Moscheen gehören zu Hamburg

Hamburg unterzeichnete ersten Staatsvertrag mit Vertretern von Moslems und Aleviten

„Wir nehmen darin die Anwesenheit des Islam und des Alevitentums als in unserer Gesellschaft gelebte Religionen bewusst wahr. Wir bestätigen die Rechte, die den muslimischen und alevitischen Bürgerinnen und Bürgern zustehen, wozu die Unterhaltung von Kultureinrichtungen der Bau von Moscheen, die Anstaltsseelsorge und auch Bestattungen nach islamischem bzw. alevitischem Ritus gehören“, erklärte der Regierende Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz heute im Rathaus der Hansestadt.

Gerade hatte er einen Vertrag mit islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften unterzeichnet und damit bundesdeutsche Geschichte geschrieben. Hamburg ist das erste Bundesland, das eine solche Vereinbarung unterzeichnet hat. Neben der alevitischen Gemeinde gehört die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, der Schura Hamburg und der Verband der Islamischen Kulturzentren zu den Vertragspartnern.

Den Verträgen zufolge sollen die islamischen Feiertage den christlichen gleichgestellt werden. Lohnabhängige dürfen sich an diesen Tagen freinehmen, müssen die Zeit allerdings nacharbeiten. Muslimische Schüler brauchen an ihren Feiertagen nicht in die Schule zu kommen. Auch der Religionsunterricht an staatlichen Schulen wird durch den Vertrag geregelt. Die evangelische Kirche soll sich die Verantwortung für diese Stunden künftig gleichberechtigt mit den muslimischen Gemeinden teilen. Auch Muslime dürfen das Fach dann unterrichten, wenn sie das zweite Staatsexamen besitzen. Die Verbände bekennen sich zur Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen.

Niederlage für die säkulare Gesellschaft?

An großen Worten fehlte es während der Vertragsunterzeichnung nicht. Scholz würdigte die Unterzeichnung als „Meilenstein“ und als Zeichen des Respekts gegenüber den Muslimen. Der Hamburger DITIB-Vorstandchef Zekeriya Altug sprach von „einem historischen Tag für Hamburg, aber auch für Deutschland“ und drückte die Hoffnung aus, dass auch andere Bundesländer solche Verträge abschließen.

Angesichts der Anschläge gegen Moscheen auch in Hamburg kann man das Pathos verstehen. Allerdings stellt sich auch die Frage, warum wegen dieser Angriffe nicht etwa die Individualrechte, sondern die Religionsgemeinschaften gestärkt werden müssen. Kritik an dem Vertrag kommt denn auch von der Hamburger FDP-Fraktion. Nach Ansicht der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Anna von Treuenfels handelt es sich um einem „unnötigen und unpräzisen Staatsvertrag, inakzeptabel an der Bürgerschaft vorbei ausgehandelt“.

Die Vereinbarungen seien „vielfach so unpräzise, dass sie zu unterschiedlicher Auslegung oder zu juristischen Auseinandersetzungen geradezu einladen“, monierte die liberale Politikerin gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Als Ausweis eines Bekenntnisses zu einer säkularen Gesellschaft kann eine solche Kritik allerdings nur dann gelten, wenn sie auch gegen die bestehenden Privilegien der christlichen Mehrheitsreligionen vorgebracht wird, wie es beispielsweise die strikt einer säkularen Gesellschaft verpflichtete Aktion 3.Welt Saar praktiziert.
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Peter Nowak
Peter Nowak