Eine ARD-Dokumentation wurde kurz vor Ausstrahlung zurückgezogen, weil sie zu chinafreundlich war

Droht nach der Corona-Panik die Fake-News-Paranoia?

Wenn schon eine solche Dokumentation als Bedrohung wahrgenommen wird, und die Propaganda vom mündigen Bürger, der sich selber seine Meinung bilden soll, plötzlich keine Rolle mehr spielt, muss die Angst groß sein. Es bleibt zu hoffen, dass es genügend Menschen gibt, die sich selbst ein Urteil über die Dokumentation bilden wollen und den Sender auffordern, die Dokumentation wieder in der Mediathek verfügbar zu machen.

Wenn es um Zensur geht, steht für die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland China natürlich weit vorn. Doch wie soll man es bezeichnen, wenn die ARD die für Montagabend terminierte Ausstrahlung der Dokumentation „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ wenige Stunden vor dem Sendetermin zurückzieht und sie auch noch aus der Mediathek entfernt, in der sie …..

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Kapitalistische Schockstrategie

Ein Film über die Abwicklung der Wadan-Werft in Wismar
Der Film zeigt die Reaktion der Beschäftigten, als sich ein russischer Investor in der Werft vorstellt. Die Kamera zoomt auf die Gesichter der KollegInnen, die teilweise belustigt, teilweise ungläubig dessen Propagandarede zuhören. „Wir wollen gemeinsam Geld
verdienen“, erklärt er. Die Beschäftigten wissen, dass sie dafür Opfer bringen sollen. Doch den Schritt zum kollektiven Widerstand gehen sie nicht. Die Betriebsrätin echauffiert sich mehrmals über die soziale Schieflage und verteilt Trillerpfeifen, als der Insolvenzverwalter das Aus verkündet. Die geballten Fäuste bleiben in den Taschen. Einige KollegInnen begründen, warum
sie sich an den von der IG-Metall organisierten Protesten in Wismar nicht beteiligt haben. Schließlich würde eine Demonstration durch die Innenstadt von Wismar kaum jemand interessieren. In kleiner Runde sinnieren sie darüber, dass man nach Berlin fahren und einige Schrottmaschinen vor den zuständigen politischen Instanzen abladen sollte. „Das wäre was gewesen“, beschließt der
Wortführer seine radikale Utopie, um sich gleich wieder in der Realität einzurichten. Solche Aktionen habe niemand  geplant und nun sei der Zeitpunkt verpasst worden. Außer Buhrufen bei der Rede des Insolvenzverwalters ist ein organisierter Protest auf der Werft nicht feststellbar. Nach dessen Rede, in der er die Regeln der kapitalistischen Verwertungszwänge noch einmal knallhart in Erinnerung gerufen hat, zeigt die Kamera die Verzweiflung der KollegInnen, ihre ausdruckslosen Gesichter, ihre Panik wegen verlorener Lebensperspektiven. Ein junger Kollege, der in dem Film ausführlicher vorgestellt wird – die Kamera begleitet ihn in seine Single-Wohnung und bei seinen Freizeitaktivitäten –, fasst das Gefühl der Perspektivlosigkeit auch in Worte.

Panik wegen verlorener Lebensperspektiven
In diesen Szenen wird filmisch deutlich gemacht, was die von Naomi Klein beschriebene kapitalistische Schockstrategie
bedeutet. Es ist keine Verschwörung „böser Kapitalisten“, sondern die Ausnutzung kapitalistischer Verwertungslogik,
um das Feld für ein investitionsfreundliches Klima zu bereiten. Im Film wird deutlich, wie sich die Beschäftigten verändern, nach dem sie  entlassen worden sind und sich große  Sorgen über die Begleichung ihrer finanziellen Verpflichtungen machen. Unter
wesentlich schlechteren Bedingungen und für weniger Lohn hat ein Teil der Beschäftigten die Möglichkeit, über eine  Leiharbeitsfirma in die Fabrik zurückzukehren. Ein Kollege rechnet vor, dass er nun für 400 Euro weniger arbeitet. Trotzdem
greifen alle nach den Niedriglohnarbeitsplätzen, wie Ertrinkende nach dem Strohhalm. Selbst die letzten Spurenelemente
eines solidarischen Umgangs mit der Situation fehlen nun. „Jeder unterschreibt, egal unter welchen Bedingungen“, erklärt einer.
Ein anderer bekundet seine besondere Arbeitsbereitschaft. Es gehe jetzt darum, die Tätigkeiten nachzuholen, die wegen der Arbeitslosigkeit nicht geleistet werden konnten. Eine absurde Logik. Da  werden die KollegInnen aus dem Betrieb geworfen und bedanken sich dafür mit besonderem Arbeitseifer. „Du siehst hier  die Einser“, meint einer ganz ohne Ironie. Demnach sind für ihn die KollegInnen, die draußen bleiben mussten, an ihrer Situation selber Schuld. Da dürfen auch die Spitzen gegen KollegInnen aus dem Ausland nicht fehlen.
Der Film ist eine gute Ergänzung zu Jörg Nowaks Dokumentarfilm „Der Gewinn der Krise“. (siehe ak 558) Beide Filme zeigen, wie die abstrakten Wachstumszahlen, das Gerede vom Auf und Ab des DAX bei den Lohnabhängigen ankommen. Nur das mystische Geraune nervt, das am Anfang und Ende des Films auf den Namen der Werft anspielt. Da hätten einige Zitate von Karl Marx mehr Aufklärung gestiftet. Aber  die kamen leider nicht nur den meisten KollegInnen der Wadan-Werft sondern auch den Filmemachern nicht in den Sinn.
Peter Nowak
Dieter Schumann und Jochen Wisotzki: Wadans Welt. 100 Minuten. www.gebrueder-beetz.de/produktionen/
wadans-welt

aus: ak 562 17. juni 2011, http://www.akweb.de//