Berlin – offen für Kapitalinteressen

Bei einer Diskussion mit Politiker/innen trat die Lobby des Plattformkapitalismus sehr offen auf

„Join our Community“ und „Let´s Work Together“ lauten die Slogans auf der Homepage des Beta-Hauses am Moritzplatz in Kreuzberg. Es ist eine der Zentren des Plattformkapitalismus in Berlin. Am Parkplatz stehen Autos mit dem Kürzel Uber, einem Startup, das weltweit dafür kämpft, dass Privatleute zu Chaffeur/innen werden und damit die Arbeitsbedingungen des Taxigewerbes und der Transportbranche verschlechtert. Auch Airbnb ist ein wichtiger Akteur des Plattformkapitalismus. In Berlin wurden in der Vergangenheit ganze Häuserblöcke, beispielsweise in der Wilhelmstraße in Mitte, durch Ferienwohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen. Das Wohnraumentfremdungsgesetz soll hier Grenzen setzen. Dagegen laufen Wohnungsvermieter/innen Sturm und waren teilweise vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich. In einem Urteil vom September 2017 gestattete es die Vermietung privater Wohnungen an Tourist/innen für 182 Tage. Eine geplante Neufassung der Zweckentfremdungsabgabe durch den Berliner Senat sieht hingegen vor, dass die kurzfristige Vermietung der kompletten Wohnung für 60 Tage möglich sein soll. Allerdings wird dafür eine Registriernummer benötigt, die von den Bezirksämtern vergeben werden soll. Sebastian Olényi vom Homesharing Club Berlin sieht in der geplanten Novelle einen Schritt in die richtige Richtung. Doch die 60-Tage-Regelung und die Registriernummer stoßen weiterhin auf Kritik beim Interessenverband der Homesharer/innen.

Gegen jegliche Regulation am Wohnungsmarkt
Am vergangenen Dienstag lud Sebastian Olényi Politiker/innen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus zur Diskussion über die geplante Gesetzesänderung ins Betahaus. Nicht verwunderlich war, dass die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter jede Regulierung als bürokratische Gängelung ablehnte, die in einer offenen Stadt wie Berlin nichts zu suchen habe. Von einem Teil des Publikums, in der großen Mehrheit Home-Sharer/innen und ihre Unterstützer/innen, kam Applaus. Sehr bedeckt hielt sich der wohnungspoltische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Christian Gräff. Schließlich hat eine CDU-SPD-Koalition das Gesetz verabschiedet, das nun überarbeitet werden soll. Da die SPD-Vertreterin verhindert war, verteidigten die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen Katrin Schmidberger und ihre Kollegin von der LINKEN Katalin Gennburg die Pläne des Berliner Senats. Beide Politikerinnen betonten, dass die private Vermietung von Wohnraum reguliert werden müsse und verwiesen auf die vielen Mieter/innen, die vergeblich eine Wohnung suchen. Gennburg stellte gegenüber MieterEcho online klar, dass für sie Wohnraum keine Ware sein dürfte und sie es deshalb ablehne, sich vor den Karren von Menschen spannen zu lassen, die Profit mit ihrer Wohnung machen wollen. Menschen, die ihre Wohnung für eine kurze Zeit vermieten, können Untermietverträge abschließen. Sie würden daher gar nicht unter das Wohnraumentfremdungsgesetz fallen. Ihre Ausführungen sorgten für Unmut bei einem Teil der Anwesenden. In der vordersten Reihe senkte ein Zuhörer den Daumen bei den Ausführungen von Schmidberger und Gennburg. Als er in einen Zwischenruf die Versuche der Bezirksverwaltungen, zweckentfremdeten Wohnraum zu ermitteln, als Stasimethoden bezeichnete, gab es auf dem Podium und bei einen Teil des Publikums vernehmlichen Widerspruch. Mehrere Homesharer/innen bezogen sich in der Debatte auf die FDP-Vertreterin und sahen den Charakter von Berlin als offene Stadt in Gefahr, wenn sie Wohnungen nicht mehr zu ihren Konditionen vermieten können. Da wurde deutlich, dass sie die Offenheit für unbegrenzte Verwertungsinteressen meinen, wenn sie das Bild von der offenen Stadt Berlin strapazieren.

Leitbild flexibler Mittelstand
Auf den Einwand von Schmidberger und Gennburg, dass einkommensschwache Menschen einen weit größeren Behördenaufwand über sich ergehen lassen müssen, nur um an Leistungen für ihren Lebensunterhalt zu bekommen, ging aus dem Publikum niemand ein. Dass ein Großteil der Anwesenden mit dieser Lebensrealität wenig zu tun hat, wurde in verschiedenen Beiträgen deutlich. Da wurde gegen die 60-Tage-Regelung bei der Wohnungsvermietung eingewandt, dass solche Fristen den heutigen Realitäten in der Arbeitswelt widersprächen. Da würden sich viele Menschen mehrere Monate oder Jahre aus beruflichen Gründen an unterschiedlichen Orten aufhalten. Sie müssten die Möglichkeit haben, ihre Wohnungen unbegrenzt zu vermieten. Dass es sich hierbei um die Interessen eines kleinen Teils des neuen Mittelstands handelt, sprachen Gennburg und Schmidberger an. „Wenn mich jemand anschreit, der verzweifelt eine Wohnung sucht, aber nicht findet, kann ich das verstehen. Bei ihnen aber nicht,“ wies Schmidberger einen besonders aufgeregten Teilnehmer zurecht, der mit lauten Zwischenrufen hervorgetreten war. Auf der Veranstaltung gab es auch andere Töne. So erklärte Christoph Meltzer, dass er seit Jahren in seinem Wohnzimmer Gäste gegen ein Entgelt auf der Luftmatratze übernachten lässt. Er finde es aber völlig in Ordnung, dass mit einer Regulierung verhindern wird, dass ganze Häuserzeilen zu Ferienwohnungen umgewandelt werden. Er gehörte allerdings zu den wenigen Homesharer/innen, die sich so klar von den Interessen der Plattformkapitalist/innen abgrenzten.

MieterEcho online 19.01.2018

https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/berlin-offen-fuer-kapitalinteressen.html
Peter Nowak

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FDP sieht als bürokratische Gängelung, was für die anderen notwendige Regulierung ist: Abgeordnete diskutieren das Homesharing

Das Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz sorgt seit Langem für Diskussionen. Wie aufgeladen die Debatte teilweise geführt wird, zeigte sich auch am Dienstagabend im Betahaus am Moritzplatz. Der Berliner Homesharing Club hatte Mitglieder des Abgeordnetenhauses zur Diskussion über die Neufassung des Gesetzes eingeladen.
Danach soll die kurzfristige Vermietung der kompletten Wohnung für 60 Tage im Jahr möglich sein. Allerdings wird dafür eine Registriernummer benötigt, die von den Bezirksämtern vergeben werden soll. Wer länger als 60 Tage untervermieten will, braucht weiterhin eine Genehmigung. Sebastian Olényi vom Homesharing Club Berlin, der den Abend moderierte, nannte das Gesetz einen Schritt in die richtige Richtung. Weiterhin in der Kritik stünden allerdings die 60-Tage-Regelung und die Notwendigkeit einer Registriernummer. Beides lehnte auch die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter als bürokratische Gängelung ab, die in einer offenen Stadt wie Berlin nichts zu suchen habe. Sehr bedeckt hielt sich der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gräff. Schließlich hatte damals noch eine CDU- SPD-Koalition das Gesetz verabschiedet, das nun überarbeitet werden soll. Da die SPD-Vertreterin kurzzeitig verhindert war, verteidigten die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, und ihre Kollegin Katalin Gennburg (Linke) die Pläne des Berliner Senats. Beide betonten, dass die private Vermietung von Wohnraum reguliert werden müsse, und verwiesen auf die vielen MieterInnen, die vergeblich eine Wohnung suchen. Gennburg stellte klar, dass Wohnraum keine Ware sein dürfe und sie sich deshalb auch nicht vor den Karren von Menschen spannen lasse, die mit ihrer Wohnung Profit machen. Wer seine Wohnung für kurze Zeit vermieten wolle, könne einen Untermietvertrag abschließen. Die Wohnung würde dann gar nicht unter das Zweckentfremdungsgesetz fallen. Als im Publikum von Stasimethoden gegenüber HomesharerInnen gesprochen wurde, gab es im Publikum und am Podium Widerspruch. Dort hörte man auch versöhnliche Töne. Für einen Studenten, der wegen Vermietung seiner Wohnung Strafe zahlen soll, ohne Anhörung vom Bezirk, will sich Schmidberger persönlich einsetzen.

aus: Taz, vom 18.1.2018

Peter Nowak