Sind Zwei Grad ade?

Einer der wenigen Punkte, über die sich die Staaten der Erde in den letzten Jahren zum Thema Klima noch einigen konnten, war das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Allerdings erheben sich zunehmend Zweifel, ob dieses Ziel überhaupt noch erreichbar ist. Die Wirtschaftsprüferfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) hat im Vorfeld des UN-Klimagipfels von Doha Ende November eine Studie veröffentlicht, die das Zwei-Grad-Ziel für unrealistisch hält. PWC geht von einer Erderwärmung von vier bis sechs Grad aus. Auch der Umweltexperte Oliver Geden der Stiftung für Wissenschaft und Politik will das Zwei-Grad-Ziel aufgeben. Überhaupt solle man auf die Nennung einer Zahl verzichten. Es sei politisch falsch, an einem Ziel festzuhalten, das als unrealistisch erkannt wurde, begründet Geden seine Forderung. Wie eine Beruhigungspille hört es sich an, wenn er hinzufügt, es sei wissenschaftlich überhaupt nicht erwiesen, dass eine Klimaerwärmung über die Zwei-Grad-Grenze hinaus katastrophale Folgen habe. Dabei vergisst er aber zu sagen, für welchen Teil der Menschheit die Folgen einer stärkeren Erwärmung beherrschbar sein dürften.
Schließlich gehen Klimaforscher davon aus, dass Menschen vor allem im globalen Süden, die am wenigsten zu den Klimaveränderungen beigetragen haben, am meisten von den Folgen betroffen sein werden. Wer konkrete Klimaziele mit der Begründung aufgibt, es werde schon alles nicht so schlimm, kapituliert vor der Lobby jener Industriebranchen, die weiter mit klimaschädlichen Produkte ihre Profite machen wollen.
Aber vielleicht wäre die offene Aufgabe des so lange als unverzichtbar bezeichneten Zwei-Grad-Klimaziels auch ein Weckruf für eine neue Klimabewegung. Um die ist es nach einem kurzen medialen Hype anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen vor drei Jahren doch wieder sehr ruhig geworden. Damals wurde auch die Frage diskutiert, ob es einen ökologischen Kapitalismus geben kann. Wer diese Frage verneint hat und ökosozialistische Transformationsprozesse sucht, kann sich von der aktuellen Debatte bestätigt sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/803942.sind-zwei-grad-ade.html
Peter Nowak