Mit Krankheit Stimmung machen: Meldungen über den angeblich „ersten Ebola-Fall“ in Berlin haben ein großes Presseecho ausgelöst
Polizisten mit weißem Mundschutz hatten am Dienstag ein Jobcenter in Berlin abgeriegelt. Zahlreiche Menschen durften das Gebäude für mehrere Stunden nicht verlassen. Der Grund war der Kollaps einer 30jährigen Frau aus Afrika, die am Dienstag im Jobcenter mit den Symptomen einer schweren Infektionserkrankung zusammengebrochen ist und mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Da die Frau angeblich kürzlich in Nigeria war, hat ein Jobcentermitarbeiter geäußert, dass sie sich möglicherweise mit „Ebola angesteckt“ habe, eine Fiebererkrankung, die eben auch mit Symptomen einer schweren Infektionskrankheit beginnt. Erst am Dienstagabend stellte sich heraus, dass es sein Fehlalarm war. Ein Ärzteteam des Klinikums Charité, in das die Frau gebracht wurde, erklärte, dass alle Tests zum Nachweis einer Ebola-Krankheit bei der Frau negativ seien. Sie sei vielmehr an Malaria erkrankt, die sich im Vergleich zu einer Ebola-Erkrankung viel leichter medizinisch bekämpfen lasse. Allerdings ist auch die Malaria eine schwere Krankheit, die ohne Behandlung tödlich verlaufen kann.
Panik im Jobcenter?
Die Meldungen über den angeblich „ersten Ebola-Fall“ in Berlin haben natürlich ein großes Presseecho ausgelöst. Die Bildzeitung dramatisierte gleich und schrieb von „Seuchen-Angst in der deutschen Hauptstadt“ [1]. Ein Jobcenter-Besucher, der ebenfalls einige Stunden lang die Behörde nicht verlassen durfte, erklärte, dass es Panik unter dem Besuchern gab. Ein Mann habe sogar versucht, aus dem Fenster zu springen.
Die Taz schreibt [2], dass die Verunsicherung und Aufregung angesichts des Ebola-Verdachtsfalls in Berlin groß, aber unberechtigt sei. Schließlich sei die Charité [3] für die Behandlung der Krankheit gut vorbereitet. Ähnliches liest man auch auf der Homepage des Berliner Gesundheitssenats [4]:
Allerdings stellen sich her auch einige Fragen. Wie können Grundrechte und Datenschutzbestimmungen in Zeiten von Ebola gewährleistet werden? Schließlich kann zu den Maßnahmen das stundenlange Festhalten von Personen ebenso gehören wie das Verbot, bestimmte Gebiete zu betreten oder die Einweisung in Quarantäne-Stationen auch gegen den Willen der Menschen. Wenn es darum geht, Personen, die mit einen vermeintlichen Ebola-Patienten Kontakt hatten, schnell ausfindig zu machen, könnten Datenschutzbestimmungen gelockert werden. Daraus wird deutlich, dass allein die Angst vor Ebola nachhaltige Auswirkungen auf unsere Grundrechte haben kann.
Droht eine neue Form des „Racial Profiling“?
Wer an bedingungsloser Verteidigung der Grundrechte interessiert ist, muss hier hellhörig werden. Zumal eine Ebola-Panik schnell zu einer weiteren Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen führen kann, die heute schon vielfältig diskriminiert werden. Es handelt sich um Menschen, die aus Afrika stammen oder Kontakte nach Afrika haben.
Könnte hier eine Form von ethnischem Profiling [5] drohen? Stand nicht auch die Frau im Jobcenter vor allem deshalb unter „Ebola-Verdacht“, weil sie aus Afrika kam und das Land erst kürzlich besucht hat? Sonst hätten Symptome einer schweren Infektionskrankheit sicher nicht gleich den Verdacht auf eine Ebola-Erkrankung gelenkt. Man braucht nur an die Anfänge der Aids-Krise Mitte der 1980er erinnern, wo nicht nur Peter Gauweiler ein politisches Programm zur Stigmatisierung von Homosexuellen auflegte (vgl. Entzivilisierung in Zeiten von Ebola [6]) und der Spiegel dazu mit apokalyptischen Tönen [7] die „publizistische Begleitmusik“ [8] lieferte. So hieß es damals:
Während dieser Aidskrise zog der Philosoph Wolfgang Fritz Haug in seinem Buch „Die Faschisierung des bürgerlichen Subjekts“ [9] eine Parallele zur Angst vor der Syphilis [10], am Ende des 19.Jahrhunderts, die zur Rechtsentwicklung in Teilen des Bürgertums beigetragen habe. Solche historischen Erfahrungen sollten Anlass zu besonderer Aufmerksamkeit sein, wenn heute wieder mit einer Krankheit Stimmung gemacht wird.
http://www.heise.de/tp/news/Ebola-Fehlalarm-in-Berlin-2296175.html
Peter Nowak
Links:
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