Aus den Fabrikhallen dieser Welt

Neues kanal B-Video über Arbeitskämpfe in Indien
Ein neues Video thematisiert die Kämpfe indischer Automobilarbeiter im Industriegürtel von Delhi.

»Wir stellen Teile für Maruti her. Ohne uns kann das Auto nicht produziert werden.« Der junge Inder klingt sehr selbstbewusst. Er lebt mit zwei Arbeitskollegen in einer kleinen Wohnung am Rande der indischen Metropole Delhi und verdient monatlich umgerechnet 85 Euro. Porträtiert wird er in dem Video »Die Strategie der Strohhalme«. Die Berliner Filmemacherin und Mitbegründerin des Videokollektivs »kanal B« Bärbel Schönafinger beschäftigt sich in dem knapp einstündigen Film mit der Ausbeutung und dem Widerstand im Industriegürtel von Delhi.

 Zu Wort kamen Beschäftigte, die wegen der miserablen Lebensbedingungen aus den Dörfern in die Großstadt kamen. Eine 17-Jährige hat sogar ihr Alter nach oben korrigiert, um den begehrten Arbeitsplatz zu bekommen. Die 65 Euro, die sie monatlich verdient, schickt sie in ihr Dorf – an ihre Familie, die darauf angewiesen ist. Allein im Industriegürtel von Delhi arbeiten mittlerweile vier bis fünf Millionen Menschen. Sie ruinieren ihre Gesundheit für Löhne, die kaum das Überleben ihrer Familien sichern und schaffen so die Grundlagen für den Aufstieg Indiens zu einer der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt. Doch anders als im Fall von China, dem großen Konkurrenten beim Aufstieg, werden die Arbeitsbedingungen in Indien bisher wenig thematisiert. Daher ist dem Video eine große Aufmerksamkeit zu wünschen.

Denn Schönafinger zeigt nicht nur die Ausbeutung, sondern auch die Organisierungsversuche der Beschäftigten. Selbst der 17-jährigen Jungarbeiterin ist die Gewerkschaft »Einheit« bekannt. Einer ihrer Kollegen vergleich sie mit einem Nest aus Strohhalmen, das den Einzelnen auffängt und schützt. Diese Metapher ging in den Titel des Videos ein.

In den Gesprächen machen die Arbeiter deutlich, dass sie sich ihrer Macht bewusst sind. Als während der Fabrikkämpfe im Jahr 2009 die Produktion im Industriegürtel von Delhi stockte, kamen bald auch die Fließbänder von General Motors in verschiedenen US-Werken zum Stehen. Denn die indischen Billiglohnklitschen gehören zur Lagerhalle der weltweiten Automobilindustrie. Die Beschäftigten fordern eine Selbstverwaltung auch in der Gewerkschaft. Deswegen haben sie auch Probleme mit einer der großen indischen Gewerkschaften, die Plakate der Arbeiter entfernen wollte, weil dort das Organisationslogo nicht verzeichnet war. Jawah, ein kommunistischer Gewerkschafter, berichtet über den blutig niedergeschlagenen Generalstreik in der indischen Stadt Faridabad im Jahr 1979. Die Zahl der erschossenen Arbeiter ist bis heute nicht bekannt. Nach der Zerschlagung der Arbeiterorganisationen wurde dort gewaltsam die Leiharbeit durchgesetzt, berichtet der Gewerkschafter. Um zu verhindern, dass die proletarische Unruhe in Delhi ebenfalls unterdrückt wird, bedarf es der weltweiten Aufmerksamkeit und Solidarität. Dazu leistet das Video einen wichtigen Beitrag.

kanal B Ausgabe Nr. 35: Die Strategie der Strohhalme – Proletarische Unruhe im Industriegürtel von Delhi, 58 Min, 10 Euro, bestellen, herunterladen oder ansehen unter: kanalb.org/editions.php

http://www.neues-deutschland.de/artikel/185567.aus-den-fabrikhallen-dieser-welt.html

Peter Nowak

Sieg für die Schweizer Sarrazin-Partei

Die von der SVP initiierte Volksabstimmung zur „Ausschaffung von kriminellen Ausländern“ wurde bei einer hohen Wahlbeteiligung von knapp 53 % der Abstimmenden unterstützt
Die rechtskonservative Schweizer Volkspartei jubelt. „Das Schweizer Volk sagt ja zur Ausschaffung krimineller Ausländer“, heißt es auf ihrer Homepage. Die von der SVP initiierte Ausschaffungsinitiative wurde bei einer hohen Wahlbeteiligung von knapp 53 % der Abstimmenden unterstützt. Sie lautet im Wortlaut:

„Sie (die Ausländerinnen und Ausländer) verlieren unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie:
a. wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, wegen einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, wegen eines anderen Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, Drogenhandels oder eines Einbruchsdelikts rechtskräftig verurteilt worden sind; oder
b. missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben.“

Außerdem werden die Strafen für eine illegale Einreise in die Schweiz und die Missachtung des Einreiseverbots verschärft.

Zur Wahl stand auch noch eine moderate Verschärfung des Ausländerrechts, die die bürgerlichen Parteien jenseits der SVP unterstützt haben, die aber keine Mehrheit bekommen hat. Grüne, Sozialdemokraten und die linkssozialistische Partei der Arbeit haben zur Ablehnung beider Initiativen aufgerufen.

In den letzten Wochen war in der Schweiz eine heftige Diskussion darüber entbrannt, ob aus taktischen Gründen die moderate Verschärfung unterstützt werden soll, um den SVP-Entwurf ins Leere laufen zu lassen. Gegner einer solchen Taktik warnten davor, aus Angst vor der SVP Verschärfungen des Ausländerrechts zuzustimmen. Sie wiesen darauf hin, dass die beschlossene Verschärfung mit internationalen Verträgen kollidiert und deshalb von der Europäischen Justiz gekippt werden kann. Allerdings wurde dieser Einwand auch schon beim Minarettverbot geäußert, das noch in Kraft ist.

Auch dieser Vorstoß war von der SVP initiiert worden und hatte europaweit große Beachtung gefunden. Vor allem die europäischen Rechtsparteien sehen in der SVP ihr großes Vorbild. So erklärte der österreichische FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache nach dem Erfolg der Ausschaffungsinitiative:

„Die Schweizer führen uns wieder einmal vor, wie es geht.“

Die SVP, die von einem Rundfunkkorrespondenten als Schweizerische Sarrazin-Partei bezeichnet wurde, nutzt das Instrument der Volksabstimmung zur Durchsetzung ihrer Politik. Die hiesige Sarrazin-Debatte lässt vermuten, dass in Deutschland bei solchen Volksabstimmungen die Ergebnisse nicht viel anders als in der Schweiz wären.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148830

Peter Nowak

Haider auch vom BND bezahlt?

Berichte über die Finanzierung seines Irak-Besuches werfen interessante Fragen auf

Auch mehr als zwei Jahre nach seinen Unfalltod beschäftigt der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider noch immer die Medien. Waren es vor einigen Monaten Berichte über Haiders geheime Kassen, die den Rechtspolitiker auch bei seinen Anhängern desavouierten, vermeldet das österreichische Magazin Profil nun, Haider habe hohe Zuschüsse für seinen Irak-Flug im Mai 2002 vom deutschen Bundesnachrichtendienst bekommen (Grüße an die Achse des Bösen). Das war die zweite von insgesamt drei Irakreisen des österreichischen Rechtsaußen.
   

Nach Angaben des Blattes sollen die Kontakte über einen österreichischen Geschäftsmann abgewickelt worden sein. Der soll im Auftrag des BND Überflugs- und Landegenehmigungen organisiert und die Kosten für den Privatjet übernommen haben, mit dem der damalige Kärntner Landeshauptmann und Vorsitzender der rechten FPÖ im Mai 2002 zu seinem zweiten Flug nach Bagdad aufbrach und dort auch eine Millionenspende vom Saddam-Regime erhalten haben soll.

 Seine drei Besuche bei Hussein beschrieb Haider in einem Buch, das 2003 erschienen ist und in dem er seine scheinbar edlen humanitären, wirtschaftlichen und politischen Anliegen schilderte

Gegen Israel und den Westen

Dieser Deal, sollte er wirklich zustande gekommen sein, wäre aus zwei Gründen interessant: Haider war zwar vom Vorsitz der damaligen Regierungspartei FPÖ zurückgetreten, hatte sich zu dieser Zeit aber um so mehr als Rechtsaußenpolitiker profiliert, auf den sich extrem rechte Parteien in vielen europäischen Ländern bezogen haben. Ein Großteil von ihnen hatte sich damals auf Seiten des Irak positioniert und rief zu einer Unterstützung des Baath-Regimes aus. Ein Bindeglied war der Hass auf Israel und den Westen (Saddams rechtsextreme Freunde).

 Haiders Irakreisen sorgten vor allem in den USA für große Empörung und brachten die damalige Regierung von Österreich, in der die FPÖ vertreten war, in Erklärungsnöte. In offiziellen Stellungnahmen des Baath-Regimes wurde schon nach den ersten Haider-Trip nach Bagdad in antiisraelischer Diktion von einer „konzertierten Aktion gegen die internationale Verschwörung gegen den Irak“ geworben und von einem „Komplott der USA und des Zionismus gegen den Irak“ fabuliert.

Haider verteidigte seinen Saddam-Besuch als humanitäre Aktion. Er habe Geräte für eine Blutbank in Bagdad übergeben. Zudem berief er sich nach seiner Rückkehr aus dem Irak auf den damaligen Bundesaußenminister Fischer. „In diesem Fall bin ich erstmals in meinem Leben einer Meinung mit dem deutschen Außenminister Fischer, der sagt, man kann nicht mit unbewiesenen Behauptungen irgendwelche Staaten als böse hinstellen, um dann einen Vorwand für rüstungspolitische Initiativen zu haben.“

Damit wollte Haider an die wachsende Bewegung gegen den Irakkrieg in vielen europäischen Ländern anknüpfen. Allerdings wollten die meisten Kriegsgegner nicht das Baath-Regime sondern die irakische Bevölkerung vor den Krieg verteidigen. Lediglich extrem rechte und nationalistische Bewegungen unterschiedlicher Länder riefen zur Unterstützung des Baath-Regimes auf. Für diese Kreise war Haider nach seinen Saddam-Besuch noch mehr zum Idol geworden.

Der Jahre lang im Irak lebende Franz Limpl wird im Profil als geheimer Organisator der Irakreisen des österreichischen Rechtspolitikers vorgestellt. Er sagt zu den Interessen des Saddam-Regimes an diesen Besuchen:
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 Ich habe in einem persönlichen Gespräch von Saddam Hussein den Auftrag erhalten, eine Verbindung zum international bekannten „Revoluzzer“ Jörg Haider herzustellen und auszuloten, ob er bereit wäre, das Image des Iraks und auch jenes von Saddam Hussein in Europa positiv zu beeinflussen. Ich habe Haider darauf angesprochen, und er war sofort damit einverstanden.
Franz Limpl

Welches Interesse verfolgte der BND?

Die Frage ist nun, welches Interesse der BND mit seiner Finanzierung einer Haider-Reise verfolgt hat. Im Profil wird kolportiert, ihm sei es in erster Linie um die Überwachung von Haider gegangen:
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 Dem BND dürfte es im Jahr 2002 darum gegangen sein, die Nahost-Eskapaden Haiders zu kontrollieren. Wie weit der Geheimdienst auch andere Aktivitäten der Freiheitlichen im Irak gefördert und observiert hat, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit nachvollziehen. Die Überwachung des schillernden Rechtspopulisten soll den deutschen Schlapphüten aber mehrere hunderttausend Euro wert gewesen sein.

Aber ist es glaubhaft, dass der BND eine komplette Irakreise von Haider finanziert, nur um ihn überwachen zu lassen? Genau so gut könnte man fragen, ob nicht der BND von den Kontakten Haiders zu dem damals international isolierten Saddam-Regimes profitieren wollte. Schließlich versuchten zu dieser Zeit auch deutsche Wirtschaftskreise Kontakte mit dem irakischen Regime zu knüpfen. Laut Profil hat sich der BND bisher geweigert, zu der Finanzierung von Haiders Iraktrips Stellung zu nehmen. Nun fordern auch die Grünen Aufklärung.

„Das Bundeskanzleramt muss unverzüglich Rechenschaft darüber ablegen, ob Medienberichte zutreffen, dass der Bundesnachrichtendienst an der Vermittlung und Durchführung von zwei Reisen des österreichischen Rechtspopulisten Haider zum Diktator Saddam in 2002 beteiligt war und sogar bei dem Transfer von Millionen Dollar aus dem Irak an Haider nach Österreich geholfen hat“, fordert der grüne Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele.

Er erinnert daran, dass durch die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der letzten Legislaturperiode bekannt geworden ist, dass der BND kurz vor Beginn des Irakkrieges 2003 offenbar in Kenntnis und mit Zustimmung des irakischen Geheimdienstes zwei Mitarbeiter in Bagdad stationiert hatte (Der Kriegsverlauf im Irak). Diese sollen u.a., dem US-Militär Zielkoordinaten für Luftangriffe geliefert haben (Die Bundesregierung, der BND und der Irak-Krieg), „Es gibt sehr wohl noch offene Fragen“).

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33551/1.html

Peter Nowak

Soli-Abend für Inhaftierten

INTERKULTUR Emine Sevgi Özdamar und andere lesen für in Istanbul inhaftierten deutschen Schriftsteller

Die Solidarität mit dem seit 10. August in der Türkei inhaftierten Schriftsteller Dogan Akhanli wächst. Gruppen sammeln Unterschriften für den früheren türkischen Oppositionellen, der seit 1998 Deutscher ist; Intellektuelle wie der Schriftsteller Edgar Hilsenrath setzen sich für Akhanlis Freilassung ein. Nun hat die Aktion Sühnezeichen für den heutigen Dienstag einen Solidaritätsabend organisiert.

Im ersten Teil soll über den aktuellen Stand des juristischen Verfahrens informiert und über weitere Solidaritätsaktionen beratschlagt werden. Dann werden KünstlerInnen armenischer, türkischer, griechischer und deutscher Herkunft – darunter die Schauspielerin Emine Sevgi Özdamar und Schauspieler Kostas Papanastasiou – Texte und Lieder vortragen.

Akhanli, der im deutschen Exil mit dem Schreiben begonnen hat, setzt sich in seinen Arbeiten intensiv mit der Verfolgung von ArmenierInnen in der türkischen Geschichte auseinander. Sein Anwalt Ragip Zarakoglu sieht in diesem Engagement den eigentlichen Grund für die Inhaftierung seines Mandanten, dem die Staatsanwaltschaft Beteiligung an einem Raubüberfall vorwirft. Am 8. Dezember soll der Prozess in Istanbul eröffnet werden.

 20 Uhr, Ballhaus Naunynstraße, Naunynstraße 27, Eintritt frei

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F10%2F12%2Fa0148&cHash=236de7e360

Peter Nowak

Freie Lizenz zum Töten in Pakistan?

Acht Deutsche sollen in Pakistan durch Raketen einer US-Drohne getötet sein und kaum jemand interessiert sich für die Hintergründe
In Afghanistan wird schnell gestorben. Das wurde am 7. Oktober wieder einmal deutlich. „Schock am 9. Jahrestag des Kriegsbeginns in Afghanistan: Bei einem Selbstmordanschlag der Taliban ist wieder ein deutscher Soldat getötet worden“, vermelden die Presseagenturen. Kaum Informationen gibt es hingegen über 8 weitere Deutsche, die vor einigen Tagen in Afghanistan getötet worden sein sollen. 
    
US-Drohne in Afghanistan

Die Nachrichtenlage ist unklar,. Nach Angaben von pakistanischen Medien sollen 8 Islamisten bzw. Extremisten mit deutscher Staatsbürgerschaft durch einen Angriff von Raketen getötet worden sein, die mutmaßlich von einer CIA-Drohne abgefeuert wurden. Weder Namen noch nähere Umstände des tödlichen Zwischenfalls sind bekannt. Auch die Zahl wird unterschiedlich berichtet. Dabei ergäben sich doch aus den Berichten einige Fragen.

Tod ohne Urteil

Mit dem Sammelbegriff des Extremisten wird nicht erklärt, was den Männern vorgeworfen wurde und was sie planten. Reicht es tatsächlich aus, in ein islamistisches Ausbildungscamp zu reisen, um Opfer einer „Killfahndung“ zu sein? Das wäre der exakte Begriff für eine Tötung ohne Urteil. Wären die Verdächtigten verhaftet und vor Gericht gestellt worden, hätte geklärt werden können, ob und wie sich die Männer strafbar gemacht haben.

Dass scheinbar auch bei vielen Medien der Besuch in einen dieser Camps zur Verurteilung ausreicht, zeigt eine Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze. Vor wenigen Jahren wehrte sich die damalige sozialdemokratische Justizministerin Brigitte Zypries aus rechtsstaatlichen Erwägungen lange gegen Forderungen von Unionspolitikern, einen eigenen Straftatbestand für den Besuch eines islamistischen Camps einzuführen. Heute scheint es kaum jemand zu stören, wenn ein solcher Campaufenthalt den Tod zur Folge hat. Dabei gehen Experten davon aus, dass nicht nur überzeugte Islamisten diese Camps besuchen. Ein großer Teil der Freizeit-Islamisten ist frustriert und will aus der Szene wieder aussteigen, so die Beobachtung von Experten.

Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auch auf die rechtlichen Grundlagen der Angriffe ein. Auf die Frage, ob die USA diese Einsätze fliegen dürfen, antwortet der Experte:

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 Das ist letzten Endes irrelevant, weil sie diese Angriffe ganz einfach fliegen werden. Es ist ihr einziges Mittel, was sie gegen die El Kaida und andere terroristische Gruppierungen in Pakistan haben.
Guido Steinberg

Nach dieser Logik heiligt der Zweck die Mittel. Dass die Frage nach der Legitimation der Angriffe doch nicht so irrelevant ist, machte Steinberg nur wenig später deutlich.

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 Wenn gegebenenfalls jetzt Eltern der dort zu Tode gekommenen Deutschen entscheiden, vielleicht rechtliche Schritte einzuleiten, kann das natürlich die Bundesregierung politisch in Bedrängnis bringen.
Guido Steinberg

Aber soll nur für die Eltern der Getöteten von Interesse sein, auf welcher Grundlage Menschen zu Tode gekommen sind, denen nur allgemein vorgeworfen wurde, zum Fußvolk des Islamismus zu gehören? Wo bleibt die Arbeit engagierter Journalisten, die doch ein Interesse haben müssten, die Hintergründe des Todes aufzuklären? Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung wird oft an erster Stelle genannt, wenn es um investigativen Journalismus geht. Deshalb muss seine Antwort auf die Frage des Deutschlandfunks, ob die Umstände der Tötung in Pakistan jemals aufgeklärt werden, erstaunen:

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 Es wird Namen geben, das glaube ich schon. Ob es Aufklärung ist, ist eine andere Frage. Es werden Namen genannt werden. Manchmal werden ja auf den Web-Seiten der Islamisten die Märtyrer präsentiert. Das ist in der Regel verlässlich, muss man sagen. Von daher kann es durchaus sein, dass wir auf diesem Weg erfahren werden, wer da umgekommen ist.
Hans Leyendecker

Natürlich ist dem erfahrenen Rechercheur aufgefallen, wie seltsam es ist, dass in einem angeblich unzugänglichen Gebiet die Pässe der acht Getöteten gesichert werden konnten. Da stellt sich doch die naheliegende Frage, ob hier nicht vertuscht werden soll, dass die Daten der acht Männer vor dem Raketenangriff bekannt waren und dann der Angriff sehr gezielt erfolgte. Dann wäre natürlich zu fragen, von wem kamen die Aussagen und unter welchen Umständen kamen sie zustande, vielleicht sogar unter Folter oder folterähnlichen Verhältnissen? Doch diese Fragen stellt sich Leyendecker nicht.

Abgesang auf den investigativen Journalismus

Dafür antwortet er auf die Frage, ob die Angriffe vom Völkerrecht gedeckt sind:

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 Wahrscheinlich nicht, aber ich glaube auch nicht, dass sich irgendjemand daran stört.
Hans Leyendecker

Er glaubt auch im Gegensatz zu Steinberg nicht, dass die Bundesregierung durch klagende Eltern der Getöteten unter Druck geraten könnte. Dafür nennt er aber keine Begründung. Ist er der Meinung, dass sie nicht die Möglichkeiten haben, solche juristischen Schritte zu gehen? Wo bleibt der Ehrgeiz des investigativen Journalisten Leyendecker, Eltern oder andere Angehörige der Getöteten ausfindig zu machen und sie selber zu Wort kommen zu lassen? Dann könnte man vielleicht auch erfahren, ob es sich hier wirklich um überzeugte Islamisten handelte oder um Fußvolk oder gar nur um Abenteurer, die gar nicht wussten, auf was sie sich einließen.

Genau solche Menschen waren schließlich auch unter den Insassen im Gefangenlager Guantanamo, wie es nicht nur der preisgekrönte Film „Road to Guantánamo“ dokumentierte (Alles ganz normal). Wenn man die Reaktionen auf die Killfahndung in Pakistan verfolgt, könnte man denken, es hätte nie eine intensive Diskussion über Guantanamo und andere mehr oder weniger geheime Lager für angebliche Extremisten gegeben.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33465/1.html

Peter Nowak

Schikanen gegen Antirassisten

 No-Border-Camp in Brüssel beendet

Trotz Polizeiübergriffen machten Teilnehmer des No-Border-Camps in Brüssel auf die Abschottungspolitik der EU aufmerksam.

Die dunklen Fabrikhallen mit den zerbrochenen Scheiben und den kaputten Dächern, durch die der Regen tropft, konnten den Besucher an eine Filmkulisse erinnern. Doch tagsüber verwandelte sich die Fabrikbrache im Brüsseler Norden in einen lebendigen Ort. In einer Ecke wurden Plakate gebastelt, in einem notdürftig abgedunkelten Raum wurde ein Film gezeigt und an einem Stand wurden T-Shirts und Kapuzenpullis mit einem aufgebrochenen Vorhängeschloss bedruckt. Es war ein Symbol des No-Border-Camps, das vom 25. September bis zum 3. Oktober seine Zelte auf dem Taxigelände in Brüssel aufgeschlagen hatte.

 Veranstaltet wurde das Camp vom europäischen No-Border-Netzwerk. Darin haben sich Antirassisten aus verschiedenen europäischen Ländern zusammengeschlossen. Sie wenden sich seit Jahren gegen die europäische Politik der Abschottung gegen Flüchtlinge von anderen Kontinenten.

»Wir haben jahrelang Antirassismuscamps an den EU-Außengrenzen gemacht. Jetzt sind wir bewusst nach Brüssel gegangen, wo die Abschottungspolitik gegen die Flüchtlinge beschlossen wird«, meinte Vivianne gegenüber ND. Die französische Aktivistin wollte ihren Nachnamen nicht nennen und betonte auch, dass sie wohl in einer Gruppe aktiv sei, aber nicht für sie sprechen könne. Ihre Meinung teilte Vivianne mit vielen der insgesamt etwa 500 Campteilnehmer. Viele lehnen auch eine linke Stellvertreterpolitik aus Prinzip ab

Dafür wurde im Camp und mit zahlreichen Aktionen in Brüssel die Kooperation zwischen Flüchtlingen und Antirassisten geprobt. Dass es dabei Erfolge gibt, zeigte Hagen Kopp von der Hanauer Initiative »Kein Mensch ist illegal« am Beispiel des Kampfes von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos. Gemeinsam mit Antirassisten, die dort im Sommer 2009 ein No-Border-Camp errichtet hatten, gelang es ihnen, die menschenunwürdigen Zustände in dem dortigen Aufnahmelager bekannt zu machen. Es musste schließlich durch den öffentlichen Druck geschlossen werden. Eine Ausstellung, die Kopp in der Brüsseler Fabrikhalle aufgebaut hatte, dokumentierte aber auch, dass vielen Flüchtlingen in der EU noch immer die Abschiebung droht.

Die Campteilnehmer waren sehr motiviert, die antirassistischen Inhalte unter die Brüsseler Bevölkerung zu bringen. Manche hatten sich als Clowns verkleidet, andere fantasievolle Plakate und Schilder fabriziert. Die meist jungen Leute machten sich auch Gedanken über die Außenwirkung ihrer Aktionen: »Wir wollen vermeiden, als Chaoten und Gewalttäter abgestempelt zu werden. Doch die Polizei behandelt uns genauso. Wenn wir auf die Straße gehen, werden wir festgenommen«, berichtete ein Hamburger Schüler.

Tatsächlich nahmen die Berichte über Festnahmen und Polizeischikanen im Camp großen Raum ein. Auch weil es 350 Festnahmen gab, als sich die Antirassisten am 29. September in die europäische Großdemonstration der Gewerkschaften einreihen und für offene Grenzen demonstrierten wollten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/181367.schikanen-gegen-antirassisten.html

Peter Nowak

Jagd auf das Islamgespenst

Geert Wilders: Nicht sein Auftritt in Berlin, sondern seine Rolle bei der neuen Regierung in Den Haag ist die große Gefahr

„Trotz meines prall gefüllten Terminkalenders war es mir ein Anliegen, nach Berlin zu kommen, weil auch Deutschland eine politische Bewegung braucht, die die deutsche Identität verteidigt und die sich der Islamisierung Deutschlands entgegenstellt.“ Das erklärte der holländische Rechtspopulist Geert Wilders am Samstag in einem Berliner Nobelhotel vor knapp 500 seiner Anhänger. Aus Sicherheitsgründen war der Ort erst wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung bekannt gegeben worden. Wilders beschuldigte Bundeskanzlerin Merkel, der Islamisierung Deutschlands nicht entgegenzutreten, und erklärte, dass heute „das Gespenst des Islam“ durch Europa gehe.
   

Damit bezog er sich auf den berühmten Satz von Karl Marx, der jedoch von einem Gespenst des Kommunismus sprach. Dieses Motiv wiederholte der Redner später, indem er den Islam in den Bereich der totalitären Weltanschauungen einordnete und mit dem Kommunismus verglich. Im Verlauf seiner Rede wies er auf die besondere Bedeutung Berlins in Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit und der DDR-Geschichte hin. Dadurch sei die Stadt prädestiniert, sich dem neuen Totalitarismus, dem Islam, entgegenzustellen.

Wilders bemühte verschiedene Autoren, um zu beweisen, dass der Islam eine gefährliche, dem Westen fremde Ideologie und keine Religion sei.

Unterschied zwischen Moslems und dem Islam

Allerdings betonte er auch, einen Unterschied zwischen dem Islam und den Muslimen zu machen.
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 Ich treffe immer einen klaren Unterschied zwischen den Menschen und der Ideologie, zwischen Muslimen und dem Islam. Es gibt viele moderate Muslime, aber die politische Ideologie des Islam ist nicht moderat und hat globale Ambitionen.

Neben den totalitarismustheoretischen Elementen, die Wilders Rede wie ein roter Faden durchzogen, arbeitet er auch intensiv an seinem Opferstatus. Das gelingt ihm deshalb gut, weil er wegen seiner Äußerungen zum Islam mit mehreren Strafverfahren konfrontiert ist, die in den nächsten Tagen beginnen. Für Wilders ist ganz klar:
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 Ich wurde vor Gericht gezerrt, da in meinem Land die Freiheit nicht mehr uneingeschränkt ausgeübt werden kann.

Bis hierhin scheint die Veranstaltung ziemlich klar eingeordnet werden zu können: Eine kleine rechtspopulistische Gruppe lädt einen Geistesverwandten mit einem großen Ego ein, der meint, den Westen retten zu können, und der sich verfolgt fühlt.

Nur ist der Mann, der lamentiert, dass er in Holland seine Meinung nicht frei äußern kann, auch derjenige, der über die künftige Regierung entscheidet. Bei seinem Auftritt in Berlin konnte Wilders noch nicht ganz sicher sein, ob die von seiner Freiheitspartei tolerierte Koalition aus Christdemokraten und Liberalen zustande kommt. Denn bei manchen Christdemokraten war die Aversion zu den neuen Rechtspopulisten enorm. Vor einigen Wochen ist daran schon ein Regierungsversuch gescheitert.

Doch dieses Mal scheinen alle Hürden beseitigt. Gegen den erklärten Widerstand von christdemokratischen Veteranen wurde auf einem Parteitag in Arnheim mehrheitlich die Kooperation mit den Rechten beschlossen.

Vergleich mit Haider

So wie im Jahr 2000 die österreichische Schwesterpartei der Christdemokraten ÖVP mit Haider kooperierte, so haben jetzt die holländischen Christdemokraten die Distanz nach Rechtsaußen aufgegeben. Wenn Wilders überhaupt eine Gefahr ist, dann sicher nicht wegen seines Auftritts in Berlin, sondern wegen seiner Rolle in den Niederlanden.

Aber gerade, wenn man Haiders kurzen Auftritt in der Politik zum Maßstab nimmt, ist auch hier kein Grund zu Panikmache. In Österreich hatten sich die Rechten bald an der Frage zerstritten und gespalten, wie viele Kompromisse man wegen eines Regierungseintritts machen soll. Es wird nicht lange dauern, bis diese Frage auch die Rechten in Holland beschäftigt. Schließlich können einige von Wilders islamfeindlichen Maßnahmen schon wegen des EU-Rechts nicht umgesetzt werden.

Allerdings gibt es auch einige Faktoren, die den aktuellen holländischen Rechten zugute kommen. Europaweit gibt es Kräfte, die einen Kulturkampf „Westen versus Islam“ propagieren. Mit dem Minarettverbot durch eine Schweizer Volksabstimmung (siehe Vor einem neuen Kulturkampf?) haben diese Bewegungen Auftrieb bekommen. Das Wahlergebnis von Wilders Freiheitspartei ist ein weiterer Erfolg. Dass er jetzt nicht in der Opposition bleibt, sondern eine Regierung unterstützen muss und will, wird unter den Wilders-Anhängern in Europa unterschiedlich aufgenommen.

Die rechte Miniformation Freiheitspartei in Berlin versucht natürlich, von Wilders zu profitieren (siehe Geert Wilders soll Aufmerksamkeit auf Rechtspartei „Die Freiheit“ lenken). Nur haben im letzten Jahrzehnt einige rechte Formationen mit Haider Ähnliches versucht und es ist ihnen nicht gelungen – die meisten dieser Gruppen existieren heute nicht mehr.

Distanz von mittlerer Dauer

Allein den Kleinkrieg, den sich die Prodeutschland-Bewegung und die Freiheitspartei am Wochenende in Berlin um den Anspruch lieferten, die neuen deutschen Rechtspopulisten anzuführen, macht deutlich, dass sie bisher aus dem rechten Binnenzirkel nicht herauskommen.

So lange werden auch die etablierten Parteien in Deutschland auf Distanz zu Wilders bleiben. „Ratschläge von zwielichtigen Figuren aus den Niederlanden laufen unserem Bemühen zuwider, die Integration muslimischer Mitbürger zu fördern“, kommentierte die FDP Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Berliner Wilders-Auftritt. Und auch ihr christsozialer Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnete Wilders als Scharlatan.

Diese Distanz können sich die Politiker leisten, weil sie am Erfolg einer Wilders-Partei in Deutschland zweifeln. Sollte sich aber die Freiheitspartei oder eine andere Gruppierung, die sich auf Wilders beruft, bei Wahlen erfolgreich zeigen, dürfte zu beobachten sein, wie schnell ein Teil der jetzigen Wilders-Gegner die Tonlage ändert…

Wenn es dann um mögliche Bündnisse geht, werden manche CDU-Politiker ihre kritischen Worte gegen Wilders nicht mehr gerne hören wollen. Schließlich hatte auch die Hamburger CDU schnell ein Bündnis mit dem Law-and-Order-Mann Schill und seiner Truppe geschlossen. 
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33431/1.html

Peter Nowak

Eindrücke vom europäischen Protesttag

In zahlreichen europäischen Ländern haben sich am 29. September Tausende gegen die Sparpolitik der Regierungen gewandt

Aufgerufen hatten dazu der Europäische Gewerkschaft und das europäische Sozialforum. Während es in Spanien zu landesweiten Streiks kam, beschränkten sich die Proteste in den meisten Ländern auf Demonstrationen.

Bis zu 100.000 Gewerkschafter aus ganz Europa hatten sich in Brüssel zu Protesten versammelt. Wer den kilometerlangen Zug beobachtete, konnte die unterschiedlichen Gesichter der aktuellen Arbeiterbewegung in Europa beobachten. Junge HipHopper liefen neben Veteranen der französischen kommunistischen Partei. Gegen die Präsenz der sozialdemokratischen Parteien riefen Mitglieder der französischen Gewerkschaft Sud Slogans. Sie warfen ihnen vor, die Sparpolitik aktiv mitgetragen zu haben.

Ein Block von Antirassisten aus dem No-Bordercamp, das zur Zeit in Brüssel seine Zelte aufgeschlagen hat, wurde von der Polizei vor Demobeginn aufgehalten. Dabei kam es zu zahlreichen Festnahmen. Die Gruppe wollte für die Rechte der undokumentierten Arbeiter eintreten, die auch bei vielen Gewerkschaften, wenn auch zögerlic, thematisiert werden.

Parlamentszugang blockiert

Auch in Polen gingen mehrere tausend Gewerkschafter gegen die Sparpolitik der Regierung auf die Strasse. Zu einer spektakulären Aktion kam es in Irland. Dort blockierte ein Mann mit einem Zementlaster das Parlamentsgebäude in Dublin.

In Deutschland liefen die Aktionen unspektakulärer ab. Laut Angaben von [www.attac.de/bankenaktionstag/ Attac] haben sich Menschen in 75 Städten daran beteiligt Das Spektrum der Aktionen reichte dabei von Kranzniederlegungen, Theaterspielszenen und Informationsständen bis zu kurzeitigen Bankbesetzungen wie in Berlin. Auch auf erprobte Aktionsformen wurde zurückgegriffen. So wurde eine Financial Crimes Deutschland verteilt, die nicht nur im Namen sondern auch im Layout an die Financial Times Deutschland erinnerte. Vor Jahren hatte man schon die Wochenzeitung Zeit auf diese Weise plagiiert.

Bankenaktionstag abgesagt

Wie es nach den Kisenprotesten weitergeht, ist offen. Eine für den 18.Oktober geplante Blockade des Bankenviertels in Frankfurt-Main wurde nach monatelanger Vorbereitung vor wenigen Tagen abgesagt. „Der Stimmungswandel vor den Sommerferien (‚Wir zahlen nicht für eure Krise‘) in die Zeit danach (‚Die Krise ist vorbei‘), den auch wir zu spüren bekamen, fällt derzeit vielen Akteure, die gegen das Verarmungsprogramm mobilisieren, in den Rücken“, schreiben die Aktivisten. Viele werden jetzt die Ende November anlässlich der dritten Lesung des Sparpakets die geplante Bundestagsumzingelung in Berlin unterstützen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148476

Peter Nowa

Für ein Europa ohne Grenzen

»No Border Camp« bis 3. Oktober in Brüssel

Auf dem Brüsseler Gelände »Tour & Taxis« soll am heutigen Sonnabend ein europäisches »No Border Camp« aufgebaut werden. Dessen Bewohner – Mitglieder und Anhänger eines Netzwerks autonomer Organisationen – setzen sich für die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit aller Menschen ein.

In den vergangenenn haben ähnliche Camps an den EU-Grenzen stattgefunden, an denen Flüchtlingen mit unterschiedlichen Mitteln die Einreise verwehrt oder erschwert wird. „In diesem Jahr haben wir uns für unsere Aktion Brüssel ausgesucht, weil dort das Europäische Parlament tagt, das für die Flüchtlingspolitik  maßgeblich verantwortlich ist. Zudem haben dort viele Lobbyorganisationen ihren Sitz, die für das Grenzregime verantwortlich sind“, begründet Jennifer Lopez gegenüber ND die Ortswahl. Lopez arbeitet im No-Border-Netzwerk mit, einen 1999 gegründeten länderübergreifenden  Zusammenschluss von antirassistischen Gruppen und Einzelpersonen.   Es bereitet das Brüsseler  Camp seit Monaten vor. Auf mehreren europaweiten Treffen wurden sowohl die praktischen Details auch das Programm zwischen den Gruppen aus den verschiedenen Ländern koordiniert.
Die Aktivisten wenden sich nicht nur gegen die Flüchtlingsabwehr, sondern  auch gegen die Grenzen im Inneren. Damit meinen sie beispielsweise die Vertreibung von Roma aus Frankreich, die zurzeit für Schlagzeilen sorgt. Lopez erinnert daran, dass  eine solche Politik Vorläufer in verschiedenen europäischen Ländern hatte. So seien Vertreibungen von stigmatisieren Minderheiten in Italien und in Belgien in den letzten  Jahren ohne große Aufmerksamkeit über die Bühne gegangen.

Theorie und Praxis
In verschiedenen Arbeitsgruppen soll auf dem Camp die  europäische Politik der Abschottung analysiert werden. Natürlich wird es auch um weitere antirassistische Gegenstrategien gehen.  Ein Theoriecamp ist allerdings nicht geplant, betont Lopez. So soll am 29. September mit einer Demonstration an den nigerianischen Flüchtling Sémira Adamu erinnert  werden. Ihm wurde 1998  ihm bei einem Abschiebeversuch von belgischen Polizisten ein Kissen so fest ins Gesicht gedrückt, das er daran erstickte. Mit einer antirassistischen Großdemonstration soll das Camp am 3. Oktober enden. Dazwischen soll mit vielfältigen Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Politik der Abschirmung protestiert werden.     Zudem wollen sich die Antirassisten mit einem „antikapitalistischen kritischen  Block“ an der europäischen Großdemonstration beteiligen, die vom Dachverband der europäischen Gewerkschaften am 29.September in Brüssel organisiert wird.   Das Programm sei noch nicht vollständig, betont Lopez. Schließlich werde auf dem Camp Selbstorganisation groß geschrieben. Dazu gehört auch, dass Campteilnehmer auch spontan Aktionen vorstellen können. Informationen zum Camp gibt es auch auf deutsch auf der Homepage  http://www.noborderbxl.eu.org.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/180388.fuer-ein-europa-ohne-grenzen.htm

Peter Nowak

Dänische Verhältnisse in Schweden?

Niederlage der Sozialdemokraten, Erfolg für Rechtspopulisten. Die Wahlen zum schwedischen Reichstag lagen im europäischen Trend
Schwedens bürgerliche Koalition bleibt in Schweden an der Regierung, hat aber die absolute Mehrheit verfehlt. Die bürgerliche Koalition des bisherigen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt, bestehend aus der konservativen, der christdemokratischen, der liberalen Volkspartei und dem Zentrum, erhielt bei den gestrigen Wahlen zum Reichstag 173 Sitze, die aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei bestehende Opposition bekam 156 Sitze. 20 Sitze fielen an die Schwedendemokraten.

Diese Partei hatte in den letzten Jahren eine Wandlung durchgemacht. Aus einer offen mit Neonazis paktierenden Gruppierung wurden Rechtspopulisten, die mit ihren wegen Rassismus nicht ausgestrahlten, aber im Internet häufig abgerufenen Wahlkampfvideo die Diskussion beherrschte . Der offene Antisemitismus früherer Jahre wurde zurückgestellt, dafür wurde der Antiislamismus zum zentralen Wahlthema, das der Partei den Sprung über die in Schweden gültige Vierprozenthürde verschaffte.

Damit gelang den Schwedendemokraten ähnlich wie Vlaams Belang in Belgien die Umwandlung von einer extremen Rechtspartei in eine rechtspopulistische Gruppierung, die eine bürgerliche Minderheitsregierung tolerieren und damit offen Einfluss auf die Politik nehmen könnte. In Dänemark regiert eine solche von Rechtspopulisten tolerierte bürgerliche Koalition schon mehrere Jahre.

Wegen der Geschichte der Schwedendemokraten ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass sich die bürgerliche Koalition von dieser Partei unterstützen lässt. Beobachter rechnen eher damit, dass das Oppositionslager zerfällt und die Sozialdemokraten Reinfeldt als Premierminister unterstützen.

Sozialdemokratischer Absturz

Die Sozialdemokraten haben mit 30,8 Prozent der Wählerstimmen das schlechteste Ergebnis seit hundert Jahren erzielt und nur knapp ihre Position als stärkste Partei vor den Konservativen behaupten können. Wenn man bedenkt, dass der schwedische Wohlfahrtsstaat lange Jahre untrennbar mit der Sozialdemokratie verbunden war, die in Schweden lange Zeit absolute Mehrheiten erzielte, wird die Dimension der Niederlage deutlicher.

Das Wahlbündnis mit Grünen und Linken hat sich für sie nicht ausgezahlt. Die Synthese von sozialdemokratischen und ökologischen Konzepten, die in diesem Wahlbündnis angestrebt wurde, fand an der Wahlurne keine Bestätigung. In der Krise fürchtet sich die sozialdemokratische Arbeiterwählerschaft vor ökologischen Experimenten und wandert ins konservative oder sogar ins rechtspopulistische Lager ab. Bei den schwedischen Wahlen wurden also Tendenzen deutlich, die in vielen anderen europäischen Ländern vergleichbar sind. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/148409
Peter Nowak

Keine Entwarnung beim Datenschutz

Im Vorfeld der diesjährigen „Freiheit statt Angst“-Demo startete eine Initiative eine virtuelle Schnitzeljagd auf der Website des BKA

127 Organisationen rufen zu der diesjährigen Demonstration Freiheit statt Angst auf, die sich gegen den Überwachungswahn in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wendet. Sie beginnt am 11. September um 13 Uhr auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Die gesellschaftliche Breite zeigt sich an den Spektrum der Redner auf der Auftaktkundgebung. Dort werden padeluun vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, die Netzaktivistin Anne Roth, der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske (Rena Tangens vom FoeBuD e.V. und Martin Grauduszus von der Freien Ärzteschaft sprechen.

Auf einer Pressekonferenz am 9.September in Berlin betonten die Organisatoren, dass ihre Datenschutzbewegung schon Erfolge gezeigt habe. So könnte die Vorratsdatenspeicherung in der von der Regierung geplanten Form nicht in Kraft treten, die Internetsperren für pornografische Inhalte wurden zurück gestellt und auch der elektronische Datennachweis Elena steht in der Kritik. Allerdings befürchten Beobachter, dass die Datenschützer Opfer ihres eigenen Erfolgs werden könnten. Weil plakative Projekte und einfache Feindbilder wie der ehemalige Bundesinnenminister Schäuble in diesem Jahr nicht zur Verfügung stehen, könnte die Demonstration kleiner als in den Vorjahren werden, so die Befürchtung.

Die Demoorganisatoren betonten daher auf der Pressekonferenz die Notwendigkeit, weiter für den Datenschutz auf die Straße zu gehen. So wies Rechtsanwalt Meinhard Starostik darauf hin, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aktuell bleibt. Die Regierung könnte erneut eine Regelung ausarbeiten, gegen die wieder geklagt werden müsste.

Schnitzeljagd auf BKA-Homepage

Eine Datenschutzinitiative protestierte schon im Vorfeld der Demo gegen Überwachung und Kontrolle im öffentlichen Raum. Am 9. September starteten sie eine Schnitzeljagd auf der Homepage des BKA. Als Anreiz für die Suche haben die Aktivisten elf Fragen ausgearbeitet, die die Besucher bei der virtuellen Schnitzeljagd lösen sollen.

So sollte bei der Internetsuche unter anderem eruiert werden, an welchem Ort BKA-Direktor Jürgen Stock 1993 sein Rechtsreferendariat absolvierte und wann der BKA-Vize Jürgen Maurer seinen Dienst antrat. Jens Plath, der den virtuellen BKA-Besuch mit vorbereitete, erklärt im Gespräch mit Telepolis, das BKA sei ausgesucht worden, weil es eine Schnittstelle der europäischen Sicherheitsarchitektur ist und auch für europäische Datensammlungen verantwortlich ist, die für die Betroffenen oft gravierende Folgen haben können. Plath setzt sich für eine für eine alltägliche kritische Beobachtung der Onlinepräsenz von Organisationen wie dem BKA ein. Dafür soll auch auf der „Freiheit statt Angst“-Demonstration am Samstag geworben werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148350

Peter Nowak

Protest gegen deutschen „Tatort Kurdistan“

ANTIKRIEGSTAG Kreuzberger Bündnis macht auf dem Heinrichplatz eine bunte Veranstaltung gegen deutsche Rüstungsexporte in die Türkei. Antikriegsbewegung sucht neue Mitstreiter und Aktionsformen

Am internationalen Weltfriedenstag am 1. September will ein Bündnis auf den Heinrichplatz in Kreuzberg gegen deutsche Waffenexporte in die Türkei protestieren. Auf der Kundgebung, die von 16 Uhr bis 22 Uhr geht und unter dem Motto „Tatort Kurdistan“ steht, sollen unter anderem die Bundestagsabgeordnete der Linken Ulla Jelpke sowie VertreterInnen des Bündnisses „Freiheit für Mumia Abu Jamal“ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Berlin-Brandenburg (DFG-VK) sprechen. Die kulturellen Darbietungen reichen von vom Liedermacher Detlef K. über den Rapper Jenz Steiner, den Reggaemusiker Ganjaman bis zur Punkcombo Yok. „Wir haben auf diese Vielfalt großen Wert gelebt“, sagte der Sprecher des Berliner Kurdistan-Solidaritätskomitees, Nick Brauns.

Die Kampagne „Tatort Kurdistan“ hat am 8. Mai mit einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor begonnen und soll mit Veranstaltungen in verschiedenen Städten am Mittwoch einen Beitrag zum Weltfriedenstag leisten. „In Kurdistan wird Krieg mit Waffen und finanzieller Unterstützung aus Deutschland geführt. Auf der Protestkundgebung soll die Rolle deutscher Unternehmen und der Bundesregierung in dem Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei sichtbar gemacht werden“, zieht Brauns den Zusammenhang zum Antikriegstag.

Die Aktion soll auch der Antikriegsbewegung, die in den letzten Jahren kaum neue MitstreiterInnen und Aktionsformen gefunden hat, Impulse geben. Zu den UnterstützerInnen der gehören neben Antifagruppen und dem Projekt Avanti – Undogmatische Linke auch linke Kreuzberger Veranstaltungsorte wie das SO 36, der Buchladen oh21 sowie zahlreiche Kreuzberger Kneipen. PETER NOWAK

 Die Kundgebung „Tatort Kurdistan“ findet am 1. September von 16 bis 22 Uhr auf dem Heinrichplatz statt. Das Programm findet man unter http://tatort-kurdistan.blog.de

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F08%2F31%2Fa0148

Peter Nowak

Kampagne gegen Sammelwut

Initiative will Daten in der EU »zurückholen«
Die Zahl der Menschen, deren Daten europaweit in Informationssystemen gespeichert sind, geht in die Millionen. Die Informationen können von Geheimdiensten und Polizeibehörden abgerufen werden. Flüchtlinge sind davon ebenso betroffen wie Fußballfans oder politische Aktivisten, die bei Fahrten zu Protestaktionen kontrolliert worden sind.
Datenschützer aus verschiedenen europäischen Ländern wehren sich dagegen und haben die Kampagne »Holt euch eure Daten zurück« gestartet. »Wir rufen dazu auf, von unseren Rechten Gebrauch zu machen«, meint der Journalist Matthias Monroy. Er lebt in Berlin und hat in den letzten Jahren viele Gipfelproteste von Globalisierungs- und Kapitalismuskritikern besucht und dabei die Überwachungsmaßnahmen analysiert. Mittlerweile hat er sich zu einem Experten auf dem Gebiet der europaweiten Polizei- und Geheimdienstarbeit entwickelt.

 Monroy sieht im Datensammeln einen wichtigen Schritt der Repression. Denn die erfassten Informationen werden von den Polizeibehörden der verschiedenen europäischen Länder untereinander ausgetauscht und dienen als Grundlage für Aus- und Einreiseverweigerungen bei Großprotesten. Auch Monroys Daten waren gespeichert. Doch er konnte auf juristischem Wege die Löschung erreichen.

Als ersten Schritt rufen die Aktivisten der Kampagne, zu der u. a. in Deutschland das Komitee für Grundrechte gehört, dazu auf, sich über gespeicherte Daten bei den nationalen Polizeibehörden zu informieren. In Deutschland ist das Bundeskriminalamt die zuständige Stelle. Es ist gesetzlich verpflichtet, Auskunft über gespeicherte Daten zu geben. Hinweise zu deren »Rückholung« finden sich auf der Web-Seite www.datenschmutz.de/moin/AuskunftErsuchen.

Während die Kampagne zur »Datenrückholung« in Deutschland schon angelaufen ist, steckt sie in den europäischen Nachbarländern noch in den Anfängen. »In der nächsten Zeit wird es darum geben, die Materialien in die verschiedenen Sprachen zu übersetzen und sie an die jeweiligen juristischen Gegebenheiten der einzelnen Länder anzupassen«, skizzierte Monroy gegenüber ND die nächsten Aufgaben der Kampagne, die neben dem individuellen Datenschutz auch eine politische Stoßrichtung hat: Sie richtet sich gegen das Stockholmer Programm, mit dem die europäischen Regierungen ihre Sicherheitsagenda für die Jahre 2010 – 2015 festgelegt haben. Der länderübergreifende Datenausgleich ist darin ein zentrales Element.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/176843.kampagne-gegen-sammelwut.html

Peter Nowak

Der Abschied vom linken Gipfelhopping

Eine »taz«-Diskussion über die G8-Proteste
Der Tod des 23jährigen Globalisierungskritikers Carlo Giuliani bei Protesten gegen den G8-Gipfel am 20. Juli 2001 in Genua hat europaweit Protest ausgelöst. Ebenso die Verhaftung hunderter Globalisierungskritiker, die in italienischen Polizeiwachen und Kasernen gedemütigt, geschlagen und sogar gefoltert wurden.

 Neun Jahre später hat die »tageszeitung« (taz) zu einer Podiumsdiskussion geladen. Thema: Was ist aus den Gipfelspektakeln geworden? Dass die Proteste mit Genua nicht zu Ende gingen, zeigte sich an den Podiumsteilnehmern: Fast alle wurden durch die damaligen Ereignisse politisch geprägt und engagierten sich später u. a. in der Klimabewegung.

Der Journalist Matthias Monroy sieht die Gipfelproteste nicht als gescheitert an. Man müsse sich nur von den Vorstellungen eines Gipfelhopping verabschieden, bei dem Globalisierungskritiker, zumeist aus Westeuropa und den USA, zu Protesten rund um den Globus jetten. Für linke Gruppen vor Ort seien Gipfelproteste in ihrem Land oft über den Gipfelevent hinaus mobilisierend.

So betonten Aktivisten, dass das beim G8-Gipfel von Heiligendamm 2007 erprobte Blockadekonzept im Februar 2010 bei der Verhinderung des Naziaufmarsches in Dresden erfolgreich angewandt wurde. Das von Tadzio Müller vorgestellte Aktionskonzept für den Widerstand gegen den Castortransport ins Wendland orientiert sich ebenfalls an Aktionsformen der Globalisierungskritiker. Mit einer Aktion des zivilen Ungehorsams sollen die Gleise unpassierbar gemacht werden, auf denen der Castor im November ins Zwischenlager rollen soll. Müller sieht gute Chancen, auch Aktivisten aus Umweltgruppen und Nichtregierungsorganisationen für das Konzept zu gewinnen. Denn die von der Bundesregierung geplante Aufkündigung des rot-grünen Atomkompromisses fördere die Aktionsbereitschaft bei Menschen, die die AKW-Frage bei den Grünen in guten Händen wähnten.

Aus dem Publikum kamen dazu Einwände. Aktionen des zivilen Ungehorsams bedürfen einer gründlichen Vorbereitung, damit die Beteiligten wissen, auf was sie sich einlassen, so ein Aktivist. Unbeantwortet blieb die Frage, ob Aktionsformen aus der globalisierungskritischen Bewegung bei sozialen Protesten Anwendung finden könnten. Dabei wurde an die europäischen Krisenprotesttag am 29. September erinnert, zu dem Attac und andere Gruppen Aktionen des zivilen Ungehorsams planen. Und auch die Gewerkschaften haben mittlerweile Flashmobs für sich entdeckt, die einmal im Umfeld der globalisierungskritischen Bewegung entstanden sind.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/175783.der-abschied-vom-linken-gipfelhopping.html

Peter Nowak

Ist über allen Gipfeln Ruh?

Die globalisierungskritische Bewegung diskutiert über die Ursachen ihres Rückgangs

9 Jahre ist es mittlerweile her, dass in Genua der 23jährige Carlo Giuliani von der italienischen Polizei erschossen wurde. Sein Tod hatte die globalisierungskritische Bewegung mobilisiert. In den ersten Jahren fanden am 20.Juli in verschiedenen Städten Gedenkdemonstrationen statt. Am 20.Juli 2010 nahm die Bewegungsredaktion der Taz den Jahrestag zum Anlass für eine Diskussion über die Ursachen der Gipfelmüdigkeit. Welchen Anteil hat daran die staatliche Repression?

Für Valeria Bruschi, die in der Diaz-Schule in Genua von der Polizei misshandelt und verhaftet wurde, sind die Ereignisse vom 20. Juni 2001 in Genua noch nicht zu Ende. Für die juristische Ebene stimmt das eindeutig. Sowohl gegen Polizisten, die wegen der Ausübung der Gewalt gegen Demonstranten angeklagt sind, als auch gegen Demonstranten, die beschuldigt werden, am militanten Aktionen teilgenommen zu haben, sind die Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Am Beispiel der Proteste gegen den Nato-Gipfel in Straßburg im April 2009 und der Aktivitäten der Klimabewegung im Dezember 2009 in Kopenhagen wurde gezeigt, dass gegen Demonstranten immer häufiger präventiv vorgegangen wird. „Das heißt sie werden für Taten verhaftet, die sie gar nicht begangen haben“, erklärte Tadzio Müller von der Climate Justice Action, der in Kopenhagen präventiv verhaftet wurde.

Müller sagte allerdings auch, es sei zu defensiv, nur über die Repression gegen die globalisierungskritische Bewegung zu debattieren. Die Bewegung müsse sich eigene Ziele vornehmen. Einen Ansatzpunkt sieht er in den Protesten gegen die Castor-Transporte ins Wendland im kommenden November im Wendland. Da bis dahin der rot-grüne Atomkompromiss Geschichte sei, werde die Zahl der aktiven Castor-Gegner wachsen und könnten Konzepte des zivilen Ungehorsams erfolgreich durchgesetzt werden. Aus dem Publikum wurde ebenfalls die Meinung vertreten, dass die Gipfelproteste nicht in erster Linie durch die Repression zurückgegangen seien. Es habe sich vielmehr in Teilen der globalisierungskritischen Bewegung die Überzeugung durchgesetzt, die Gipfel und ihr Einfluss seien überschätzt worden. Deshalb setzen auch Teile der globalisierungskritischen Bewegung auf die verstärkte Förderung von Protesten auch in betrieblichen und sozialen Kämpfen.

Grenzenübergreifende Polizeistrategien

Der Journalist Matthias Monroy, der seit Jahren europäische Polizeistrategien analysiert, lieferte einige Beispiele dieser europäischen Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte. So findet zurzeit im brandenburgischen Lehnin europäische Polizeiübungen statt, an der über 300 Polizisten aus verschiedenen europäischen Ländern teilnehmen. Monroy stellte am Ende noch die Kampagne Reclaim your Data vor, die von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen unterstützt wird. Monroy selbst ist es nach langwierigen juristischen Verfahren gelungen, seine gespeicherten Daten löschen zu lassen. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/148056

Peter Nowak