Entmietung am Ostkreuz

Der Immobilienunternehmer Gijora Padovicz schlägt nun in der Lichtenberger Hauptstraße zu

Rund um den Bahnhof Ostkreuz in Berlin wird viel gebaut. Auf der Lichtenberger Seite, in der Hauptstraße 1 g-i, konnten bisher einige über 80jährige Wohnhäuser der Abrissbirne trotzen. Doch wie lange noch? Seit einigen Jahren sind sie in Besitz des Immobilienunternehmens Padovicz, dem in Berlin einige Hundert Häuser gehören sollen. Den angegrauten Wänden sieht man an, dass hier lange nicht mehr renoviert wurde. 

»Die Hausverwaltung kümmert sich schon lange nicht mehr um die Häuser. Selbst das kaputte Dach wird nicht repariert«, klagt Manuela Kaiser. Sie wohnt seit vielen Jahren in einem der Häuser und will dort auch bleiben. Dabei sollte sie ihre Wohnung bereits zum 31.Dezember 2017 geräumt haben. Ihr befristeter Mietvertrag wurde nicht mehr verlängert.

Wie Kaiser sollen auch mehrere andere MieterInnen ihre Wohnungen am 5. Januar besenrein an die Vivo-Hausverwaltung übergeben. Doch sie haben keine Umzugspläne und sehen sich rechtlich auf der sicheren Seite. Sie haben sich bei der Mieteranwältin Carola Handwerg beraten lassen. Die verweist darauf, dass in den Mietverträgen unterschiedliche Gründe für eine Nichtverlängerung genannt werden. Bei einigen ist eine Totalsanierung der Häuser angegeben. Von einem möglichen Abriss aber steht dort nichts. Zudem haben mehrere MieterInnen, die teilweise schon seit 30 Jahren in den Häusern wohnen, bisher keine Kündigungsschreiben erhalten. Weil sie lange Kündigungsfristen haben, können die Häuser in den nächsten Monaten auch nicht abgerissen werden. Daher sehen die MieterInnen auch keinen Grund, für einen Umzug. 

Unterstützt werden sie dabei von Claudia Engelmann, die für die LINKE in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg sitzt. »Wir setzen uns dafür ein, dass die befristeten Mietverträge bis zur Abrissanzeige gelten,« sagte sie auf nd-Anfrage. Für die Häuser der Hauptstraße 1 g-i seien aber noch keine solchen Abrissanzeigen eingegangen. »Es ist aber immer wieder Praxis von EigentümerInnen, den Mietern vorzutäuschen, dass bald abgerissen wird, um sie so zu einem schnellen Auszug zu bewegen«, weiß die Lichtenberger Bezirkspolitikerin. Engelmann sieht hier auch den Bezirk in der Pflicht, die AnwohnerInnen über solche Tricks zu informieren und über ihre Rechte aufklären. Die MieterInnen in der Hauptstraße 1 g – i haben mehrere Hausversammlungen einberufen und sich selber über ihre Rechte informiert.

Die Beziehung zur Hausverwaltung ist schon seit Langem angespannt. In mehreren Schreiben der Vivo-Hausverwaltung, die »nd« vorliegen, werden die MieterInnen wie unartige Kinder angegangen. So heißt es in einem Schreiben vom 10. Juni 2016: »Einige Bewohner ziehen auch weiterhin vor, sich nicht zu benehmen. Womöglich haben sie es auch nicht anders gelernt«. 

Von der Vivo-Hausverwaltung war auf Nachfrage niemand zu einer Stellungnahme bereit. Auch die Padovicz-Unternehmensgruppe äußerte sich nicht bis zum Redaktionsschluss dieser Seite.

Der Immobilienunternehmer Gijora Padovicz brachte es nach der Wende vor allem im Ostteil Berlins zu trauriger Berühmtheit. Mit robusten Sanierungsmethoden erreichte er in vielen seiner Häuser, dass entnervte Mieter schließlich aufgaben und auszogen. Er handelt mit Hilfe unterschiedlicher Firmen der Unternehmensgruppe Padovicz. Dazu gehören Berlin Projekt, Gilon, Giwola oder eben Siganadia. Mehrere Häuser hat er mit Geldern des Programms Soziale Stadt modernisiert. Darunter auch einige ehemals besetzte und nun gemeinschaftlich alternativ bewohnte Häuser in Friedrichshain. Laut einem Senatspapier hatte er über 16 Millionen Euro Fördergelder aus dem mittlerweile ausgelaufenen Programm Soziale Stadt erhalten. Padovicz hatte 2017 auch versucht, das »Zentrum Kreuzberg« am Kottbusser Tor zu übernehmen, allerdings hatte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag schließlich das Haus gekauft.

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Peter Nowak