Stärkung des Demonstrationsrechts

Sitzblockaden sind nicht automatisch strafbar. Das ist das Resümee einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März.

Geklagt hatte ein Frankfurter, der im März 2004 zusammen mit 40 weiteren Aktivisten aus Protest gegen den Irak-Krieg eine Zufahrt zu einem US-Stützpunkt blockiert hatte. Daraufhin wurde er vom Amtsgericht Frankfurt wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun fest, dass diese Verurteilung den Angeklagten in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, festgeschrieben in Artikel 8 des Grundgesetzes, verletze. Die Richter in Frankfurt hätten die Angemessenheit der Gewaltanwendung berücksichtigen müssen. So sei die Aktion im Vorfeld angemeldet worden und es standen Ausweichstrecken zur Verfügung. Der Fall muss nun vor dem Landgericht Frankfurt neu verhandelt werden.
 

In der Begründung ihrer schreiben die Richter:
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 Der Umstand, dass die gemeinsame Sitzblockade der öffentlichen Meinungsbildung galt – hier: dem Protest gegen die militärische Intervention der US-amerikanischen Streitkräfte im Irak und deren Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland -, macht diese erst zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG.
Die Richter machten ihren Kollegen von der Vorinstanz zudem klar, dass die Demonstranten selber über den Ort ihrer Proteste entscheiden.
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 Der Argumentation des Landgerichts, dass die unter Umständen betroffenen US-amerikanischen Staatsbürger und Soldaten die Irakpolitik der US-amerikanischen Regierung nicht beeinflussen könnten, so dass die Aktion von ihrem Kommunikationszweck her betrachtet ungeeignet gewesen sei, scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass ein derartiger Sachbezug nur dann besteht, wenn die Versammlung an Orten abgehalten wird, an denen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger und Repräsentanten für die den Protest auslösenden Zustände oder Ereignisse aktuell aufhalten oder zumindest institutionell ihren Sitz haben. Eine derartige Begrenzung auf Versammlungen im näheren Umfeld von Entscheidungsträgern und Repräsentanten würde jedoch die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit mit unzumutbar hohen Hürden versehen und dem Recht der Veranstalter, grundsätzlich selbst über die ihm als symbolträchtig geeignet erscheinenden Orte zu bestimmen, nicht hinreichend Rechnung tragen.
Klar wird auch erklärt, dass nicht jede Behinderung als „unfriedlich“ gelten kann:
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 Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.

Auch Antifa-Blockaden angemessen?

Die Entscheidung dürfte auch über den aktuellen Fall hinaus Bedeutung haben. Besonders die Blockade eines Neonaziaufmarsches in Dresden sorgte für große Diskussionen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Bautzen im Januar 2010 entschieden hatte, die Polizei hätte eine antifaschistische Blockade im Jahr 2010 auflösen und den Rechten ihr Demonstrationsrecht gewährleisten müssen.

Gegen zahlreiche Menschen, die sich im Februar 2011 abermals an Blockaden gegen den rechten Aufmarsch in Dresden beteiligten, ermittelt die Polizei. Gegen das für die Blockaden verantwortliche Bündnis Dresden nazifrei wird sogar nach dem Paragrafen §129 wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt sich die Frage, ob auch die Blockaden gegen den rechten Aufmarsch angemessen sind oder nicht.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34462/1.html

Peter Nowak

Bespitzelte wollen’s wissen

Verfassungsschutz den von ihm Beobachteten Akteneinsicht schuldig ist Muss der Berliner Verfassungsschutz den Personen, die er beobachtet, Akteneinsicht geben?
Um diese Frage geht es am heutigen Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht. Dort geht ein von AktivistInnen des Berliner Sozialforums eingeleitetes Verfahren in die zweite Runde. Das Forum war seit seiner Gründung 2002 bisSommer2006 von mindestens vier V-Leuten des Bundesamts für Verfassungsschutz beobachtet worden. Das Landesamtwiederum setzte mindestens einen V-Mann, der seit über 10 Jahren in „autonomen Kreisen aktiv war, auf das Sozialforum an und verwertete die Daten
des Bundesamts eifrig mit.

Nachdem die Bespitzelungbekannt geworden war, stellten 20 Personen beim Landesamt für Verfassungsschutz Anträge auf Auskunft über Überwachung und Akteneinsicht. Es handelt sich um Personen, die entweder im Sozialforum aktiv waren oder Veranstaltungen der Initiative besuchten und dadurch ins Visier der Beobachter geraten sein können. Diese Anträge wurden
nicht nur ausgesprochen schleppend bearbeitet – sie wurden allesamt mit der pauschalen Begründung abgelehnt, dass sie Aufschlüsse über die Arbeitsweise und Quellen des Verfassungsschutzes ermöglichen würden.
Dagegen hatte das Mitglied des Sozialforums Wilhelm Fehse geklagt und im Januar 2008 einen Teilerfolg errungen. Das Verwaltungsgericht urteilte damals, die Behörde könne solche Auskünfte nur verweigern, um die
Enttarnung von V-Leuten zu verhindern. Das müsse sie allerdings in jedem Einzelfall begründen.  Eine grundsätzliche Ablehnung
von Auskunftsansprüchen sei nicht möglich, so der Vizegerichtspräsident Hans-Peter Rueß in der Begründung. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil die Innenverwaltung Berufung beim Oberverwaltungsgericht einlegte. Sollte das Urteil nun vor dem Oberverwaltungsgericht Bestand haben,muss der Verfassungsschutz alle Anträge auf Akteneinsicht neu entscheiden. Fehses Verteidiger, Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, geht davon aus, dass in diesem Fall „die Behörden bei den Anträgen auf
Akteneinsicht deutlich auskunftsfreundlichere Maßstäbe als bisher anwenden müssen“.

Grottian bleibt kritisch

Der emeritierte Berliner Politologieprofessor und Sozialforums-Aktivist Peter Grottian,Grottian, der als einziger der Betroffenen Akteinsicht erhalten hatte, beurteilte das Urteil allerdings auch kritisch, weil es die Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung offenlasse.  „Bisher ist man bei der Behörde mit einem Auskunftsersuchen gegen eine  Wand aus Stein gerannt. Künftig rennt man gegen eine Wand aus Gummi.“ Auch Kläger Fehse warnt vor Euphorie und verweist auf die politische Dimension: „Insgesamt bleibt der Verfassungsschutz weiter ohne öffentliche und parlamentarische Kontrolle.“ Trotzdem ruft das Sozialforum zum regen Besuch der Berufungsverhandung auf. Sie beginnt um 12 Uhr vor dem Oberverwaltungsgericht in der Hardenbergstraße31 (am Bahnhof Zoo).
PETER NOWAK

aus:    DIE TAGESZEITUNG.  MITTWOCH, 30. MÄRZ 2011 

 

 

Wutbürger bei der Linken nicht angekommen

 

Die gestrigen Wahlen hatten einen Verlierer, der in der Berichterstattung kaum auftauchte: die Linkspartei

In beiden Bundesländern verfehlte sie mit knapp 3 Prozent die Hürde eindeutig. In Rheinland-Pfalz hatte sich die Partei lange mit internen Streitereien beschäftigt. Daher war auch parteiintern nicht mit einen Einzug in den Landtag gerechnet worden. Mehr Hoffnung machte sich die Partei in Baden-Württemberg, wo die Linke im Mittelbau einiger Gewerkschaften verankert ist.

Zudem hoffte man, auch ein wenig von der Politisierung durch Stuttgart 21 zu profitieren. Schließlich war mit Gangolf Stocker, einer der zentralen Gegner des Bahnprojekts, mehrere Jahre Geschäftsführer der PDS in Baden-Württemberg. Auch kursierten kurz vor der Wahl Aufrufe, S21-Gegner sollten aus taktischen Gründen die Linke wählen, um ein Korrektiv im Parlament zu haben, falls die Grünen nach der Wahl feststellen, dass das Bahnprojekt nicht mehr zu verhindern ist.

Das Wahlergebnis zeigte, dass solche Überlegungen an der Basis der S21-Gegner kaum befolgt wurdem. Profitiert hatten – sowohl von der durch das japanische AKW-Desaster angestoßenen neuen Ausstiegsdebatte in Deutschland als auch von Stuttgart 21 – allein die Grünen. „Die Wutbürger“ sind bei der Linken nicht angekommen, hieß es in einer Wahlanalyse der Süddeutschen Zeitung.

Durch die Konzentration auf diese Themen sind soziale Fragen, bei denen sich die Linke gegenüber den Grünen hätte profilieren können, in den Hintergrund getreten. Auch mit dem Thema Antimilitarismus konnte die Linke nicht punkten, obwohl führende Grüne die Bundesregierung kritisiert haben, weil die beim Krieg gegen das libysche Regime zu wenig Engagement zeigt. Auch wenn dieser Kurs, wie die rege Leserbriefdebatte in der grünennahen Taz zeigt, an der Basis durchaus nicht nur auf Zustimmung stößt, schadet er den Grünen zur Zeit nicht.

Wenn das Wahlergebnis auch deutlich macht, dass die Zeiten vorbei sind, als die Linke überall auf Erfolgskurs schien, wird es eher als lokales Ereignis abgeheftet und dürfte wenig Folgen für die Debatte in der Bundespartei haben. Sollte die Linke allerdings aus einem Landesparlament, wo sie schon Einzug gehalten hat, wieder rausgewählt, was bei Neuwahlen in NRW ebenso möglich wäre wie bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, könnte auch die Politik der Bundespartei wieder zur Diskussion stehen.

Werbung für das soziale Berlin

Man schaut nach vorne: Der 27.September ist für die Linke ein wichtiges Datum. Dann tritt sie in Berlin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl als Regierungspartei an. Eine Initiative Berliner Mitglieder spricht sich für eine konsequente Oppositionspolitik aus. Dieser Stimmung wurde beim Berliner Landesparteitag der Linken insoweit Rechnung getragen, als die Linke sich als Mieter- und Sozialstaatspartei präsentierte und dabei sogar begrenzte Konflikte mit ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner wagte.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149545

Peter Nowak

 

Nazi-Aufmarsch für Horst Mahler

Unter dem Motto »Freiheit für Horst Mahler« wollen Neonazis am heutigen Sonnabend vor dem Gefängnis in Brandenburg/Havel aufmarschieren.

Mahler, der einst zur Rote Armee Fraktion gehörte und vor knapp zehn Jahren endgültig im Lager der extremen Rechten ankam, ist in Brandenburg inhaftiert.
Horst Mahler sitzt in Brandenburg/Havel seit Oktober 2009 eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Holocaustleugnung, Beleidigung und Volksverhetzung ab. Seitdem gilt er bei etlichen Rechtsextremisten als Märtyrer für die Meinungsfreiheit. Bei der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene steht der ehemalige Rechtsanwalt an vorderster Stelle der zu unterstützenden Personen.

 Vorwürfe aus der Zelle
Allerdings ist die Unterstützung für Mahler im rechten Lager begrenzt. Eine Internetpetition für seine Freilassung unterzeichneten nur wenige Menschen. Der Initiator der Petition, Kevin Käther, gehört gemeinsam mit Wolfram Nahrath, dem einstigen Bundesführer der verbotenen Wiking-Jugend, zu den Anmeldern der Kundgebung. Heftige Kritik mussten sich die Veranstalter von ihrem Idol gefallen lassen. Mahler warf ihnen in einen Brief aus dem Gefängnis vor, ihm mit der Forderung nach Abschaffung des Volksverhetzungsparagrafen 130 juristisch in den Rücken zu fallen.

Die Polizei konnte über die erwartete Teilnehmerzahl des rechten Aufmarsches keine Angaben machen. Die Neonazi-Organisation Freie Kräfte Neuruppin/Westhavelland unterstützt die Kundgebung.

Gegenproteste angekündigt
Antifaschisten haben Proteste angekündigt. Im Aufruf wird der Nazi-Aufmarsch als Zeichen eines immer selbstbewussteren Neonazismus gedeutet. Holocaustleugner wie Mahler seien die Spitze einer breiteren antisemitischen Strömung. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und die Linksjugend solid mobilisieren. Man wolle den Neofaschisten zeigen, dass es für sie keinen Boden in Brandenburg an der Havel gibt, heißt es.

»Wir wollen uns in einem breiten Bündnis und mit Unterstützung der Bevölkerung einer Kundgebung entgegenstellen, die den Mord an Millionen Menschen während des Zweiten Weltkriegs leugnet und faschistischem, rassistischem und revisionistischem Gedankengut ein Forum bieten will«, erklärte Michaela Trenner von der Linksjugend. Die Demonstration der Antifaschisten soll um 12 Uhr beginnen. Als Treffpunkt wird die Straßenbahnhaltestelle »Asklepios Klinik« angegeben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/194056.nazi-aufmarsch-fuer-horst-mahler.html

Peter Nowak

Internetmobbing auf den Index?

Ein Mobbingfall in Berlin und die Folgen
„Karin fehlt heute ohne Entschuldigung.“ Solche Schülerprosa gehört eher zu den harmloseren Postings, die auf der Mobbingplattform „I share Gossip“ zu finden sind. Oft werden dort missliebige Jugendliche mit realen oder erfundenen Geschichten öffentlich kompromittiert. Es kam deshalb schon zu Selbstmordversuchen. Vor einigen Tagen geriet die Mobbingseite wieder in die Schlagzeilen, weil die Angriffe nicht nur virtuell blieben.

Ein Jugendlicher wurde bei einer Schlägerei zwischen zwei Jugendgruppen im Berliner Stadtteil Wedding schwer verletzt. Die Boulevardpresse hatte ein neues Thema entdeckt. Dann schaltete sich auch die Politik ein. Bundesjugendministerin Kristina Schröder hat angekündigt, konsequent gegen Mobbing-Seiten im Internet vorgehen zu wollen.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien will die Webseite auf den Index setzten. Dann wäre sie nicht mehr über Suchmaschinen aufzurufen. Zuvor hatte der Vorsitzende des Berliner Landeselternausschusses eine Abschaltung der Mobbingseite gefordert. Das ist aber gar nicht möglich, weil sich der Server im Ausland befindet. Angemeldet wurde die Webseite in den USA. Daher könnte sie nur auf Anordnung eines US-Gerichts aus dem Netz genommen werden. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main gegen die Betreiber blieben bisher erfolglos, weil die anonym sind.

Schwerpunkt Medienerziehung

Doch es gab in der aufgeheizten Stimmung um die Mobbingseite auch Stimmen, die nicht in erster Linie auf Repression und Verbote setzten. So empfahl der Schulleiter der Carl-Bosch-Schule Dietmar Weißleder, die von der Gemobbten und einigen ihrer Kontrahenten besucht wird, die Schüler sollen sich durch die Kommentare nicht aufhetzen lassen. Generell solle man an der Schule jetzt keine Bedrohungsszenarien aufbauen und dem Thema „I share gossip“ nicht zu viel Raum geben. „Ich finde es falsch, dass bei allen gesellschaftlichen Problemen immer die Schule verantwortlich gemacht wird“, betonte Weißleder.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner erklärte:

„Jugendliche benötigen unsere Unterstützung, um sich Medienkompetenz anzueignen und mit dem PC, dem Internet und Handy verantwortlich umzugehen.“

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat sich zur Diskussion um die Mobbingseite nicht geäußert. Allerdings heißt es in der Stellungnahme zum mittlerweile gescheiterten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag:

„Indizierungen, Verbote und Filter überdecken die Notwendigkeit einer ethisch-moralischen Diskussion, die zu einem tragfähigen freien Kodex des Selbstschutzes führen würde.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149525

Peter Nowak

Schwierige Solidarität

Seit dem 04. Februar 2010 ist Tommy Tank in Haft.

Dem 24-Jährigen wurde vorgeworfen, Aktivist der „Militanten Gruppe Leipzig“ (MGL) und an mehreren ihrer Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Ende August 2010 wurde er vor dem Leipziger Landgericht zu drei Jahren und sechs Monaten Haft wegen schwerer Brandstiftung, Störung des öffentlichen Friedens und versuchten Diebstahls verurteilt. Es gab nach seiner Festnahme und auch während des Verfahrens wenig Solidarität mit Tank. Selbst in linken Medien wurde kaum über diesen Fall berichtet. Teile der Leipziger Linken übertrugen ihre Ablehnung gegenüber der Leipziger Militanten Gruppe auf Tommy Tank, obwohl der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und keine Angaben zu den Vorwürfen der Anklagebehörde machte, Mitglied der MGL zu sein. Er bekannte sich lediglich zu einem versuchten Einbruchsversuch in einen Computerladen, in dem er längere Zeit gearbeitet hatte. Erst als die Arge sein Beschäftigungsverhältnis nicht mehr finanzierte, musste er die Tätigkeit beenden. Deswegen sagte die Anwältin von Tank, Rita Belters, in ihrem Plädoyer in Bezug auf ihren Mandaten: „Wenn überhaupt, dann hätte er schon die Arge anzünden müssen, denn die hat seine Existenz zerstört.“ Weil sie noch ergänzte, dass er für eine solche Aktion wahrscheinlich Zustimmung in der Bevölkerung bekommen hätte, erntete sie wütende Reaktionen von Seiten der Arge und der Leipziger Lokalpresse. Streit um den

Status als politischer Gefangener

 Auch in linken Kreisen gab es viele Stimmen, die Tommy Tank den Status als politischer Gefangenen absprachen. Mit Verweis auf seine problematische Kindheit wurde erklärt, dass der Mann psychische Probleme habe. Auch auf Seiten der Justiz gab es ähnliche Überlegungen. Wie die örtliche Leipziger Presse während des Prozesses gegen Tank meldete, bestand durchaus die Gefahr, dass er nach einem Schuldspruch in eine geschlossene psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Ein Gutachter beobachtete den nach Presseangaben „hochintelligenten Angeklagten“, um festzustellen, ob sich eine früher diagnostizierte Persönlichkeitsstörung verschlimmert habe. Gleichzeitig verneinte auch die Justiz einen politischen Hintergrund der Tank vorgeworfenen Anklagepunkte. So erklärte der in dem Verfahren zuständige Richter Jens Kaden: „Linke Ideen sind ihm völlig egal, er kümmert sich nur um sich.“ Auch spiele es keine Rolle, ob es die Militante Gruppe gebe, ob der Angeklagte dazugehöre oder ein Trittbrettfahrer sei.

Besondere Haftbedingungen

Trotz dieser Entpolitisierungsversuche ist Tank seit seiner Inhaftierung besonderen Haftbedingungen unterworfen, wie sie auch bei politischen Gefangenen bekannt sind. So wurden die Namen aller BesucherInnen seines Prozesses notiert, eine Beschwerde von Tanks Anwältin dagegen abgewiesen. Legale Publikationen, wie das Gefangenen Info (GI) und der Direct-Action-Kalender, wurden entweder schon bei der Zustellung zur Habe genommen oder bei der Zellendurchsuchung beschlagnahmt. Tank schrieb zur Beschlagnahme von drei Ausgaben des Gefangenen Infos im Sommer 2010: „Am 17.06. wurde ich gefragt durch einen Herrn Fuhrmann, auf welchem Weg mich die GI erreichten. Kurz danach rief er beim Sicherheitsbeamten der JVA an und teilte mir mit, dass der VS die GI angefordert habe und die Anstalt die drei Ausgaben dorthin schickte.“ Es ist sehr wahrscheinlich, dass durch die Beschlagnahme die Kommunikation zwischen Tank, anderen Gefangenen sowie UnterstützerInnen draußen erschwert werden soll. Hat er doch großes Interesse an politischer Auseinandersetzung gezeigt. So schreibt er in einem Brief über einen in Deutschland nach Paragraph 129b abgeurteilten türkischen Linken: „Noch mehr rührte mich die Situation Faruk Ererens. In einem Brief vom 7.11. schreibt er, sehr allein zu sein, dass ihm der Kontakt zu Menschen fehle und dass er versucht, sich mit Büchern und der Schreibmaschine zu beschäftigen. Faruk habe seit Monaten keinen Umschluss gehabt, weil die JVA niemanden finde, der mit ihm zusammengeschlossen werden könne. Darüber bin ich zutiefst gerührt. Diese Isolation ist sehr schädlich für die Menschen. Es dürfte nichts geben, was dieses Wegschließen rechtfertigt. Da geht man doch kaputt dran… Es darf nicht vergessen werden. dass es hier in Deutschland und in anderen Ländern diese „weiße Folter“ gibt. Eine schon zu RAF-Zeiten praktizierte Form, um die Leute zum Auspacken zu bringen. Lasst euch nicht brechen, das wünsche ich den Betroffenen.“ Es ist fraglich, ob diejenigen in der Linken, die Tank eine politische Motivation absprechen und seinen Status als politischer Gefangener in Zweifel ziehen, er in einem Brief über einen in Deutschland nach Paragraph 129b abgeurteilten türkischen Linken: „Noch mehr rührte mich die Situation Faruk Ererens. In einem Brief vom 7.11. schreibt er, sehr allein zu sein, dass ihm der Kontakt zu Menschen fehle und dass er versucht, sich mit Büchern und der Schreibmaschine zu beschäftigen. Faruk habe seit Monaten keinen Umschluss gehabt, weil die JVA niemanden finde, der mit ihm zusammengeschlossen werden könne. Darüber bin ich zutiefst gerührt. Diese Isolation ist sehr diese Briefe überhaupt gelesen haben. AktivistInnen des Netzwerks für politische Gefangene, des Gefangenen Infos, der Roten Hilfe Magdeburg und anderer linker Gruppen haben die Kommunikation mit Tank in Form von Besuchen und Briefen aufgenommen und organisieren Informationsveranstaltungen.

http://www.18maerz.de/web/media/files/rh-zeitung-180311_web.pdf

Peter Nowak

aus Sonderausgabe der roten hilfe, März 2011

Droht neuer Krieg zwischen Israel und Gaza?

Der Bombenanschlag in Jerusalem verschärft die Situation erheblich
Eine Frau wurde getötet und mindestens 30 Personen sind verletzt worden, als heute gegen 15 Uhr eine Bombe in einem Bus im Zentrum Jerusalems explodierte. Nach Regierungsangaben hatten die Attentäter die Bombe in einer Tasche auf dem Busbahnhof versteckt. Die Explosion traf einen Bus der Linie 174, der nach Maale Adumim, einer jüdischen Siedlung im Westjordanland fahren sollte. Die Polizei sperrte den Anschlagsort ab und suchte mit Spürhunden nach möglichen weiteren Sprengsätzen in der Umgebung. Die Wucht der Explosion erschütterte Gebäude auch noch in mehreren hundert Metern Entfernung. Die Fensterscheiben von Bussen und Autos zerborsten. Augenzeugen berichteten von blutenden Menschen, die auf dem Boden lagen und auf Tragen weggebracht wurden.

Der erste Bombenanschlag in Jerusalem seit 2004 droht die schon angespannte Situation zwischen Gaza und Israel zu verschärfen. Schon vor dem Anschlag waren in der israelischen Regierung Forderungen nach einem neuen Militärschlag gegen das Hamas-Regime im Gazastreifen laut geworden, weil von dort in der letzten Zeit wieder vermehrt Raketen auf israelisches Gebiet geschossen wurden. Schon die brutale Ermordung von fünf Mitgliedern der jüdischen Familie Fogel, die Mitte März in ihrem Haus ermordet wurden, hatte vielen in Israel deutlich gemacht, dass die Veränderungen in den Nachbarstaaten nicht unbedingt zu einer Entspannung zwischen Israel und den Palästinensern führen. Die Anschläge stärken maßgebliche israelische Regierungsmitglieder, die fürchten, dass nach dem Sturz des Mubarak-Regimes, das einen kalten Frieden mit Israel praktizierte, in Ägypten Kräfte an Einfluss gewinnen, die zur offenen Konfrontation mit Jerusalem zurückkehren wollen.

Change auch im Gaza?

Die jüngste Zuspitzung dürfte auch mit den ungelösten innerpalästinensischen Auseinandersetzungen zusammenhängen. Sowohl die Fatah-Regierung als auch das Hamas-Regime sind mittlerweile in der Bevölkerung diskreditiert. Innerhalb der Hamas gibt es Streit darüber, wie sie auf das Kooperationsangebot des scheidenden Präsidenten Abbas regieren soll. Derweil wächst auch im Gaza der Widerstand gegen den Tugendterror und die Gängelung der Hamas. Der Kampf gegen Israel ist dann oft der letzte Ausweg der bedrängten Herrscher.

Die israelische Regierung ist nun in einem Dilemma. Einerseits wächst nach dem erneuten Bombenanschlag der Druck, militärisch zu reagieren. Andererseits könne darin genau das Kalkül der Kräfte bestehen, die mit dem Terror jede Entspannung im Konflikt zwischen Juden und Palästinensern verhindern und die Opposition gegen Hamas und Fatah zum Schweigen bringen wollen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149516

Peter Nowak

Von der roten zur braunen Front

Maks Damage rappt für den Nationalen Widerstand

Nassrasierte Glatze, hässliches kariertes Hemd – so sitzt Makss Damage zwischen zwei Neonazis am Tisch und plaudert aus dem Nähkästchen : wie er damals zur Jugendantifa kam, über seinen Werdegang in der linken Szene und darüber, was er an selbiger heute kritisiert. Makss Damage macht Musik. Sein neuester Song heißt „Vita Germania“ , im dazugehörigen Video wechseln sich kämpfende Germanen ab mit schwarz-weiß-roten Fahmen. Früher hießen seine Songs „Sowjetmacht“ oder „Kommunistenpower“. Der Seitenwechsel scheint auf den zweiten Blick jedoch weniger überraschend als vielleicht zunächst gedacht. 

Der Gütersloher Polit-Rapper Makss Damage  alias Julian F.  hat sich vor wenigen Tagen öffentlich zur rechten Szene bekannt. Das wäre nicht besonders interessant, denn schon 2005 hat der  Mitbegründer der linken  Hip-Hop-Band Anarchist Academy Hannes Loh  über die  „Neue deutsche Battle-Härte  im deutschen Rap geschrieben, in dem Nationalismus und Nazisymbolik bestens integriert sind. Seitdem hat sich die  Zahl der Rechtsrapper vermehrt. Doch Julian Damage hatte sich bisher offiziell nicht dazu gezählt. Er stilisierte sich proletarischer oder roter Rapper bezeichnete sich Kommunist und reimte  Elogen auf Stalin.  Konsequenterweise wechselte er nach  einigen Jahren von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) zum selbsternannten ML-Aufbauprojekt Kommunistische Initiative (KI),  auf deren Plakaten unter Parole „Klarheit – Einheit“ auch ein Stalin-Kopf prangt.     

Antideutsche – das neue alte Feindbild

In dem Interview mit dem bekennenden  Nationalsozialisten Axel Reitz, dessen Hitler-Kult sogar manchen in der NPD zu weit geht, begründete Damage seinen Wechsel von der roten zur braunen Front  mit mangelnder Kameradschaft  und fehlender  Bereitschaft zur körperlichen Auseinandersetzung in der linken Szene. Außerdem artikulierte er in dem Gespräch  seine Verachtung  über  die  angebliche Bevorzugung von Migranten und den mangelnden Patriotismus in linken Zusammenhängen.

Die Antideutschen würden in der linken Szene immer stärker, lamentierte  Damage und blieb damit bei seinem alten Feindbild. So intonierte er in seinem Song mit den bezeichnenden Titel „Antideutsche Hurensöhne“  mehrmals die Zeile: „Tötet diese antideutschen Hurensöhne. “  Als er diesen Mordaufruf sang,  gerierte sich Damage noch als strikter Stalinist, der mit eiserner Hand gegen alle Feinde in der Linken vorgeht.      

„ Ich halt‘n Stalinplakat in der Hand,

ihr kommt vorbei und kassiert alle von uns Backpfeifen“, gehört da noch zu den harmloseren Versen.

„Ich schieß auch auf Anarchisten,

Hauptsache der Dreck ist weg“, heißt es in dem  Song „Kommunistenpower“.

Auch Israel war schon Damages Hassobjekt, als er für die rote Front rappte.   „Lass’ den Davidstern brennen   – Lasst ihren Zionismus untergeh’n!“, heißt es in einem seiner Songs.  Im Song „Arabisches Geld“  auf seiner im letzten Jahr veröffentlichten LP „Makssismuss 2010 “   geht er noch einen Schritt weiter.  „Ich leite Giftgas in Siedlungen die jüdisch sind“, heißt es dort. Der Rapper warf  für diese LP mit der Parole:   „100% mehr Sexismus pur, 100% mehr Gewalt und Zerstörungswut, 200% mehr Antisemitismus“.

Wer diese  Aneinanderreihung von Vernichtungsphantasien wundern sich weniger,  dass sich Damage jetzt offen zum rechten Lager bekennt, sondern, dass er bis zu seinem Outing auch in manchen linken Kreisen als  „Klassenkampfrapper“  durchging, der  manches etwas drastisch ausdrückt,  aber auf der richtigen Seite steht. Noch  im August 2009 konnte Damage auf einem SDAJ-Festival  in Ostwestfalen-Lippe auftreten.  Ein von einer Antifagruppe geplantes Konzert mit dem Hass-Rapper  in Berlin-Kreuzberg musste 2009 allerdings nach Protesten  anderer linker Gruppen abgesagt werden.  Torsun, Sänger der Electropunkband Egotronic, die wegen ihrer deutschlandkritischen Texte auf Damages Hassliste steht, kommentiert das rechte Outing des Güterslohers auf seinem Weblog knapp: Es sollte zu denken geben, dass „dieser Komplettpfosten beinahe für Antifas in Kreuzberg gespielt hätte.“

Der Angriff auf Linke kam schon immer gut an

Die Toleranz, ja manchmal gar offene Sympathie, die Damages trotz oder auch wegen seiner Hasstiraden in Teilen der Linken hatte, dürfte mehrere Gründe haben.  Gerade bei jugendlichen Rap-Fans sind diejenigen besonders angesagt, die am Härtesten die Gegner und Kontrahenten dissen und sich dabei nicht um Political Correctness stören. Dass Makss Damage fast durchweg Linke angriff, kam vor allem bei einem Teil, der an der Haltung zum Staat Israel polarisierten antifaschistischen Jugendszene gut an. Schließlich prangt die Parole „Antideutsche Strukturen zerschlagen“ auch auf Aufklebern, die in Berlin geklebt werden. Damage  stellte ittlerweile auf seiner Homepage, die er ganz in der Diktion seiner neuen Freunde Heimatseite nennt, klar  dass seine Vorfahren kerndeutsch waren und man von ihm als „angehenden  Nationalen Sozialisten“ bald  wieder hören wird.               Bis auf das Stalinlob  braucht er wohl wenig an seinen Hassrap ändern.

http://www.akweb.de/

 Peter Nowak

aus: ak 559 vom 18.3.2011

Aktionen gegen Flüchtlingslager

PROTESTTAG Heute demonstrieren Aktivisten für eine bessere Behandlung von Flüchtlingen

Für den heutigen Dienstag rufen Initiativen zu einem bundesweiten Aktionstag für Flüchtlinge auf. In Berlin organisiert ein Bündnis, zu dem unter anderem die Initiative gegen das Chipkartensystem und Aktion Sühnezeichen gehören, um 17 Uhr eine Kundgebung auf dem Heinrichplatz in Kreuzberg. Zu den UnterstützerInnen gehört das Spandauer Bündnis gegen rechts sowie die Berliner Verbände von Piraten- und Linkspartei.

Ein Schwerpunkt ist an diesem Tag auch die Situation in Brandenburger Flüchtlingsheimen. Darüber soll mit einer Ausstellung informiert werden, die auf dem Kundgebungsplatz präsentiert wird. Zahlreiche Berliner AntirassistInnen wollen sich zudem mit HeimbewohnerInnen an Aktionen in Brandenburg beteiligen. So wird um 14 Uhr in Herzberg im Elbe-Elster-Kreis für die Schließung des nahe gelegenen Flüchtlingsheims Hohenleipisch demonstriert. Damit soll der Druck auf die rot-rote Brandenburger Regierung erhöht werden, das isoliert in einem Wald befindliche Lager aufzulösen. Interessierte aus Berlin treffen sich um 12 Uhr am Bahnhof Südkreuz zur Fahrt zur Demo.

Auch in Hennigsdorf wird es unter dem Motto „Menschenwürde für alle“ eine Demo gegen. Sie beginnt um 16 Uhr vor dem Flüchtlingsheim in der Ruppiner Chaussee. „Wir wollen den Menschen in Hennigsdorf bewusst machen, dass wir Teil dieser Stadt sind und unter welchen Bedingungen wir hier leben müssen“, benennt Heimbewohner Patricia Boku das Ziel der Aktion. „Als einer der letzten Landkreise in Brandenburg verweigert Oberhavel den Flüchtlingen die Bargeldauszahlung“, ergänzt Tobias Becker von der Hennigsdorfer Initiative United against Racism and Isolation. Es gehe bei den Protesten allerdings nicht um die Abschaffung einiger Missstände. „Wir fordern die Schließung aller Heime“, so ein Organisator.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bt&dig=2011%2F03%2F22%2Fa0144&cHash=f7bfb81eae

Peter Nowak

Langer Weg zur Gleichberechtigung

Flüchtlingsinitiativen gegen Sondergesetze
Im Kampf gegen die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz können Aktivisten und Betroffene erste Erfolge verbuchen, müssen aber auch Rückschläge hinnehmen.
Heute wollen Antirassismusgruppen mit Aktionen in mehr als 25 Städten die Aufhebung diskriminierender Gesetze gegen Flüchtlinge einfordern. Im Mittelpunkt steht die Abschaffung des 1993 beschlossenen Asylbewerberleistungsgesetzes. Es ist nach Ansicht der Aktivisten verantwortlich für diskriminierende Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in Deutschland unterworfen sind. Denn in dem Gesetz ist festgelegt, dass sie 35 Prozent weniger bekommen als deutsche Hartz IV-Bezieher. Sie sind zudem auch der Willkür der Behörden ausgeliefert, die statt Bargeld Sachleistungen und Essenspakete verteilen, moniert das Bündnis »Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen«, das den Aktionstag vorbereitet hat.

Doch das Gesetz könnte bald Makulatur sein. Dafür hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gesorgt, als es das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorlegte. Die Richter beriefen sich zur Begründung auf das Urteil des (BVerfG) vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelleistungen. Dort hatte es ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Das gilt auch für Asylsuchende, Geduldete und Menschen mit einem humanitären Aufenthaltsstatus. Deswegen gehen Rechtsexperten davon aus, dass das (BVerfG) eine Neufestlegung der Regelsätze bei Flüchtlingen anordnen wird.

Das wäre nicht der einzige Erfolg, den es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf um mehr Rechte für Flüchtlinge gegeben hat. Auch die Residenzpflicht, die Flüchtlinge verpflichtet, sich in den vom Ausländeramt zugewiesenen Landkreisen aufzuhalten und bei jedem Verlassen eine Genehmigung zu beantragen, wurde in mehreren Bundesländern mit unterschiedlicher politischer Couleur gelockert. Am 15. März beschloss das von einer großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt, dass sich Flüchtlinge künftig im gesamten Bundesland frei bewegen können. Der damals zuständige SPD-Innenminister Holger Hövelmann bezeichnete die Maßnahme als »eine Erleichterung für die Betroffenen, aber auch eine Verwaltungsvereinfachung und Entlastung für viele Behörden und die Polizei«. Allerdings endet die Bewegungsfreiheit an den Grenzen des Bundeslands und die Flüchtlinge müssen auch weiterhin in den ihnen von den Behörden zugewiesenen Orten wohnen.

Ein im Dezember 2010 vom Bundesland Bremen eingebrachter Antrag für eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hatte im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Im schwarz-gelb regierten Bayern wurde im März 2010 die Residenzpflicht für Flüchtlinge im Asylverfahren gelockert. Menschen mit Duldungsstatus sind davon ausgenommen. Eine ähnliche Regelung gilt auch in Hessen. Dort war im Januar ein Antrag der Grünen, den Flüchtlingen im gesamten Bundesland Bewegungsfreiheit zu gewähren, mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt worden.

In Berlin und Brandenburg können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge seit Juli 2010 Dauererlaubnisse für den Aufenthalt in einen der beiden Bundesländer bekommen. Die Flüchtlingsräte kritisieren allerdings, dass ein Teil der Betroffenen weiterhin von diesen Regelungen, die zudem an strenge Auflagen gebunden sind, ausgeschlossen bleibt. Eine zentrale Forderung ist die Schließung des Flüchtlingsheims Hohenleipisch im Landkreis Elbe-Elster. »Wir sind in heruntergekommenen Armeebaracken untergebracht, mitten im Wald, umgeben von Wildschweinen«, erklärten Bewohner einer Besuchergruppe. Am kommenden Dienstag ist abermals eine Besichtigung mit Journalisten geplant.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193723.langer-weg-zur-gleichberechtigung.html

Peter Nowak

Merkwürdige Bündnisse bei Befürwortern und Gegnern des Libyen-Einsatzes

Abgeordnete der Linken loben Westerwelle und die taz kritisiert, dass Deutschland nicht kampfbereit gegen Libyen ist

Der ehemalige kubanische Staatschef Fidel Castro kann sich bestätigt fühlen. Er hatte schon vor mehr als einen Monat vor einer kriegerischen Auseinandersetzung in und um Libyen gewarnt. Im Windschatten der japanischen Reaktorkrise wurde die Grundlage für diesen Einsatz geschaffen. Dazu wurde ein Bürgerkrieg, in dem auf beiden Seiten Bewaffnete kämpfen, so hingestellt, als stehe eine unbewaffnete Bevölkerung wehrlos einem blutrünstigen Regime gegenüber. Als dann die Opposition in Bedrängnis geriet, war es das Startsignal für den einseitigen Angriff im libyischen Bürgerkrieg.

Dass zur gleichen Zeit in Bahrain, im Jemen oder auch im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste eine unbewaffnete Bevölkerung Opfer von Militärs oder auch Milizen wurde, war kein Anlass, dort nach internationalen Militärinterventionen zu rufen. Doch im Fall Libyen ermöglichte eine heteregone Koalition von innenpolitisch angeschlagenen Politikern wie Berlusconi und Sarkozy, die sich mit außenpolitischen Themen profilieren wollen, und arabischen Staatschefs, die schon lange mit dem Gaddafi-Regime zerstritten sind, den Angriff.

„In Bahrain schießt das Militär ohne UN-Widerspruch mit Waffen, hergestellt in den Ländern des UN-Sicherheitsrates, auf friedliche Demonstranten. Die humanitäre Heuchelei ist kaum zu überbieten!“, weist der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner auf diese Doppelstandards hin. Mittlerweile haben sich auch einige europäische Antikriegsorganisationen in einem gemeinsamen Aufruf gegen den Angriff auf Libyen ausgesprochen.

Grüne für Angriff

Erstaunliche Bündnisse gibt es auch bei den Gegnern oder Skeptikern des Libyen-Einsatzes in Deutschland. Weil sich Deutschland bei der Abstimmung der Stimme enthalten hat, wird die Regierung nicht nur von dem Gaddafi-Regime, sondern auch vom Bundesausschuss Friedensratschlag gelobt. „Wir begrüßen ausdrücklich Deutschlands Enthaltung im Sicherheitsrat, die der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig mit den ‚großen Risiken‘ begründete, welche die Implementierung des Beschlusses birgt“, heißt es in der Pressemitteilung der Organisation.

Wie 2003, als die Schröder-Fischer-Regierung den Irakkrieg zumindest in Worten ablehnte, gibt es auch jetzt wieder bemerkenswerte innenpolitische Zweckbündnisse. Während der Bundestagsabgeordnete der Linken Jan van Aaken Bundesaußenminister Westerwelle für seine kriegsskeptische Politik lobte, kritisieren führende Grüne diese Entscheidung und fordern ein „klares Signal gegen Gaddafi“.

Schon einige Tage vor dem UN-Beschluss hat der grüne Vordenker Daniel Cohn-Bendit in der Taz für einen Militärschlag Libyen aus humanitären Gründen getrommelt, wofür er von der ehemaligen Parteikollegin Jutta Ditfurth kritisiert wurde. Die Taz kritisiert denn auch, dass Deutschland gegen Libyen nicht kampfbereit ist. „Einer muss den Job ja machen“, schreibt der Kommentar Deniz Yücel in dem einst alternativen Blatt nach der UN-Abstimmung und auf der Titelseite wird die UN-Resolution als „wichtiges Signal an die Bevölkerung Libyens“ gelobt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149505

Peter Nowak

„Bradley Manning is a Hero!“

In zahlreichen Ländern in den USA, aber auch in Großbritannien und Holland und Österreich finden am an diesem Wochenende Solidaritätsaktionen für Bradley Manning statt. In Deutschland scheint es keine Aktionen zu geben. Zu den beiden Aktionstagen haben das antimilitaristisch Netzwerk Courage to Resist und die Enthüllungsplattform Wikileaks aufgerufen.
Manning sitzt seit Mai 2010 in strenger Isolationshaft, weil er von den US-Behöröden beschuldigt wird, die Informationen aus den Kriegsgeschehen von Afghanistan und Irak an Wikileaks weitergegeben zu haben, mit denen die Plattform und ihr umstrittener Gründer Julian Assange weltbekannt geworden sind. Doch während das Auslieferungsverfahren gegen den Wikileaks-Gründer nach Schweden, bei dem es um Vergewaltigungsvorwürfe und nicht um Geheimnisverrat geht, weltweit beobachtet wird, blieb es um Manning bisher ziemlich still.
Die Wochenzeitung Freitag hat die unterschiedliche Verteilung der Solidarität in einigen Zahlen dargestellt:
„Während mehr als 600.000 Menschen eine Online-Petition gegen die Verfolgung Assanges unterstützten, taten dies gerade einmal 50.000 für die Freilassung von Manning. Assange hat bei Facebook 75.000 Fans, die Kampagne savebradley dagegen weniger als 25.000. Und die „Bradley Manning is a Hero!“-Gruppe hat nicht einmal 4000 Unterstützer gefunden.“
Todesstrafe angedroht
Dass sich künftig auch für Mannings Schicksal mehr Menschen zu interessieren beginnen, könnte auch an der US-Justiz liegen. Menschenrechtsorganisationen schlugen Alarm. Denn der Gefangene sei in seiner Zelle im Militärgefängnisses in Quantico im Bundesstaat Virginia total isoliert. Er dürfe keinen Besuch empfangen, werde am Schlafen gehindert und dürfe seine Zelle nur eine Stunde am Tag verlassen, vermelden verschiedene NGO. Sie befürchten, dass man den als hochintelligent eingestuften Gefangenen in den Wahnsinn treiben will. Dass solche an die ausgelagerte US-Gefangenenenklave Guantanamo erinnernden Methoden auch innerhalb der USA und zudem noch unter der Obama-Administration, auf die viele Menschenrechtler große Hoffnungen gesetzt hatten, angewandt werden, sorgt zumindest in den USA für Empörung.
Hinzu kommt die Verschärfung der Anklagen gegen Manning. Zu den 22 neuen Vorwürfen gehört auch das Delikt „Unterstützung des Feindes“. Damit könnte den Gefangenen damit sogar die Todesstrafe drohen (siehe Neue Schikane). Die US-Soldaten, die in auf dem angeblich von Manning weitergegebenen Video bei der Tötung von zwölf Zivilisten, darunter Journalisten im Irak zu sehen sind, wurden bisher nicht bestraft.

Internationale Solidaritätskundgebungen für Manning

In zahlreichen Ländern in den USA, aber auch in Großbritannien und Holland und Österreich finden am an diesem Wochenende Solidaritätsaktionen für Bradley Manning statt. In Deutschland scheint es keine Aktionen zu geben. Zu den beiden Aktionstagen haben das antimilitaristisch Netzwerk Courage to Resist und die Enthüllungsplattform Wikileaks aufgerufen.

Manning sitzt seit Mai 2010 in strenger Isolationshaft, weil er von den US-Behöröden beschuldigt wird, die Informationen aus den Kriegsgeschehen von Afghanistan und Irak an Wikileaks weitergegeben zu haben, mit denen die Plattform und ihr umstrittener Gründer Julian Assange weltbekannt geworden sind. Doch während das Auslieferungsverfahren gegen den Wikileaks-Gründer nach Schweden, bei dem es um Vergewaltigungsvorwürfe und nicht um Geheimnisverrat geht, weltweit beobachtet wird, blieb es um Manning bisher ziemlich still.

Die Wochenzeitung Freitag hat die unterschiedliche Verteilung der Solidarität in einigen Zahlen dargestellt:

„Während mehr als 600.000 Menschen eine Online-Petition gegen die Verfolgung Assanges unterstützten, taten dies gerade einmal 50.000 für die Freilassung von Manning. Assange hat bei Facebook 75.000 Fans, die Kampagne savebradley dagegen weniger als 25.000. Und die „Bradley Manning is a Hero!“-Gruppe hat nicht einmal 4000 Unterstützer gefunden.“

Todesstrafe angedroht

Dass sich künftig auch für Mannings Schicksal mehr Menschen zu interessieren beginnen, könnte auch an der US-Justiz liegen. Menschenrechtsorganisationen schlugen Alarm. Denn der Gefangene sei in seiner Zelle im Militärgefängnisses in Quantico im Bundesstaat Virginia total isoliert. Er dürfe keinen Besuch empfangen, werde am Schlafen gehindert und dürfe seine Zelle nur eine Stunde am Tag verlassen, vermelden verschiedene NGO. Sie befürchten, dass man den als hochintelligent eingestuften Gefangenen in den Wahnsinn treiben will. Dass solche an die ausgelagerte US-Gefangenenenklave Guantanamo erinnernden Methoden auch innerhalb der USA und zudem noch unter der Obama-Administration, auf die viele Menschenrechtler große Hoffnungen gesetzt hatten, angewandt werden, sorgt zumindest in den USA für Empörung.

Hinzu kommt die Verschärfung der Anklagen gegen Manning. Zu den 22 neuen Vorwürfen gehört auch das Delikt „Unterstützung des Feindes“. Damit könnte den Gefangenen damit sogar die Todesstrafe drohen (siehe Neue Schikane). Die US-Soldaten, die in auf dem angeblich von Manning weitergegebenen Video bei der Tötung von zwölf Zivilisten, darunter Journalisten im Irak zu sehen sind, wurden bisher nicht bestraft.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149495

Peter Nowak

»Hände weg vom Streikrecht«

Gewerkschafter wehren sich gegen die vom DGB unterstützte Tarifeinheit per Gesetz
Bald soll in Deutschland das Prinzip »Ein Betrieb – Eine Gewerkschaft« per Gesetz gelten. So zumindest wünschen es sich die Arbeitgeber, und in selten harmonischer Einheit mit ihnen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Doch in der Gewerkschaftslandschaft trifft die Linie des Dachverbandes schon seit Längerem auf Kritik. Nun hat sich eine Initiative gegen das Gesetzesvorhaben gegründet.   
Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung will am 5. April über unterschiedliche Konzepte zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit beraten. Demnach soll in einem Betrieb nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die die meisten Mitglieder hat. Alle anderen Beschäftigtenorganisationen müssten sich während der Laufzeit dieses Vertrages an die Friedenspflicht halten und dürfen nicht dagegen streiken. Unterstützung findet die Initiative von Seiten der Arbeitgeberverbände und des DGB. »Den Arbeitnehmern nutzt die Tarifeinheit, weil sie den Zusammenhalt innerhalb der Gesamtbelegschaften stärkt«, begründet der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die Beteiligung seiner Organisation, und weiter: »Sie verhindert, dass einzelne Belegschaftsteile gegeneinander ausgespielt werden.
Die Initiative ist allerdings gewerkschaftsintern nicht unumstritten. An der DGB-Basis wächst die Kritik. So haben sich etwa die ver.di-Landesbezirke Berlin-Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg, NRW und Nord gegen die Tarifeinheitspläne ausgesprochen. »Die Postulierung der Friedenspflicht während der Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrages soll auch gegenüber anderen Gewerkschaften gelten. Das bedeutet letztlich Streikverbot«, begründen die norddeutschen ver.di-Mitglieder in einem einstimmig gefassten Beschluss ihre Ablehnung. Unterdessen hat sich in Kassel die Initiative »Hände weg vom Streikrecht« gegründet. Am ersten Treffen beteiligten sich neben Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften IG Metall, ver.di und der IG-Bergbau, Chemie, Energie (ICE) auch Aktivisten der Lokführergewerkschaft GDL und der anarchosyndikalistischen FAU. »Der gesetzesinitiativerischen Partnerschaft von DGB und BDA muss ein Riegel vorgeschoben werden«, erklärte der Lokführer Uwe Krug von der GDL-Berlin in Kassel das Anliegen der Initiative. Peter Gerstmann vom linksgewerkschaftlichen »Forum Betrieb, Gewerkschaft und soziale Bewegung Berlin« sah dort in einer gesetzlich festgeschriebenen Tarifeinheit eine Behinderung von Betriebskämpfen. »Die Initiative von DGB/BDA richtet sich weniger gegen die unternehmerabhängige Organisation AUB oder so genannte Christliche Gewerkschaften, die bisher keinerlei Arbeitskämpfe geführt haben, sondern gegen die Spartengewerkschaften GDL, Marburger Bund, UFO und Vereinigung Cockpit sowie andere, insbesondere kämpferische Gewerkschaften«, meinte er. Der Berliner Gewerkschaftler Willy Hajek, ebenfalls Teilnehmer des Kasseler Treffens, betonte im Gespräch mit ND eine besondere Qualität in der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern von Gewerkschaften inner- und außerhalb des DGB. Die Kooperation solle in der nächsten Zeit fortgesetzt werden. Der erste öffentliche Auftritt des Komitees soll auf den DGB-Veranstaltungen am 1. Mai stattfinden. In Berlin sollen daran auch Gewerkschafter aus Frankreich, Polen und Italien teilnahmen, die auf einer Veranstaltung am 30. April über die Verteidigung der Gewerkschaftsrechte in ihren Ländern berichten werden. Im September 2011 ist eine bundesweite Tagung des Komitees »Hände weg vom Streikrecht« geplant.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193431.haende-weg-vom-streikrecht.html?sstr=Tarifeinheit|

Peter Nowak

Uni-Kodex noch zeitgemäß?

Die plagierte Doktorarbeit Karl Theodor zu Guttenbergs hatte eine Protestwelle aus dem Wissenschaftsbetrieb zur Folge, ohne die wohl der schnelle Rücktritt des Ministers nicht erfolgt wäre. Die Wissenschaftler haben sich mit Recht dagegen verwahrt, dass man einen Minister durchgehen lässt, was bei jeden Studenten zu Sanktionen führen würde. Nachdem die Personalie Guttenberg zumindest vorerst abgehackt ist, bestünde eine gute Gelegenheit über eine Frage öffentlich zu debattieren, die in der Plagiats-Debatte notwendigerweise bislang ausgeblendet wurde: Ist die vielbeschworene Regel der wissenschaftlichen Community, die für wissenschaftliche Arbeiten nur eine individuell zuweisbare Autorenschaft kennt, im Internet-Zeitalter noch zeitgemäß?

Bisher wird die Debatte nur in Insiderkreisen geführt. So berichtete die Online-Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift »brand eins« über ein von dem US-Computerunternehmen Mozilla im letzten Jahr in Barcelona organisierten Treffen zum Thema »Bildung im Internetzeitalter«. Wie sich die Rolle von Schulen und Universitäten, von Lehrern und Professoren ändert, wenn sich jeder sein Wissen selbst im Internet zusammensucht und wie sich das auf die Regeln der Wissenschaftsgemeinde auswirkt, war bei dem Meeting eine zentrale Frage. Vor allem die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Lernens machen das Netz attraktiv. Schließlich kann sich dort schnell eine Gruppe von Lernenden mit kollektiven Lernergebnissen bilden. Kollektives Arbeiten steht auch bei der Onlineplattform Wikipedia im Mittelpunkt. Das Erstellen von Texten wird so zum gemeinschaftlichen Prozess, die Grenze zum Plagiat ist fließend. Der geltende Wissenschaftskodex stammt aber noch aus der Vor-Internet-Zeit. Daher müssen Studierende an vielen Hochschulen schon bei Seminararbeiten in einer Erklärung per Unterschrift versichern, alleiniger Verfasser zu sein.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193416.uni-kodex-noch-zeitgemaess.html

Peter Nowak

Barrikaden am Kotti gegen Kapp

Revolutionäres aus Kreuzbergs linker Geschichte / Vortrag heute Abend
Straßenkämpfe und Barrikaden am Kottbuser Tor im Herzen von Kreuzberg. Wer denkt da nicht an den 1. Mai? Doch heute informiert Bernd Langer von der Gruppe Kunst und Kampf (kuk), die sich seit Jahren mit linker Geschichte befasst, über ein vergessenes Kapitel linker Geschichte und Repression.

Vor 91 Jahren, am Abend des 17. und in den frühen Morgenstunden des 18. November 1920, wurden rund um das Kottbusser Tor 18 Personen, überwiegend Arbeiter, von Militärs getötet. Sie hatten wie überall in Deutschland mit einem Generalstreik, Fabrikbesetzungen und Barrikadenbau den Kapp-Putsch verhindert. Er war der erste Versuch der monarchistischen und völkischen Rechten, die Weimarer Republik zu stürzen. An dem Putsch waren auch Freikorps beteiligt, die in den Monaten zuvor von der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gegen revolutionäre Arbeiter eingesetzt worden waren.

Im Widerstand gegen den Putschversuch waren Gewerkschaften, SPD, USPD und KPD vereint. Doch damit hörte die Gemeinsamkeit schon auf. Die SPD wollte zum Status quo vor dem Putsch zurück. Dagegen verlangten die KPD, aber auch Teile der Gewerkschaften und der parteilosen, in Räten zusammengeschlossenen Arbeiter, die Entmachtung der alten wirtschaftlichen und politischen Eliten.

Am Freitagabend wird Langer am historischen Ort, im Südblock des Flachbaus in der Admiralstraße 1-2, über das Geschehen vor 91 Jahren berichten. Wer waren die Menschen, die gegen den Putsch gekämpft haben und getötet wurden? Warum waren sie sogar in einem Stadtteil, der doch viel auf seine revolutionären Traditionen hält, bis heute vergessen? So lauten einige der Fragen. Sicher wird es auch um Möglichkeiten gehen, der Opfer rechter Militärs im Straßenbild zu gedenken.

Bernd Langer, der lange Zeit in der antifaschistischen Bewegung Göttingens aktiv war, befasst sich seit den 90er Jahren mit linker Geschichte. Er organisiert regelmäßig Stadtrundfahrten zu Orten von revolutionärer Geschichte, zu Widerstand und Repression. Im Jahr 2009 hat er im AktivDruck-Verlag das Buch »Revolution und bewaffnete Aufstände in Deutschland 1918-1923« herausgegeben. Daneben nutzt Langer die Kunst für die Geschichtsvermittlung.

So ist im Goldenen Saal des Kunsthauses Tacheles ein Acrylgemälde von Berd Langer ausgestellt, das den Mitteldeutschen Aufstand vor 90 Jahren thematisiert. Im März 1921 wollten Arbeiter im Industriegebiet um Halle/Merseburg und dem Mansfelder Land mit einem bewaffneten Aufstand die Revolution entfachen und die alten Eliten entmachten.

18.3., 19.30 Uhr, Südblock im Flachbau · Admiralstraße 1-2, am Kotti; www.kunst-und-kampf.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193464.barrikaden-am-kotti-gegen-kapp.html

Peter Nowak