Neuer Nahostkonflikt in Hamburg

Um den Film „Warum Israel“ von Claude Lanzmann gibt es seit Monaten eine mittlerweile auch im Ausland beobachtete Auseinandersetzung
Hamburg ist eine der Metropolen, in denen politische Demonstrationen eigentlich zum Alltag gehören. Doch die für den 13. Dezember anberaumte Protestaktion unter dem Motto „Es darf keine antisemitische Filmzensur in Hamburg geben“ fällt aus dem Rahmen. Das zeigt schon der Aufrufer- und Unterstützerkreis, zu dem neben Politikern auch viele Künstler, Wissenschaftler und Intellektuelle aus dem In- und Ausland gehören. An erster Stelle steht der französische Filmemacher Claude Lanzmann auf der Unterstützerliste. Sein Film „Warum Israel“ (1973, unlängst als DVD erschienen) ist der Auslöser für die Demonstration. Sie ist der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die als Hamburger Kiezposse begonnen hat und mittlerweile nicht nur in vielen deutschen Medien, sondern auch in Israel und Frankreich diskutiert wird.
   
Israelischer Checkpoint in Hamburg?

Begonnen hatte alles am 25. Oktober im Hamburger Schanzenviertel. An diesem Tag wollte die israelsolidarische Hamburger Gruppe Kritikmaximierung „Warum Israel“ in einem Hamburger Szenekino zeigen. In dem Film werden jüdische Bürger Israels interviewt, die sich aus verschiedenen Ländern kommend eine neue Heimat aufgebaut haben. Gegen die Vorführung wandte sich das israelkritische Internationale Zentrum B5, das sich in der direkten Nachbarschaft des Kinos befindet. Zunächst versuchten sie erfolglos eine Absetzung des Filmes zu erreichen. Dann verhinderten sie mit einer Art Agitprop-Aktion die Aufführung. Vor dem Kino wurde eine Nachbildung eines israelischen Checkpoints aufgebaut und den Kinobesuchern wurde der Einlass verweigert. Es kam zu erregten Debatten und auch zu Handgreiflichen.

Bis zu diesem Punkt schien die Aktion sich einreihen, in den Jahre langen, längst nicht mehr nur verbal ausgetragenen Streit zwischen israelsolidarischen und israelkritischen Linken, der in verschiedenen Städten schwelt. Das hatte bisher meistens zur Folge, dass sich sogenannte linke Zusammenhänge, Wohngemeinschaften und Volksküchen zerstreiten und oft über Jahre kein Wort mehr miteinander reden. Viele linke Flyer und seit einiger Zeit auch Blogs beschäftigen sich sehr akribisch mit allen Details der Auseinandersetzung. Doch darüber hinaus nimmt in der Regel niemand davon Notiz.

Wandel der Linken

Doch die Aktion vom 25. Oktober wurde zum Politikum, weil auch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde an der Filmvorführung gehindert wurden und weil Claude Lanzmann den Vorfall sofort öffentlich machte und sein Unverständnis über die geringe Sensibilität in den deutschen Medien mit der Filmverhinderung zum Ausdruck brachte.

„Weltweit ist es nicht ein einziges Mal passiert, und in Deutschland schon gar nicht“, betont der Regisseur, der als Kämpfer in der französischen Resistance und als Freund von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir zu den führenden französischen Intellektuellen gehört. Mit dem Film Shoah über die Massenvernichtung der europäischen Juden wurde er weltbekannt.

Dass ausgerechnet ein Film von Lanzmann von der Aktion betroffen wurde, erklärt sicher die große Publicity. Darüberhinaus macht die Auseinandersetzung auch deutlich, wie stark sich ein Großteil der Linken zumindest in der Nahostfrage in den letzten 25 Jahren gewandelt hat. Heute will sich kaum jemand mit der Position der B5 gemein machen. Nur in einem Text wird die Kritik an der Filmverhinderung als „antideutsche Schmierenkomödie“ bezeichnet. Die B5-Aktivisten rudern selber zurück und betonen in einer Erklärung, ihre Aktion hätte nicht die Verhinderung des Films, sondern die einer „antideutschen Veranstaltung“ zum Ziel gehabt. Eine der beteiligten Gruppen hat mittlerweile den Film in der B5 gezeigt, der in einem Flyer bei der Verhinderungsaktion noch als „zionistischer Propagandafilm“ klassifiziert wurde.

Ende der 80er Jahre wäre die Position der B5 durchaus noch mehrheitsfähig gewesen. Damals prangten an der Hamburger Hafenstraße in einem besetzten Gebäudekomplex, der einer großen Solidaritätsbewegung ihre Legalisierung verdankt, Parolen, die zum Boykott israelischer Waren aufriefen. Das war der Anlass einer ersten innerlinken Nahost-Debatte, die manchmal zur Geburtsstunde der israelsolidarischen Linken in Deutschland erklärt wird. Die Kritiker der Parolen waren damals allerdings noch eine absolute Minderheit in der Linken und nahmen keine Stellung zur israelischen Politik. Sie wandten sich vielmehr dagegen, dass angesichts der NS-Vergangenheit mit Israelboykottparolen in Deutschland Politik gemacht wird. Einige der heutigen B5-Kritiker waren damals noch Teil des antizionistischen Milieus, wie sie jetzt bekennen. Die Politveteranen von der Hamburger Hafenstraße reden heute auf ihren Versammlungen aber lieber über den Putzplan als über den Nahostkonflikt.
 
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31718/1.html

Peter Nowak