DER KAMPF DER JASIC-ARBEITER*INNEN IM CHINESISCHEN SHENZEN

Arbeiter*innen der Shenzener Schweißgerätefabrik Jasic wehren sich gegen Gängelung und wollen eine Gewerkschaft gründen. Als der Staat zurückschlägt, entwickelt sich eine übergreifende Solidaritätsbewegung in China und darüber hinaus.

„Eine Gewerkschaft zu gründen ist kein Verbrechen. Unterstützt die Jasic-Arbeiter*innen von Shenzen“, ruft Shen Mengyu mit lauter Stimme. Um sie stehen Polizist*innen. Einige Männer und Frauen, die der Frau zuhören, applaudieren und am Ende singen sie eine Strophe der Internationale. Das Videos dieser Szenen verbreitete sich schnell über die sozialen Medien und die junge Frau mit der Brille und den langen schwarzen Haaren wurde zum Beispiel einer jungen Generation in China, die sich auch von Polizei und anderen Repressionsorganen des staatskapitalistischen Regimes nicht mehr einschüchtern lässt. Doch die Repressionsorgane haben mal wieder gezeigt, wie sie mit selbstorganisierten Arbeiter*innenprotesten umgehen. Am 11. August 2018 wurde Shen Mengyu von zwei Männern in Zivil in ein Auto gezerrt und ist seitdem verschwunden. Zunächst behauptete die Polizei, sie sei von ihrer Familie entführt worden. Die Version ließ sich nicht mehr aufrecht erhalten, als bekannt wurde, dass die Frau von der Polizei festgehalten werde. Wenige Tage später wurde ein weiterer Unterstützer der Jasic-Arbeiter*innen entführt. Er konnte allerdings nach wenigen Tagen entkommen und ist nach Shenzen zurückgekehrt.

CHINESISCHE STAATSGEWERKSCHAFT GEGEN SELBSTORGANISIERTE ARBEITER*INNENPROTESTE

In der Shenzener Schweißgerätefabrik Jasic wehrten sich Arbeiter*innen gegen ein Strafsystem, das selbst nach chinesischem Recht illegal ist. Beschäftigte bekamen Lohnabzüge, wenn sie zu spät kamen, wenn sie Essen in die Fabrik mitbrachten, wenn sie mit ihren Kolleg*innen sprachen oder wenn ihre Betriebsuniform nicht vollständig war. Gegen diesen Kasernenhofmethoden in der Fabrik wehrten sich die Beschäftigten und wollten eine Gewerkschaft gründen. Dabei beachteten sie genau die gesetzlichen Grundlagen für eine Gewerkschaftsgründung in China. Dort sind Gewerkschaften nur legal, wenn sie Teil des Allchinesische Gewerkschaftsverbands (AFCTU) sind. Der Vizepräsident der Staatsgewerkschaft AFCTU von Shenzen war mit der Gewerkschaftsgründung zunächst einverstanden. Doch die Jasic-Manager*innen waren von Anfang an dagegen und machten deutlich, dass sie eine Gewerkschaft keinesfalls zulassen wollen. Mehrere von ihnen sind auch in der Provinzregierung aktiv und nutzten ihren Einfluss. Plötzlich distanzierte sich auch der staatsnahe AFTCTU von der Gewerkschaftgründung und organisierte später bei Jasic eine gelbe Gewerkschaft. So konnte das Regime behaupten, dass es ja eine Gewerkschaft gebe. Derweil entließ man im Juli 2018 mehrere der Gewerkschaftsgründer*innen. Doch diese ließen sich von dieser chinesischen Form des Union-Busting nicht einschüchtern. Sie kamen jeden Tag zur Fabrik, um ihre Arbeit anzubieten, wurden aber vom Sicherheitsdienst nicht eingelassen. Am 27. Juli 2018 wurden schließlich siebenunzwanzig Arbeiter*innen, ihre Familien und Unterstützer*innen, wegen Unruhestiftung verhaftet. Vierzehn von ihnen befinden sich noch immer im Gefängnis.

AUSSERBETRIEBLICHE SOLIDARITÄT STÄRKTE ARBEITER*INNEN DEN RÜCKEN

Doch die Repression mobilisierte Studierende in ganz China. Kommiliton*innen von sechzehn Universitäten setzten ihre Namen unter einen Solidaritätsappell mit den Jasic-Anbieter*innen. Hunderte Studierende kamen nach Shenzen, um die Beschäftigten vor Ort zu unterstützen. Auf öffentlichen Plätzen und in Parks informierten sie über deren Kampf, kritisierten die Repression und riefen zur Solidarität auf. Die Kurzkundgebungen wurden meistens mit dem Absingen der Internationale beendet. Die Unterstützung wuchs. Selbst einige ältere Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas beteiligten sich an den Protesten. Für sie steht der aktuelle Turbokapitalismus Chinas im Widerspruch zu den maoistischen Idealen. Doch Shen Mengyu wurde zum Gesicht der Proteste. Sie hat Mathematik und Ingenieurwissenschaften studiert und war bereits wegen Gründung eines Arbeiter*innenkomitees in einer anderen Stadt entlassen worden. Ihre Entführung konnte den Protest nicht beenden. Weiterhin harrten hunderte Studierende in Shenzen aus. Sie kündigten an, die Stadt nicht zu verlassen, bis alle Arbeiter*innen und Unterstützer*innen freigelassen sind. Doch Ende August wurden sie von der Polizei verhaftet. Sie werden festgehalten, bearbeitet, in ihre Heimatorte deportiert, zwangsweise in ihre Heimatorte deportiert. Man will Friedhofsruhe in Shenzen schaffen und verhindern, dass die Arbeiter*innen in anderen Fabriken auf die Idee kommen, autonome Gewerkschaften zu gründen.

INTERNATIONALE SOLIDARITÄT MIT DEN JASIC-ARBEITER*INNEN

Lange Zeit war außerhalb von Shenzen nichts von dem Kampf der Jasic-Arbeiter*innen bekannt. Es war unabhängigen Solidaritätsstrukturen zu verdanken, dass sich das änderte. Im deutschsprachigen Raum hat Bärbel Schönafinger von der Plattform labournet.tv viel dazu beigetragen. Die von ihr mit deutschen Untertiteln versehenen Videos sorgten für Solidarität in verschiedenen Städten.

Mittlerweile hat auch die internationale Solidarität begonnen. Auf dessen Webseite stellt Labournet.de einen Musterbrief an die chinesische Botschaft bereit, in dem Gewerkschafter*innen die Freilassung aller im Jasic-Konflikt Verhafteten fordern:

Wir, als Aktive in Gewerkschaften und linken Organisationen in der BRD, können darin nichts, aber auch gar nichts Unrechtes sehen – über ihre Organisation und ihre Vertretung müssen Kolleginnen und Kollegen weltweit, unabhängig vom gesellschaftlichen System, das Recht haben, selbst zu entscheiden

In Berlin haben sich an einer Protest- und Solidaritätskundgebung vor der chinesischen Botschaft am 29. August 2018 auch FAU-Kolleg*innen beteiligt. Am 30. August 2018 informierten sich einige Kolleg*innen auf einer Informationsveranstaltung im Berliner FAU-Lokal. Es ist wichtig, dass die Solidarität mit den Jasic-Arbeiter*innen und ihren Unterstützer*innen jetzt nicht nachlässt. Das Kalkül der Manager und ihres Staates darf nicht aufgehen. Alle Verhafteten müssen freigelassen, die Kriminalisierung beendet werden. Denn die Gründung einer Gewerkschaft ist kein Verbrechen.

MEHR INFOS

https://www.scmp.com/…/chinese-maoists-join-students-fight-…
https://www.reuters.com/…/chinas-student-activists-cast-

Dozens Arrested After Worker Protests In Shenzhen


https://de.labournet.tv/jasic-arbeiterinnen-kaempfen-fuer-eine-echte-gewerkschaft

aus Direkte Aktion, 2. September 2018

Peter Nowak

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Solidaritätserklärung der FAU-Berlin

Der Kampf der Jasic-Arbeiter*innen im chinesischen Shenzen

Solidarität mit den chinesischen Jasic-Arbeiter*innen und ihren
Unterstützer*innen!
Der Kampf der Jasic-Arbeiter*innen im chinesischen Shenzen
Im Zusammenhang mit dem Versuch von Arbeiter*innen, in der Schweißgerätefabrik Jasic im chinesischen Shenzen eine Gewerkschaft aufzubauen, hat sich eine sehr zugespitzte Situation von Repression und eine ungewöhnliche Solidaritätsbewegung für die kämpfenden Arbeiter*innen entwickelt.

Im Juli waren sieben Arbeiter entlassen worden, weil sie versucht hatten, eine Gewerkschaft aufzubauen. Die Proteste gegen die Entlassungen gingen den ganzen Monat über weiter und am 27. Juli wurden schließlich 29 Arbeiter*innen, Familienangehörige und Unterstützer*innen mit viel körperlicher Gewalt festgenommen und abgeführt.

Von den 29 Festgenommenen wurden 15 am 12. August entlassen. Sie
berichten, dass sie während ihrer Haft misshandelt und bedroht wurden.
Der Kampf um die Freilassung der verbleibenden Kolleg*innen geht weiter,
ebenso wie der Kampf der Arbeiter*innen für eine echte und repräsentative Gewerkschaft.

Seit diesen Verhaftungen haben Gruppen von mutigen Protestierenden vor der Polizeistation die Freilassung ihrer Kolleg*innen verlangt. Tausende Universitätsstudent*innen haben einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie sich mit den Jasic Arbeiter*innen solidarisieren.

Die Repression hat schließlich staatsterroristische Züge angenommen, als am 11. August 2018 die Aktivistin Shen Mengyu entführt wurde. Mittlerweile wurden auch ca. 50 studentische Unterstützer*innen in Shenzen festgenommen, die meisten wurden in ihre Heimatorte deportiert. Auch in Peking wurden Unterstützer*innen der Jasic-Arbeiter*innen verhaftet.

Am 29. August berichteten Kolleg*innen von labournet.tv über den Kampf der Jasic-Arbeiter*innen, die Solidaritätsbewegung und die Staatsrepression.

Wir fordern die Freilassung aller im Zusammenhang mit dem Kampf der Jasic-Arbeiter*innen Verhafteten, die Einstellung aller repressiven Maßnahmen gegen sie und solidarisieren uns mit dem ihrem Kampf für eine Gewerkschaft, in der sie ihre Interessen vertreten kann.

Eine Gewerkschaftsgründung ist kein Verbrechen!

Hoch die transnationale Solidarität des Proletariats!

Mehr Infos:
https://www.reuters.com/article/us-china-labour-protests-insight/chinas-student-activists-cast-rare-light-on-brewing-labor-unrest-idUSKBN1L0060

Dozens Arrested After Worker Protests In Shenzhen


labournet.tv hat vor ein paar Tagen ein Videos mit deutschen Untertiteln
dazu veröffentlicht: https://de.labournet.tv/videos/jasic

https://berlin.fau.org/news/der-kampf-der-jasic-arbeiter-innen-im-chinesischen-shenzen