Basis blockiert Bosse

In Italien kämpfen die Logistikarbeiter

«Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es dreitausend», erklärt Karim Facchino. Er ist Lagerarbeiter und Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. Eine Delegation italienischer Gewerkschafter aus der Logistikbranche und Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken reiste vorige Woche durch Deutschland. Die Gruppe berichtete bei Veranstaltungen in Esslingen, Köln und Berlin über Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche, die sich schon über vier Jahre hinziehen und hierzulande bisher kaum bekannt sind.

Diese Auseinandersetzungen sind auch der Grund für den rasanten Mitgliederzuwachs der S.I. Cobas, in der sich die Logistikbeschäftigten organisiert haben. «Die Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros sondern auf der Straße und vor der Fabrik», sagt Facchino.

Träger der Auseinandersetzungen beispielsweise waren schlecht bezahlte Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die aus vielen europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben worden waren. Sie sind oft nicht direkt bei den Warenhäusern sondern bei Subunternehmen angestellt. «Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht», so Facchino, der in Marokko geboren wurde.

Die Beschäftigten fordern die Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne. Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert worden sind. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Arbeitern, die von der Polizei blutig geschlagen wurden, sorgten in ganz Italien für Empörung. Dadurch wurde die Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten größer. Die Unterstützergruppen nutzten auch Filme und Videos, um den Kampf der Beschäftigten bekannt zu machen. «Damit bekamen viele Menschen, die bisher wenig von dem Arbeitskampf wussten, eine Ahnung von der Entschlossenheit der Beschäftigten, für ihre Forderungen zu kämpfen und von der Staatsgewalt, der sie ausgesetzt waren, berichte ein Mitglied der Initiative Clash City Workers. Darin haben sich außerparlamentarische Linke organisiert, die die Arbeitskämpfe unterstützen und die Verbindung zwischen den Beschäftigen, linken Gruppen und sozialen Zentren in Italien aufrecht erhalten.

Die Unterstützungsarbeit ist vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit mit Zeitungen, Videos und Filmen gehört ebenso dazu wie die Beteiligung an einer Blockade oder einen Streikposten. Aber auch die Verbindung verschiedener Bewegungen ist den Unterstützern wichtig. So wurde bei einem Streik der Müllarbeiter Kontakt zu ökologischen Gruppen hergestellt, die ein neues Recyclingkonzept entwickelt hatten. Ein Ziel der Rundreise durch Deutschland war für die Delegation auch die bessere Koordination der Arbeitskämpfe. Sie beteiligte sich auch an der Protestaktion vor einer IKEA-Filiale in Berlin.

Denn in den letzten Tagen war der Arbeitskampf des zentralen südeuropäischen IKEA-Logistikzentrums in Piacenza wieder aufgeflammt. Nachdem die Geschäftsführung 70 gewerkschaftliche Aktivisten mit Disziplinarmaßnahmen belegte und 30 Gewerkschafter entließ, blockierten die Beschäftigen mehrere Tage die Zufahrtswege zu dem Werk. Am 9. Mai wurde ein Arbeiter schwer verletzt, als ein Auto in die Blockade raste.

Infos und Filme: de.labournet.tv

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933873.basis-blockiert-bosse.html

Peter Nowak

Filmarchiv der Arbeiterbewegung

Labournet in bewegten Bildern – linke Internetplattform baut aus
Am Sonntag geht ein neues Film- und Medienprojekt online. »Labournet.tv« ist Teil der kritischen Internetplattform Labournet.
Filme und Videos sind heute bei der Mobilisierung zu Demonstrationen und Protesten der unterschiedlichen Art nicht mehr wegzudenken. Mit dem Projekt labournet.tv, das am kommenden Sonntag startet, soll ein audiovisuelles Archiv der Arbeiterbewegung geschaffen werden.

 Das Projekt ist Teil der Internetplattform Labournet, die sich seit 1999 als »Treffpunkt für Ungehorsame mit und ohne Job« für die Stärkung gewerkschaftlicher und sozialer Gegenmacht einsetzt. »Bei Labournet.tv sollen Videos und Filme zu den bei uns dokumentierten aktuellen Berichten über soziale Kämpfe in aller Welt ins Netz gestellt werden«, erklärt Mag Wompel von Labournet gegenüber ND. »Über Filme lassen sich globale Zusammenhänge der Ausbeutung und der Gegenwehr veranschaulichen«, betont Bärbel Schönafinger. Die Berliner Kulturwissenschaftlerin und Filmemacherin betreut das von der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt mit einer halben Stelle geförderte Projekt Labournet.tv.

Die Gliederung auf der Webseite des Filmarchivs ist sehr übersichtlich und benutzerfreundlich. Der virtuelle Besucher kann unter dem Obertitel »Branchen« die unterschiedlichsten Berufssparten von Bergbau über Fischerei und Landwirtschaft, Transport und Logistik anklicken und findet dort die entsprechenden Filme und Videos. Nicht nur über die klassische Lohnarbeit, auch über migrantische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse sowie über Kämpfe auf dem Feld der Reproduktionsarbeit finden sich Beiträge. Bärbel Schönafinger legt großen Wert auf die Präsentation unterschiedlicher filmischen Positionen aus den verschiedenen sozialen Kämpfen. So ist unter der Rubrik »Erwerbslosenbewegung« neben kurzen Videoclips über Zahltags- und Begleitaktionen in verschiedenen Jobcentern der Republik auch der 1988 gedrehte Film »Einstweilen wird es Mittag« über den Alltag von Menschen ohne Lohnarbeit aufgelistet. In dem ebenfalls archivierten Film »Vorsicht Arbeit« von 2004 kommen 12 Erwerbslose zu Wort, die sich ein Leben ohne Lohnarbeit wünschen.

Auf Labournet.tv sollen auch heute oft nur schwer zugängliche Filme aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zu finden sein – sofern das Urheberrecht es zulässt. »Bei den vielen Filmen, für die es keine Abspielrechte gibt, können wir nur auf im Handel befindliche DVD oder VHS hinweisen«, so Schönafinger.

Zwei internationale Klassiker der Filmgeschichte der Arbeiterbewegung sind allerdings öffentlich zugänglich und werden ab kommenden Sonntag in voller Länge auf labournet.tv zu sehen sein. Es handelt sich um »Streik« des sowjetischen Regisseurs Sergej Eisenstein und um den Film »Salz der Erde«, der einen Arbeitskampf mexikanischer Migranten in einer Zinnmine in den USA der frühen 50er Jahre zum Thema hat. Sämtliche dokumentierten Filme und Videos sind mit deutschen Untertiteln versehen.

Zum Start des Projekts lädt Labournet.tv am 30. Januar um 11 Uhr zum Lunch in das fsk-Kino am Segitzdamm 2 nach Berlin-Kreuzberg. Dort wird auch der Film »107 Sekunden – Arbeiter des Südens« über drei Fiatarbeiter gezeigt. de.labournet.tv

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/189532.filmarchiv-der-arbeiterbewegung.html

Peter Nowak