Keine Post mehr vom Arbeitsamt

Der Erwerbslosenaktivist Werner Braeuner tötete 2001 den Chef eines Arbeitsamtes. Seit zehn Jahren sitzt er dafür im Gefängnis. Eine Veranstaltung in Berlin erinnert an seinen Fall.
Am 6. Februar 2001 wurde der Direktor des Arbeitsamtes Verden bei Bremen, Werner Herzberg, von dem Erwerbslosen Werner Braeuner erstochen. Braeuner war zuvor die Arbeitslosenhilfe, seine einzige EinnaEinnahmequelle gestrichen worden. Die Tat sorgte damals für großes Aufsehen. „Warum musste Werner Herzberg sterben?“, lautete der Titel eines Films, in dem der  Regisseur Martin Kessler den Hintergründen nachging.    „Wenn der Begriff von mildernden Umständen ein Sinn hat, dann hier“, schrieb der Mitbegründer der Gruppe „Die glücklichen Arbeitslosen“  Guillaume Paoli vor Prozessbeginn im August 2001. Zahlreiche Freunde Braeuners, darunter Aktivisten aus der französischen Erwerbslosenbewegung, appellierten in einem Offenen Brief: „Lassen wir Werner nicht fallen“.   „Die Gewalttätigkeit dieser Tat ist erschreckend, sie ist aber eine direkte Reaktion auf erlittene Gewalt und Ohnmacht. Werner ist das Thermometer einer steigenden Spannung“, hieß es in dem Brief. Der Gewerkschafter Werner Leicht schrieb:    „Werners Verzweiflungstat ist verständlich, aber nicht zu rechtfertigen, und sie ist kein „Ausweg“ aus der Misere.“  Französische Aktivisten besetzte sogar am 9. Juli 2001 das Informationszentrum der Deutschen Botschaft in Paris, um „gegen die übertriebene Medienhetze… gegen Werner Braeuner zu protestieren“, wie es in einer Erklärung heißt.
Nachdem er zu einer 12jährigen Haftstrafe verurteilt worden war, wurde es still um Werner Braeuner. Doch mehr als 10 Jahre nach der Tat und 2 Jahren vor seiner Haftentlassung wächst das Interesse an Braeuner wieder. Am vergangenen Montag berichtete Thomas Bodenstein aus Hameln auf Einladung des Erwerbslosentreffes im Berliner Stadtteilladen Lunte über die aktuelle Situation des Häftlings. Die Veranstaltung hatte auch das Ziel, die Vorgeschichte der Aktion zu thematisieren. Schließlich sei die Wut nach Sanktionen und Schikanen am Amt groß und in Internetforen von Erwerbslosen wurde auch schon mal die Meinung geäußert, dass es verwunderlich ist, dass nicht öfter solche Aktionen  passieren.

 Bodenstein hatte  zufällig einen  Text von Braeuner im  Internet  gefunden, der ihn sehr ansprach und daraufhin Briefkontakt aufgenommen. Als er ihn zu  einem Besuch einlud, zögerte Freudenthal nicht. Seitdem gehört er zu den wenigen ständigen Besucher von Braeuner.    Auf der Veranstaltung verteilte Bodenstein ein Informationsblatt  mit  Ratschlägen für  potentielle Gefangenenbesucher.  Denn durch seine Besuche wurde er für die Situation der Gefangenen sensibilisiert.
Kampf gegen Gefängnisarbeit 
In einem Radiointerview berichtete Braeuner über seine Haftsituation: „Ich war einem Haftraum von 7 ½ Quadratmetern, offene Toilette, 23 Stunden Einschluss und mit einem zweiten Gefangener musste ich mir die Zelle die ganze Zeit teilen.“  Auf Vergünstigungen konnte Braeuner nicht hoffen, weil er nach einer Zeit der Apathie nach seiner  Verurteilung auch das Gefängnis als  Kampffeld  sah. So verweigert er seit dem 12. Juni 2010 im Gefängnis Sehnde bei Hannover  die Arbeit.  In einer Erklärung verglich er diese Aktion mit  seinen Kampf gegen Zwangsmaßnahmen vom Arbeitsamt. Mit den Themen Zwangsarbeit und Widerstand dagegen  hat sich Braeuner auch in einigen Texten beschäftigt, die durch die Mitarbeit von Unterstützer wie Thomas Bodenstein mittlerweile auch  im Internet veröffentlicht sind. Der Kontakt zwischen beiden Männern dürfte auch nach der Haftentlassung nicht abbrechen. Bodenstein hat auf der Veranstaltung betont, dass Braeuner nicht wie manch anderer Gefangener seine  ersten Tage in Freiheit in einem Obdachlosenasyl verbringen muss.   

https://www.neues-deutschland.de/artikel/191574.keine-post-mehr-vom-arbeitsamt.html?sstr=Werner|Braeuner

Peter Nowak

Beobachtung rechtswidrig

Verfassungsschutz durfte Daten nicht weitergeben
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) kassierte gleich zwei juristische Niederlagen gegen den Journalisten Friedrich Burschel.

Ein knappes Jahrzehnt war der Journalist vom Verfassungsschutz (VS) beobachtet worden. In seiner Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus unterschiedlichen Zeitungen auch Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar. Ein Negativvotum des VS hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Der VS hatte sich dabei auf die Erkenntnisse in der Akte gestützt. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS mit der Abgabe des Votums rechtswidrig gehandelt hatte. Die gleiche Kammer empfahl dem Amt im Dezember, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Das BfVS nahm den Vorschlag an.
„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen Linksextremisten fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Burschel zeigt sich gegenüber M über den juristischen Erfolg sehr erleichtert. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel ‘linksextrem’ eingebüßt“, erklärte der Publizist, der bei seiner Klage von ver.di unterstützt worden ist. Mit Verweis auf das VS-Dossier war Burschel im Focus und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Extremist diffamiert worden. Der Journalist sieht in dem Urteil auch ein Signal über seinen individuellen Fall hinaus: „Das Gericht hat sehr deutlich auf das Grundgesetz und Verfassungsgerichtsurteile rekurriert und festgestellt, dass Demonstrationsanmeldungen und zugespitzte journalistische Texte keine Beobachtung rechtfertigen.“ 

http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/recht/beobachtung-rechtswidrig

 Peter Nowak

Zu Unrecht verweigert

Klagen lohnt sich. Diese Erfahrung konnten im Jahr 2010 Kamil Majchzak (siehe M 12/2010) und Friedrich Burschel (in dieser Ausgabe) machen. Beiden Journalisten war die Akkreditierung zum G8- bzw. Natogipfel zu Unrecht verweigert wurden, wie die Gerichte feststellten. Schon die Datensammlung, die zu der Ablehnung führte, war rechtswidrig. Ende gut – alles gut? Leider nicht. Die Kollegen hatten finanzielle Einbußen, weil sie von den Gipfeln nicht berichten konnten. Burschel wurde von konservativen Medien in die Extremistenecke gestellt und verlor zweimal seinen Job. Noch immer sind im Internet die diskriminierenden Artikel mühelos zu finden.
Über das Burschel entlastende Urteil hingegen berichteten wenige Medien. Die Zeitungen, die so schnell mit Vorverurteilungen bei der Hand waren, brachten keine Zeile. Zudem waren nicht nur die beiden Journalisten von der Akkreditierungsverweigerung betroffen. Doch die anderen wollten den langen Rechtsweg nicht beschreiten, was auch Burschel und Majchzak nur mit Unterstützung von ver.di möglich war. Ihre juristischen Erfolge können auch nicht verhindern, dass bei kommenden politischen oder sportlichen Großereignissen wieder Journalisten ausgeschlossen werden. Denn die Urteile gelten nur für den konkreten Fall. Es kann aber nicht hingenommen werden, dass Journalisten keine Entschädigung bekommen, obwohl ihnen Gerichte bescheinigten, dass sie zu Unrecht an der Ausübung ihres Berufes behindert wurden. Ganz wichtig ist es jetzt, Vorsorge zu treffen, dass solche Einschränkungen der Pressefreiheit nicht mehr möglich sind.
Die Mittel liegen längst bereit. So haben sich die Journalisten- und Medienorganisationen dju in ver.di und DJV, gemeinsam mit ARD, ZDF, den Verlegerverbänden für Zeitungen und Zeitschriften, des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien und dem Deutschen Presserat auf Eckpunkte und Grundsätze zur Akkreditierung geeinigt (http://dju.verdi.de). Sie sehen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf die Akkreditierung eines Journalisten vor. Die soll nur noch verweigert werden können, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit der Veranstaltung stört.
Eine „falsche“ politische Einstellung würde dann zur Zurückweisung eines Journalisten nicht mehr ausreichen. Jetzt müssen diese Akkreditierungsgrundsätze auch von den Veranstaltern der Großereignisse akzeptiert werden. Dabei könnte eine größere öffentliche Debatte den Druck erhöhen.

 http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/kommentiert-aufgespiest-zu-unrecht-verweigert-ernuchternde-bilanz

Peter Nowak

Waterboarding für Studenten

Nicht nur viele Studierende haben hierzulande vor wenigen Monaten über die Bildungsproteste in Großbritannien gestaunt, die mit der Besetzung der Londoner Parteizentrale der regierenden Konservativen endeten. Diese Partei ist gemeinsam mit den Liberalen für das Sparpaket verantwortlich, das massive Kürzungen im Bildungssystem, eine Erhöhung der Studiengebühren und eine Abschaffung der Stipendien für weiterführende Schulen vorsieht. Dagegen richtete sich Ende letzten Jahres der Zorn von Studierenden, Schülern aber auch Gewerkschaftern. Der wurde via Medien und Internet europaweit verbreitet.

Über die Folgen, die die Proteste für manche Aktivisten hatten, wird dagegen wenig berichtet. Schon während der Besetzung des Tory-Parteibüros wurden dutzende Aktivisten festgenommen. Dieses Schicksal erlitten in den folgenden Wochen mehr als 60 Menschen, darunter zwölf Personen unter 18 Jahre.

Auch die Universitätsleitungen wurden in die Verfolgung einbezogen. So berichtete die Präsidentin der Studierendenversammlung an der Londoner Universität, Clara Solomon, dass eine Spezialeinheit von Scotland Yard, das »Counter Terrorism Command«, am 13. Januar die Direktoren von 20 Londoner Universitäten, Colleges und Schulen in einem Schreiben aufforderte, Namen und Adressen von Protestierenden herauszugeben. Mit der Verurteilung des 18-jährigen Studienanfängers und Besetzers des Tory-Gebäudes Edward Woollard zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sollte ein Klima der Abschreckung erzeugt werden. Manche Medien gingen noch einen Schritt weiter. Der Kommentator des regierungsnahen »Daily Telegraph«, Matthew D’Ancona, schrieb: »Ich denke, die meisten Beobachter sehen in den Umstürzlern verwöhnte Bälger, denen ein bisschen Waterboarding nicht schaden würde.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190632.waterboarding-fuer-studenten.html

Peter Nowak

Militanztexte vom Regierungsnetzwerk

Gefahrenprognosen sind ein mächtiges Mittel für Behörden, Meinungsfreiheit einzuschränken

Werden Demonstrationen verboten oder mit Auflagen eingeschränkt, hat die Polizei meist eine Gefahrenprognose erstellt, die vor Sicherheitsmängeln warnt. Die Prognosen sind schwer überprüfbar, aus Sicht der Behörden ist das kein Nachteil. Bürgerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Was fehlt, sind verbindliche Sanktionen, wenn mal wieder Jahre später die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde.

Ende Januar musste das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin noch einmal über das Agieren der Polizei beim G8-Gipfel von Heiligendamm entscheiden. Das Verbot eines Sternmarsches, mit dem G8-Gegner am 7. Juni 2007 gegen das Treffen protestieren wollten, wurde für rechtswidrig erklärt. »Wir sehen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mit dem Verbot unzulässig in das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen wurde«, heißt es in einer Erklärung von Attac.

Kritischer urteilte Ulrike Donat vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), die die Kläger vertrat: »Wieder einmal bekommen wir im Nachhinein recht – aber die Versammlung konnte nicht stattfinden.« Donat wies auch auf einen Schwachpunkt der Entscheidung hin. Denn das Gericht lehnte es ab, sich mit dem Wahrheitsgehalt der Polizeipropaganda zum Gefahrenpotenzial des Sternmarsches genauer zu beschäftigen.

Damit sprach sie einen Punkt an, der schon während und nach dem G8-Gipfel für Diskussionen sorgte. Damals hatten Menschenrechtsorganisationen und Demonstranten schwere Vorwürfe gegen die polizeiliche Sonderbehörde Kavala erhoben. Diese hatte gezielt Falschmeldungen gestreut, beispielsweise über Vermummungen und Steinewerfer oder angebliche Säureattacken durch Clowns. Diese Meldungen waren die Grundlage für die polizeiliche Gefahrenprognose, die zum Verbot des nun für rechtswidrig erkannten Sternmarsches führten.

Nicht nur im Zusammenhang mit Heiligendamm sind die polizeilichen Einschätzungen in der Kritik. So hatte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bereits im Jahr 2004 eine Pressemeldung gegen ein Demonstrationsverbot während des Castortransports mit dem Titel »Gegen Polizeipropaganda und falsche Gefahrenprognosen« überschrieben. Als willkürlich gilt auch die Gefahrenprognose der niedersächsischen Polizei für die vom DGB angemeldeten Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf, die vom NDR bekannt gemacht worden war. Die Polizei hatte Straßenkampf, Molotowcocktails und Steinwürfe vorhergesagt und auf ein allgemeines Demonstrationsverbot gedrängt. Dabei wollten die Nazigegner ein friedliches Straßenfest gegen Rechts organisieren.

Bei der Erstellung der Gefahrenprognosen stützen sich die Beamten zunehmend auf meist anonym im Internet kursierende Erklärungen. Die Herkunft der Texte bleibt meist unklar. Manchmal stößt man aber auch auf überraschende Quellen: So wurde Ende Januar bekannt, dass Aufrufe im Internet zur Militanz bei einer Demonstration gegen ein Kraftwerk von einem Server aus dem Netzwerk der britischen Regierung gepostet wurden. Das war durch die Überprüfung von IP-Adressen aufgeflogen. Mit diesen Texten hatten Behörden verschärfte Auflagen bei der Demonstration und die Beschlagnahme von Servern bei Aktivisten begründet.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190503.militanztexte-vom-regierungsnetzwerk.html

Peter Nowak

Führte deutsche Amtshilfe zur Festnahme in Kabul?

Auch nach der Freilassung eines Deutsch-Afghanen aus dem US-Militärgefängnis in Bagram bleiben viele Fragen offen
Haddid N. konnte in den letzten Wochen keine Vorlesungen in der Fachhochschule der Stadt Frankfurt/Main besuchen. Der Student des Bauingenieurswesens war am 8.Januar in Kabul von US-Militärs festgenommen worden und war bis zum 28. Januar im Militärgefängnis Bagram inhaftiert. Die US-Behörden erklärten, die Verhaftung habe sich in Einklang mit Kriegsvölkerrecht befunden.

Am letzten Freitag wurde N. aus der Haft entlassen und den deutschen Behörden übergeben. Erst wenige Tage zuvor war sein Fall in Deutschland bekannt geworden. Seine Schwester und sein Anwalt hatten auf einer Pressekonferenz in Frankfurt/Main darüber informiert. Erste Petitionen zur schnellen Freilassung von N. waren vor wenigen Tagen am Campus der FH Frankfurt aufgetaucht.

Auch nach seiner Freilassung bleibt die Frage offen, wie die US-Behörden in Afghanistan auf N. aufmerksam geworden sind, der in Kabul in den Weihnachtsferien seinen Vater besucht hatte. Gab es vor der Festnahme Hinweise deutscher Behörden auf die Anwesenheit von N. in Afghanistan? Die Angehörigen des Studenten haben diese Vermutungen öffentlich geäußert.

Es wird jetzt zu klären sein, ob und wie die US-Behörden von einem Ermittlungsverfahren erfahren hatten, dass die deutsche Justiz gegen N. angestrengt hatte. Im Oktober 2009 war er am Flughafen Frankfurt/Main festgenommen worden, als er nach Bahrain fliegen wollte. Gegen N. war ein Ausreiseverbot erlassen worden, weil es Vermutungen gab, dass er die Reise nutzen wollte, um sich in einem Terrorcamp ausbilden zu lassen. Im Zuge der Ermittlungen war auch sein Pass eingezogen worden. Weil sich der Verdacht nicht erhärtete, wurde das Verfahren im Juli 2010 eingestellt. Auch der Vorwurf, N. habe sich in den Informations- und Serviceleistungen] islamistisch geäußert, ließ sich nicht erhörten. Das Bundeskriminalamt hat bisher bestritten, Informationen über Ermittlungen gegen N. an die USA weitergeleitet zu haben, was nicht alle überzeugt.

Ungeklärter Drohnenangriff

Schnell werden Parallelen zu Bünyamin E. gezogen. Er ist mit anderen vermeintlichen Islamisten am 4. Oktober 2010 bei dem Drohnenangriff der USA in Nordpakistan getötet worden. Auch hier bleibt die Frage, ob deutsche Behörden den Aufenthaltsort von E. weiter verbreiteten.

Der Richter Thomas Schulte-Kellinghaus hat mittlerweile Anzeige gegen BKA-Chef Ziercke wegen Beihilfe zum Mord erstattet. Er will damit klären lassen, ob es im Vorfeld des Drohnenangriffs einen Datentransfer aus Deutschland gegeben hat.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149174

Peter Nowak

Linke kümmern sich um die Polizei

TREFFEN Auf Kongress diskutiert die Szene über Flüchtlings- und Sicherheitsfragen. Freitag Demo

Mit einer Demonstration und einem Kongress mobilisiert ein linkes Bündnis am Wochenende gegen den Europäischen Polizeikongress, der am 14. und 15. Februar in der Kongresshalle am Alexanderplatz tagen soll. Die linken KritikerInnen wollen am Samstag und Sonntag in der Schule für Erwachsenenbildung (SFE) im Mehringhof über die Flüchtlings- und Sicherheitspolitik im EU-Raum debattieren.

Dabei sind zahlreiche Referate geplant, etwa über den Einsatz von Satelliten und Drohnen zur Aufspürung von Flüchtlingen, über die aktuelle Entwicklung innerhalb Europas rechter Szene und über Techniken, mit der die europäischen Polizeibehörden schon im Vorfeld gegen abweichendes Verhalten vorgehen wollen. Eine Fotoausstellung über „Wut und Aufruhr in Griechenland“ soll daran erinnern, dass neben den Herrschaftsstrategien auch der Widerstand existiert. Linke Perspektiven im europäischen Rahmen sollen auch auf einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Risse in der Festung“ am Samstagabend zur Sprache kommen.

Schon am Freitag wollen linke Gruppen ab 19.30 Uhr am Rosenthaler Platz in Mitte mit einer Demonstration gegen den Polizeikongress Widerstand zeigen. Die OrganisatorInnen kündigen in einer Pressemitteilung an, sich den Polizeikontrollen kreativ entziehen zu wollen. Auch gegen die drohende Räumung der Liebigstraße 14 soll protestiert werden.

Die europäische Sicherheitspolitik beschäftigt die linke Szene auch über das Wochenende hinaus. So wird am 2. Februar im Friedrichshainer Stadtteilladen Zielona über den europaweiten Einsatz von verdeckten PolizeiermittlerInnen informiert, die auch in der linken Szene Berlins aktiv waren. PETER NOWAK

 Infos zu Demo und Kongress: http://outofcontrol.blogsport.de

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F01%2F28%2Fa0145&cHash=adf575620a

Peter Nowak

Solidaritätshacker oder Provokateure?

 

Die Gruppe Schwarzer Phönix hat zahlreiche linke Webseiten gehackt
„Wir haben die Accounts von 100 linken Gruppen und Einzelpersonen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen“, heißt in einer mit „Bewegung Schwarzer Phönix“ unterzeichneten Erklärung. Darin betont sie, in Solidarität mit den gehackten Initiativen aus dem antifaschistischen und sozialpolitischen Spektrum gehandelt zu haben. Man habe auf die gravierenden Sicherheitslücken im linken Mailverkehr hinweisen wollen, beteuern die Schwarzen Phönixe und verschweigen auch nicht, dass sie eine erzieherische Aufgabe verfolgen.
   

„Wir haben vor Sicherheitslücken gewarnt, doch wir wurden in den meisten Fällen ignoriert oder beschimpft. Eine Überprüfung der Sicherheitslücken fand in den meisten Fällen nicht statt.“ Ihre öffentliche Aktion wollen sie als Schuss vor den Bug der linken Internetgemeinde verstanden wissen. Sie erinnert daran, dass es schließlich nicht nur linken Inhalten wohlgesonnene Hacker gibt. Die könnten mit den gesammelten Daten viel Schaden anrichten. Schließlich seien den Solidaritätshackern laut eigenen Angaben auch „Protokolle von regionalen und überregionalen klandestinen Treffen“ und „Informationen über die Planung von politischen Aktionen“ in die Hände gefallen. Um an solche sensiblen Daten zu kommen, hätten sie nur die Passwort erraten müssen, dass oft identisch mit in linken Kreisen häufig verwendete Begriffen war und den Phönixen keine große Mühe kostete.

In ihrem Schreiben weisen die Hacker darauf hin, dass ausgerechnet der in linken Kreisen beliebte Email-Anbieter riseup.net im Stresstest in Sachen Internetsicherheit besonders schlecht abgeschnitten hat, und geben Tipps für mehr Sicherheit im Emailverkehr. Außerdem versichern sie allen vom Hacking betroffenen Gruppen, dass sie ihren Account zurück bekommen.

 

Account unverschlüsselt verschickt

Das müsste viele der Gruppen eigentlich freuen, denn durch den Hack sind die Passwörter blockiert und die betroffenen Initiativen können deshalb in letzter Zeit keine Mails versenden. Weil in großen Teilen der linken Szene die gesamte Aktion auf Unverständnis stößt, wird auch auf das Angebot der Accountübergabe mit Skepsis reagiert. Schließlich wisse niemand, wer hinter den Phönixen stecke, weshalb sich die meisten Gruppen um neue Zugangsdaten bemühen.

Das Misstrauen hat sich verstärkt, als bekannt geworden ist, dass auch die Phönixe nicht alle Sicherheitskriterien einzuhalten scheinen. So wurden dem Berliner Ermittlungsausschuss, der juristische und politische Unterstützung bei Festnahmen organisiert, von den vermeintlichen Solidaritätshackern drei gekaperte Emailaccounts per Mail zugeschickt. Sie sollten sie an die betroffenen Gruppen weiterleiten. Obwohl eine Verschlüsselung problemlos möglich gewesen wäre, hätten die Phönixe keinen Gebrauch davon gemacht, moniert der EA. Er wirft den Hackern vor, in populistischer Art und Weise auf die Sicherheitslücken und Schwachstellen in der digitalen Kommunikation hingewiesen zu haben, konzediert ihnen aber, auf ein reales Problem aufmerksam gemacht zu haben.

Damit hebt sich der EA von den im Internet kursierenden Mutmaßungen ab, den Phönixen sei es weniger um Solidarität mit der linken Szene, als um das Verbreiten von Verunsicherung gegangen. Einzelne Gruppen, wie das von Räumung bedrohte Berliner Hausprojekt Liebigstraße 14 sind in der Erklärung als besonders relevant bezeichnet worden. Deshalb habe man ihren Account nicht gekapert und wisse daher auch nicht, wie sicher ihre Daten seien.

Allerdings könnte man die Kaperaktion auch in die Tradition des Chaos-Computer-Club stellen. Hat er doch seit Jahren immer wieder durch das medienwirksame Hacken von Internetseiten auf Sicherheitslücken bei der digitalen Kommunikation aufmerksam gemacht. Allerdings gehörten zur Zielgruppen des CCC eher große Wirtschaftsunternehmen, staatliche Stellen und Behörden als die linke Szene.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34083/1.html

Peter Nowak

Rache oder Politik?

17 Kurden in Stuttgart vor Gericht

Was geschah am Abend des 8. Mai 2010 in der Lokalität Barfly in der Innenstadt von Nürtingen? Diese Frage sollen zwei Gerichtsprozesse klären, die gerade in Stuttgart begonnen haben. Angeklagt sind insgesamt 17 Männer und Jugendliche kurdischer Herkunft im Alter zwischen 18 und 33 Jahren.  Das Verfahren gegen neun  zur Tatzeit erwachsene Männer begann am   13 Januar mit einem großen Sicherheitsaufwand. Die  jugendlichen Beschuldigten stehen seit dem 17.Januar in einem abgetrennten Verfahren vor Gericht.   Für beide Prozesse  sind Termine bis Mitte März anberaumt. 49 Zeugen sollen vernommen werden.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, vermummt und mit Eisenstangen und Baseballschlägern bewaffnet, die von türkischen Nationalisten häufig besuchte Lokalität gestürmt zu haben. Dabei wurden drei Gäste und der Wirt am Kopf verletzt und mussten ärztlich behandelt werden. Nach der Version der Anklagebehörde hätten die  Beschuldigten bei dem Überfall tödliche Verletzungen in Kauf genommen. Deshalb sind alle Männer wegen versuchten  Mord und schweren Landfriedensbruch angeklagt.    Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Überfall einen Racheakt, weil wenige Tage vor der Aktion einige der Angeklagten mit Verweis auf ihre angebliche Nähe zur kurdischen Arbeiterpartei (PKK)  aus dem Lokal gewiesen worden seien. In der Stuttgarter Lokalpresse wurde diese Lesart weitgehend unkritisch übernommen. Das Verfahren wurde als „Prozess um Ehre und Stolz“ bezeichnet. Außerdem wurde die Aktion als Beispiel für kurdische Gewalt in deutschen Städten angeführt. Schon 2009, lange vor der Aktion, warnte    die Landespolizei vor der Zunahme kurdischer Gewalt und kündigte harte Reaktionen an.

 

Kritik an Ermittlungen
Ein Bündnis kurdischer und türkischer Initiativen und Antifagruppen widerspricht dieser Lesart und sieht in dem Verfahren eine Fortsetzung der Verfolgung kurdischer Linker durch deutsche Gerichte.      
In einem Aufruf kritisiert der Solidaritätskreis die Ermittlungen. Die Polizei habe die Aktion genutzt, um kurdische Strukturen zu durchleuchten. So wurden im Sommer 2010 die Wohnungen von ca. 40 kurdischen Familien im Raum Stuttgart durch ein Sondereinsatzkommando (SEK) durchsucht. Seitdem sitzen 17 junge Männer in ganz Baden-Württemberg verstreut in Untersuchungshaft. Das Solidaritätskomitee kritisiert auch, die Art wie die Polizei mehreren jungen Angeklagten eine Zusammenarbeit schmackhaft gemacht hat. Dabei sei die emotionale Bindung der  Eltern an ihre Kinder  ausgenutzt werden. Die Betroffenen und ihre Familien sein durch all diese Maßnahmen psychisch unter Druck gesetzt werden, so die Kritiker.
Zum Prozessauftakt  gaben sich die Angeklagten und Unterstützer kämpferisch. Am 12. Januar hatte das Solidaritätskomitee eine  Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt organisiert. Dort wurde auch ein kurzer Redebeitrag eines der Jugendlichen Untersuchungsgefangenen verlesen. Er verglich dort das Stuttgarter  Verfahren mit den Prozessen gegen linke Kurden in der Türkei. In den ersten Verhandlungstagen haben es die Angeklagten abgelehnt, sich zu den Tatvorwürfen zu äußern. Die Staatsanwaltschaft hat bei der Verlesung der Anklageschrift längere Haftstrafe für sie verlangt und eine Aussetzung zur Bewährung ausgeschlossen. 
 
https://www.neues-deutschland.de/artikel/188801.rache-oder-politik.html

Peter Nowak

Britischer Polizeispion war auch in Deutschland aktiv

Mark Kennedy spionierte über Jahre linke Bewegungen in 22 Ländern aus

Politische Aktivisten in ganz Europa kannten Mark Stone. Der 41jährige Brite beteiligte sich seit mehreren Jahren auch in Deutschland  an Veranstaltungen und Vorbereitungen von internationalen Protesten, unter Anderem 2009 gegen den Natogipfel in Straßburg.  So war das Entsetzung groß, als das Konterfei dieses Mannes in den britischen Medien auftauchte   und seine wahre Identität enthüllt wurde.
Stone hieß eigentlich Mark Kennedy  und arbeitete unter dem Alias-Namen Stone seit mindestens 2003 für die National Public Order Intelligence Unit (NCDE) bei Scotland Yard. „Die Einheit wurde Ende der 90er Jahre gegründet, um anarchistische und globalisierungskritische Gruppen oder die wachsende Tierrechtsbewegung auszuforschen. Die NCDE hat angeblich ein jährliches Budget von fast 10 Millionen Euro“, so der auf europäische Repression spezialisierte Journalist Matthias Monroy. Nach Recherchen des britischen Guardian war  Kennedy unter dem Alias-Namen Stone im letzten Jahrzehnt in  antirassistischen, klimapolitischen und globalisierungskritischen Protestbewegungen in 22 Ländern involviert.    Der Aktivist  Jason Kirkpatrick, seit vielen Jahren in der globalisierungskritischen Bewegung engagiert,  ist empört. „Ich dachte Stone ist ein Freund von mir und jetzt wird klar, dass er mich verraten hat.“ 

Wie Kirkpatrick, der in Berin lebt, geht es derzeit vielen anderen politischen Aktivisten.
Nach Erkenntnissen von Andrej Hunko, Bundestagsabgeorndeter der Linken,  interessierte sich  Kennedy in Deutschland auch für antifaschistische Zusammenhänge.  „Wir wissen jetzt von mindestens einem Vorfall, in dem Kennedy seine ‚Hilfe‘ gegen Nazi-Strukturen anbot“, erklärt Hunko. Er hatte einem in Deutschland lebenden  Aktivisten angeboten, wenn es „Nazi-Probleme“ gebe, diese „mit Freunden“ zu lösen. Er solle hierfür lediglich Hinweise geben. Hunko stellt auch die Frage, ob neben Scotland Yard auch deutsche Polizeibehörden in Kennedys Spitzelaktivitäten verwickelt waren. Die Bundesregierung schweigt  dazu. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Hunko heißt es:    „Hierzu werden aus einsatztaktischen Gründen weder Negativ- noch Positivauskünfte erteilt“. 
Wie der Einsatz von Polizeispitzel länderübergreifend koordiniert wurde, zeigte eine Entschließung  des Europäischen Rates vom Juni 20007. Dort heißt es:   „Bestehende rechtliche und praktische Hindernisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Bezug auf verdeckte Ermittler sollten im Interesse eines wirksamen Vorgehens gegen die grenzüberschreitende Kriminalität und im Interesse der beteiligten Polizeibeamten identifiziert und beseitigt werden“.
Die Spitzelaffäre dürfte nun auch auf einen von Aktivsten vorbereiteten  Kongress eine Rolle spielen, der am letzten Wochenende in Berlin stattfindet. Dort soll die europäische Sicherheitspolitik analysiert und kritisch auseinandergenommen werden.

http://www.neues-deutschland.de/suche/?and=Britischer+Polizeispion&search=1&modus=0&sort=1&x=14&y=10

Peter Nowak

„Er hat uns betrogen“

 Ein V-Mann von Scotland Yard hat jahrelang die linke Szene in Europa infiltriert. Wen Mark Kennedy in Deutschland ausgeforscht hat, sagt die Bundesregierung nicht

In globalisierungskritischen Kreisen war Mark Stone bekannt. Der 41-jährige Londoner organisierte in vielen europäischen Ländern Veranstaltungen und bereitete seit 2003 auch die Protestaktionen gegen Treffen von EU, G8 und Nato mit vor.

  Ein Polizist war als Spitzel in der britischen Umweltszene aktiv. Und nicht nur dort: Er bereiste 22 Länder und sammelte Informationen über linke Aktivisten Und so war der Schock bei vielen Aktivisten groß, als sie jetzt lesen mussten, dass der Vollzeitaktivist in Wahrheit Mark Kennedy heißt und seit 2003 europaweit linke Zusammenhänge infiltriert hat. Nach Recherchen des Freitag-Kooperationspartner Guardian war er im vergangen Jahrzehnt in antirassistischen, klimapolitischen und globalisierungskritischen Protestbewegungen in 22 Ländern involviert. Kennedy arbeitete für die National Public Order Intelligence Unit (NCDE) von Scotland Yard. „Die Einheit wurde Ende der neunziger Jahre gegründet, um anarchistische und globalisierungskritische Gruppen oder die wachsende Tierrechtsbewegung auszuforschen. Die NCDE hat angeblich ein jährliches Budget von fast zehn Millionen Euro“, sagt der auf das Thema spezialisierte Journalist Matthias Monroy. Jetzt hat er angeblich die Seiten gewechselt und verrät andere verdeckte Ermittler.

Kennedy alias Stone hat sich, so erinnern sich nun Aktivisten, nie auf politische Diskussionen eingelassen, dafür aber viel Wert auf persönliche Kontaktpflege gelegt. Mit seiner Vorgehensweise konnte der Agent in libertären Kreisen gut angekommen. Wie sehr in dieser Szene persönliche Bekanntschaften die Grundlage für gemeinsame politische Arbeit bilden, hat der israelische Aktivist Uri Gordon in Hier und Jetzt beschrieben. Vertrauen ist dabei die Grundlage der Zusammenarbeit, ideologische Debatten sind eher verpönt. Dass macht die oft sehr emotionalen Reaktionen nach Kennedys Enttarnung verständlich: „Er hat uns betrogen.“

Die länderübergreifende Arbeit verdeckter Polizeiermittler ist allerdings keineswegs neu. Man könnte bis zu den Karlsbader Beschlüsse aus dem Jahr 1819 zurückgehen, mit dem das Metternich-Regime die Ausbreitung der Ideen der Französischen Revolution bekämpfen wollte – eine erste länderübergreifend koordinierte Radikalenverfolgung gewissermaßen. Auch heute macht die Enttarnung verdeckter Agenten in regelmäßigen Abständen Schlagzeilen. Im Jahr 2000 sorgte die Aufdeckung des Verfassungsschutz-Mannes Manfred Schlickenrieder für Aufmerksamkeit. Der hatte Kontakte in der antiimperialistischen Szene Deutschlands, der Schweiz, Italiens und Belgiens für den Geheimdienst gespitzelt. Seine Legende als Mitarbeiter einer linken Filmgruppe hatte Schlickenrieder über Jahrzehnte aufgebaut.

Praktische Hindernisse beseitigt

Angesichts der immer stärker länderübergreifenden Protestaktionen vor allem der globalisierungskritischen Bewegung ist eine Zunahme der grenzüberschreitenden Spitzeltätigkeit der politischen Geheimdienste auch kein Wunder. In einer Entschließung des EU-Rats vom Juni 2007 heißt es: „Bestehende rechtliche und praktische Hindernisse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Bezug auf verdeckte Ermittler sollten im Interesse eines wirksamen Vorgehens gegen die grenzüberschreitende Kriminalität und im Interesse der beteiligten Polizeibeamten identifiziert und beseitigt werden“. Bisher allerdings hatte das Thema sowohl in der parlamentarischen wie in der außerparlamentarischen Linke einen eher geringen Stellenwert eingenommen.

Das beginnt sich nun zu ändern. So fordert Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken, die lückenlose Aufklärung des Falles „Kennedy/Stone“ mit Blick auf dessen Agieren in Deutschland. Bisher hat die Bundesregierung dazu keine Auskunft erteilt. Auf einen umfangreichen Fragenkatalog von Hunko antwortete das Innenministerium ausweichend, gibt aber zugleich einen ausführlichen Einblick in die europäische Kooperation beim Einsatz von verdeckten Ermittlern.

Auch die außerparlamentarische Linke, die sich gerade erst mit dem Heidelberger Fall eines enttarnten Verfassungsschutz-Mannes auseinandersetzen musste, widmet sich dem Thema mit weiterem Fokus. Unter dem Motto „Out of Control – Europa entsichern“ bereiten verschiedene Initiativen einen Kongress in Berlin vor, der sich Ende Januar kritisch mit der europäischen Sicherheitspolitik beschäftigen soll – nicht zuletzt mit Blick auf den Europäischen Polizeikongress, der Mitte Februar in der deutschen Hauptstadt stattfindet. Dass Beim linken Out of Control womöglich V-Leute irgendwelcher Geheimdienste dabei sind, wird man nun kaum noch für abwegig halten können.

http://www.freitag.de/politik/1102-er-hat-uns-betrogen

Peter Nowak

Spitzeln ohne Grenzen

EU: Verdeckte Ermittler in der Kritik

In den vergangenen Jahren haben sich linke Aktivisten verstärkt länderübergreifend vernetzt, um gegen EU-Treffen, G8-Gipfel und NATO-Konferenzen zu protestieren. Aber auch die Polizeikräfte koordinieren sich verstärkt. So wurde nach dem Castor-Transport vom November 2010 heftig darüber diskutiert, ob der Einsatz französischer Polizisten legal gewesen sei. Mittlerweile gerät auch der länderübergreifende Einsatz von verdeckten Ermittlern verstärkt in die Kritik.

Simon Brenner nannte sich der eingeschleuste Polizeispitzel, der in der linken Szene Heidelbergs enttarnt wurde. Er hatte sich nicht nur an den Castor-Protesten und vielen anderen inländischen Aktionen sondern auch an einem europaweiten antirassistischen Camp in Brüssel Ende September 2010 beteiligt. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau rief der V-Mann von dem Brüsseler Camp mit seinem Handy 47 Mal eine Nummer in Deutschland an. „Wählt man nun die Nummer, meldet sich ein Mann, der auf die Frage, ob er Angehöriger des Landeskriminalamts sei, sofort auflegt“, heißt es in der FR.

Auch in Großbritannien ist im Oktober 2010  ein in die linke Szene eingeschleuster Polizist mit europaweiten Kontakten enttarnt worden. Nach Recherchen des auf europäische Sicherheitspolitik spezialisierten Journalisten Matthias Monroy war der V-Mann unter dem Alias-Namen Mark Stone  „immer wieder bei Aktionen, Demonstrationen und Camps in EU-Staaten unterwegs und unternahm Fahrdienste oder verlieh großzügig seinen UMTS-Stick für mobiles Internet“.  Er sei häufig zu Besuch in Berlin gewesen und war auch bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 aufgetaucht.

 Kleine Anfrage mit vielen Lücken

Der Bundestagsabgeordnete der Linken Andrej Hunko wollte in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zum Komplex „Grenzüberschreitende Ermittlungen und Observationen“ wissen, wie verdeckte Ermittlungen  auf deutschen Hoheitsgebiet zustande kommen. „Hierzu werden aus einsatztaktischen Gründen weder Negativ- noch Positivauskünfte erteilt“, lautete die Antwort. Das war allerdings nicht die einzige unbeantwortete Frage. So sei der Bundesregierung die  Anzahl der grenzüberschreitenden verdeckten Ermittlungen nicht  bekannt, weil keine Statistiken darüber geführt werden. Über die Anzahl der von Deutschland ausgeliehenen verdeckten Ermittler an andere Länder lagen ebenso wenig Zahlen vor, wie über mögliche strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen   ausländische Polizeikräfte. Aufgeführt wurden in der Antwort auf die kleine Anfrage allerdings die verschiedenen bilateralen Verträge zwischen den europäischen Staaten, die die Grundlage für die grenzüberschreitenden Ermittlungen  bieten.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/187939.spitzeln-ohne-grenzen.html?sstr=verdeckte|Ermittler

Peter Nowak

Klagen lohnt sich

 

Journalist gewinnt gegen Geheimdienst
Der Extremismus-Vorwurf ist als Waffe gegen Links recht wirksam. Gerichtsfest ist er nicht. Dies belegt der Fall eines Journalisten, der die Einstellung seiner geheimdienstlichen Beobachtung und Löschung seiner VS-Akte erreichte. Die Gerichtsentscheidung stärkt die Pressefreiheit in Zeiten der Extremismusdokrin

2:0 lautet der Ausgang des Matchs Friedrich Burschel gegen Geheimdienst. Der Publizist wehrte sich dagegen, dass ihn das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) seit einem Jahrzehnt beobachtet und in der Schublade »Linksextremismus« abgelegt hat. Die Stigmatisierung zum gefährlichen »Linksextremisten« fiel vor Gericht vollständig zusammen.

Die Einschätzung des Geheimdienstes fußte auf Artikeln, die Burschel zu Themen wie Antirassismus und Antifaschismus geschrieben, sowie auf Demonstrationen, die er angemeldet hatte, etwa den Weimarer Ostermarsch oder eine antifaschistische Demonstration in Gera. Aufgrund eines Negativvotums des BfVS entzog ihm das Bundespresseamt 2007 eine schon erteilte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm.

Nun hat der Journalist vor Gericht die Löschung der VS-Dossiers und die Einstellung seiner Überwachung erreicht. Das Bundesamt nahm einen vom Verwaltungsgericht Köln angebotenen Vergleich an. Das Gericht stellte die Texte des Klägers und seine Demonstrationsanmeldungen dezidiert unter den grundgesetzlichen Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es akzeptierte einen einzigen Artikel aus dem Jahr 2000 als Auslöser von geheimdienstlicher Tätigkeit, wies jedoch zugleich darauf hin, dass das nicht genug sei, Burschel zehn Jahre lang zu beobachten und einzuschränken.

Vor einem Jahr hatte das Kölner Gericht bereits die Beurteilung des Verfassungsschutzes für rechtswidrig erklärt. Es sei nicht ersichtlich geworden, dass Burschel für den G8-Gipfel eine Gefahr darstelle, urteilte es damals.

Die behördliche Stigmatisierung hatte spürbare Folgen für den Journalisten. Zweimal habe er durch den Stempel »linksextrem« seinen Job eingebüßt, erklärte Burschel. In der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« wurde er als Beispiel angeführt, dass Linksradikale in Initiativen zum Kampf gegen Rechts involviert seien und dort auch Gelder verwalten. Der Beweis des FAS-Autors: die rechtswidrige Verweigerung der Akkreditierung.

Auch wenn die Entscheidung nur für den konkreten Fall gilt, sieht Burschels Anwalt Alexander Hoffmann darin eine Ermutigung »nicht nur für Journalisten«, die vom Linksextremismus-Vorwurf betroffen sind. Journalisten haben sich zwar schön öfter erfolgreich gegen Akkreditierungsverweigerungen gewehrt. Die wenigsten klagten jedoch auf Löschung der Daten, die für die Entscheidung verantwortlich waren. Dabei hatte nicht nur Burschel damit Erfolg. Auch andere Gerichte entschieden bereits zu Gunsten von Journalisten, etwa im Fall von Matthias Monroy, der auf Gipfelproteste spezialisiert ist, oder im Falle des Publizisten Kamil Majchrzak, der für die polnische Ausgabe der »Le Monde Diplomatique« arbeitet.

Rückendeckung und Rechtsschutz bekam Burschel in seinem Verfahren von ver.di. Die Vorsitzende der Journalisten-Fachgruppe Ulrike Maercks-Franzen mahnt eine Änderung der Akkreditierungspraxis bei sportlichen und politischen Großveranstaltungen an, die die Rechte der Journalisten stärkt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/187008.klagen-lohnt-sich.html

Peter Nowak

Journalist stoppt Überwachung

LINKSEXTREMISMUS Der Verfassungsschutz darf einen freien Journalisten nicht mehr observieren. Verdächtig machte ihn auch ein Aufruf zum Ostermarsch
BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) darf den Journalisten Friedrich Burschel nicht mehr observieren lassen. Es kassierte in dieser Woche nun die zweite juristische Niederlage gegen den von ihnen als linksextrem eingestuften Burschel.

Ein Negativvotum des Verfassungsschutzes hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G-8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS rechtswidrig gehandelt hatte. Dieselbe Kammer empfahl jetzt dem Amt, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Dieses nahm den Vorschlag an.

Gegenüber der taz äußerte sich Burschel erleichtert über den juristischen Erfolg. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel „linksextrem“ eingebüßt, erklärte der Publizist.

Die Aufmerksamkeit der Verfassungsschützer erregte Burschel mit einem Artikel, in dem er sich kritisch mit der Kronzeugenregelung im Verfahren um die Revolutionären Zellen auseinandersetzte. In Burschels Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus verschiedenen Zeitschriften auch zahlreiche Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar und einer Antifademonstration in Gera.

„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen ,Linksextremisten‘ fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Damit könne auch für andere Personen, die von einem amtlichen „Linksextremismus“-Vorwurf betroffen sind, ein Anreiz geschaffen werden, dagegen juristisch vorzugehen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2010%2F12%2F22%2Fa0057&cHash=d402bf4d37

Peter Nowak

Datenweitergabe rechtswidrig

Gericht stärkte Rechte von Journalisten

Das Wiesbadener Verwaltungsgericht hat kürzlich mit einer Entscheidung die Rechte von Journalisten gestärkt, die sich bei Großveranstaltungen akkreditieren wollen. Danach ist die Weitergabe von Journalistendaten an das NATO-Hauptquartier rechtswidrig.

Geklagt hatte Kamil Majchrzak, der unter anderem für die polnische Ausgabe der Le Monde Diplomatique berichtet. Für diese Zeitung wollte er auch über den NATO-Gipfel schreiben, der im April 2009 in Straßburg, Baden-Baden und Kehl stattgefunden hatte. „Ich hatte bereits im Januar 2009 über das Internet eine Akkreditierung beantragt. Die NATO übermittelte meine persönlichen Daten daraufhin dem BKA. Die Behörde in Wiesbaden glich diese mit dem polizeilichen Informationssystem INPOL ab. Auf dieser Grundlage empfahl das BKA der NATO, die Akkreditierung abzulehnen“, berichtet Majchrzak.
für die Datenweitergabe habe die gesetzliche Grundlage gefehlt, so das Wiesbadener Gericht. Das BKA dürfe laut Gesetz personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte oder an eine internationale kriminalpolizeiliche Organisation übermitteln. Diese Voraussetzungen träfen aber nicht auf das NATO-Hauptquartier in Brüssel zu.
Es war nicht der erste juristische Erfolg, den Majchrzak mit Unterstützung von ver.di errungen hat. Schon Anfang April 2009 verpflichtete die 6.Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden das Bundeskriminalamt per Einstweiliger Anordnung, die negative Stellungnahme zur Presseakkreditierung zurückzunehmen. Bei dem Vorgang, so das Gericht, habe es sich um die Übermittlung personenbezogener Daten und damit um einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gehandelt. Das BKA legte gegen diese Entscheidung mit Erfolg Beschwerde ein. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hob die Eilentscheidung aus formalen Gründen auf. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Journalisten nun in der Sache Recht gegeben, aber Revision zugelassen.
Der Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, der Majchrzak juristisch verteidigte, sieht in dem jüngsten Wiesbadener Urteil, das inzwischen rechtskräftig ist, positive Signale für die Rechte der Journalisten über den Fall seines Mandanten hinaus. „Die Entscheidung enthält insbesondere für die internationale Kooperation bei Akkreditierungsverfahren wichtige Hinweise. Nachdem sich für den Betroffenen und eine Anzahl anderer Journalisten schon zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm gezeigt hatte, dass die Datenabfragen vor Akkreditierungen rechtswidrig waren, kann diese Praxis jetzt auch für die NATO und andere internationale Organisationen nicht fortgesetzt werden, erklärte der Anwalt gegenüber M. Die Vorsitzende der dju Ulrike Maercks-Franzen mahnt eine Änderung der Akkreditierungspraxis bei sportlichen und politischen Großveranstaltungen an. Die dju hat sich zusammen mit dem Deutschen Presserat, der ARD und Verlegerverbänden auf Grundsätze und Eckpunkte bei der Akkreditierung geeinigt. Danach sollen Journalisten einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Akkreditierung haben. Eine Ablehnung dürfe nur möglich sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit stören könnte. Er muss darüber so rechtzeitig informiert werden, dass er Gelegenheit zu einer Stellungnahme hat.

http://mmm.verdi.de/archiv/2010/12/recht/datenweitergabe-rechtswidrig

   Peter Nowak