Hollande und seine deutschen Kritiker

Dass auch Oppositionspolitiker in der Auseinandersetzung mit der französischen Regierung Hollande kritisieren, macht deutlich, dass sie die deutsche Austeritätspolitik im Kern unterstützen

Deutschland und Frankreich wollen sich gemeinsam für einen hauptamtlichen Präsidenten der Euro-Gruppe einsetzen. Dieses Vorhaben verkündeten der französische Staatschef Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihren Treffen in Paris. Ziel sei „mehr wirtschaftspolitische Koordinierung“ und eine „stärkere Zusammenarbeit der Euro-Gruppe“. Zudem soll die Euro-Gruppe ein eigenes Budget erhalten. Man habe einen „qualifizierten gemeinsamen Vorschlag“ gemacht, hieß Merkels diplomatische Sprachregelung.

Der Zweck wurde auch nicht verschwiegen. Man wolle nicht erst warten, bis in EU-Staaten Defizitverfahren wirksam werden, deshalb soll die wirtschaftspolitische Koordinierung verstärkt werden. Dass die französische und deutsche Regierung beim Willen zum Durchregieren einig sind, kann die Differenzen zwischen ihnen nicht verdecken, die im Vorfeld des Treffens erneut deutlich wurden.

Frankreich kann nicht machen, was es will

Am Tag vor Merkels Frankreich-Besuch nahm das verbale Trommelfeuer gegen den Sozialdemokraten in Paris noch einmal zu. Anlass war eine eigentlich völlig harmlose Erklärung des französischen Präsidenten, in der er auf die Reformaufforderungen der EU-Kommission an sein Land reagierte. Hollande betonte, das seine Regierung längst Vorbereitungen für die Umsetzung der Reformen getroffen hat und dafür keine Vorgaben aus Brüssel brauche. Diese Erklärung hat vor allem innenpolitische Implikationen.

Schließlich hatte sich Hollande im Wahlkampf mit seiner Ablehnung des deutschen Austeritätsprogramms profiliert. Kaum an der Regierung hat er sich immer mehr der Merkel-Linie untergeordnet und dafür viel innenpolitische Kritik einstecken müssen. Wenn er nun betont, dass seine Regierung auch ohne Druck aus Brüssel die nötigen Reformen umsetzt, will er sich zumindest nicht nachsagen lassen, er kapituliere vor dem Ausland. Doch Politiker von der Union bis zu den Grünen wollen Hollande selbst diese Ausflucht nicht lassen und verlangen die totale Unterordnung unter die deutsche Linie.

„Wenn ein Land in der EU und der Euro-Zone glaubt, sich nicht an Verabredungen halten zu müssen, ist dies besorgniserregend“, meinte der stellvertretende Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs. Sein Kollege Michael Meister gerierte sich als Lehrmeister, in dem er Hollande vorwarf, offenbar nicht zu verstehen, was für Europa nötig sei. Auch der FDP-Politiker Rainer Brüderle will die französische Regierung mit der Aussage brüskieren, dass das erste Jahr der Hollande-Regierung ein verlorenes Jahr war.

Kann man beim Regierungspersonal verstehen, dass sie noch immer nicht überwunden haben, dass Sarkozy die Wahlen mit den Versprechen verloren hat, die Politik der deutschen Regierung kopieren zu wollen, so mag es auf den ersten Blick erstaunen, dass mit Sven Giegold auch ein grüner Europapolitiker, der vor 10 Jahren noch einer der Köpfe der damals aufstrebenden Attac-Bewegung war, sich in die Phalanx der Hollande-Kritiker einreihte. Als ein Armutserzeugnis für die französische Europapolitik bewertete Giegold Hollandes Ablehnung eines Diktats aus Brüssel. Manche sehen eher in dieser Erklärung ein Armutszeugnis eines als Oppositionellen gestarteten Politikers, der schon nach einer Legislaturperiode die für eine Karriere nötige Lektion in Realpolitik gelernt hat.

Frankreich: zu groß, um gerettet zu werden

Dabei hätten gerade Politiker der SPD und der Grünen, sollten sie es mit ihrer Kritik an der deutschen Austeritätspolitik Ernst nehmen, allen Grund, die französische Regierung zu verteidigen. Wie der Ökonom Michael Krätke richtig analysiert, kann sich am Umgang mit Frankreich das Schicksal des Euro entscheiden. Frankreich ist nicht nur zu groß, um zu fallen, sondern auch zu groß, um gerettet zu werden. Damit hat Frankreich als eines der wenigen EU-Länder eine starke Machtposition gegenüber Deutschland.

Wenn selbst die Regierung dieses Landes nicht in der Lage ist, sich gegenüber Deutschland durchzusetzen und zumindest eine in Details weniger wirtschaftsliberale Politik zu betreiben, wie sollte es dann eine griechische, spanische oder portugiesische Regierung schaffen? Daher rät Krätke den Anhängern eines Reformkurses, sie sollten darauf drängen, dass in der EU Fragen nach einem flächendeckende Mindestlohn oder einer 35-Stunden-Woche wieder auf die Agenda kommen, die in Frankreich anders als in Deutschland in Ansätzen umgesetzt waren.

Wenn sich Politiker wie Giegold in der Auseinandersetzung mit Hollande auf die deutsche Regierung schlagen, senden sie gegenüber ihren Wählern und das europäische Ausland das Signal aus, dass sich auch unter ihrer Ägide die Austeritätspolitik im Kern nicht ändern wird.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154353

Peter Nowak