorck“ im Ostflügel des Bethanien zu sehen ist. Schwerpunkt der Ausstellung ist natürlich die 10-jährige Geschichte des „New Yorck“: Am 11. Juni 2005 besetzten linke Aktivisten zwei leer stehende Etagen im linken Seitenflügel des Bethanien-Krankenhauses – während eine Menschenmenge am Mariannenplatz ein Straßenfest feierte. Eine Räumung innerhalb von 24 Stunden, wie es die Berliner Linie bei Hausbesetzungen vorsieht, war für die Polizei aus Kapazitätsgründen nicht möglich.

Mitbesetzerin Gerlinde Wagner nennt aber noch einen anderen Grund. Viele der BesetzerInnen hatten vorher im linken Hausprojekt Yorckstraße 59 gewohnt, das am 5. Juni 2005 mit einem massiven Polizeiaufgebot und unter großen Protesten geräumt worden war. „Mit dem Namen ,New Yorck‘ machten wir deutlich, dass wir uns selber ein Ersatzobjekt besorgt haben, das wir vorher vergeblich gefordert hatten“, so Wagner.

Die Besetzung des „New Yorck“ fand viel Sympathie – vor allem in Kreuzberg. UnterstützerInnen gründeten die Initiative Zukunft Bethanien (IZB), die ein Bürgerbegehren zur Legalisierung des „New Yorck“ einleitete und die erforderlichen Unterschriften in kurzer Zeit sammelte. Bevor das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg schließlich den Großteil der Forderungen erfüllte, gab es immer wieder Räumungsdrohungen, wie die Ausstellung zeigt.

Doch auch nach der Legalisierung spielte das „New Yorck“ eine wichtige Rolle bei der Entstehung der neuen MieterInnen- und „Recht-auf-Stadt“-Bewegungen in Berlin. Zahlreiche Plakate und Flyer der Kampagne „Mediaspree versenken“, der Initiative „100 Prozent Tempelhof“ und verschiedener MieterInnenaktionen sind dort dokumentiert. „Die erfolgreiche Besetzung des ,New Yorck‘ hat vielen Menschen Mut gemacht“, resümiert Gerlinde Wagner.

In den nächsten Tagen wird es im Rahmen des Jubiläums zahlreiche Veranstaltungen, Filme und Partys geben. Los geht es heute um 21 Uhr mit einem kleinen Streifzug durch die Berliner Hausbesetzungen zwischen 1970 und 2015 mit Berichten von Beteiligten, Kurzclips und Videos.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F06%2F08%2Fa0125&cHash=5db724ccefffeab4fe6990e9d0204e1b

Peter Nowak

Programm unter newyorck.net


Zehn Jahre »New Yorck«

Linkes Hausprojekt feiert Jubiläum: 2005 wurde der Ostflügel des Bethanien besetzt

Das einstige Bethanienkrankenhaus am Kreuzberger Mariannenplatz wurde zweimal besetzt. Heute ist es ein wichtiger Treffpunkt der linken Szene.

Kommst Du nachher noch ins New Yorck? Diese Frage hört man im linken Kreuzberger Milieu häufig. Schließlich handelt es sich beim New Yorck um den Ostflügel des Bethanien, der vor zehn Jahren besetzt wurde und zu einem wichtigen Treffpunkt der außerparlamentarischen Linken Berlins wurde.

Zur Feier des Jubiläums gibt es in den nächsten Tagen im New Yorck zahlreiche Diskussionsveranstaltungen, Partys und Konzerte. Am 8. Juni wird es ab 21 Uhr einen Streifzug durch die Berliner Hausbesetzungen zwischen 1970 und 2015 geben, mit Berichten von Beteiligten, Kurzclips und Videos. Dabei spielt das ehemalige Bethanienkrankenhaus am Mariannenplatz eine zentrale Rolle. 1970 wurde es stillgelegt und sollte abgerissen werden, was von neu gegründeten Bürgerinitiativen verhindert wurde. 1971 wurde das Gebäude besetzt, die Band »Ton Steine Scherben« machte die Aktion und den Polizeieinsatz mit ihren Songs berühmt. 1973 beschloss der Senat, im Hauptgebäude ein Künstlerhaus zu errichten.

Am 11. Juni 2005 wurde der Ostflügel des Gebäudes besetzt, aus dem einige Monate vorher das Sozialamt von Friedrichshain-Kreuzberg ausgezogen war. Ein Großteil der Besetzer war fünf Tage zuvor durch ein massives Polizeiaufgebot aus dem linken Hausprojekt Yorckstraße 59 geräumt worden. Der Eigentümer wollte die Räume teuer verkaufen. Im Bethanien gründeten die Vertriebenen ihr New Yorck.

Die Räumung war von einer Blockade und Protesten in der ganzen Stadt begleitet. Der Einzug ins Bethanien war der Höhepunkt. Die neuen Bewohner betrachteten das Gebäude als Ersatzobjekt für die geräumte Yorckstraße. Eigentlich hätte es die Besetzung gar nicht geben dürfen. Schließlich wird nach der Berliner Linie jede Besetzung innerhalb von 24 Stunden geräumt. Doch die angeheizte Stimmung nach der Räumung und die große Menschenmenge, die sich wegen eines Straßenfestes vor dem Bethanien aufhielt, ließen die Polizei von einer Räumung absehen.

Die Besetzer hatten vor allem in Kreuzberg viele Unterstützer. Dazu gehörten auch Abgeordnete der Grünen und der heutigen Linkspartei in Kreuzberg. Es gründet sich eine Initiative Zukunft Bethanien (IZB), die ein Bürgerbegehren für die Legalisierung des New Yorck einleitete und viel Zustimmung erfuhr. Im September 2006 erfüllte das Bezirksamt die wichtigsten Forderungen des Bürgerbegehrens. Seitdem ist das New Yorck ein wichtiger Teil der Infrastruktur der außerparlamentarischen Linken.

Eine Ausstellung, die zum zehnjährigen Jubiläum in den Fluren der Veranstaltungsetage zu sehen ist, macht deutlich, welch wichtige Rolle das New Yorck bei verschiedenen Kampagnen der Mieter- und Recht-auf-Stadt-Bewegung Berlins in den letzten Jahren spielte. Die Kampagne »MediaSpree versenken« hat sich in den Räumen zur Vorbereitung ihres erfolgreichen Bürgerbegehrens ebenso getroffen wie die Initiative »100 Prozent Tempelhof«. Später wurden Aktionen der Mieterbewegung in den Räumen vorbereitet. »Die erfolgreiche Besetzung und die große Unterstützung der IZB haben Mut gemacht«, so eine Besetzerin der ersten Stunde.

Die Termine zum New-Yorck-Jubiläum unter newyorck.net/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/973670.zehn-jahre-new-yorck.html

Peter Nowak