Was darf Satire?

UNImedien: Hans Martin Schleyer und ein Studentenkalender

»AStA beleidigt RAF-Opfer in Taschenkalender«. titelte unlängst das »Hamburger Abendblatt«. Der stellvertretende Gruppenvorsitzende des Hamburger RCDS, Ramon Weilinger, sprach im »Deutschlandfunk« von »Menschenverachtung«. In einen Brief an die Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung monierte der Hamburger RCDS über »die latent verfassungsfeindliche Gesinnung einzelner Mitglieder des AStA«. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Walter Scheuerl stellte bereits eine Anzeige gegen AStA-Mitglieder.

Was sich wie ein Remake auf den deutschen Herbst vor mehr als drei Jahrzehnten anhört, sind Meldungen vom November 2012. Stein des Anstoßes ist ein kurzer Eintrag in dem gerade veröffentlichten »KalendAStA 2013«, wie der alljährlich vom Hamburger AStA herausgegebene Taschenkalender heißt. Unter dem Datum des 18. Oktober ist dort zu lesen: »Mit seinem Tod schafft Hanns Martin Schleyer die Voraussetzung für die nach ihm benannte Mehrzweckhalle in Stuttgart.« Am 18. Oktober 1977 war Schleyer nach sechswöchiger Entführung von der RAF getötet worden. AStA-Vorstandsmitglied Simon Frerk Stülcken erklärt, dass mit dem Eintrag in satirischer Form darauf hingewiesen werden soll, dass in Stuttgart eine Mehrzweckhalle nach einem Mitglied der Waffen-SS benannt wurde. Dieser Teil der Schleyer-Biographie ist historisch unstrittig. Stülcken sagt, er sei sich bewusst, dass die satirische Darstellung nicht den Geschmack aller Leser treffe. Aber erkenne man eine gelungene Satire nicht gerade daran?

Im »Deutschen Herbst« 1977 wurden zahlreiche Asten wegen des sogenannten Mescalero-Aufrufs durchsucht, der sich ebenfalls satirisch mit RAF-Aktionen auseinandersetzte. Dazu ist es jetzt nicht gekommen. Doch der Ruf nach Sanktionierung und Bestrafung ist auch heute schnell zu hören.
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Peter Nowak