Heute hat eine EU-weite Kontrolle von Menschen ohne Papiere begonnen
In verschiedenen Bahnhöfen sind in diesen Tagen Plakate zu finden. Dort werden Menschen ohne gültige Dokumente aufgefordert, derzeit besonders vorsichtig zu sein und Bahnen, Autobahnen und Flughäfen möglichst zu meiden. Denn am 13.Otkober ist eine EU-weite Polizeiaktion gegen Migranten angelaufen.
Geplant ist sie schon länger [1] unter Federführung von Italien, das den EU-Vorsitz innehält. Beteiligt sind rund 25 EU-Mitgliedstaaten und durch das Schengen-Abkommen assoziierte Staaten. Die Bundespolizei fahndet nach eigenen Angaben vor allem nach illegal eingereisten Personen oder nach solchen, die sich widerrechtlich hier aufhalten. Besonders im Visier: grenzüberschreitende Fernstraßen, internationale Eisenbahnlinien sowie die See- und Flughäfen. In der Vergangenheit haben bereits andere EU-Länder solche „Joint Police Operations“ (gemeinsame Polizeiaktionen) durchgeführt, allerdings von geringer Dauer.
Kritik von Flüchtlingsorganisationen
Schon der Titel der Aktion „Mos Majorum“, was übersetzt „die Sitten der Vorfahren“ heißt, kann als Programm gelten. Die unbedingte Einhaltung von Gesetz und Ordnung nach dem Vorbild des römischen Reiches ist damit gemeint. Menschen ohne gültige Papiere sind in dieser Lesart Gesetzesbrecher, die zu verfolgen sind. Deshalb kritisieren Flüchtlingsorganisationen die Maßnahmen scharf. Der Flüchtlingsrat Baden Württemberg moniert [2]:
Die diesjährige Aktion unterscheidet sich besonders durch ihre Dauer von ihren Vorgängern. Während Operationen bisher nur fünf Tage andauerten, werden dieses Mal für zwei Wochen ca. 18.000 Polizisten aus mehr als 20 Mitgliedstaaten in Einsatz gehen. In vorherigen Operationen wurden allein in Deutschland um die 1.900 Menschen ohne Papiere „aufgespürt“.
Der Arbeitskreis Kritischer Juristen [3] erinnert an den aktuellen politischen Kontext – wo überall in der Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf der Flucht sind. Die meisten der Betroffenen kommen allerdings nicht nach Europa. Trotzdem wird angesichts steigender Flüchtlingszahlen hierzulande sofort nach weiteren Restriktionen gerufen. „Wir stellen uns die Frage, was denn unsere westlichen Werte, unser mos majorum eigentlich sein sollen, die es anscheint mit Waffengewalt zu verteidigen gilt“, fragen sich die angehenden Juristen.
Auf Kritik stößt auch, dass bei der Kontrollpraxis mit Methoden des Racial Profiling [4] gearbeitet wird. Die Landesvorsitzende der Grünen Thüringen, Astrid Rothe Beinlich [5], schreibt in einer Pressemitteilung zur Praxis der Kontrollen in Thüringen:
Besonders schwer wiegt, dass das sogenannte Racial Profiling eigentlich verboten ist. Diese Polizeioperation zielt jedoch einzig darauf ab, Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu kontrollieren. Dies ist eines Rechtsstaats nicht würdig.
Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Andrej Hunko sieht in der Kontrollmaßnahme auch ein Untergraben des Schengener Abkommens [6]:
Schon jetzt ist das Schengener Abkommen zur Aufhebung von Grenzkontrollen durch Polizeimaßnahmen und Datenbanken ausgehöhlt. Durch die gemeinsamen Polizeioperationen wird die viel gepriesene Freizügigkeit in der EU vollends Makulatur. Zumal die Maßnahmen in ihrem Umfang und ihrer Dauer weiter zunehmen. Vergessen wird, dass auch andere Polizeinetzwerke solche Operationen veranstalten: Auch die mehrtägigen EU-weiten Kontrollen durch Bahn- oder Flughafenpolizeien sollen irreguläre Migranten aufspüren. Kürzlich hatte die EU-Polizeiagentur Europol eine Aktion gegen Organisierte Kriminalität gestartet, bei der ebenfalls rund 10.000 Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel festgestellt wurden.
Dass auch die Grenzorganisation Frontex an den Kontrollaktionen beteiligt [7] sind, bestätigt die Kritiker, die in der Aufgabe dieser Organisation vor allem in der Verhinderung von Migration sehen. Dass diese Kontrollen in einer Zeit intensiviert und ausgedehnt werden, in der durchaus auch als Folge der westlichen Politik immer mehr Menschen aus ihrer Heimat flüchten müssen, ist auch ein Signal. Refuges sind in Europa nicht willkommen. Dass Menschen ohne Papiere in den nächsten 2 Wochen im öffentlichen Raum besonders achtsam sein müssen, erschwert ihren sowieso schon schweren Alltag.
Gewerkschaftliche Aktivitäten für Geflüchtete
Eine Willkommenskultur soll so erst gar nicht entstehen. Allerdings gibt es auch im gewerkschaftlichen Spektrum [8] jetzt eine Debatte über antirassistische Initiativen, die vom DGB fordern, es auch papierlosen Geflüchteten zu ermöglichen, Gewerkschaftsmitglieder zu werden.
Ausgelöst wurde die Debatte, nachdem der DGB-Berlin-Brandenburg Anfang Oktober eine Gruppe von Geflüchteten und ihre Unterstützer, die im DGB-Haus einige Räume besetzt hatten, polizeilich räumen [9] ließ. Seitdem reißen die Proteste aus verschiedenen gewerkschaftlichen Untergliederungen und gewerkschaftsnahen Kreisen nicht ab [10].
http://www.heise.de/tp/news/Wenn-Flucht-zum-Delikt-wird-2421260.html
Peter Nowak
Links:
[1]
http://www.heise.de/tp/artikel/42/42375/1.html
[2]
http://fluechtlingsrat-bw.de/informationen-ansicht/europaweite-polizeiaktion-mos-maiorum-im-oktober-gegen-illegale.html
[3]
http://akj-bremen.org/wp-content/uploads/2014/10/AKJ-Mos-Maiorum.pdf
[4]
http://www.heise.de/tp/artikel/37/37921/1.html
[5]
http://www.rothe-beinlich.de/
[6]
http://www.andrej-hunko.de/presse/2243-eu-polizeioperation-mos-maiorum-bundespolizei-untergraebt-schengener-abkommen
[7]
http://frontex.europa.eu/news/frontex-s-participation-in-mos-maiorum-BOeKrL
[8]
http://www.labournet.de/interventionen/asyl/antirassistische-ini/fluchtlinge-besetzen-das-berliner-dgb-haus/?cat=7776
[9]
http://berlin-brandenburg.dgb.de/presse/++co++548c56cc-494f-11e4-99f9-52540023ef1a
[10]
http://www.labournet.de/interventionen/asyl/antirassistische-ini/fluchtlinge-besetzen-das-berliner-dgb-haus/