Unvergessen

Tagungsnotizen

»Dein unbekannter Bruder« lautet der Titel einer DEFA-Produktion über den kommunistischen Widerstand gegen Hitler in Hamburg. 1982 wurde er von der DDR für die Filmfestspiele in Cannes nominiert, dann aber zurückgezogen und aus dem Kinoprogramm gestrichen. Ein Fall von Zensur der SED? So einfach lässt sich der Vorgang nicht erklären, meint Schauspieler Uwe Kockisch, der im Film die Hauptrolle spielte. Ehemalige Widerstandskämpfer hätten moniert, dass ihr Kampf falsch dargestellt sei. Kokisch interpretierte dies als Streit von Generationen um Geschichtsbilder. Der Film wurde zum Auftakt einer Konferenz im Berliner Haus der Demokratie gezeigt, die sich mit Perspektiven einer Erinnerungskultur des Arbeiterwiderstands befasste. Hans Coppi von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) stellte die Frage, ob und wie sich diese wandle, wenn kaum noch Zeitzeugen leben. Zum Guten oder Schlechten?

Sabine Kritter von der Gedenkstätte Sachsenhausen registrierte bereits in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel in der Gedenkstättenpädagogik. In Abgrenzung zur Geschichtspolitik der DDR werde der Fokus nun auf bisher marginalisierte Opfergruppen gelegt. Dazu gehören Menschen, die als sogenannte »Asoziale« oder wegen sexueller Andersartigkeit verfolgt worden sind. Der aktivistische Widerstand hingegen sei in den Hintergrund getreten. Kritter gab zudem zu bedenken, dass im Alltag vieler Jugendlicher der Arbeiterwiderstand nicht mehr präsent sei. Auch der Geschichtsdidaktiker Martin Lücke bezweifelte, dass jener noch eine besondere Rolle in der Wissensvermittlung über Opposition und Widerstand gegen die NS-Diktatur einnehme. Ihm widersprach der an der FU Berlin lehrende Politikwissenschaftler Stefan Heinz. Er verwies auf jüngste Forschungen , durch die deutlich geworden sei, dass der Widerstand gegen das NS-Regime in Gewerkschaftskreisen größer als bisher angenommen gewesen ist.

Sodann stellten junge Historiker und junge Gewerkschafter Projekte vor, die sich mit dem Arbeiterwiderstand befassen. Dazu gehört die von der Berliner VVN-BdA initiierte, ehrenamtlich wirkende Arbeitsgruppe »Fragt uns, wir sind die letzten«; fünf Broschüren mit Interviews sind von ihr bisher erschienen. Der Bezirksjugendsekretär der IG Metall-Jugend Berlin-Brandenburg-Sachsen Christian Schletze-Wischmann informierte über eine biografische Videoreihe junger Gewerkschaftsmitglieder. Die Historikerin Bärbel Schindler-Saefkow wiederum berichtete über den langen Weg bis zur Errichtung eines Denkmals für den Arbeiterwiderstand in den Askania-Werken in Berlin Marienfelde. Dabei betonte sie die positiven Erfahrungen mit Jugendlichen einer nahe gelegenen Schule. Praktische Beispiele also, die demonstrieren, dass sich die heutige Jugend sehr wohl interessiert.

Peter Nowak