Lafontaine als Notretter?

Der Streit in der Linken ist durch die Notkonferenz entschärft, aber nicht beendet

„Die Partei ist in einer schwierigen Situation“, so lautet der erste Ersatz einer Erklärung des geschäftsführenden Vorstands der Linken, die sich am 20.April außerplanmäßig zu einer Krisensitzung in Berlin getroffen hat.

 Der Grund war die Verschärfung des internen Streits, der sich seit den schlechten Wahlergebnissen der Linken bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ausgeweitet. Sogar Mitglieder des Bundesvorstands beteiligten sich daran.
Der Höhepunkt war die Rücktrittsforderung an den dem Realoflügel der Partei angehörenden Schatzmeister Raju Sharma durch zwei Vorstandsmitglieder vom linken Flügel. Zuvor hatte Sharma dem Vorsitzenden Klaus Ernst empfohlen, das Maul zu halten, nachdem der auf einer Rede in Hamburg ein Ende der Personaldebatte gefordert hatte. Dabei haben Sharma und Ernst zumindest eines gemeinsam: Beide sind von der SPD enttäuschte Sozialdemokraten.
 
Daher sind auch die Zuschreibungen zumindest verkürzt, die jetzt über den Linkenstreit wieder im Schwange sind. Es handelt sich weder um einen Ost- Weststreit noch in seiner Gesamtheit um einen Kampf Parteilinke versus Parteirechte. Das zeigt sich schon daran, dass der in der innerpolitischen Debatte am linken Flügel verortete Ernst in seinem bayerischen Landesverband gerade von der Parteilinken heftig angefeindet wird, die sogar die Wahl des Landesvorstands von der Schiedskommission erfolgreich angefochten hat.
 
Grundsätzlicher Richtungsstreit

Es geht bei dem Streit eher um die Rolle, die eine künftige Linke künftig in der politischen Arena spielen soll. Soll sie Teil eines irgendwie sozialökologischen Bündnisses gemeinsam mit SPD und Grünen werden – oder einen eigenständigen Kurs in der Distanz zu allen anderen Parteien gehen? Für erste Rolle treten aus unterschiedlichen Gründen Politiker aus der ehemaligen PDS in Ost und West ein. Die zweite Variante wird ebenfalls von einer sehr gemischten Runde vertreten, darunter von Politikern, die erst vor einigen Jahren aus der SPD ausgetreten sind und daher die Distanz wahren wollen.
 
Dem Duo des Bundesvorstands wird nun vorgehalten, zu schwach zu sein, die erste Variante innerparteilich durchzusetzen. Dabei wird Gesine Lötzsch auch ihr Diskussionsbeitrag zum Thema „Wege zum Kommunismus“ vorgehalten, wobei oft nicht erwähnt wird, dass Lötzsch dem Kommunismus dort eine Absage erteilt hat. Verschärft wird die Auseinandersetzung von vielen Medien, die in der Debatte Partei ergreifen, für den Flügel, der in der Kooperation mit SPD und Grüne für die Partei eine Zukunft sieht. So kam der heute funktionslose langjährige PDS-Funktionär Andre Brie und erklärte Realos in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ausgiebig zu Wort.
 
Vergleich mit der Debatte bei den Grünen

 Eine ähnliche Frontstellung gab es ab Mitte der 80er Jahre im innergrünen Streit, wo auch wesentliche Medien, FR und Taz in vorderster Linie, die als Fundamentalisten verschrienen Parteilinken offen bekämpften und dabei die sogenannten Realisten, kurz Realos, ausgiebig zu Wort kommen ließen.
 
So dürfte die aktuelle Vorstandstagung den Streit innerhalb der Linken etwas entschärfen, aber nicht beenden. Die Medien werden bald den einen oder anderen Linkenpolitiker finden, der sich gegen den gewählten Vorstand positioniert und den Streit wieder anheizt, bis am Ende vielleicht Oskar Lafontaine als Notretter noch einmal den Parteivorstand übernimmt.

http://www.heise.de/tp/artikel/34/34599/1.html

Perer Nowak

»Der Schimmel ist überall«

Flüchtlingsinitiativen organisieren Konferenz in Jena, um auf ihre Lebenssituation hinzuweisen

 Auf einer Konferenz wollen Flüchtlinge ihre Forderungen bündeln, um gegen ihre menschenunwürdige Unterbringung in deutschen Flüchtlingslagern zu kämpfen.

Unter dem Motto »Brecht die Isolation aus den Lagern heraus« organisieren Flüchtlingsinitiativen vom 22. bis 24. April eine Konferenz im Internationalen Zentrum in Jena. Zu den Organisatoren gehört das Flüchtlingsnetzwerk »The VOICE« und die »Flüchtlingsinitiative Möhlau Sachsen-Anhalt«. »In jedem Lager wehren sich Flüchtlinge gegen die Lebensbedingungen, mit denen sie konfrontiert sind. Um erfolgreich zu sein, muss eine politische Position definiert werden«, beschreibt ein Mitglied der Vorbereitung das Konferenzziel.

Ein zentrales Thema soll die Ausbeutung und Diskriminierung der Flüchtlinge durch staatliche Reglementierungen sein. Als Beispiel führt der Aktivist das Asylbewerberleistungsgesetz »sowie die daraus resultierenden alltäglichen Repressionen und Bedrohungen durch staatliche Behörden« an. Zur Konferenz werden Delegierte von Flüchtlingslagern aus ganz Deutschland erwartet. Für den 24. April ist eine Kundgebung vor dem Flüchtlingslager Zella-Mehlis geplant.

Damit sollen die rund 170 BewohnerInnen unterstützt werden, die in den letzten Monaten mehrmals öffentlich auf ihre Situation aufmerksam gemacht, die Auflösung des Lagers und den Umzug in eigene Wohnungen gefordert haben. In einem Brief der Heimbewohner vom März 2011 heißt es: »Wir leben in einem alten Lager mit veralteten Türen, kaputten Fenstern, Schimmel in den Zimmern, Duschen, Toiletten und Fluren – der Schimmel ist überall. Die Menschen werden krank und ihr Zustand verschlimmert sich, viele Familien und Babys leben unter so schrecklichen Umständen.« Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages für die Rechte von Flüchtlingen hatten die Bewohner von Zella-Mehlis am 22. März in Meiningen für die Schließung des Flüchtlingslagers demonstriert. Bisher halten die zuständigen Behörden im Landkreis Zella-Mehlis an dem Lager fest. Mit der Kundgebung, die am Ostersonntag um 10 Uhr vor dem Lager beginnt, sollen die Forderung der Flüchtlinge unterstützt und der Druck auf die Behörden verstärkt werden. www.thevoiceforum.org/node/2083

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195880.der-schimmel-ist-ueberall.html

Peter Nowak

Zwangsbehandlung in der Psychiatrie wurden Grenzen gesetzt

Nach dem Bundesverfassungsgericht greift die Behandlung eines Patienten gegen seinen Willen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung die Rechte von Psychiatriepatienten gestärkt. Es hatte die Frage zu entscheiden, ob gegen den Willen des Betroffenen eine Verabreichung von Medikamenten zulässig ist. Geklagt hatte ein Mann in Rheinland-Pfalz, dem im Pfalzklinikum Klingenmünster Neuroleptika verabreicht werden sollten. Weil er gesundheitliche und psychische Nebenwirkungen befürchtete, weigerte sich. Die Klinikleitung erklärte ihn für uneinsichtig, drohte ihm mit einer Verabreichung der Medikamente gegen seinen Willen und bekam bei mehreren Gerichten in Rheinland-Pfalz Recht.  Mit seiner Verfassungsbeschwerde hat der Mann nun einen Teilerfolg erzielt:

„Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung) greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses Grundrecht schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht. Zu seinem traditionellen Gehalt gehört der Schutz gegen staatliche Zwangsbehandlung …. Bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff.“
 Aus dem Urteil
 Da zurzeit in Rheinland-Pfalz keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Zwangsbehandlung von Personen besteht, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, dürfen dem Kläger bis auf Weiteres keine Medikamente gegen seinen Willen verabreicht werden, befanden die Richter. Eine Sprecherin der Landesregierung kündigte eine baldige Novellierung an.
 
„Kriminelle in weißen Kitteln und schwarzen Roben“

Doch die Entscheidung hat bundespolitische Folgen, weil sich die Verordnungen in allen Bundesländern ähneln. Der auf Menschenrechte spezialisierte Anwalt David Schneider-Addae-Mensah, der den Kläger vertrat, forderte in einem Interview den bundesweiten Stop jeglicher Zwangsbehandlung:
 „Formal wurde zwar nur das Mainzer Gesetz beanstandet, aber die Regelungen der Zwangsbehandlung sind in allen Bundesländern ähnlich. Die Karlsruher Anforderungen sind nirgends erfüllt. Deshalb dürfen jetzt Betroffene in ganz Deutschland nicht mehr gegen ihren Willen gespritzt werden. Es wäre schikanös zu verlangen, dass erst gegen jedes Landesgesetz Verfassungsklage erhoben werden muss.“
 David Schneider-Addae-Mensah
 
Klare Worte fand der Jurist für Ärzte oder Richter, die die Entscheidung nicht beachten:
 „Wenn sie es nicht tun, werde ich die entsprechenden Ärzte wegen Körperverletzung anzeigen und die Richter, die jetzt noch eine Zwangsbehandlung genehmigen, ebenso. Das sind dann Kriminelle in weißen Kitteln und schwarzen Roben.“
 David Schneider-Addae-Mensah
 
Allerdings verhehlte Schneider-Addae-Mensah auch nicht, dass das Urteil nur ein Teilerfolg war. Denn die Richter lehnten eine Zwangsbehandlung nicht generell ab. Vielmehr erklären sie:
 „Dem Gesetzgeber ist es nicht prinzipiell verwehrt, solche Eingriffe zuzulassen. Dies gilt auch für eine Behandlung, die der Erreichung des Vollzugsziels dient, also darauf gerichtet ist, den Untergebrachten entlassungsfähig zu machen. Zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs kann das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst (Art. 2 Abs. 2 GG) geeignet sein, sofern der Untergebrachte zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.“
 Aus dem Urteil
 
Zuvor hatte der Berliner Rechtsanwalt Sebastian Scharmer in einer gutachterlichen Stellungnahme erklärt, dass jegliche Zwangsbehandlung von Psychiatriepatienten nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen die auch von der Bundesregierung unterschriebene UN-Behindertenkonvention verstößt. Dieser Version ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt.
 
Im Gespräch mit Telepolis nennt Sebastian Scharmer die Karlsruher Entscheidung dennoch einen Erfolg. Sie besagt, dass eine Zwangsbehandlung nicht gegen den Willen eines Patienten durchgeführt werden kann, allerdings ist sie ohne seinen Willen weiterhin möglich. Hätte das Gericht die Zwangsbehandlung grundsätzlich für rechtswidrig erklärt, wäre die Auswirkungen auf dem gesamten Pflegesektor beträchtlich gewesen, gibt Scharmer zu bedenken. So werden in der Altenpflege häufig Medikamente verabreicht, die die betreuten Menschen beruhigen sollen, aber durchaus Nebenwirkungen haben.
 
Selbstbestimmung versus ärztliche Fremdbestimmung

 Juristen verweisen auf ein Urteil zum Baden-Württembergischen Unterbringungsgesetz aus dem Jahr 1980, um den Fortschritt zu dokumentieren. Vor 30 Jahren habe der Senat zwar den Begriff „Freiheit zur Krankheit“ geprägt. Aber das Regel-Ausnahme-Verhältnis war genau umgekehrt: Fürsorge war die Regel, Selbstbestimmung konnte ausnahmsweise bei minder schweren Fällen überwiegen. In der aktuellen Entscheidung lasse der Senat dagegen keinen Zweifel, dass die Selbstbestimmung des Kranken die Regel und die ärztliche Fremdbestimmung die Ausnahme zu sein hat.
 
Als Sensation bezeichnet der Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen die Entscheidung:
 „Da mit diesem Urteil die Zwangsbehandlung in der Forensik erfolgreich zu Fall gebracht werden konnte, ist nun zu erwarten, dass alle Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie mit dem Grundgesetz, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, unvereinbar sind und dann jede psychiatrische Zwangseinweisung nur noch Knast ist, für den keine Krankenversicherung mehr zahlen wird.“
 Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen
 
Weil das Gericht die Zwangsbehandlung nicht generell aufgehoben hat, greife jetzt umso mehr die Patientenverfügung, betont Rene Talbot vom BPE:
„Denn in der in einem dokumentiert einwilligungsfähigem Zustand gemachten Patientenverfügung wird erklärt, dass eine Zwangsbehandlung zu keinen Zeitpunkt erfolgen darf. Also ist jede Rechtfertigung von Zwang gegen eine Patientenverfügung unmöglich.“
 Rene Talbot
 http://www.heise.de/tp/artikel/34/34588/1.html

Peter Nowak

Maoisten machen mal ne Pause

Der traditionelle Protestzug am 1 Mai um 13 Uhr fällt in diesem Jahr aus. Es fehlt an Unterstützern.

Die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“, die alljährlich um 13 Uhr vom Oranienplatz durch Kreuzberg zog, ist dieses Jahr nicht im Protestangebot. In einer vierseitigen Erklärung der Revolutionären KommunistInnen BRD (RK), die wesentlich an der Vorbereitung beteiligt waren, wird zuerst die Bedeutung der Demonstration in den vergangenen 25 Jahren hervorgehoben – und dann erklärt, dass sie diesmal ausfällt. „Der Hauptgrund liegt weder in einer fehlenden Notwendigkeit […] noch an einer fehlenden sozialen Basis für die radikale Botschaft der Demonstration“, heißt es dort. Vielmehr liege es an „der historischen Situation, in der sich die organisierten Kräfte befinden“, so das Schreiben etwas kryptisch.
 
Der Hintergrund sind politische Auseinandersetzungen innerhalb der maoistischen Strömung, die die Demo zuletzt wesentlich getragen hat. In dem Organisationsbündnis hatten deutsche, türkische und iranische maoistische Gruppen eine wichtige Rolle gespielt, die in der Internationalen Revolutionären Bewegung (RIM) zusammengeschlossen waren. Dort ist es in letzter Zeit zu starken internen Differenzen über die Beurteilung der Politik Maos und der künftigen Perspektiven gekommen.

  Um die Ausgestaltung der Kreuzberger Demo am 1. Mai war es bereits in den frühen 90er Jahren zwischen der RIM und autonomen Gruppen zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Diese wurden mit Erklärungen in der Autonomenzeitschrift Interim, gelegentlich aber auch mit Fäusten und Holzlatten ausgetragen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre orientierten sich autonome Gruppen dann zunehmend auf andere Demoorte und -zeiten, während das von den MaoistInnen getragene Bündnis am Oranienplatz festhielt. In den letzten Jahren war die Zahl der TeilnehmerInnen an der Demonstration stark gesunken. 2010 kamen nur noch knapp 1.000 Menschen.

 Die Revolutionären KommunistInnen haben erklärt, dass es 2012 die 13-Uhr-Demo wieder geben wird – wenn sich denn genügend Menschen für die Vorbereitung finden. Angemeldet ist sie immerhin schon für das ganze Jahrzehnt.

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/maoisten-machen-mal-ne-pause/

Peter Nowak

Linker Terror in Berlin?

Ein Anschlag und die medialen Folgen

Die Linke schafft sich ab, lamentierte eine anonyme Aktivistin auf der Internetplattform Indymedia. Während der zweitägigen Tagung der Natoaußenminister hatte die unbekannte Autorin jedes Anzeichen von Widerstand und Proteste vermisst.

Einen ganz anderen Eindruck vermittelt dagegen der Fraktions- und Landesvorsitzende der Berliner CDU Frank Henkel. Er forderte kürzlich, die Debatte über den linken Terror in Berlin neu zu führen. Auch die Gewerkschaft der Polizei verlangt mehr Handlungsfähigkeit vom Staat.

Der Grund für diese Reaktionen war ein Brandanschlag auf eine Polizeiwache in Berlin-Friedrichshain am 11. April. Berlins Polizeipräsident sprach von der Gefährdung von Menschenleben durch die Aktion. Eine Reinigungskraft sei durch den Anschlag massiv gefährdet gewesen, sei aber mit dem Schrecken davon gekommen. Deshalb wird gegen die unbekannten Täter auch wegen versuchtem Mord ermittelt. In einer Erklärung, in der „autonome Gruppen“ die Verantwortung übernommen haben, wird verneint, dass eine Gefährdung von Personen bestanden habe.

Auch die Berliner Boulevardmedien greifen das Thema auf und sehen „Polizisten im Visier von Linksextremisten“. Dort wird der Angriff auf die Polizeiwache mit den von linken Gruppen geplanten Demonstrationen zum 1. Mai kurzgeschlossen. In der Folge trat der Demonstrationsanmelder Nikolaus Brauns von dieser Funktion zurück. Der parteilose Historiker, der für die Bundestagsabgeordnete der Linken Ulla Jelpke arbeitete, begründete diesen Schritt damit, Schaden von seiner Chefin und der Linken abwenden zu wollen.

Zuvor hatte die CSU-Landesgruppe in Brauns Rolle als Demoanmelder einen Affront gegen die Polizei gesehen. Der liberale Tagesspiegel sah in Brauns den Anführer eine „Krawalldemo“. Lediglich ein Taz-Kommentator erinnerte daran, dass die Demonstrationen auch am 1. Mai überwiegend ohne größere Zwischenfälle verliefen und die Auseinandersetzungen erst später einsetzen und bedauert, dass Brauns einen Rückzieher bei der Anmeldung gemacht hat.

In einer Pressemitteilung zur „politisch motivierten Kriminalität“, die am 15. April veröffentlicht wurde, konstatierte das Bundesinnenministerium einen Rückgang der Straftaten. Allerdings verwies Bundesinnenminister Friedrich darauf, dass Polizisten verstärkten Angriffe ausgesetzt seien. Jelpke kritisierte diese Darstellung und vermisste Berichte über Polizeigewalt.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149688

Peter Nowak

Stärkung des Demonstrationsrechts

Sitzblockaden sind nicht automatisch strafbar. Das ist das Resümee einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März.

Geklagt hatte ein Frankfurter, der im März 2004 zusammen mit 40 weiteren Aktivisten aus Protest gegen den Irak-Krieg eine Zufahrt zu einem US-Stützpunkt blockiert hatte. Daraufhin wurde er vom Amtsgericht Frankfurt wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun fest, dass diese Verurteilung den Angeklagten in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, festgeschrieben in Artikel 8 des Grundgesetzes, verletze. Die Richter in Frankfurt hätten die Angemessenheit der Gewaltanwendung berücksichtigen müssen. So sei die Aktion im Vorfeld angemeldet worden und es standen Ausweichstrecken zur Verfügung. Der Fall muss nun vor dem Landgericht Frankfurt neu verhandelt werden.
 

In der Begründung ihrer schreiben die Richter:
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 Der Umstand, dass die gemeinsame Sitzblockade der öffentlichen Meinungsbildung galt – hier: dem Protest gegen die militärische Intervention der US-amerikanischen Streitkräfte im Irak und deren Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland -, macht diese erst zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG.
Die Richter machten ihren Kollegen von der Vorinstanz zudem klar, dass die Demonstranten selber über den Ort ihrer Proteste entscheiden.
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 Der Argumentation des Landgerichts, dass die unter Umständen betroffenen US-amerikanischen Staatsbürger und Soldaten die Irakpolitik der US-amerikanischen Regierung nicht beeinflussen könnten, so dass die Aktion von ihrem Kommunikationszweck her betrachtet ungeeignet gewesen sei, scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass ein derartiger Sachbezug nur dann besteht, wenn die Versammlung an Orten abgehalten wird, an denen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger und Repräsentanten für die den Protest auslösenden Zustände oder Ereignisse aktuell aufhalten oder zumindest institutionell ihren Sitz haben. Eine derartige Begrenzung auf Versammlungen im näheren Umfeld von Entscheidungsträgern und Repräsentanten würde jedoch die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit mit unzumutbar hohen Hürden versehen und dem Recht der Veranstalter, grundsätzlich selbst über die ihm als symbolträchtig geeignet erscheinenden Orte zu bestimmen, nicht hinreichend Rechnung tragen.
Klar wird auch erklärt, dass nicht jede Behinderung als „unfriedlich“ gelten kann:
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 Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen.

Auch Antifa-Blockaden angemessen?

Die Entscheidung dürfte auch über den aktuellen Fall hinaus Bedeutung haben. Besonders die Blockade eines Neonaziaufmarsches in Dresden sorgte für große Diskussionen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Bautzen im Januar 2010 entschieden hatte, die Polizei hätte eine antifaschistische Blockade im Jahr 2010 auflösen und den Rechten ihr Demonstrationsrecht gewährleisten müssen.

Gegen zahlreiche Menschen, die sich im Februar 2011 abermals an Blockaden gegen den rechten Aufmarsch in Dresden beteiligten, ermittelt die Polizei. Gegen das für die Blockaden verantwortliche Bündnis Dresden nazifrei wird sogar nach dem Paragrafen §129 wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt sich die Frage, ob auch die Blockaden gegen den rechten Aufmarsch angemessen sind oder nicht.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34462/1.html

Peter Nowak

Bespitzelte wollen’s wissen

Verfassungsschutz den von ihm Beobachteten Akteneinsicht schuldig ist Muss der Berliner Verfassungsschutz den Personen, die er beobachtet, Akteneinsicht geben?
Um diese Frage geht es am heutigen Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht. Dort geht ein von AktivistInnen des Berliner Sozialforums eingeleitetes Verfahren in die zweite Runde. Das Forum war seit seiner Gründung 2002 bisSommer2006 von mindestens vier V-Leuten des Bundesamts für Verfassungsschutz beobachtet worden. Das Landesamtwiederum setzte mindestens einen V-Mann, der seit über 10 Jahren in „autonomen Kreisen aktiv war, auf das Sozialforum an und verwertete die Daten
des Bundesamts eifrig mit.

Nachdem die Bespitzelungbekannt geworden war, stellten 20 Personen beim Landesamt für Verfassungsschutz Anträge auf Auskunft über Überwachung und Akteneinsicht. Es handelt sich um Personen, die entweder im Sozialforum aktiv waren oder Veranstaltungen der Initiative besuchten und dadurch ins Visier der Beobachter geraten sein können. Diese Anträge wurden
nicht nur ausgesprochen schleppend bearbeitet – sie wurden allesamt mit der pauschalen Begründung abgelehnt, dass sie Aufschlüsse über die Arbeitsweise und Quellen des Verfassungsschutzes ermöglichen würden.
Dagegen hatte das Mitglied des Sozialforums Wilhelm Fehse geklagt und im Januar 2008 einen Teilerfolg errungen. Das Verwaltungsgericht urteilte damals, die Behörde könne solche Auskünfte nur verweigern, um die
Enttarnung von V-Leuten zu verhindern. Das müsse sie allerdings in jedem Einzelfall begründen.  Eine grundsätzliche Ablehnung
von Auskunftsansprüchen sei nicht möglich, so der Vizegerichtspräsident Hans-Peter Rueß in der Begründung. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, weil die Innenverwaltung Berufung beim Oberverwaltungsgericht einlegte. Sollte das Urteil nun vor dem Oberverwaltungsgericht Bestand haben,muss der Verfassungsschutz alle Anträge auf Akteneinsicht neu entscheiden. Fehses Verteidiger, Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, geht davon aus, dass in diesem Fall „die Behörden bei den Anträgen auf
Akteneinsicht deutlich auskunftsfreundlichere Maßstäbe als bisher anwenden müssen“.

Grottian bleibt kritisch

Der emeritierte Berliner Politologieprofessor und Sozialforums-Aktivist Peter Grottian,Grottian, der als einziger der Betroffenen Akteinsicht erhalten hatte, beurteilte das Urteil allerdings auch kritisch, weil es die Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung offenlasse.  „Bisher ist man bei der Behörde mit einem Auskunftsersuchen gegen eine  Wand aus Stein gerannt. Künftig rennt man gegen eine Wand aus Gummi.“ Auch Kläger Fehse warnt vor Euphorie und verweist auf die politische Dimension: „Insgesamt bleibt der Verfassungsschutz weiter ohne öffentliche und parlamentarische Kontrolle.“ Trotzdem ruft das Sozialforum zum regen Besuch der Berufungsverhandung auf. Sie beginnt um 12 Uhr vor dem Oberverwaltungsgericht in der Hardenbergstraße31 (am Bahnhof Zoo).
PETER NOWAK

aus:    DIE TAGESZEITUNG.  MITTWOCH, 30. MÄRZ 2011 

 

 

Wutbürger bei der Linken nicht angekommen

 

Die gestrigen Wahlen hatten einen Verlierer, der in der Berichterstattung kaum auftauchte: die Linkspartei

In beiden Bundesländern verfehlte sie mit knapp 3 Prozent die Hürde eindeutig. In Rheinland-Pfalz hatte sich die Partei lange mit internen Streitereien beschäftigt. Daher war auch parteiintern nicht mit einen Einzug in den Landtag gerechnet worden. Mehr Hoffnung machte sich die Partei in Baden-Württemberg, wo die Linke im Mittelbau einiger Gewerkschaften verankert ist.

Zudem hoffte man, auch ein wenig von der Politisierung durch Stuttgart 21 zu profitieren. Schließlich war mit Gangolf Stocker, einer der zentralen Gegner des Bahnprojekts, mehrere Jahre Geschäftsführer der PDS in Baden-Württemberg. Auch kursierten kurz vor der Wahl Aufrufe, S21-Gegner sollten aus taktischen Gründen die Linke wählen, um ein Korrektiv im Parlament zu haben, falls die Grünen nach der Wahl feststellen, dass das Bahnprojekt nicht mehr zu verhindern ist.

Das Wahlergebnis zeigte, dass solche Überlegungen an der Basis der S21-Gegner kaum befolgt wurdem. Profitiert hatten – sowohl von der durch das japanische AKW-Desaster angestoßenen neuen Ausstiegsdebatte in Deutschland als auch von Stuttgart 21 – allein die Grünen. „Die Wutbürger“ sind bei der Linken nicht angekommen, hieß es in einer Wahlanalyse der Süddeutschen Zeitung.

Durch die Konzentration auf diese Themen sind soziale Fragen, bei denen sich die Linke gegenüber den Grünen hätte profilieren können, in den Hintergrund getreten. Auch mit dem Thema Antimilitarismus konnte die Linke nicht punkten, obwohl führende Grüne die Bundesregierung kritisiert haben, weil die beim Krieg gegen das libysche Regime zu wenig Engagement zeigt. Auch wenn dieser Kurs, wie die rege Leserbriefdebatte in der grünennahen Taz zeigt, an der Basis durchaus nicht nur auf Zustimmung stößt, schadet er den Grünen zur Zeit nicht.

Wenn das Wahlergebnis auch deutlich macht, dass die Zeiten vorbei sind, als die Linke überall auf Erfolgskurs schien, wird es eher als lokales Ereignis abgeheftet und dürfte wenig Folgen für die Debatte in der Bundespartei haben. Sollte die Linke allerdings aus einem Landesparlament, wo sie schon Einzug gehalten hat, wieder rausgewählt, was bei Neuwahlen in NRW ebenso möglich wäre wie bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, könnte auch die Politik der Bundespartei wieder zur Diskussion stehen.

Werbung für das soziale Berlin

Man schaut nach vorne: Der 27.September ist für die Linke ein wichtiges Datum. Dann tritt sie in Berlin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl als Regierungspartei an. Eine Initiative Berliner Mitglieder spricht sich für eine konsequente Oppositionspolitik aus. Dieser Stimmung wurde beim Berliner Landesparteitag der Linken insoweit Rechnung getragen, als die Linke sich als Mieter- und Sozialstaatspartei präsentierte und dabei sogar begrenzte Konflikte mit ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner wagte.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149545

Peter Nowak

 

Internetmobbing auf den Index?

Ein Mobbingfall in Berlin und die Folgen
„Karin fehlt heute ohne Entschuldigung.“ Solche Schülerprosa gehört eher zu den harmloseren Postings, die auf der Mobbingplattform „I share Gossip“ zu finden sind. Oft werden dort missliebige Jugendliche mit realen oder erfundenen Geschichten öffentlich kompromittiert. Es kam deshalb schon zu Selbstmordversuchen. Vor einigen Tagen geriet die Mobbingseite wieder in die Schlagzeilen, weil die Angriffe nicht nur virtuell blieben.

Ein Jugendlicher wurde bei einer Schlägerei zwischen zwei Jugendgruppen im Berliner Stadtteil Wedding schwer verletzt. Die Boulevardpresse hatte ein neues Thema entdeckt. Dann schaltete sich auch die Politik ein. Bundesjugendministerin Kristina Schröder hat angekündigt, konsequent gegen Mobbing-Seiten im Internet vorgehen zu wollen.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien will die Webseite auf den Index setzten. Dann wäre sie nicht mehr über Suchmaschinen aufzurufen. Zuvor hatte der Vorsitzende des Berliner Landeselternausschusses eine Abschaltung der Mobbingseite gefordert. Das ist aber gar nicht möglich, weil sich der Server im Ausland befindet. Angemeldet wurde die Webseite in den USA. Daher könnte sie nur auf Anordnung eines US-Gerichts aus dem Netz genommen werden. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main gegen die Betreiber blieben bisher erfolglos, weil die anonym sind.

Schwerpunkt Medienerziehung

Doch es gab in der aufgeheizten Stimmung um die Mobbingseite auch Stimmen, die nicht in erster Linie auf Repression und Verbote setzten. So empfahl der Schulleiter der Carl-Bosch-Schule Dietmar Weißleder, die von der Gemobbten und einigen ihrer Kontrahenten besucht wird, die Schüler sollen sich durch die Kommentare nicht aufhetzen lassen. Generell solle man an der Schule jetzt keine Bedrohungsszenarien aufbauen und dem Thema „I share gossip“ nicht zu viel Raum geben. „Ich finde es falsch, dass bei allen gesellschaftlichen Problemen immer die Schule verantwortlich gemacht wird“, betonte Weißleder.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner erklärte:

„Jugendliche benötigen unsere Unterstützung, um sich Medienkompetenz anzueignen und mit dem PC, dem Internet und Handy verantwortlich umzugehen.“

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat sich zur Diskussion um die Mobbingseite nicht geäußert. Allerdings heißt es in der Stellungnahme zum mittlerweile gescheiterten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag:

„Indizierungen, Verbote und Filter überdecken die Notwendigkeit einer ethisch-moralischen Diskussion, die zu einem tragfähigen freien Kodex des Selbstschutzes führen würde.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149525

Peter Nowak

Aktionen gegen Flüchtlingslager

PROTESTTAG Heute demonstrieren Aktivisten für eine bessere Behandlung von Flüchtlingen

Für den heutigen Dienstag rufen Initiativen zu einem bundesweiten Aktionstag für Flüchtlinge auf. In Berlin organisiert ein Bündnis, zu dem unter anderem die Initiative gegen das Chipkartensystem und Aktion Sühnezeichen gehören, um 17 Uhr eine Kundgebung auf dem Heinrichplatz in Kreuzberg. Zu den UnterstützerInnen gehört das Spandauer Bündnis gegen rechts sowie die Berliner Verbände von Piraten- und Linkspartei.

Ein Schwerpunkt ist an diesem Tag auch die Situation in Brandenburger Flüchtlingsheimen. Darüber soll mit einer Ausstellung informiert werden, die auf dem Kundgebungsplatz präsentiert wird. Zahlreiche Berliner AntirassistInnen wollen sich zudem mit HeimbewohnerInnen an Aktionen in Brandenburg beteiligen. So wird um 14 Uhr in Herzberg im Elbe-Elster-Kreis für die Schließung des nahe gelegenen Flüchtlingsheims Hohenleipisch demonstriert. Damit soll der Druck auf die rot-rote Brandenburger Regierung erhöht werden, das isoliert in einem Wald befindliche Lager aufzulösen. Interessierte aus Berlin treffen sich um 12 Uhr am Bahnhof Südkreuz zur Fahrt zur Demo.

Auch in Hennigsdorf wird es unter dem Motto „Menschenwürde für alle“ eine Demo gegen. Sie beginnt um 16 Uhr vor dem Flüchtlingsheim in der Ruppiner Chaussee. „Wir wollen den Menschen in Hennigsdorf bewusst machen, dass wir Teil dieser Stadt sind und unter welchen Bedingungen wir hier leben müssen“, benennt Heimbewohner Patricia Boku das Ziel der Aktion. „Als einer der letzten Landkreise in Brandenburg verweigert Oberhavel den Flüchtlingen die Bargeldauszahlung“, ergänzt Tobias Becker von der Hennigsdorfer Initiative United against Racism and Isolation. Es gehe bei den Protesten allerdings nicht um die Abschaffung einiger Missstände. „Wir fordern die Schließung aller Heime“, so ein Organisator.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bt&dig=2011%2F03%2F22%2Fa0144&cHash=f7bfb81eae

Peter Nowak

Langer Weg zur Gleichberechtigung

Flüchtlingsinitiativen gegen Sondergesetze
Im Kampf gegen die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz können Aktivisten und Betroffene erste Erfolge verbuchen, müssen aber auch Rückschläge hinnehmen.
Heute wollen Antirassismusgruppen mit Aktionen in mehr als 25 Städten die Aufhebung diskriminierender Gesetze gegen Flüchtlinge einfordern. Im Mittelpunkt steht die Abschaffung des 1993 beschlossenen Asylbewerberleistungsgesetzes. Es ist nach Ansicht der Aktivisten verantwortlich für diskriminierende Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in Deutschland unterworfen sind. Denn in dem Gesetz ist festgelegt, dass sie 35 Prozent weniger bekommen als deutsche Hartz IV-Bezieher. Sie sind zudem auch der Willkür der Behörden ausgeliefert, die statt Bargeld Sachleistungen und Essenspakete verteilen, moniert das Bündnis »Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen«, das den Aktionstag vorbereitet hat.

Doch das Gesetz könnte bald Makulatur sein. Dafür hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gesorgt, als es das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorlegte. Die Richter beriefen sich zur Begründung auf das Urteil des (BVerfG) vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelleistungen. Dort hatte es ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Das gilt auch für Asylsuchende, Geduldete und Menschen mit einem humanitären Aufenthaltsstatus. Deswegen gehen Rechtsexperten davon aus, dass das (BVerfG) eine Neufestlegung der Regelsätze bei Flüchtlingen anordnen wird.

Das wäre nicht der einzige Erfolg, den es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf um mehr Rechte für Flüchtlinge gegeben hat. Auch die Residenzpflicht, die Flüchtlinge verpflichtet, sich in den vom Ausländeramt zugewiesenen Landkreisen aufzuhalten und bei jedem Verlassen eine Genehmigung zu beantragen, wurde in mehreren Bundesländern mit unterschiedlicher politischer Couleur gelockert. Am 15. März beschloss das von einer großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt, dass sich Flüchtlinge künftig im gesamten Bundesland frei bewegen können. Der damals zuständige SPD-Innenminister Holger Hövelmann bezeichnete die Maßnahme als »eine Erleichterung für die Betroffenen, aber auch eine Verwaltungsvereinfachung und Entlastung für viele Behörden und die Polizei«. Allerdings endet die Bewegungsfreiheit an den Grenzen des Bundeslands und die Flüchtlinge müssen auch weiterhin in den ihnen von den Behörden zugewiesenen Orten wohnen.

Ein im Dezember 2010 vom Bundesland Bremen eingebrachter Antrag für eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hatte im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Im schwarz-gelb regierten Bayern wurde im März 2010 die Residenzpflicht für Flüchtlinge im Asylverfahren gelockert. Menschen mit Duldungsstatus sind davon ausgenommen. Eine ähnliche Regelung gilt auch in Hessen. Dort war im Januar ein Antrag der Grünen, den Flüchtlingen im gesamten Bundesland Bewegungsfreiheit zu gewähren, mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt worden.

In Berlin und Brandenburg können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge seit Juli 2010 Dauererlaubnisse für den Aufenthalt in einen der beiden Bundesländer bekommen. Die Flüchtlingsräte kritisieren allerdings, dass ein Teil der Betroffenen weiterhin von diesen Regelungen, die zudem an strenge Auflagen gebunden sind, ausgeschlossen bleibt. Eine zentrale Forderung ist die Schließung des Flüchtlingsheims Hohenleipisch im Landkreis Elbe-Elster. »Wir sind in heruntergekommenen Armeebaracken untergebracht, mitten im Wald, umgeben von Wildschweinen«, erklärten Bewohner einer Besuchergruppe. Am kommenden Dienstag ist abermals eine Besichtigung mit Journalisten geplant.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193723.langer-weg-zur-gleichberechtigung.html

Peter Nowak

Rot-Grüner Haushalt in NRW gekippt

Das Urteil wird die Diskussion über die von der Politik gewollte Selbstentmachtung durch Schuldenbremsen verstärken
Der Verfassungsgerichtshof von NRW hat am 15. März den Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung wegen Überschreitung der Kreditgrenzen für verfassungswidrig erklärt.

Der Haushalt verstoße gegen den Artikel 83 Satz 2 der Landesverfassung. Dort heißt es: „Die Einnahmen aus Krediten dürfen entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Regel nur bis zur Höhe der Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen in den Haushaltsplan eingestellt werden; das Nähere wird durch Gesetz geregelt.“

Das Gericht stellt in der Urteilsbegründung fest: „Von der in Art. 83 Satz 2 LV normierten Regelverschuldungsgrenze dürfe grundsätzlich nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewichen werden. Nach gefestigter Rechtsprechung müsse die Störungslage ernsthaft und nachhaltig sein oder als solche unmittelbar drohen. Die erhöhte Kreditaufnahme müsse außerdem zur Störungsabwehr geeignet und final hierauf bezogen sein.“

Im Gesetzgebungsverfahren seien keine Gesichtspunkte der konjunkturellen Entwicklung aufgezeigt worden, die eine weitere Erhöhung der Kreditaufnahme gegenüber dem Stammhaushalt trotz deutlich verbesserter Wirtschaftslage zur Störungsabwehr plausibel und nachvollziehbar machten, so das Gericht.

Die Parteien im NRW-Landtag reagierten unterschiedlich auf die Gerichtsentscheidung. Die oppositionelle FDP hat die Landesregierung aus Konsequenz auf das Urteil aufgefordert, „den Marsch in den Verschuldungsstaat zu stoppen“. Für die ebenfalls oppositionelle Linke „spielt das Urteil den Neoliberalen aller Couleur, die einen schwachen Staat und sowie Privatisierung und Sozialbbau wollen, in die Hände“. Die Linke, die die Landesregierung in bestimmten Fragen unterstützt, fordert diese auf, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts besser darzulegen.

Die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geht ebenfalls weiterhin von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aus und bezeichnet die Folgen des Urteils für den Haushalt von NRW als gering. Allerdings wird weiterhin über baldige Neuwahlen in NRW geredet. Damit will die Landesregierung eine Mehrheit von SPD und Grünen erreichen. Ob diese Kalkulation aufgeht ist fraglich.

Selbstentmachtung durch Schuldenbremse?

Die Gerichtsentscheidung dürfte die Diskussion um die Schuldenbremsen in den Landesverfassungen neu beleben. Es sind von der Politik gewollte Bestimmungen, die zu dem Richterspruch und damit dazu führte, dass sie immer weniger Spielraum hat. In Hessen, wo ebenfalls eine 1397977 Schuldenbremse in die Verfassung eingefügt werden soll, muss die Bevölkerung am 27. März in einer Volksabstimmung darüber entscheiden.

Ein Bündnis aus verschiedenen Parteien, Gewerkschaften und sozialen Initiativen spricht sich gegen dagegen aus. Es könnte durch die Entscheidung von NRW Auftrieb bekommen. 
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Peter Nowak

Kuschen Berliner Grüne vor Sarrazin?

Die Integrationspolitik sorgte auf der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen Streit
„Eintritt frei. Eine Stadt für Alle“ lautete das Motto der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen. Sie war auch medial mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt worden, weil die Berliner Grünen dieses Mal zur Abgeordnetenhauswahl mit dem Anspruch antreten, den Posten des Regierenden Bürgermeisters zu besetzen.

Mittlerweile sind allerdings die zunächst guten Umfragewerte für Renate Künast gefallen. Auch nach der Konferenz reißt die Kritik nicht ab. Bemängelt werden allerdings eher fehlende Visionen der Kandidatin als ihre konkrete Politik.

Dabei ist Künast am Wochenende nur knapp an einer innerparteilichen Niederlage vorbeigeschrammt. Mit 81 zu 61 Stimmen setzte sich ein von ihr unterstützter Antrag in der Integrationspolitik durch. Die Stoßrichtung formulierte Künast schon in ihrer Eröffnungsrede. Nachdem sie die Leistung vieler Migranten gewürdigt hatte, kam sie zu den Schattenseiten: „Es gibt auch kleine Gruppen, mit denen gibt es Probleme. Das müssen wir in unserem Programm ansprechen, wenn wir für die ganze Stadt da sein wollen.“

Im Wahlprogrammentwurf werden sogenannte Ehrenmorde, Drogenhandel und islamischer Fundamentalismus angesprochen. Die Benennung dieser Probleme ist auch in grünen Kreisen kein Tabu. Doch die Art der Präsentierung hatte bei manchen Delegierten den unangenehmen Eindruck, hier würde auf die Sarrazin-Debatte reagiert. Die Bildungsstadträtin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann warnte davor, Vorurteile wie die von Sarrazin oder die des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky zu bedienen. Auch die Parteiarbeitsgemeinschaft Migration moniert, im Wahlprogramm befänden sich Textpassagen mit provokativen und verletzenden Tönen gegenüber Migranten.

Chancen für Schwarz-Grün gestiegen?

Manche Delegierte sahen sogar die berühmten grünen Werte gefährdet. Er befürchte, „dass wir nicht nur den Kampf um das Rote Rathaus verlieren, sondern auch uns selbst“, wurde ein Delegierter in der Taz zitiert. Künast musste noch einmal ans Rednerpult treten, um ihre Positionen zu verteidigen, und wurde dabei auch vom Berliner Fraktionschef Wolfgang Wieland unterstützt. Beobachter sehen in dieser Intervention den Grund, dass ein Gegenantrag zur Migrationspolitik knapp scheiterte. Die grünennahe Taz zumindest sieht Künast danach gestärkt und die Chancen für die Fortsetzung des gerade gescheiterten Hamburger Modells wachsen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149395

Peter Nowak

Sehnsucht nach der Schröder-SPD

Das Ergebnis der Urabstimmung der SPD in Schleswig-Holstein ist eine Richtungsentscheidung
Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein heißt Torsten Albig. Bei einer Urabstimmung der SPD-Mitglieder setzte sich der Kieler Oberbürgermeister mit 57,22 Prozent gegen den lange Zeit als Favoriten gehandelten Ralf Stegner durch. Stegner kam weit abgeschlagen auf nur 32,15 Prozent. Die Außenseiterkandidaten Brigitte Fronzek (9,09 %) und Matthias Stein (1,28 %) hatten keine Chance.

In seiner Deutlichkeit bedeutet das Abstimmungsergebnis eine herbe Niederlage für Stegner, der nun auch um seine Spitzenämter in der Partei fürchten muss. In dem Ergebnis spiegelt sich auch die Unzufriedenheit der Basis mit dem oft arrogant auftretenden Stegner wieder. Darüberhinaus offenbart die Wahl Grundlegendes, was die Ausrichtung der Partei anbelangt Stegner und Albig stehen für unterschiedliche Konzepte in der SPD.

Während Stegner den Sozialdemokraten ein soziales Profil geben wollte und ein neues Schulgesetz sowie eine kostenlose Kitabetreuung propagierte, lehnte Albig solche Forderungen ab, weil sie seiner Meinung nicht zu finanzieren sind.

„Ich kämpfe für Rot-Grün“, erklärte Stegner noch vor wenigen Tagen in einem Interview, wo er sich von seinen konservativeren Konkurrenten absetzen wollte. Der ehemaliger Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht er sich, wie sein ehemaliger Chef, noch heute als Erbe der Schröder-SPD. Als Kieler Oberbürgermeister hat er sich als Sprecher der mit der Bundespolitik unzufriedenen Kommunalpolitiker zu profilieren versucht.

Die Urabstimmung hat deutlich gemacht, dass die SPD-Basis Sehnsucht nach den Machern der Schröder-Ära hat. Der Erfolg des Schröder-Mannes Olaf Scholz hat diese Tendenz noch verstärkt. Jetzt hofft die SPD bei den durch einen Gerichtsbeschluss festgelegten vorgezogenen Wahlen in Schleswig Holstein auf einen Erfolg eines Kandidaten vom rechten Parteiflügel.

Sämtliche Absetzbewegungen von Schröder und Co., die es in den letzten Jahren in der SPD scheinbar gegeben hat, können nicht darüber hinwegtäuschen. Stegner könnte das Schicksal seiner Parteifreundin Andreas Ypsilantis teilen, die auch für die SPD zu links war, obwohl sie anders als Stegner Wahlen gewonnen hat.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149346

Peter Nowak

Versammlungsrecht gilt auch an Flughäfen

Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Demonstrationsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22. Februar das Demonstrationsrecht gestärkt. Es stellte fest, dass von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform, ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen. Deshalb gilt die Versammlungsfreiheit auch an Flughäfen und Bahnhöfen.

Allerdings sind wegen der „besonderen Störanfälligkeit eines Flughafens“ nach der Entscheidung Einschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich. So werden auch in Zukunft keine Demonstrationen auf dem Rollfeld, wohl aber in der Flughafenhalle möglich sein. Das wollte die Betreiberin des Flughafens Frankfurt/Main, die Fraport Aktiengesellschaft, verhindern. Julia Kümmel, Aktivistin einer antirassistischen Initiative, die im März 2003 vor dem Abfertigungsschalter in der Flughafenhalle Flugblätter gegen die Abschiebung von Flüchtlingen über diesen Airport verteilt hatte, wurde von dem Unternehmen ein Flughafenverbot erteilt.

Sie hätte mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen müssen, wenn sie erneut auf dem Flughafenareal angetroffen worden wäre. Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern bedürften ihrer Einwilligung und „nicht abgestimmte Demonstrationen im Terminal würden aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufes und der Sicherheit grundsätzlich nicht geduldet“, hieß es in der Begründung.

Dagegen klagte die Frau. Während zwei juristische Instanzen und der Bundesgerichtshof der Fraport Recht gegeben hatten, siegte Kümmel nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Unternehmen habe ihre Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt, befanden die Richter. Die Fraport AG begrüßte in einer knappen Erklärung, dass nach der Entscheidung Rechtssicherheit herrsche, betonte aber auch, dass „das Urteil nicht bedeute, dass von jetzt an unbegrenzt Demonstrationen in den Terminals stattfinden können.“

Gegen demokratiefreie Zonen in den Innenstädten

Die Entscheidung wird auch für die Versammlungsfreiheit von Bahnhöfen und öffentliche Einkaufszentren Folgen haben. So heißt es in der Urteilsbegründung:

„Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können.“

Auch der Wunsch „eine Wohlfühlatmosphäre in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen“, begründe keine Einschränkung von Grundrechten.

Damit reagiert das Gericht auf Einwände von bürgerrechtlichen Organisationen, die seit fast 20 Jahren vor der Privatisierung öffentlichen Raums und der Umwandlung zu politikfreien Zonen warnen und unter anderem mit sogenannten Innenstadtaktionstagen dagegen protestierten. 
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/149321

Peter Nowak