gieren in vermintem Terrain: Wie Corona die linke Bewegung neu vor ein altes Problem stellt.

Den Abstand halten oder das Wort ergreifen?

Am Ende sind es konkrete Auseinandersetzungen, die das Weltbild der Menschen prägen. So war es auch 2004 in der Massenbewegung gegen die »Hartz-Reformen«. Auch darin gab es fragwürdige Positionen und rechtsradikale Vorstöße. Einige sagten auch damals, Linke müssten zur »verkürzten Kritik« dieser Bewegung Abstand halten, andere mischten sich praktisch ein. Aber hätte hier die erstgenannte Haltung obsiegt, wäre diese Bewegung vielleicht tatsächlich in eine völkische Richtung à la Björn Höcke abgedriftet.

Wie wurde die westdeutsche Umweltbewegung links? Man kann das bei der früheren grünen Frontfrau Jutta Ditfurth nachlesen: durch hartnäckige inhaltliche Intervention, durch kluge organisatorische Initiative – und Konfrontation mit den konservativen und rechten Positionen, die in diesem Feld zunächst nicht selten waren. Das war so erfolgreich, dass …

„Den Abstand halten oder das Wort ergreifen?“ weiterlesen

Sind Zwei Grad ade?

Einer der wenigen Punkte, über die sich die Staaten der Erde in den letzten Jahren zum Thema Klima noch einigen konnten, war das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Allerdings erheben sich zunehmend Zweifel, ob dieses Ziel überhaupt noch erreichbar ist. Die Wirtschaftsprüferfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) hat im Vorfeld des UN-Klimagipfels von Doha Ende November eine Studie veröffentlicht, die das Zwei-Grad-Ziel für unrealistisch hält. PWC geht von einer Erderwärmung von vier bis sechs Grad aus. Auch der Umweltexperte Oliver Geden der Stiftung für Wissenschaft und Politik will das Zwei-Grad-Ziel aufgeben. Überhaupt solle man auf die Nennung einer Zahl verzichten. Es sei politisch falsch, an einem Ziel festzuhalten, das als unrealistisch erkannt wurde, begründet Geden seine Forderung. Wie eine Beruhigungspille hört es sich an, wenn er hinzufügt, es sei wissenschaftlich überhaupt nicht erwiesen, dass eine Klimaerwärmung über die Zwei-Grad-Grenze hinaus katastrophale Folgen habe. Dabei vergisst er aber zu sagen, für welchen Teil der Menschheit die Folgen einer stärkeren Erwärmung beherrschbar sein dürften.
Schließlich gehen Klimaforscher davon aus, dass Menschen vor allem im globalen Süden, die am wenigsten zu den Klimaveränderungen beigetragen haben, am meisten von den Folgen betroffen sein werden. Wer konkrete Klimaziele mit der Begründung aufgibt, es werde schon alles nicht so schlimm, kapituliert vor der Lobby jener Industriebranchen, die weiter mit klimaschädlichen Produkte ihre Profite machen wollen.
Aber vielleicht wäre die offene Aufgabe des so lange als unverzichtbar bezeichneten Zwei-Grad-Klimaziels auch ein Weckruf für eine neue Klimabewegung. Um die ist es nach einem kurzen medialen Hype anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen vor drei Jahren doch wieder sehr ruhig geworden. Damals wurde auch die Frage diskutiert, ob es einen ökologischen Kapitalismus geben kann. Wer diese Frage verneint hat und ökosozialistische Transformationsprozesse sucht, kann sich von der aktuellen Debatte bestätigt sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/803942.sind-zwei-grad-ade.html
Peter Nowak

Wird eine Trendwende in der Klimapolitik vorbereitet?

Eine Studie der Stiftung für Wissenschaft und Politik empfiehlt die Aufgabe des Ziels, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen

In knapp drei Wochen werden Politiker aus aller Welt nach Doha reisen, um erneut an einer internationalen Klimakonferenz teilzunehmen. Schon längst ist auch in Sachen Klimakonferenz Routine eingekehrt. Während sich Klimaexperten, Politiker und Nichtregierungsorganisationen auf die Konferenz vorbereiten, ist von den außerparlamentarischen Gruppen, die sich vor 3 Jahren anlässlich des UN-Klimagipfels von Kopenhagen als Klimabewegung artikulierten, wenig geblieben.

Eine vor 5 Jahren von den Blättern für deutsche und internationale Politik gestellte Frage ist weiter aktuell: „Wo bleibt die Klimabewegung?“ An den Konferenzorten dürfte es nicht liegen. Schließlich hatte die Klimabewegung das Ziel formuliert, statt Gipfelhopping Basisarbeit zu machen. Es war der Klimabewegung eigentlich darum gegangen, lokale Initiativen aufzubauen und Druck auf die verantwortlichen Politiker und Institutionen hierzulande auszuüben. Die Schwäche der Klimabewegung zeigt sich schon daran, dass es noch keine größeren Reaktionen auf aktuelle Diskussionen gibt, welche die jahrelang verkündeten Klimaziele zu verwässern.

2-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen?

Dazu gehört das 2-Grad-Ziel. Damit ist gemeint, dass ein zentrales Ziel der internationalen Klimapolitik sein muss, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. In den letzten Jahren haben EU-Gremien und zahlreiche Wissenschaftler die Dringlichkeit dieses Ziels damit begründet, dass eine stärkere Steigerung der Erwärmung unkontrollierbare Folgen haben könnte. Doch schon lange kritisieren Klimaexperten, dass die bisherigen Zusagen von Industrie- und Schwellenländern auf Klimakonferenzen allenfalls ausreichen würden, die Erderwärmung auf 3,5 Grad zu begrenzen.

In der „Zeit“ wurde über die Frage eine lebhafte Debatte geführt. Dort wurde das 2-Grad-Ziel als großer Selbstbetrug bezeichnet. Darauf wurde fast stoisch geantwortet, man könne dieses Ziel nicht aufgeben. Klimaforscher wollen auch mit komplexen Rechenmodellen beweisen, dass das 2-Grad-Ziel erreichbar ist.

Eine Studie der Stiftung für Wissenschaft und Politik fordert nun eine Modifizierung des 2-Grad-Ziels:

„Folgt man den Kernaussagen der Klimaforschung, müssten die Emissionen zwischen 2010 und 2020 bereits deutlich reduziert werden, um ein Scheitern des von der EU durchgesetzten 2-Grad-Ziels noch zu verhindern. Angesichts eines gegenläufigen globalen Emissionstrends ist dies völlig unrealistisch. Da ein als unerreichbar geltendes Ziel politisch aber weder eine positive Symbol- noch eine produktive Steuerungsfunktion erfüllen kann, wird das zentrale Ziel der internationalen Klimapolitik unweigerlich modifiziert werden müssen“, schreibt der Autor der Studie, der Klimaforscher Oliver Geden.

In einem Interview mit der Taz erklärt Geden, es sei wissenschaftlich nicht haltbar, dass es bei Überschreitung des 2-Grad-Ziels zu einer Klimakatastrophe komme und spricht sich dafür aus, überhaupt keine Grenze bei der Erderwärmung mehr zu benennen. „Nicht weil ich sagen würde, es ist egal, wie die Temperatur steigt, sondern weil man mit einer Obergrenze die Illusion erzeugt, die Weltgemeinschaft könnte und würde dieses Ziel auch tatsächlich umsetzen“, begründet Geden den Vorschlag.

Tatsächlich könnte ein solcher Vorstoß den Ernst der Lage klarmachen und vielleicht tatsächlich zur Entstehung einer Klimabewegung führen, die auch Druck auf die Verantwortlichen ausüben kann. Eine solche Möglichkeit scheint Geden in seinem Beitrag in der „Zeit“ anzudeuten. Die Aufgabe des 2-Grad-Ziels kann aber auch als ein Kniefall vor der Lobby jener Industriesektoren interpretiert werden, die auf ihre klimaschädlichen, aber gewinnbringenden Produkte nicht verzichten wollen und zur Entmutigung und weiterer Resignation führen.

Ist ein grüner Kapitalismus möglich?

So könnte die Studie einer Tendenz Vorschub leisten, die nicht mehr die Klimaveränderungen begrenzen, sondern die Menschen an die Klimaveränderungen anpassen will. Allerdings wäre eine solche Strategie mit gravierenden Folgen für viele Menschen vor allem im globalen Süden verbunden.

Eine Frage stellen aber weder Geden noch andere Kritiker des 2-Grad-Ziels. Könnte der Grund für das Nichterreichen dieses Ziel vielleicht auch in einem Wirtschaftssystem liegen, in dem letztlich auch die Umwelt eine Ware ist (Die äußere Schranke des Kapitals)? In der Klimabewegung wurde die Frage diskutiert, ob ein grüner Kapitalismus möglich ist. Diejenigen, die diese Frage verneinen, müssen sich durch die Studie von Geden bestätigt sehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/153116
Peter Nowak