Jedem Bachelor seinen Master

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Bundestag aufgefordert, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu garantieren. Dazu legte die GEW gestern eine Studie vor.

»Der Bund ist nach Maßgabe des Grundgesetzes berechtigt, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu regeln. Seine Gesetzgebungskompetenz für Hochschulzulassung und -abschlüsse schließen auch den Zugang zu einem Masterstudiengang ein“, lautet das Fazit des auf Bildungsfragen spezialisierten Münsteraner Rechtsanwalts Wilhelm Achelpöhler, der das Gutachten verfasst hat. Der Jurist stützt sich auf Artikel 74,  Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes, nach dem der Bund über die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Hochschulabschlüsse und der Hochschulzulassung verfügt. Der Bund kann  Länder und Hochschulen zu einem wirksamen Verfahren zur Vergabe der Masterstudienplätze auffordern.   Zudem besitze der Bund die Kompetenz zur Regelung, der für die Aufnahme des Studiums erforderlichen Qualifikation der Bewerber.  

Für das für die  Hochschulpolitik verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller ist damit die Verantwortung der Politik klar benannt. Er fordert den Bundestag auf, für den freien Zugang zu allen Masterstudienplätzen zu garantieren, statt das Recht einiger Hochschulen zu verteidigen, sich eine „kleine Elite angeblich besonders geeigneter Studierender auszusuchen“.   „Solange in vielen Studienfächern wie der Lehrerbildung der Bachelor nicht berufsqualifizierend ist, wäre es verantwortungslos, Studierende gegen ihren Willen mit dem Bachelorzeugnis in der Tasche auf den Arbeitsmarkt zu schicken“, betont Keller.

Bereits 2010 hatte ein Viertel aller Masterstudiengänge einen Numerus clausus. 2011 wird sich die Lage verschärfen, da immer mehr Bachelorstudierende ihren Abschluss machen und ins Masterstudium drängen.

 „Das Rechtsgutachten,  zeigt jetzt schwarz auf weiß: Der Bund hat die Kompetenz zur Regelung des Zugangs und der erforderlichen Qualifikationen der Bewerber“, kommentierte der Bundesgeschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen Tobias Keim die Expertise.   Für deLinke.SDS  ist allerdings für die Durchsetzung des freien Masterstudiengangs weiterhin der Druck der Studierenden und die Bereitschaft dafür auf die Straße zu gehen, erforderlich. 
 
In den letzten Tagen hat sich Druck auf die Politik erhöht, für mehr Chancengleichheit in den Hochschulen zu sorgen.   Ein Bündnis, das von den der FDP nahestehenden Liberalen Hochschulgruppen über die Jusos und der DGB-Jugend  bis zum Verband   DieLinke.SDS  reicht, forderte  am vergangenen Dienstag in Berlin  den freien  Zugang zum Masterstudium. Die  Erklärung ist unter  http://www.freier-masterzugang.org/ im Internet zu finden und wurde mittlerweile von mehr als 400 Personen unterstützt.
Gefordert wird u.a. ein Bund-Länder-Programm zur Schaffung neuer Studienplätze.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/195562.jedem-bachelor-seinen-master.html

Peter Nowak

Freier Zugang zum Masterstudiengang

Die Wahl zwischen einem Masterstudium und dem direkten Einstieg in den Beruf soll nicht von der Verfügbarkeit der Masterstudienplätze abhängen, fordern liberale, grüne und linke Studentengruppen
Es ist äußerst selten, dass ein der FDP nahe stehender Studierendenverband mit dem der Linkspartei nahe stehenden DieLinke.SDS und dem fzs an einen Strang zieht. Auf einer Pressekonferenz in Berlin forderten sie unisono in einer gemeinsamen Erklärung einen freien Zugang zum Masterstudiengang.

„Der Bologna-Prozess kämpft in der Bundesrepublik auch nach mehr als 10 Jahren immer noch mit gravierenden Problemen. Dabei ist vor allem der Übergang vom Bachelor- in ein Masterstudium eine entscheidende Frage unter Studierenden. Die Wahl zwischen einem Masterstudium und dem direkten Einstieg in den Beruf darf nicht von der Verfügbarkeit der Masterstudienplätze abhängen“, heißt es in der Präambel der gemeinsamen Erklärung, die in den Hochschulen jetzt weiter diskutiert werden soll. Über die weitere Umgangsweise gehen dann die Meinungen allerdings auseinander. Während sich alle Beteiligten auf Petitionen und die Eingabe der Erklärung in die Hochschulgremien einigen konnten, hoffte der Vertreter der Linken.SDS, dass die Forderung auch zu Studierendenprotesten führen wird.

Einig war man sich auch in der Forderung, dass von Bund und Ländern eine Bedarfsanalyse vorgelegt werden muss, die die Zahlen über die tatsächlichen Kapazitäten an Masterstudienplätzen in den einzelnen Ländern offen legt, den Bedarf an Masterstudienplätzen ermittelt und mit einem Bund-Länder-Programm für einen Ausbau der Kapazitäten sorgt. Sabrina Klaus-Schelletter von der DGB-Jugend begründete das Engagement ihrer Organisation in dieser Frage mit der Forderung nach Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für junge Menschen, sowohl auf betrieblicher als auch auf universitärer Ebene. Sie wies daraufhin, dass im deutschen Bildungssystem Kinder aus Arbeiterfamilien gegenüber denen aus Akademikerfamilien strukturell benachteiligt seien, was durch die fehlenden Masterstudienplätze verschärft wird.

Am Freitag will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einen Bericht vorlegen, der sich mit der Frage befasst, ob der Bund den freien Zugang zu Masterstudiengängen gewährleisten kann. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/10/149650

Peter Nowak

Nach dem grünen Wahlsieg

Noch ist der designierte baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht im Amt, schon wird er von verschiedenen Seiten an die Wahlversprechen erinnert. Auch studentische Organisationen haben ihre Freude über die Abwahl von Schwarz-Gelb mit konkreten Erwartungen für eine andere Politik verbunden. Dabei übt sich Gunther Schenk, der Sprecher der der künftigen Regierungspartei nahestenden Studierendenorganisation Campusgrün, schon in Pragmatismus. So gehört zu den zentralen Forderungen neben der Demokratisierung der Hochschulen, der Einführung der Verfassten Studierendenschaft und der besseren Ausstattung von Masterstudienplätzen »die Abschaffung von Studiengebühren mindestens für das Erststudium«.

Dabei haben auch die Kommilitonen in Baden-Württemberg mit vielen Aktionen gegen Studiengebühren auch für die Zeit über das Erststudium hinaus gekämpft. Daran knüpft Juliane Knorr vom Dachverband des Vorstands des freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften (fzs) mit ihrer Forderung nach sofortiger Abschaffung von Studiengebühren an. Sie erinnert auch an die bundespolitischen Konsequenzen, wenn mit Baden-Württemberg ein weiteres Gebührenland umschwenken und es damit in 14 Bundesländern keine Unimaut gibt. Der fzs geht in seiner Forderung nach Einführung der Verfassten Studierendenschaft noch einen Schritt weiter: künftig soll es einem AStA auch erlaubt sein, sich über direkte hochschulpolitische Belange hinaus zu äußern. Die fzs-Sprecherin will genau hinsehen, ob die neue Regierung diese Forderungen auch umsetzen wird. Allerdings fehlt jeder Hinweis auf die Konsequenzen, sollte die Umsetzung dieser Forderungen der berühmten Sachzwänge wegen nicht erfolgen. Eine von den Grünen geleitete Regierung dürfte allerdings druckempfindlicher sein als das abgewählte Mappus-Kabinett.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/194462.nach-dem-gruenen-wahlsieg.html

Peter Nowak

Uni-Kodex noch zeitgemäß?

Die plagierte Doktorarbeit Karl Theodor zu Guttenbergs hatte eine Protestwelle aus dem Wissenschaftsbetrieb zur Folge, ohne die wohl der schnelle Rücktritt des Ministers nicht erfolgt wäre. Die Wissenschaftler haben sich mit Recht dagegen verwahrt, dass man einen Minister durchgehen lässt, was bei jeden Studenten zu Sanktionen führen würde. Nachdem die Personalie Guttenberg zumindest vorerst abgehackt ist, bestünde eine gute Gelegenheit über eine Frage öffentlich zu debattieren, die in der Plagiats-Debatte notwendigerweise bislang ausgeblendet wurde: Ist die vielbeschworene Regel der wissenschaftlichen Community, die für wissenschaftliche Arbeiten nur eine individuell zuweisbare Autorenschaft kennt, im Internet-Zeitalter noch zeitgemäß?

Bisher wird die Debatte nur in Insiderkreisen geführt. So berichtete die Online-Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift »brand eins« über ein von dem US-Computerunternehmen Mozilla im letzten Jahr in Barcelona organisierten Treffen zum Thema »Bildung im Internetzeitalter«. Wie sich die Rolle von Schulen und Universitäten, von Lehrern und Professoren ändert, wenn sich jeder sein Wissen selbst im Internet zusammensucht und wie sich das auf die Regeln der Wissenschaftsgemeinde auswirkt, war bei dem Meeting eine zentrale Frage. Vor allem die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Lernens machen das Netz attraktiv. Schließlich kann sich dort schnell eine Gruppe von Lernenden mit kollektiven Lernergebnissen bilden. Kollektives Arbeiten steht auch bei der Onlineplattform Wikipedia im Mittelpunkt. Das Erstellen von Texten wird so zum gemeinschaftlichen Prozess, die Grenze zum Plagiat ist fließend. Der geltende Wissenschaftskodex stammt aber noch aus der Vor-Internet-Zeit. Daher müssen Studierende an vielen Hochschulen schon bei Seminararbeiten in einer Erklärung per Unterschrift versichern, alleiniger Verfasser zu sein.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193416.uni-kodex-noch-zeitgemaess.html

Peter Nowak

Freiheit des Gewissens

Der Protest gegen Werbeveranstaltungen der Bundeswehr an der Schule ist in der letzten Zeit gewachsen. Neben Schülern und Lehrern engagieren sich mittlerweile auch Elternverbände für einen Unterricht ohne Militär. So hat der »Bayerische Elternverband e.V.« kürzlich eine Petition an den bayerischen Landtag initiiert, in der gefordert wird, dass Schüler aus Gewissensgründen einer Bundeswehr-Veranstaltung fernbleiben können und für sie ein Ersatzunterricht angeboten werden muss. In der Begründung für die Petition verweist die Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbandes Maria Lampl auf die Kooperationsabkommen zwischen den Bundesländern und der Bundeswehr. Die habe dadurch große Einflussmöglichkeiten im Bereich der politischen Bildung der Schüler, sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrer und Referendare bekommen. Zudem kann die Bundeswehr nun den Schulen von sich aus Angebote von Informationsveranstaltungen machen, moniert Lampl.

Auch die politischen Hintergründe des verstärkten Interesses der Bundeswehr an Schulveranstaltungen werden in der Petition präzise benannt: »Der Wandel der Bundeswehr von einer reinen Verteidigungstruppe zu einer Interventionsarmee ist politisch gewollt und vollzogen.« Nach der Abschaffung der Wehrpflicht wächst das Interesse des Militärs, gezielt Interessenten für eine Freiwilligenarmee zu werben. Dafür sind neben Jobcentern die Schulen ein wichtiges Rekrutierungsfeld, wo junge Menschen mit unsicheren Zukunftsperspektiven erreicht werden können. Zur Gegenbewegung gehören Resolutionen der GEW ebenso wie Aktionen von militärkritischen Schülern gegen die Bundeswehrwerbung bis zur Petition des bayerischen Elternverbandes. Damit wird deutlich, dass ein antimilitaristisches Bewusstsein in Teilen der Bevölkerung nicht nur vorhanden ist, sondern sich auch politisch artikuliert.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/191740.freiheit-des-gewissens.html

Peter Nowak

Exzellenz ohne Elitendünkel

Jahrelang haben Studierende gegen das wirtschaftsfreundliche Universitätskonzept des ehemaligen Präsidenten der Freien Universität (FU) Dieter Lenzen protestiert. Die Unterstützung aus der Statusgruppe der Professoren blieb verhalten. Daher waren manche überrascht, dass zu den Wahlen zum Akademischen Senat in dieser Woche erstmals eine Hochschulliste antrat, die unter dem Motto »Transparenz und Exzellenz« eine Kritik am Lenzen-Modell formulierte. »In den letzten 20 Jahren fand ein beispielloser Abbau an Lehr- und Forschungskapazitäten in Berlin statt. Insbesondere die Freie Universität hat bei diesem Prozess gelitten«, heißt es im Wahlprogramm.

Als Beispiel wird der Abbau bei der Medizinfakultät und das Verschwinden ganzer Fachbereiche genannt. Im Rahmen der Exzellenzinitiative seien zusätzliche Mittel in die FU geflossen. Doch durch die Konzentration auf wenige Bereiche sei die Homogenität der Hochschule zerstört worden, lautet die Kritik, die so ähnlich zuvor auch von Studierenden artikuliert wurde. Vage bleiben die kritischen Hochschullehrer allerdings, wenn sie für eine »grassroots excellence« werben und für einen »tabufreien Diskurs« bei der Frage der Hochschulfinanzierung eintreten. Konkreter wird es, wenn die Liste für eine bessere Kooperation aller Berliner Hochschulen auf allen Gebieten eintritt.

Die Misere an den Hochschulen ist allerdings kein technisches Problem, sondern hat ihre Ursache in den kapitalistischen Verwertungsinteressen, denen auch die Hochschulen unterworfen werden. Darüber findet sich im Programm der Liste kein Wort. Betont wird dagegen, dass die Zeit der ideologischen Grabenkämpfe vorbei sei.

Doch selbst eine solche moderate Wortmeldung aus dem Lager der Hochschullehrer wird von manchem wirtschaftsliberalen Erben von Lenzen mit Unwillen betrachtet. Wie hoch die Unterstützung für eine andere Exzellenz unter den FU-Professoren ist, wird sich am Freitag zeigen, wenn die Wahlergebnisse veröffentlicht werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/188459.exzellenz-ohne-elitenduenkel.html

Peter Nowak

Noch eine Diskussion über Kommunismus

Schon vor der aktuellen Kommunismusdebatte fand es auch die Onlinezeitung Trend Infopartisan an der Zeit, das K-Wort neu zu diskutieren. Unter dem Titel »Wege aus dem Kapitalismus« lädt die Onlinezeitung am 21. und 22. Januar zu einem Diskussionswochenende in das Initiativenzentrum Mehringhof nach Berlin-Kreuzberg. »Braucht eine sozialemanzipatorische Bewegung eine Partei?« lautet der Titel einer Podiumsdiskussion, die am Freitag um 19 Uhr beginnt. Am folgenden Tag werden Aktivisten von Stadtteil- und Erwerbslosengruppen sowie Gewerkschafter über die Grenzen der Teilbereichsarbeit und die Möglichkeiten einer Organisierung debattieren. Der in Paris lebende Journalist Bernard Schmid wird über den aktuellen Stand der sozialen Kämpfe in Frankreich berichten. Für die Organisatoren steht allerdings fest, dass gescheiterte marxistisch-leninistische Konzepte entschieden kritisiert werden müssen.

www.trend.infopartisan.net

Peter Nowak

http://www.neues-deutschland.de/artikel/188301.nachrichten.html

Mehr Demokratie an der Uni

Es klingt wie ein nachweihnachtlicher Wunschkatalog: Mindestens ein Drittel der Gesamtstudienleistung muss frei wählbar sein, keine Anwesenheitskontrollen für Studierende, 100 zusätzliche, ausfinanzierte Professuren, 100 Prozent Ökostrom an der Uni. Über diese Forderungen sollen die Studierenden der Freien Universität (FU) Berlin vom 11 bis zum 13. Januar in einer Urabstimmung befinden. Eine Demokratisierung der Hochschule mittels Stimmzettel? Das klingt auf den ersten Blick naiv. Doch die Initiatoren der Urabstimmung wollen damit den Druck auf Hochschule und Politik erhöhen.

Schließlich soll bis Mai 2011 das Berliner Hochschulgesetz novelliert werden. Auch die Grundordnung und zentrale Satzungen der FU werden überarbeitet. Die Professorenmehrheit im Akademischen Senat will möglichst wenig von ihrer Macht abgeben. Deswegen hat sich auch nach mehreren Bildungsstreiks, an denen sich zigtausende Studierende beteiligten, wenig geändert. Viele der Aktivisten haben sich resigniert aus der Ausein-

andersetzung um eine demokratische Hochschule zurückgezogen. Im Januar sollen nun die zentralen Forderungen der Bildungsproteste zur Abstimmung gestellt werden. Damit erhoffen die Initiatoren auch eine Repolitisierung der Studierenden.

Ob das Kalkül aufgeht, wird sich zeigen. Sollte die Resonanz auf die Urabstimmung gering sein, könnten sich die Befürworter des Status quo bestätigt sehen. Egal wie die Abstimmung ausgeht, Rückschlüsse über das aktuelle Bewusstsein der Kommilitonen bietet sie allemal. Das ist nützliches Wissen. Wer sich für eine demokratische Hochschule einsetzt, wird diese Forderungen nicht aufgeben, wenn die Mehrheit sich nicht dafür interessiert oder gar dagegen ist. Doch es ist gut zu wissen, ob man dafür einen großen Rückhalt hat oder in der Minderheit ist.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/187927.mehr-demokratie-an-der-uni.html

Peter Nowak

Studierende protestieren jetzt per Wahlurne

URABSTIMMUNG An der FU können Studierende über Verbesserungen abstimmen – ganz unverbindlich

Mindestens ein Drittel der Gesamtstudienleistung soll frei wählbar sein. Anwesenheitskontrollen für Studierende werden abgeschafft und der Master wird zum Regelabschluss. Die FU Berlin schafft 100 zusätzliche ausfinanzierte Professuren und verwendet künftig ausschließlich Ökostrom. Was sich wie der weihnachtliche Wunschzettel gestresster Studierender anhört, ist Teil einer Beschlussvorlage, über die alle KommilitonInnen der Freien Universität vom 11. bis zum 13. Januar 2011 in einer Urabstimmung befinden sollen.

Vorbereitet wird das Plebiszit am Campus von Studierenden, die bei Bildungsprotesten in diesem und im letzten Jahr für die Forderungen nach einer demokratischen Universität eingetreten sind. „Wir haben uns mit unseren Forderungen an den Zielen orientiert, die bei vergangenen Studierendenprotesten aufgestellt wurden“, sagte Mathias Bartelt von der AG Urabstimmung der taz. Damit solle Druck auf Hochschule und Politik ausgeübt werden. Bartelt verwies auf die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes, die bis Mai 2011 erfolgt sein soll. Auch das Rahmenkonzept der Master- und Bachelorstudiengänge an der FU soll überarbeitet werden.

Die Wirtschaftswissenschaftsstudentin Anne Schindler befürchtet, dass die Interessen der Studierenden dabei unberücksichtigt bleiben. „Die Verschulung und Ökonomisierung der Universitäten wird mit den neuen Regelungen zugespitzt, die Studierenden mit repressiven Regulierungsmethoden schikaniert“, so das Mitglied des FU-Asta und der AG Urabstimmung.

Damit das rechtlich unverbindliche Plebiszit Druck entfalten kann, muss am Campus wohl noch kräftig mobilisiert werden. An einer Vollversammlung, auf dem das Projekt vorgestellt wurde, beteiligten sich Ende voriger Woche nur knapp 30 KommilitonInnen. Die Ankündigung sei zu spät erfolgt, meinte Bartelt, der trotzdem optimistisch ist, dass viele Studierende für eine „demokratische FU stimmen“ werden, und verwies auf die linken Mehrheiten im Studierendenparlament.

An den anderen Hochschulen dürfte der Ausgang der Urabstimmung mit Interesse verfolgt werden. Sowohl beim Asta der Technischen Universität als auch beim ReferentInnenrat der Humboldt-Universität hieß es auf Nachfrage, sei eine solche Initiative sei bei ihnen zurzeit nicht geplant.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F12%2F20%2Fa0145&cHash=fedbba1221

Peter Nowak

Ruhe auf dem Campus

Zehntausende Studierende demonstrieren gegen das Kürzungsprogramm der Regierung. Solche Bilder kamen in den letzten Tagen aus Italien und Großbritannien. Auch in Österreich sind vor einigen Wochen in verschiedenen Städten Kommilitonen auf die Straße gegangen. Nur in Deutschland herrscht Ruhe auf dem Campus, und auch für Sozialproteste sind die Studierenden zurzeit nicht mehr zu begeistern als die übrige Bevölkerung. Das zeigte sich am 26. November in Berlin. Obwohl an den Hochschulen für die Proteste gegen das Sparpaket der Bundesregierung mobilisiert wurde, beteiligten sich an der Bundestagsbelagerung fast nur die Mitglieder des Studierentenverbandes Die Linke.sds. Vor einem Jahr sah das Bild noch ganz anders aus. Anlässlich des Bildungsstreiks gab es zahlreiche Demonstrationen, und viele Hochschulgebäude in der ganzen Republik waren besetzt.

Der AStA der Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main erinnerte dieser Tage mit einer Pressemitteilung an die Bildungsproteste vor einem Jahr. Doch dabei handelt es sich um eine nachträgliche Distanzierung. »Es ist schade, dass die wichtigen Inhalte der Protestbewegung durch die Casino-Besetzung überschattet wurden (…) Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass eine notwendige Diskussion über Studienbedingungen durch eine unglückliche Aktion überdeckt wird«, heißt es in der Erklärung des AStA. Dabei hatte die Casino-Besetzung viel Unterstützung nicht nur von Studierenden, sondern auch von Seiten kritischer Wissenschaftler erfahren. Die polizeiliche Räumung und die versuchte Kriminalisierung der Aktivisten führten zu einer bundesweiten Solidarisierung.

Es war wesentlich den mehrjährigen studentischen Protesten in Hessen zu verdanken, dass in Hessen die Studiengebühren zurückgenommen wurden, als es eine parlamentarische Mehrheit dafür gab. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Unimaut bisher nicht wieder eingeführt. Studentischer Protest kann also durchaus erfolgreich sein.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/185560.ruhe-auf-dem-campus.html

Peter Nowak

Master für alle!

Eigentlich wollte Ines M. Psychologin werden. Doch die Bachelorstudentin landete beim Jobcenter. Der von ihr angestrebte Masterstudiengang wurde ihr verwehrt – ihr Notendurchschnitt von 2,7 sei zu schlecht, hieß es. Diese Erfahrung dürften in den nächsten Semestern noch viele Kommilitonen machen. Viele Bachelor-Studenten drohen auf der Schwelle zum Master von den Hochschulen zu fliegen. Bildungsexperten sprechen schon davon, dass damit die Konstruktionsfehler des Bolognaprozesses deutlich werden.

Dabei war Flexibilität das Zauberwort der Befürworter der Reform. Der Bachelor-Abschluss sollte den Hochschulabsolventen den Weg ins Berufsleben bahnen oder die Möglichkeit zum Weiterstudieren ebnen. Dass der Weg beim Jobcenter enden könnte, war in diesen Plänen nicht vorgesehen. Ein Grund für diesen Irrweg liegt im auf die Spitze getriebenen Bildungsföderalismus in Deutschland. Mittlerweile entwirft jede Hochschule eigene Richtlinien für die Bewerbungen zum Masterstudiengang und gebärdet sich dabei oft nur als Verteidiger ihres eigenen Hochschulstandortes. So muss ein externer Bewerber für einen Masterstudiengang in Psychologie an der Universität Bonn um eine Note besser sein als unieigene Interessenten. Hochschulverwaltungen, die alle Bewerber für das Masterstudium gleich behandeln, bekommen manchmal Ärger von Studierendenvertretern. So fordert Max Schneider vom AStA der Bielefelder Universität eine Bevorzugung der unieigenen Studierenden. »Entweder man schafft überall Zäune oder nirgends, aber so kann es nicht bleiben«, begründet er seine Zuflucht in den Bildungsprotektionismus. Das aber ist eine fatale Haltung. Ein Aufrechnen der Master- gegen die Bachelor-Studierenden und die Abschottung der eigenen Hochschulen fördert nur die soziale Ausgrenzung, gegen die viele Studierenden vor einigen Jahren protestiert haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/184456.master-fuer-alle.html

Peter Nowak

Keine Chance für eine Studentin

An den Hochschulen sollen nur Mitarbeiter Gleichstellungsbeauftragte werden

„Die Viadrina hat es sich zum Ziel gesetzt, aktiv zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern beizutragen. Eine zentrale Funktion erfüllt hierbei die von Mitarbeitern und Studierenden gewählte Gleichstellungsbeauftragte“, heißt es auf der Homepage der Europauniversität Viadrina in Frankfurt/Oder.  In einem ND vorliegenden  Rundschreiben des Brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur heißt es: „Nach § 66 des Brandenburgisches Hochschulgesetz  besteht keine Möglichkeit, Studentinnen zu Gleichstellungsbeauftragten zu wählen.“
In der Begründung führt das Ministerium aus: „Die Aufgabe der Gleichstellung betrifft zwar alle Bereiche der Hochschulen, in der Praxis bezieht sich jedoch ein nicht unerheblicher Teil der Tätigkeit auf Fragen der Gleichstellung von Bediensteten der Hochschule bzw. Fragen im Zusammenhang mit der Einstellung von Personen. Auch hieraus ergibt sich, dass die GBA sinnvollerweise selbst Beschäftigte der Hochschule ist.“
 Das Rundschreiben erfolgte, nachdem sich an der Viadrina-Universität im Mai 2010 eine Studentin für den Posten der Gleichstellungsbeauftragen gewählt wurde. Sie kann das Amt behalten.   “Das ministerielle Rundschreiben betrifft ausschließlich die zukünftig zu wählenden Beauftragten. Bereits ordentlich gewählte Gleichstellungsbeauftragte bleiben bis zum Ablauf ihrer Wahlperiode im Amt“, erklärte der persönliche Referent des Präsidenten der Viadrina-Universität Ingo Wolf gegenüber ND. Das bestätigte die  Pressesprecherin des Wissenschaftsministeriums Antje  Grabley. In Zukunft werde aber keine Studentin in diesem Amt mehr akzeptiert.  „Die Hochschulen sind aufgefordert, ihre Satzungen mit Blick auf die Gleichstellungsbeauftragte auf die Vereinbarkeit mit dem Brandenburgischen Hochschulgesetz hin zu überprüfen und eventuell nachzubessern“, betont Grabley.
Entzug des passiven Wahlrechts
In einer Pressemitteilung kritisiert der freie Zusammenschluss der Studierendenschaften (fzs), in dem Asten und Studierendenvertretungen zahlreicher Hochschulen vertreten sind,  das Rundschreiben des Ministeriums als „Entzug des passiven Wahlrechts für Studentinnen“.   „An keiner Stelle des Brandenburgischen Hochschulgesetzes ist geregelt, wer für das Amt wählbar ist, lediglich, dass diese Person weiblich  sein muss, ist festgehalten“, widerspricht Florian Keller vom fzs-Vorstand dem Ministerium. Auch in der vom Ministerium angeführten  Freistellungsklausel sieht Keller kein Argument für den Ausschluss für Studentinnen.    „Ebenso, wie das Gesetz eine Freistellung anderer Hochschulmitarbeiterinnen von ihren sonstigen Aufgaben vorsieht, sollte eine studentische Gleichstellungsbeauftragte den Zeitaufwand innerhalb ihres Studienganges anerkannt bekommen.“ Keller kann nicht nachvollziehen, weshalb eine Studentin nicht in der Lage sein sollte, die Aufgaben der dezentralen Gleichstellungsbeauftragten zu erfüllen. Das Ministerium räumt in dem kritisierten Rundscheiben selber ein, dass die Hochschulgesetze anderer  Bundesländer die Wahl von studentische Gleichberechtigungsbeauftragten zulassen. Auch an den Universtäten von  Cottbus und Potsdam amtierten studentische Gleichstellungsbeauftragten.  In der Brandenburger Landeshauptstadt wurde einer studentischen Bewerberin  nach der ministeriellen Klarstellung von einer Bewerbung abgeraten, nachdem ds Wissenschaftsministerium seine Position per Rundschreiben klargestellt hat.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/183722.keine-chance-fuer-eine-studentin.html?sstr=Keine|Chance|für|eine|Studentin

Peter Nowak

Ohrfeige für neoliberale Bildungspolitik

Die Errichtung von Hochschulräten an den Unis in Nordrhein-Westfalen ist »undemokratisch und intransparent«. So lautete das Statement einer Sprecherin des AStA der Universität Münster. Diese Auffassung wurde Ende Oktober höchstrichterlich bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht (OLG) Münster kam zu dem Schluss, dass der Hochschulrat der Uni rechtswidrig ist und neu gewählt werden muss. Damit gab es der Klage eines Studenten statt, der vor Gericht gezogen war, weil das Gremium im Februar 2008 hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Kommilitonen gewählt worden war. Der Anwalt des Klägers, Wilhelm Achelpöhler, sieht sogar Auswirkungen über Münster hinaus. Denn auch an anderen Hochschulen in NRW gab es ein ähnlich intransparentes Wahlprozedere.

Das Urteil ist auch eine Ohrfeige für die Bildungspolitik der abgewählten schwarz-gelben Regierung in NRW. Ihr Kernstück war die Einrichtung von Hochschulräten, in denen nicht die Studierenden, dafür aber führende Wirtschaftsvertreter über die Belange der Hochschulen entscheiden sollen. Das sieht das Hochschulrahmengesetz vor, das die Handschrift des damaligen FDP-Bildungsministers Andreas Pinkwart trägt. Die gegenwärtig amtierende rot-grüne Landesregierung könnte mit dem Rückenwind des OLG Münster nun ihre Wahlversprechen umsetzen und die Hochschulräte wieder abschaffen. Dafür müssten sich aber die Studierenden auch vernehmlicher in der Öffentlichkeit äußern. Schließlich war neben dem Kampf gegen die Studiengebühren auch der Widerstand gegen die Etablierung der Hochschulräte ein wichtiger Anstoß für die Bildungsproteste in NRW in den letzten Jahren. Ohne sie wäre das Urteil von Münster kaum möglich gewesen und ohne sie ist eine demokratische Hochschule, in der die Abschaffung des Hochschulrats nur der erste Schritt wäre, auch heute nicht denkbar.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/183424.ohrfeige-fuer-neoliberale-bildungspolitik.html

Peter Nowak

Bestrafung für eine Stunde Streik

Noch zu Beginn des neuen Schuljahrs sollten Birgit Mills und Claus-Timm Carstens befördert werden: Mills zur Leiterin der Flensburger Hohlwegschule und Carstens zum Leiter der Elmshorner Gemeinschaftsschule Langelohe. Doch der Bildungsminister von Schleswig-Holstein Ekkehard Klug (FDP) machte die Pläne zunichte. Die beiden Lehrer wurden von Klug jetzt dafür bestraft, dass sie sich am 3. Juni 2010 für eine Stunde an einem landesweiten Streik beteiligt hatten. Zu der Arbeitsniederlegung hatte die Gewerkschaft GEW aufgerufen, um gegen längere Arbeitszeiten und Kürzungen im Bildungsbereich zu protestieren. Weil Beamte nach den Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht streiken dürfen, hatte das Bildungsministerium von Schleswig-Holstein den Lehrern in einem Schreiben vom 26. Mai mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur außerordentlichen Kündigung gedroht, wenn sie sich an der Aktion beteiligen. Trotzdem beteiligten sich auch ca. 2000 verbeamtete Lehrer an den Protesten. Unmittelbar nach der Aktion wurden ihre Gehälter gekürzt. Anderen Pädagogen droht ein ähnlicher Karriereknick wie Carstens und Mills.

Für den GEW-Vorsitzenden von Schleswig-Holstein, Matthias Heidn, kollidieren die Sanktionen mit der europäischen Rechtssprechung, die das Streikrecht erst jüngst gestärkt hat. Tatsächlich sollte die GEW die Repressalien zum Anlass nehmen, das vordemokratische deutsche Beamtenrecht infrage zu stellen. Schließlich wird am Beispiel von Schleswig-Holstein deutlich, dass es als Abschreckung gegen demokratische Aktivitäten eingesetzt wird und nicht nur engagierte Pädagogen disziplinieren soll. Auch den Schülern wird hier beigebracht, dass mit Nachteilen rechnen muss, wer seine eigenen Interessen vertritt. Das müssen sie oft selber erfahren, wenn sie sich während der Unterrichtszeit an Bildungsstreiks beteiligen. Erziehung zu mündigen Bürgern sieht anders aus.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/181865.bestrafung-fuer-eine-stunde-streik.html

Peter Nowak

Zu Diskriminierungen kann es überall kommen, wo es Mehrheiten und Minderheiten gibt

Die Pädagogin Sanem Kleff von „Schule ohne Rassismus“ über Deutschenfeindlichkeit und Gewalt an den Schulen

Der Kulturkampf um die Schulen in Deutschland geht weiter. Mittlerweile hat sich der FDP-Generalsekretär Martin Lindner mit der Forderung zu Wort gemeldet, dass Schüler mit Migrationshintergrund auf dem Schulhof deutsch sprechen müssen. Diese Forderung ist Teil eines Integrationsprogramms mit dem die FDP die Zuwanderung mit den Interessen der deutschen Wirtschaft in Einklang bringen will. Gleichzeitig haben sich in Zeiten der Krise nach einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Zeiten der Krise rechte und rassistische Einstellung in der Deutschen Mehrheitsgesellschaft verfestigt (Die Verfinsterung der deutschen Mitte).
   

Für das Projekt Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage sind solche Befunde alarmierend. Es wurde in einer Zeit gegründet, als Menschen mit nichtdeutschem Hintergrund nicht nur verbal bedroht worden sind. „Schule ohne Rassismus“ setzt auf die Selbstorganisierung von Schülern. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, in dem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden.

Diese Auseinandersetzung ist die Voraussetzung, eine Bildungseinrichtung zur „Schule gegen Rassismus“ zu erklären. Mittlerweile tragen mehr als 800 Schulen mit knapp 500.000 Kindern und Jugendlichen den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Die Pädagogin Sanem Kleff leitet das Projekt und hat zahlreiche Bücher zum Thema interkulturelles Lernen herausgegeben.

 Wird die Schule wirklich immer mehr zur Kampfzone, wie manche Boulevardmedien suggerieren?

Sanem Kleff: Nein, es trifft nicht zu, dass die Gewalt in den Schulen immer mehr um sich greift. Die Gewalt ist in den Schulen im letzten Jahrzehnt zurück gegangen, wie durch Polizeiberichte belegt werden kann. Zugenommen haben dagegen Mobbing und andere Diskriminierungen. So sind an manchen Schulen „Jude“ oder „du Opfer“ zu häufige Schimpfworten geworden.

 War die von zwei Berliner Pädagogen losgetretene Debatte über eine Deutschenfeindlichkeit also berechtigt?

Sanem Kleff: Nein, diese Debatte trifft das Problem überhaupt nicht. Tatsächlich machen sich nicht nur Jugendliche, sondern Migranten unterschiedlichen Alters auch über die Eigenheiten der in Deutschland Geborenen lustig. Das sollten die Deutschen mit Humor auch ertragen können. Problematisch wird ein solches Verhalten doch nur, wenn es mit Diskriminierungen und Mobbing verbunden ist. Überall, wo es Mehrheiten und Minderheiten gibt, können solche Diskriminierungserfahrungen beobachtet werden. Dabei ist die Zusammensetzung dieser Gruppen beliebig. Wenn beispielsweise in einer Schule sehr viele Dänen und die Deutschen in der Minderheit sind, kann es ebenso zu Mobbing kommen.

 Was stört Sie an der aktuellen Debatte?

Sanem Kleff: Was mir nicht gefällt, ist, dass sich ausgerechnet jetzt, wo das ganze Land scheinbar auf dem Sarrazin-Trip ist, Lehrer in dieser Weise zu Wort melden. Sie schreiben über Altbekanntes mit dem Gestus, dass man das doch sagen können müsse. Sie verwenden den Begriff der Deutschenfeindlichkeit, der lange Zeit von der neuen Rechten gebraucht wird. Und sie verknüpfen das von ihnen kritisierte Verhalten mit dem angeblichen moslemischen Hintergrund der Schüler. Damit finden sie sich im Einklang mit einer veröffentlichten Meinung, wie sie von Sarrazin bis zu Alice Schwarzer und Hendrik Broder vertreten wird.

 Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Diskriminierungen an den Schulen?

Sanem Kleff: Es sollten alle Formen von Diskriminierung ernst genommen und die Elemente in den Schulen gestärkt werden, die sich dagegen zur Wehr setzen, Das Projekt Schule gegen Rassismus hat es deshalb immer abgelehnt, einzelne Diskriminierungsphänomene wie Antisemitismus, Homophobie, Rassismus isoliert wahrzunehmen. Es gibt sehr viele pädagogische Instrumente, um hier einzugreifen. Ich nenne hier nur stichwortartig den Einsatz von Streitschlichtern und Konfliktlotsen, aber auch den Aufbau von Räumen und Zeiten, in denen die Auseinandersetzung mit den Schülern und ihren Problemen möglich ist. Um solche Forderungen müsste sich die Bildungspolitik wieder auf die Prämisse besinnen. Je mehr Probleme die Schüler und ihre Familien haben, umso besser muss die Schule ihre ausgestattet sein.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33491/1.html

Peter Nowak