Die Tragödie der Freiheit


Der »telegraph« zeigt einen exemplarischen Umgang mit linken Kontroversen

War es eine spanische Revolution oder ein spanischer Bürgerkrieg? Allein die Bezeichnung spaltet auch noch 80 Jahre später die Linke. Einigkeit besteht nur über die schlichte Erkenntnis, dass die Ereignisse auf der iberischen Halbinsel zwischen 1936 und 1939 weltweite Auswirkungen hatten.

Wie wir alle wissen beteiligten sich Linke unterschiedlicher Couleur in Spanien am Kampf gegen die rechten Putschisten. Die vielen Freiwilligen wollten damit auch den Vormarsch der Nationalsozialisten und Faschisten auf dem Kontinent stoppen, die hinter den spanischen Putschisten standen und sie großzügig förderten.

Doch während Kommunisten und Teile der Sozialisten die bürgerliche Republik erhalten wollten, stritten Anarchisten und Teile der Sozialisten für die soziale Revolution. Die Differenzen wurden auch blutig ausgetragen und spalten die Linke bis heute.

Jetzt macht die Redaktion der Zeitung »telegraph« in einem Sonderheft auf knapp 200 Seiten deutlich, dass man nach 80 Jahren allen an den Kämpfen gegen den Franco-Faschismus Beteiligte würdigen kann, ohne beliebig zu werden. Schon der zwiespältige Titel »Tragödie der Freiheit – Revolution und Krieg in Spanien (1936-1939)« deutet auf die unterschiedlichen im Heft dargestellten Perspektiven der an der Auseinandersetzung beteiligten hin.

In einem Text wird auf die repressive Politik der Komintern gegen andere Linke eingegangen. So beschreibt Werner Abel ein »trauriges Kapitel« in der Geschichte der Komintern, die mit Schwarzen Listen Jagd auf linke Kritiker der stalinistischen Politik machte. Es werden Originaldokumente gezeigt.

Am Beispiel des Sozialdemokraten Robert Stemmann zeigt Abel, wie Linke, die nicht auf der Linie der Sowjetunion lagen, schikaniert wurden. Stemmann wurde kurz nach dem Eintreffen in Spanien verhaftet. Es wird dokumentiert, wie er vergeblich seine Freilassung forderte und wenigstens wissen wollte, was gegen ihn vorlag. Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war, wird einer der Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt.

Doch auch mit der anarchistischen Seite gehen die Autoren des Sonderbandes kritisch ins Gericht. So werden inneranarchistische Stimmen zitiert, die von einem Bankrott der eigenen Politik sprachen. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie in der kurzen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung, viele ihrer ursprünglichen Grundsätze über Bord geworfen hätten. Mit einem Kapitel über die Beteiligung von Jüdinnen und Juden am Kampf gegen den Faschismus auf spanischen Boden wird auch ein bisher in der Forschung wenig beachtetes Thema angesprochen.

Die von linken DDR-Oppositionellen gegründete Zeitschrift »telegraph« macht mit diesem Heft exemplarisch deutlich, wie ein Umgang mit linken Geschichtskontroversen auch aussehen kann. Es werden klare Positionen bezogen, ohne den am Kampf Beteiligten abzusprechen, dass sie subjektiv Teil des weltweiten Kampfes gegen Faschismus waren.


telegraph, Sondernummer 2017: Tragödie der Freiheit. Revolution und Krieg in Spanien (1936-1939). Fragmente. 199 S., 12 Euro

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1057067.die-tragoedie-der-freiheit.html

Peter Nowak

Dazu ein Leserbrief in ND auf Freitag-Online:

https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/tragoedie-der-spaltung#1500476331310850

Dr. Werner Abel hat sich dazu jüngst geäußert. Er ist, wie auch ich Mitglied im Verein Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 – 1939″ (KFSR).

Da unser gemeinsamer Leserbrief an das nd, dessen Autor so wie Sie, auch von der von Ihnen bemühten Legende um Mileke ausgeht, gestetten Sie mir, dass ich den Leserbrief hier als unsere Meinungsäußerung ausnahmsweise veröffentliche: Kein »Apparatemann«

Zu »Die Tragödie der Freiheit«, 12.7., S.18

Im Beitrag heißt es: »Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war, wird einer der Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt.«

Mielke war kein Mann aus dem Komintern-Apparat und hatte weder die Funktion noch die Möglichkeit, sich an der Verfolgung Andersdenkender zu beteiligen. Ein »Apparatemann« der Komintern war Erich Mielke nicht, wenn er auch über die Komintern nach Spanien geschickt wurde. Aber das wurden Hunderte Emigranten, die in der Sowjetunion gelebt hatten, auch. Der größte Teil derer, die sich auf der »Liste der Mexikaner« befinden – »Mexiko« war die Tarnbezeichnung für die Sowjetunion, also wurden die, die von dort kamen, als »Mexikaner« bezeichnet – hatte weder mit Geheim- noch mit Nachrichtendiensten etwas zu tun. Überdies: Wäre Mielke ein Mann sowjetischer Dienste gewesen, dann hätte man ihn nach dem Spanienkrieg in die Sowjetunion geholt. So aber landete er in einem französischen Internierungslager, das er nur durch von Alfred Krumme (»Fritz Schiller«) gefälschte Papiere verlassen konnte.

Alle die immer wieder auftauchenden Vorwürfe, er habe an der Verfolgung und Ermordung von Interbrigadisten, kritischen Kommunisten und Andersdenkenden teilgenommen, lassen sich nach der Öffnung der Akten nicht aufrechterhalten. In den Akten der Internationalen Brigaden, die nahezu vollständig überliefert sind, gibt es nicht ein Blatt, das von irgendeiner repressiven Maßnahme berichtet, an der Mielke beteiligt gewesen wäre. Mielke gehörte keinem Geheimdienst und keiner Geheimpolizei in Spanien an. Selbst der in Spanien wirkenden geheimen KPD-Abwehr gehörte er nicht an. Für die ihm vorgeworfenen Verbrechen hat er weder die Funktion noch die Möglichkeiten gehabt. Mielke war auf Grund seiner Dienststellung und seiner militärischen Funktionen überhaupt nicht in der Lage, an irgendeiner »Säuberung« oder einer Erschießung teilzunehmen.

Soweit das die Akten belegen, kann wohl definitiv festgestellt werden, dass im Spanischen Krieg 1936 bis 1939 von den deutschen Interbrigadisten zwei standrechtlich erschossen worden sind: Einer, weil er einen Befehl nicht ausgeführt und damit Kameraden in Gefahr gebracht hatte. Ein anderer, weil er dagegen opponierte, dass das durch den Kriegsminister Prieto erlassene Verbot parteipolitischer Betätigung vor allem durch die KPD-Organisation in den Brigaden unterlaufen wurde. In der Endkonsequenz lief das, folgt man der Urteilsbegründung, auf Untergrabung der Kampfmoral hinaus. Damit aber hatte Mielke absolut nichts zu tun, er gehörte weder dem Servicio de Control, noch dem SIM (Servicio de Investigación Militar) der Internationalen Brigaden, noch der Juristischen Kommission der Brigaden an.

Er war Operationsoffizier im Stab verschiedener Brigaden und der 27. Division, die längste Zeit aber Verantwortlicher für die Ausbildungslager der Internationalen Brigaden rings um Albacete, wo sich die Base der Brigaden befand. In Albacete war Mielke Adjutant des Chefs der Ausbildung, also mehr mit operativen Aufgaben beschäftigt, nicht aber mit Verhören. Da er für die Belegung der Ausbildungslager verantwortlich war, wird er sich schon die Personallisten intensiver angeschaut und den einen oder anderen auch befragt haben. Mit Geheimdiensttätigkeit hatte das nichts zu tun. Für diese gibt es keine Belege. Dass er bestimmte Leute, die ihn über den Weg liefen, wie Walter Janka, kritisch befragte, ist möglich, war aber nicht seine Aufgabe gewesen.

Ausführlich wird auf diese Thematik auch eingegangen im Beitrag Werner Abels »Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien« (www.kfsr.info)

Dr. Werner Abel, Oberschöna