»Wir sind bewegungsorientiert«

Almut Woller vom Studierendenverband Die Linke.SDS über die Herbsttagung der Organisation
Am Sonntag ging die 4. Herbstakademie des Studierendenverbandes Die Linke.SDS zu Ende. ND-Autor PETER NOWAK sprach mit Verbands-Geschäftsführerin ALMUT WOLLER über die Ziele des Treffens, kommende Proteste und das Verhältnis zur LINKEN.
ND: Was hat es auf sich mit der SDS-Herbstakademie?
Woller: Die Herbstakademie gehört zu den wichtigsten bundesweiten Terminen für die Reflexion unserer Praxis und die Weiterentwicklung unserer Theorie als sozialistischer Verband. So haben wir uns in Lektüreworkshops mit den Schriften von Marx und Gramsci befasst. Zudem beschäftigten wir uns mit Texten zur linken Organisationsdebatte und diskutieren, wie wir sie auf die Situation an den Hochschulen anwenden können.

Wurde auf der Herbstakademie auch über die Grenzen von Protestbewegungen gesprochen?
Die Auswertung der Bildungsproteste spielt bei uns tatsächlich eine große Rolle. Wir haben festgestellt, dass viele Kommilitonen nach den intensiven Streiks in drei Semestern nicht mehr weiter machen können, weil sie sich wieder um ihr Studium kümmern müssen. Die Studierenden wissen aber auch, dass sich bisher an den Hochschulen nichts zum Besseren verändert hat, sondern dass Schwarz-Gelb die Angriffe auf die Bildung auf Landesebene fortsetzt.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für kommende Proteste?
Wir wollen die Bildungsstreiks in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang der Krisenproteste stellen. Damit wollen wir verhindern, dass Studierende gegen andere von der Sparpolitik betroffene Gruppen ausgespielt werden, da die Bildung von den Kürzungsorgien auf Bundesebene zunächst ausgenommen wurde – übrigens auch ein Erfolg des Bildungsstreiks, der die Regierung massiv unter Druck gesetzt hat. Zudem wollen wir damit Studierende, die sich durch die Bildungsproteste politisiert haben, ermutigen, die gesamtgesellschaftlichen Hintergründe zu hinterfragen. Sarrazins rassistische Äußerungen sind nicht zufällig, sondern stehen im Kontext der Wirtschaftskrise, in der die herrschenden Eliten nun durch Sündenbockpolitik von sozialer Ungerechtigkeit ablenken wollen.

Ein Workshop beschäftigt sich unter dem Titel »SDS-Kontrovers« mit der Demokratie im Verband. Kündigen sich da interne Konflikte an?
Nein, es gibt keinen konkreten Anlass. Wir wollen als noch recht junger Verband unsere Praxis ständig reflektieren und auch unsere Verbandsstrukturen kritisch hinterfragen. Dazu gehört auch die gezielte Förderung von Frauen im Verband.

Welche politischen Schwerpunkte haben Sie neben der Hochschulpolitik?
Wir haben als sozialistischer Verband den Anspruch, Politik an die Hochschulen zu tragen. Wir sind bewegungsorientiert. Deshalb haben wir uns im Februar 2010 an den erfolgreichen Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dresden beteiligt. In den nächsten Wochen steht für uns die Beteiligung an den Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Castor-Transport ins Wendland und den Krisenprotesten auf der Agenda. Konkret geht es dabei um die von einem großen Bündnis geplanten Bankenblockaden am 18.Oktober und die geplante Umzingelung des Bundestages bei der Verabschiedung des Sparprogramms in Berlin Ende November.

Auf den Workshops wurde auch über die Entwicklung der LINKEN diskutiert. Wie positioniert sich der Verband in der Programm-Debatte?
Wir stehen in einem kritisch-solidarischen Verhältnis zur Partei und sind daran interessiert, dass das klare antikapitalistische Profil erhalten bleibt. Daneben ist uns strikte Ablehnung jeglicher Beteiligung an Militäreinsätzen sehr wichtig. Bei dem bildungspolitischen Teil sehen wir enormen Veränderungsbedarf und das Ziel der Demokratisierung der Gesellschaft bleibt zu vage. Dennoch sind wir insgesamt sehr zufrieden mit dem Entwurf.

Wie stehen Sie eigentlich zur Bildungspolitik von Landesregierungen, an denen die LINKE beteiligt ist?
Wir stehen der Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin und Brandenburg äußerst kritisch gegenüber. Uns ist wichtig, dass die Partei sich vor allem als Partner für außerparlamentarische Bewegungen versteht. Wir führen allerdings im Verband keine Strömungsdebatten wie in der LINKEN. Die Linke.SDS versteht sich als pluralistischer Verband und ist auch für Menschen offen, die reformistischere Positionen haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/180466.wir-sind-bewegungsorientiert.html

Interview: Peter Nowak

Unterricht in schlechter Verfassung

Grundschülern in Niedersachsen werden künftig mit Hilfe einer Fibel altersgerecht die Grundrechte-Artikel des Grundgesetzes vermittelt. Doch die Unterrichtsmaterialien wurden nicht etwa von Pädagogen aus dem Kultusministerium entwickelt. Bei der Fibel handelt es sich vielmehr um ein Projekt des niedersächsischen Verfassungsschutzes.

Das ist keine Ausnahme. Das Bild von Verfassungsschutzmitarbeitern mit alten Hüten und langen Mänteln ist nicht mehr zeitgemäß. Heute lehren Mitarbeiter des Verfassungsschutzes (VS) in Hochschulen, beteiligen sich auch in linken Zeitschriften an Diskussionen oder konzipieren Unterrichtsmaterialien für die politische Bildung an Schulen zielgerichtet für die unterschiedlichen Altersgruppen. Für die Grundschüler gibt es besagte Fibel, die Siebtklässler sollen mit Comics gegen den Extremismus immunisiert werden, für Schülergruppen ab der 10. Klasse wurden Planspiele entwickelt und junge Erwachsene können sich beim Verfassungsschutz zu Demokratielotsen ausbilden lassen.

Die Sozialwissenschaftler Markus Mohr und Hartmut Rübner haben die Rolle des VS als Institution für Bildungs- und Aufklärungsarbeit in einen kürzlich erschienenen Buch einer vernichtenden Kritik unterzogen. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, zieht einen Vergleich zu dem Kooperationsabkommen, das viele Bildungsminister mit der Bundeswehr schließen und dieser so den Weg in die Schulen ebnen.

Der Vergleich ist berechtigt. Der Verfassungsschutz mag von sich das Selbstbild haben, dass er die Demokratie sichert, genau so, wie die Bundeswehr von sich behauptet, den Frieden zu schützen. In beiden Fällen handelt es aber um gesellschaftlich umstrittene Institutionen, die zum Gegenstand kritischer Beschäftigung auch an den Schulen werden sollten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/180273.unterricht-in-schlechter-verfassung.html

Peter Nowak

Mit Marx für die Unimaut?

Die Einführung der Studiengebühren hat sich bewährt und trägt zur Verbesserungen der Lehr- und Studienbedingungen an den Hochschulen bei. Zu diesem wenig überraschenden Fazit kommt ein 257-seitiger »Bericht zur Evaluation der Studienbeiträge«, den das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur veröffentlichte. Überraschender ist schon, dass in dem Bericht mit einem Marx-Zitat auch der linke Theoriegeber als Anhänger der Unimaut reklamiert wird. »Wenn höhere Unterrichtsanstalten unentgeltlich sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten«.

Die Autoren des Berichts geben das Zitat von Marx allerdings sinnentstellend wieder, den dieser hat sich in seiner »Kritik des Gothaer Programm« 1875 lediglich gegen unentgeltliche Unterrichtsanstalten für die höheren sozialen Klassen gewandt.

Die Argumentation der Studienbefürworter macht aber deutlich, dass sie sich keineswegs in der Defensive sehen. So weist der Evaluationsbericht darauf hin, dass durch die Gebühren mehr Personal eingestellt und zusätzliche Lehr- und Lernmittel angeschafft worden sind. In der Tat verbessern in einem unterfinanzierten Bildungssystem zusätzliche Gelder die Lern- und Lehrbedingungen. Entscheidend aber ist, dass diese Unterfinanzierung politisch gewollt ist. Wird das ausgeblendet, besteht die Gefahr, dass die Unimaut als am Ende als kleineres Übel hingenommen wird.

Solche Tendenzen zeichnen sich bei Studierenden in Bayern ab, die derzeit darüber debattieren, ob statt 500 auch 300 Euro ausreichen, um den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Hier wird aus einer Sachzwanglogik heraus akzeptiert, dass der Student Kunde ist und für seine Bildung selbst aufkommen muss. Es wäre höchste Zeit, dass Bundesländer, die keine Studiengebühren erheben, deutlich machen, dass die Finanzierung von Bildung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die ohne zusätzliche Gebühren gewährleistet werden kann.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/178809.mit-marx-fuer-die-unimaut.html

Peter Nowak

Studenten als Kunden?

»Statt Studiengebühren als Köder für die Haushaltsverhandlungen zu missbrauchen, sollten sich die Fraktionen endlich mit der Umsetzung der Gebührenabschaffung beschäftigen. Per Nachtragshaushalt ist das zum Sommersemester 2011 gut möglich«, heißt es in einen offenen Brief, den das »Aktionsbündnis gegen Studiengebühren« Mitte Juli an die Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei in NRW adressierte. Die Ungeduld ist verständlich. Schließlich haben die drei Parteien im Wahlkampf die Abschaffung der Unimaut versprochen.

Das parteipolitische Gezerre sorgt auch an vielen Unis für Unmut. Eine mittelfristige Haushaltsplanung sei nicht möglich, wird der Sprecher der Kölner Universität zitiert. An manchen Hochschulen werden Stellenkürzungen angedroht, wenn die Gelder aus den Studiengebühren wegfallen. Dass es dabei nicht nur um fehlende Gelder geht, macht der Präsident der Universität des Saarlandes, Volker Linneweber, deutlich, wenn er ein neues Studentenbewusstsein lobt: »Als zahlende Kunden ihrer Hochschule haben sie es sich längst nicht mehr gefallen lassen, wenn Vorlesungen etwa aus allen Nähten platzten und sie dort keinen Platz mehr fanden.« Hier wird die durch die Unimaut vorangetriebene neoliberale Denkweise auf den Punkt gebracht. Studierende sollen nur als Kunden das Recht haben, sich zu beschweren. Auf der anderen Seite wird auch unter Jungakademikern das Elitedenken stärker, so die Beobachtung des Darmstädter Soziologen Michael Hartmann. Diese Studenten finden es völlig in Ordnung, wenn die Elite mittels Bezahlstudium begrenzt wird. Die Gebührengegner sollten deshalb den Streit nicht nur mit den politischen Parteien, sondern auch mit den Studierenden suchen, die sich als Kunden präsentieren. Sonst könnten sie genau so enttäuscht werden wie viele Anhänger eines längeren gemeinsamen Lernens nach dem Volksentscheid in Hamburg.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177812.studenten-als-kunden.html

Peter Nowak

Uni Köln hält Vertrag weiter geheim

Wachsende Kritik an der Kooperation mit dem Bayer-Konzern
Der Druck auf die Universität Köln wächst. Neben studentischen und gesundheitspolitischen Gruppen fordert auch der Datenschutzbeauftragte von NRW die Offenlegung eines Kooperationsvertrags, den die Universität Köln mit der Bayer HealthCare AG vor zwei Jahren geschlossen hat.
Datenschützer sind besorgt und diese Besorgnis haben sie jetzt auch der Kölner Uni mitgeteilt. Sie berufen sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz von NRW. Doch die Hochschule bestritt von Anfang an, dass es auf den Vertrag anwendbar ist und lehnt die Veröffentlichung des Dokuments beharrlich ab. Es könnten Wettbewerbsnachteile entstehen. Zudem gelte für den Bayer-Konzern das Betriebsgeheimnis, lauteten die Begründungen. »Aus unserer Sicht ist die Wissenschaftsfreiheit höher einzuschätzen als die Informationsfreiheit«, erklärt der Sprecher der Kölner Hochschule Patrick Honecker.

Diese mangelnde Offenheit bestärkt die Kritiker der Kooperation zwischen Bayer und der Hochschule in ihrer Befürchtung, dass die Forschungsarbeit auf die Konzerninteressen ausgerichtet wird. Sie sehen die Forschungsfreiheit in Gefahr. Schließlich soll die Forschungskooperation für die Bereichen Kardiologie, Onkologie, Augenheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Kinderheilkunde gelten. In einem Offenen Brief an die Universität Köln wollen die Kritiker wissen, ob die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit verzichtete, also fehlgeschlagene Experimente nicht publik macht, um die Interessen von Bayer zu schützen. Weitere Fragen lauten: »Wird wegen der Wahrung von Betriebsgeheimnissen und Patentrechten der akademische Austausch eingeschränkt? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der Bayer AG vorgelegt werden?

In seiner Antwort bleibt der Justitiar der Universität Köln Alexander May weiterhin bei der Position, dass für Hochschulen in den Bereichen Forschung und Lehre keine Auskunftspflicht bestehe. Diese Position hat er auch nach der Intervention des Datenschutzbeauftragten Mitte Juli in einem Schreiben an Philipp Mimkes von der »Coordination gegen Bayer-Gefahren« noch einmal bekräftigt. Das Rektorat der Uni habe entschieden, »den Vertrag nicht zugänglich zu machen«, heißt es in dem ND vorliegenden Schreiben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/176315.uni-koeln-haelt-vertrag-weiter-geheim.html

Peter Nowak

Berliner »Studentenpack«

Ausstellung wirft einen kritischen Blick auf 200 Jahre Studentenbewegungen
Beim Begriff Studentenbewegung denken die meisten sicher an die APO-Zeit der 1960er Jahre. Doch Studenten waren in Deutschland schon immer politisch in Bewegung – nach rechts wie nach links. Daran erinnert derzeit eine Ausstellung in der Berliner Humboldt-Universität.

»Studentenpack« lautete das Schimpfwort von Konservativen, die sich nach 1968 von den Aktivitäten aufbegehrender Universitätsabsolventen gestört fühlten. Wenn der Begriff zurzeit auf Plakaten im Berliner Straßenbild auftaucht, wird damit allerdings für eine Ausstellung geworben, für die der Begriff »in Bewegung bleiben« gleich in doppelter Hinsicht gilt. Da die Ausstellung auf sechs Etagen im Hegelgebäude der Berliner Humboldt-Universität verteilt ist, sollte der Betrachter viel Zeit mitbringen. Denn auf den Tafeln wird man über die durchaus nicht nur fortschrittliche Geschichte der Studierenden und ihrer Bewegungen in den letzten 200 Jahren in Berlin informiert.

So wird an die schon Mitte des 19. Jahrhundert beginnende Kampagne gegen polnische Kommilitonen erinnert. »Die Ausländerinnen erdrücken uns durch die Überzahl«, wird eine Medizinstudentin Anfang des 20. Jahrhunderts in der Ausstellung zitiert. Dabei hatten auch Frauen nach der Meinung vieler Studentenverbände nichts an den Universitäten verloren. Manche der Kommilitoninnen forderten ihr Recht auf ein Studium deshalb mit ihrem Status als deutsche Frau ein.

Auch die jüdischen Studierenden wurden schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts diskriminiert, verbal und zunehmend auch tätlich angegriffen. Der Antisemitismus am Campus der Berliner Hochschule wird in der Ausstellung gründlich dokumentiert. So unterschrieben 1880 fast 20 Prozent der damaligen Studierenden an der Berliner Universität eine Petition gegen die Gleichstellung der jüdischen Kommilitonen. Die Novemberrevolution 1918 änderte an der reaktionären Grundstimmung an der Universität wenig. Einem Rat sozialistischer Studierender, die die Revolution unterstützte und am Dach der Universität die rote Fahne hissen ließ, wurde schon nach wenigen Tagen vom Rat der Volksbeauftragten das Recht aberkannt, als Vertretungsorgan der Berliner Studierenden zu fungieren. Dafür hatten die massiven Proteste der konservativen Studierenden gesorgt. Nicht wenige von ihnen kämpften 1919 als Freiwillige in den Freikorps gegen die Arbeiteraufstände oder schlossen sich 1920 dem Kapp-Putsch für die Abschaffung der Republik an. Ein jüdischer Kosmopolit wie der Mediziner Georg Friedrich Nicolai wurde 1920 vom akademischen Senat als »moralisch unwürdig« klassifiziert, weil er während des 1. Weltkriegs in der Schweiz alle Europäer gegen den Krieg aufgerufen hatte.

Wer diese in der Ausstellung gut belegten Fakten kennt, wundert sich nicht mehr über die freiwillige Gleichschaltung der Universität im Nationalsozialismus. Am Beispiel der Juristin Erna Proskauer werden Kontinuitäten bis in die Nachkriegszeit deutlich. 1956 verweigerte das Bundesverfassungsgericht der aus dem Exil zurückgekehrten Frau eine Entschädigung für ihre Entlassung als angehende Juristin im Jahr 1933. Als Frau und mit ihren Notendurchschnitt hätte sie sowieso keine Chance auf eine Verbeamtung gehabt, lautete die zynische Begründung der Richter.

Die beiden unteren Etagen sind den aktuelleren Studierendenbewegung gewidmet. Dort werden am Beispiel der Geschichte von studentischen Publikationen die unterschiedlichen Wege der Protestszene dokumentiert. Während die im Westberliner Universitätsstreik von 1989 gegründete »Faust« Mitte der 1990er Jahren ihr Erscheinen einstellte, mutierte die »Unaufgefordert«, ein Produkt des Ostberliner Wendeherbstes am Campus, zum Life-Style-Magazin. Mittlerweile ist das Internet zum wichtigen Medium geworden.

Die Ausstellung »stud. Berlin – 200 Jahre Studieren in Berlin« ist bis zum 23. Dezember 2010 im HU-Seminargebäude am Hegelplatz (Dorotheenstr. 24) von Mo-Fr, 8-22 Uhr und Sa., 10-18 geöffnet. Der Eintritt ist frei. Im Internet: www.studierbarkeit.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/175797.berliner-studentenpack.html

Peter Nowak

Niederlage für eine solidarische Gesellschaft

Das Hamburger Ergebnis der Volksabstimmung zur Schulreform liegt ganz im Trend der Bildungspolitik
Das Ergebnis des Hamburger Volksentscheids zur Schulreform wird in der Regel vor dem Hintergrund der politischen Parteienkonstellation in Hamburg interpretiert (Schulreform gescheitert, Regierungschef zurückgetreten). Dabei wird vor allem die Frage gestellt, ob das schwarz-grüne Bündnis nach dem Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters noch eine Zukunft hat. Die ersten Neuwahlforderungen von SPD, FDP, aber auch der Linken bleiben in diesem Schema befangen. Auch den Hamburger Grünen hingegen fällt nichts Besseres ein, als von der CDU zu fordern, sie soll zum Koalitionsvertrag stehen.
   

Dass führende Unionspolitiker, darunter Bundesbildungsministerin Schavan, das Ergebnis des Volksentscheids ausdrücklich „als Signal für die Bildungspolitik“ begrüßen und sich damit von ihrem Hamburger Koalitionspartner distanzieren, wird von den Grünen ignoriert. Wenn nun Schavan, die bisher als entschiedene Anhängerin eines Bildungsföderalismus aufgetreten ist, vor einem bildungspolitischen Flickenteppich warnt, dann kann dies nur als Signal verstanden werden, dass die Union als Lehre aus dem Volksbegehren die Verteidigung des Bildungsprivileg der Besserverdienenden wieder zu ihrer Angelegenheit machen will.

Doppelcharakter der sozialliberalen Bildungsreform

Darum ging es der Initiative Wir wollen lernen primär. Das Lamento, dass sogenannte schwache gegenüber sogenannten starken Schülern benachteiligt werden, ist allgegenwärtig. Dass es bei den Adjektiven stark und schwach nicht um Naturgesetze, sondern um gesellschaftlich bestimmte Trennungen gibt, wird dabei gerne unterschlagen. Starke Schüler sind in der Regel die, die in einer Umgebung aufwachsen, in der sie zum Lernen motiviert werden, schwache Schüler hingegen haben diese Chance nicht.

 

Diese Unterschiede gab es in der bürgerlichen Gesellschaft seit jeher und das Ziel einer solidarischen Bildungspolitik bestand darin, die gesellschaftliche Spaltung in den Schulen, wenn nicht aufzuheben, so zumindest zu verringern. Um eine solche Schulpolitik, die in der Frage der Einführung der Gesamtschule kulminierte, entspann sich in den frühen 70er Jahren ein heftiger Schulkampf in Hessen, der mit der Politik des kürzlich gestorbenen Bildungsreformers Ludwig von Friedeburg verbunden wird. Den Bildungsreformern der frühen 70er Jahre ging es um einen leichteren Zugang von Kindern aus Arbeiterfamilien zum Abitur. Dagegen mobilisierte eine Front von CDU, konservativen Lehrer- und Elternverbänden bis hin zu großen Teilen der Medien.

Obwohl von Friedeburg schon 1974 zurücktrat und auch in seiner eigenen Partei, der SPD, als Polarisierer umstritten war, konnten sich auch seine Gegner nicht durchsetzen. Denn die Bildungsreformen waren nicht nur das Produkt einer egalitäreren Bildungspolitik, sondern knüpften auch an die Bedürfnisse einer postfordistischen Wirtschaft an. Das herkömmliche Schulsystem war nicht in der Lage, für die Erfordernisse der modernen Wirtschafts- und Arbeitswelt auszubilden. Das Schlagwort vom deutschen Bildungsnotstand machte schon Mitte der 60er Jahre die Runde und wurde dann von der APO politisiert.

Die sozialliberale Bildungsreform war stark von dem Doppelcharakter der Bildungsdebatte geprägt. Die Teile, die für eine moderne Ausbildung kompatibel waren, haben sich durchgesetzt und dabei wurden viele egalitären Vorstellungen einer grundsätzlichen Bildungsgerechtigkeit abgeschliffen. Diese Forderungen eines sozialen Lernens wurden allerdings außerhalb des parlamentarischen Raums von Gewerkschaften, Schüler- und Studierendengruppen und sozialen Bewegungen gegen die konservativen Gegner, aber auch gegen eine Sozialdemokratie vertreten, die die Bildungsreform bald gezähmt hatte.

„Die Schwachen sollen sehen, wo sie bleiben“

Der Hamburger Schulkampf hat bei allen Unterschieden im Detail mit der Debatte der 70er Jahre das Grundsätzliche gemeinsam. Es geht um die Frage, ob die Kinder der einkommensschwachen Familien, dazu gehören in erster Linie Hartz IV-Empfänger oder Menschen mit Migrationshintergrund, überhaupt Chancen für eine solidarische Bildung haben oder ob sie abgehängt werden sollen.

Führende Exponenten der Initiative „Wir wollen lernen“ haben immer wieder moniert, es werde zu viel für die „schwachen“ und zu wenig für die „starken“ Schüler getan. Es wurde auch darüber geklagt, dass die nicht darunter leiden sollen, dass es Schüler gibt, die nicht mittels Nachhilfe. ihr Schulwissen aufbessern können. Das ist eine Absage an eine Schulpolitik, die davon ausgeht, dass die „stärkeren“ Schüler die „schwächeren“ beim Lernen unterstützen können und alle davon profitieren. Zur Bildung gehört nach dieser Lesart auch das Ausbilden von sozialen Kompetenzen, wie Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Zu Zeiten der Bildungskämpfe der siebziger Jahre waren solche Werte in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das ist aktuell nicht mehr der Fall. So liegt das Hamburger Ergebnis ganz im Trend einer Gesellschaft, in der das Prinzip „Jeder ist seines Glückes Schmied“ und „Der Schwache ist selber schuld und soll den anderen nicht zur Last fallen“ zum Dogma erhoben wurde . Im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten drückt sich diese Politik ebenso aus, wie in den Maßnahmen gegen Hartz IV-Empfänger und eben jetzt auch in der Bildungspolitik.

In einer Gesellschaft, in der es als normal gilt, wenn jeder mit jedem in Konkurrenz liegt, sorgen die Eltern dafür, dass damit schon im Schulalter angefangen wird. Ein solidarisches Lernen wird als Konkurrenznachteil für die eigenen Kinder empfunden, in die nicht wenige Eltern mittels teurer Nachhilfeprogramme einiges investieren. Dass auch Eltern, die in den 70er Jahren selber durch die Bildungsreformen aus dem Arbeitermilieu in das Bildungsbürgertum aufgestiegen sind, zu den Gegnern der Primarschule gehörten, verwundert nicht. Gerade dort ist die Furcht vor dem sozialen Abstieg besonders groß.

Keine soziale Bewegung

Dass „Volkes Stimme“ wie in Hamburg gegen eine ganz große Parteienkoalition von Union, SPD, Grünen und Linkspartei, die sich für die Primärschule aussprachen, stimmte, kann nur verwundern, wer noch immer noch meint, dass „die da unten“ oder auch „der kleine Mann“ sozialer abstimmen als die politischen Parteien. Eine solche Vorstellung verkennt, wie stark die Idee der Ungleichheit und des Konkurrenzgedanken in großen Teilen der Bevölkerung Konsens sind.

So verwundert es nicht, dass neben der in Hamburg außerparlamentarischen FDP vor allem diverse rechte Gruppen und die NPD gegen die Schulreform waren. Schließlich propagieren sie seit jeher die Ungleichheit der Menschen. Sie konnten sich in Hamburg profilieren, weil die CDU aus Koalitionsraison, und weil die Schulreform auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus vernünftig war, für die Primärschule eintrat. Führende Unionspolitiker aus Sachsen und NRW haben nach dem Hamburger Ergebnis deutlich gemacht, dass sie das Thema nicht den Rechtspopulisten überlassen wollen.

Die Befürworter eines solidarischen Lernens außerhalb des Parlaments werden künftig die Möglichkeiten haben, jenseits der parteipolitischen Querelen das Konzept einer solidarischen Schule zu propagieren. Bisher waren sie in Hamburg in zwei Bündnisse gespalten. Eine größere Gruppe unterstützte den Mehrparteienkompromiss des Hamburger Senats. Ein kleines linkes Bündnis warb dafür, zweimal mit Nein zu stimmen, weil es auch den Senatskompromiss nicht akzeptabel fand. Das Ergebnis von Hamburg hat gezeigt, dass soziale Reformen trotz Unterstützung von großen Organisationen und Parteien verloren gehen, wenn es nicht gelingt, das gesellschaftliche Klima zu verändern.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32987/1.html

Peter Nowak

Pfändung bei Gegnern der Unimaut

Stell Dir vor, Du willst Geld abheben und Dein Konto ist gesperrt. Diese unangenehme Erfahrung mussten in den letzten Tagen Studierende der Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg machen. Veranlasst wurde die Maßnahme von den Hamburger Landeskassen, die mit Pfändungen und Kontosperrungen an das Geld von 50 Kommilitonen gelangen will, die seit 2007 die Zahlung der Studiengebühren boykottieren. Zu den wenigen Bildungseinrichtungen, in denen die Mehrheit der Studierenden für den Boykott stimmte, gehört die HfbK.

Auch in Süddeutschland beschlossen Studenten an einigen Hochschulen mehrheitlich den Gebührenboykott. Während dort mit Exmatrikulationsdrohungen gegen die renitenten Kommilitonen vorgegangen wurde, drohen die Hamburger Behörden mit dem Pfändungstiteln. Viele Betroffene wurden bereits mehrmals von Inkassobeamten zu Hause aufgesucht, auch außerhalb von Hamburg. So beklagt Maximilian Wondrak, der seit seinem HfbK-Abschluss in Berlin nach einem Job sucht und zurzeit auf Hartz-IV-Unterstützung angewiesen ist, ihm sei das Konto gesperrt worden und zudem versuche die Berliner Finanzverwaltung, im Auftrag der Hamburger Kollegen das Geld einzutreiben. Dabei können Hartz-IV-Bezieher gar nicht gepfändet werden.

Generell ist zu fragen, warum in einer Zeit, in der die Unimaut zunehmend in der Kritik steht, mit allen Mitteln gegen ihre Gegner vorgegangen wird. In Hessen wurden die Studiengebühren abgeschafft und selbst von dem konservativen Hardliner Roland Koch nicht wieder eingeführt. Auch NRW könnte bald diesem Beispiel folgen. In beiden Ländern haben sich die Grünen gegen die Studiengebühren ausgesprochen. Warum schweigen deren Hamburger Parteifreunde, wenn in dem Stadtstaat mit Kontosperrungen gegen die Gebührenboykotteure vorgegangen wird? Schließlich sind die dort Regierungspartei.

Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/174830.pfaendung-bei-gegnern-der-unimaut.html

Peter Nowak

Datenschutz als Lernziel

KONTROLLE Beim bundesweit ersten Datenschutztag an einer Uni wird heute an der FU über die Macht der Suchmaschinen und die Kontrolle der Datenströme diskutiert. Auch Nichtstudierende sind willkommen
Welche Macht hat Google? Wie viele Suchmaschinen braucht ein Mensch? Das sind einige der Fragen, die am heutigen Mittwoch an der Freien Universität Berlin (FU) beim bundesweit ersten universitären Datenschutztag diskutiert und vielleicht sogar beantwortet werden. Von 9 bis 19 Uhr gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Workshops rund um das Thema Internetsicherheit auf dem Dahlemer Campus.

„Die Universität ist einer der Orte, an denen täglich sehr viele sensible Daten verarbeitet werden“, begründet die FU-Datenschutzbeauftragte Ingrid Pahlen-Brand die Bedeutung der Thematik für die Hochschulen. Die seit 1997 amtierende Datenschutzbeauftragte will dabei auch die Fortschritte präsentieren, die es in den letzten Jahren an der FU beim Datenschutz gegeben habe. Praktische Tipps für den studentischen Datenschutz werden MitarbeiterInnen des Referats für Studienangelegenheiten beim Asta der FU in ihrem Workshop geben. Die studentische Beteiligung an der Vorbereitung des Datenschutztages relativiere wohl auch manche Urteile über eine Internetgeneration, der wenig Interesse an gesicherten Daten nachgesagt wird, betont Ingrid Pahlen-Brand.

Zum FU-Datenschutztag ist aber ausdrücklich auch ein nichtstudentisches Publikum eingeladen. Das kann sich etwa von Ingmar Camphausen vom Fachbereich Mathematik in die Feinheiten der Verschlüsselungstechnik von E-Mails einführen lassen oder sich über Datenkontrolle im Internet informieren lassen. Der studentische Mitarbeiter am Institut für Publizistik, Stefan Flecke, dürfte mit seinem Vortrag zur Macht der Internet-Suchmaschinen einige Fakten zu einer oft auf Spekulationen beruhenden Diskussion liefern.

Eine Ausstellung über Kamerastandorte in Dahlem verdeutlicht, dass Internetsicherheit nur ein Teilbereich des Datenschutzes ist.

 Der Veranstaltungsplan findet sich unter www.datenschutz.fu-berlin.de/dahlem/ressourcen/1__datenschutztag_2010/FlyerDisk_mit_Logo_DS-TAg10.pdf

PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F07%2F07%2Fa0148&cHash=4fbb97c501

Nationalismus der Minderheiten

Broschüre informiert über rechte Ideologien unter jungen Migranten
Nationale Ressentiments gibt es nicht nur in der hiesigen Mehrheitsgesellschaft. Zu diesem Schluss kommt eine Broschüre der »Initiative Schule ohne Rassismus«, die sich rechten Bestrebungen unter jungen Migranten widmet. 
 
Im Jahr 2006 machten Beschwerden von Kölner Lehrern Schlagzeilen, die über gezielte Störungen des Unterrichts durch ultranationalistische Schüler mit türkischem Migrationshintergrund berichteten. Es sind keine Einzelfälle, wie eine aktuelle Broschüre mit dem Titel »Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft zeigt, die von der Initiative »Schule ohne Rassismus« herausgegeben wird. Die Initiative kämpft seit Jahren gegen die verschiedenen Spielarten extrem rechter Gesinnung in den Schulen. Ihr gelingt es auch, über rechte Gesinnung bei Migranten ohne die nationalen Zwischentöne zu schreiben, die oft in den Boulevardmedien bei dem Thema verbreitet werden. Die Broschüre konzentriert sich auf Migrantengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Polen und Russland, weil es sich dabei um die zahlenmäßig größten Gruppen handelt und in ihrem Umfeld rechte Aktivitäten aufgefallen sind.

Am bekanntesten sind die ultranationalistischen türkischen Grauen Wölfe, die gegen in Deutschland lebende kurdische Menschen vorgehen. In der Broschüre werden allerdings auch die ideologischen Hintergründe der unterschiedlichen rechten Strömungen, aber auch die aktuellen kulturellen Ausformungen mit Text und Bild dargestellt. Ein eigenes Kapitel ist dem auch in Deutschland in der türkischen Community sehr beliebten Film »Tal der Wölfe – Irak« gewidmet, in dem Nationalismus mit Antisemitismus und antiwestlichen Ressentiments verbreiten werden. Für den Herbst 2010 ist eine weitere Folge des Films zum Palästinakonflikt angekündigt.

Erst seit einigen Monaten sind rechte Bestrebungen unter den in Deutschland lebenden Menschen aus Russland ins Blickfeld geraten. Mittlerweile wirbt die NPD gezielt unter den Russlanddeutschen. Noch vor einigen Jahren wurden junge Russlanddeutsche von Neonazis angegriffen. Kaum bekannt waren bisher rechte Bestrebungen bei Migranten aus Polen oder Ex-Jugoslawien. Wie die Broschüre zeigt, äußern junge Kroaten, Bosnier und Serben ihre nationalistische Gesinnung meist im Internet oder zeigen sie bei Auftritten von Musikern mit rechter Gesinnung, die außerhalb der eigenen Community kaum bekannt sind.

Es ist zu wünschen, dass die Broschüre zu einer gesellschaftlichen Debatte führt. Die Texte sind sehr ansprechend gestaltet. Neben gut lesbaren Textblöcken werden die verschiedenen Dokumente rechter Gesinnung auch mit Fotos dargestellt. Wohl um die jugendliche Klientel anzusprechen, wird gelegentlich eine sehr saloppe Sprache verwendet, wenn beispielsweise mehrmals von Ex-Jugos geschrieben wird, wenn Menschen aus dem früheren Jugoslawien gemeint sind.

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (Hg.): Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft, 70 Seiten. Die Broschüre kann bestellt werden über www.schule-ohne-rassismus.org

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/173294.nationalismus-der-minderheiten.html

Peter Nowak

Für eine ganz andere Bildung

Bei der Aktionswoche des Bildungsprotestes soll es nicht nur um Geld gehen
Studierende machen wieder mobil – eine Woche Protest ist angekündigt. Doch es geht ihnen um mehr als bei den Streiks im letzten Jahr.
Transparente, Infostände und sogar Zeltstädte dürften in den nächsten Tagen an vielen Hochschulen der Republik zum Alltag gehören. Sie sind Teil einer Bildungsprotestwoche, zu der Studierende, Schüler und Auszubildende vom 7. bis 12. Juni aufrufen. Auf einer Pressekonferenz in Berlin haben die Aktivisten dezentrale Proteste angekündigt. Am Mittwoch sind in vielen Städten Demonstrationen für eine andere Bildung geplant. Die Organisatoren hoffen, dass sich neben Schülern und Studierenden auch Auszubildende beteiligen. Schließlich rufen auch einige Gewerkschafter zu den Protesten auf.

Mit der Aktionswoche werden die Bildungsproteste fortgesetzt, die im Sommer und Herbst 2009 Tausende Studierende und Schüler mobilisiert hatten. Allerdings handelt es sich keinesfalls um eine Wiederholung der Bildungsproteste der letzten beiden Semester, betonen die Organisatoren. So soll im Rahmen der Aktionswoche über ein anderes Bildungssystem diskutiert werden. An manchen Schulen und Hochschulen werden Plenen stattfinden, an anderen Bildungseinrichtungen wie der Aachener Hochschule wird ein Protestcamp mit Zelten aufgebaut.

Dabei geht es den Aktivisten nicht nur um eine bessere finanzielle Ausstattung und die völlige Abschaffung von Studiengebühren. Sie stellen die Strukturen an den Bildungseinrichtungen infrage. »Um wirkliche Verbesserungen zu erreichen, brauchen wir eine radikale Demokratisierung des Bildungssystems«, betont die Berliner Studentin Saskia Benisch.

»Obwohl Politiker und Medien ein gewisses Wohlwollen für die Proteste der letzten Semester äußerten, wurde auf unsere zentralen Forderungen gar nicht eingegangen«, moniert die Studentin Tanja Bausch und vertritt damit die Meinung vieler Aktivisten.

Im Zeichen der Krise werden offen massive Kürzungen auch im Bildungsbereich von Politikern der Union und der FDP diskutiert. Auch ein Treffen zwischen studentischen Aktivisten und Bundesbildungsministerin Schavan Mitte Mai hat bei vielen Protestierenden eher zu Enttäuschungen geführt. Allerdings wurden dabei auch unterschiedliche Proteststrategien sichtbar. Während ein Teil der Aktivisten das Treffen unter Protest vorzeitig verließ, blieben andere, obwohl sie die Kritik teilten. Danach sprachen wohlmeinende Protestberater wie der emeritierte Berliner Politologe Peter Grottian davon, dass die Bewegung eine bessere theoretische Fundierung brauche und warnten vor der Gefahr der Schrumpfung.

Jörg Rostek von der Pressegruppe des Bildungsstreikbündnisses bestätigt gegenüber ND, dass sich bei manchen Aktivisten mittlerweile Ernüchterung eingestellt hat. Zugleich hätten sich Menschen beteiligt, die bisher noch nicht aktiv gewesen seien. Rostek will sich daher auch nicht an Spekulationen beteiligen, ob sich mehr oder weniger Aktive an den Bildungsprotesten beteiligen. Die Aktivisten vernetzten sich sowohl im In- wie im Ausland. So tauschten sich studentische Aktivisten aus aller Welt an der Bochumer Universität bei einem Internationalen Bildungskongress aus. Innerhalb Deutschland arbeiten die Bildungsaktivisten mit anderen Protestbündnissen zusammen. Sie beteiligen sich mit einem Bildungsblock an den Krisendemonstrationen am 12. Juni in Berlin und Stuttgart.

(www.bildungsstreik.net/)

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/172482.fuer-eine-ganz-andere-bildung.html

Peter Nowak

Gebetsfreier Raum Schule?

 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verweist auf den durch die gewährten Gebete möglicherweise gefährdeten Schulfrieden
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das einem islamischen Schüler kein Recht auf ein Gebet in der Schule einräumt, sorgt für Kontroversen.

Der Berliner Gymnasiast Yunus Mitschele hatte vor Gericht sein Recht einklagen wollen, in der Schule beten zu dürfen. Doch das Berliner Oberverwaltungsgericht hat jetzt entschieden, das die Schule das Gebet außerhalb des Religionsunterrichts grundsätzlich verbieten kann.

Damit hat es ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes aufgehoben, das dem Schüler das Recht zugestanden hatte, in der Schule einen Raum zum Beten zu erhalten.

In der Begründung ist das Gericht damals auf das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf die ungestörten Religionsausübung rekurriert.

„Der Kläger betrachtet das Verrichten der islamischen Ritualgebete zu den vorgeschriebenen Zeiten als für sich verbindlich; das Befolgen dieser Glaubensregel ist für ihn Ausdruck seines religiösen Bekenntnisses“, befand damals das Berliner Verwaltungsgericht.

Die Begründung des konträren Urteils der höheren Instanz liegt noch nicht schriftlich vor. In der mündlichen Begründung verwiesen die Richter auf den gefährdeten Schulfrieden, wenn in einer Schule unterschiedliche Kulturen und Glaubensrichtungen aufeinander treffen. Zudem argumentierten die Richter mit den begrenzten Ressourcen der Schulen:

„Denn die dem Kläger gewährten Vorkehrungen müssten bei vergleichbarer Interessenlage auch anderen Schülern gewährt werden, was gerade bei der Vielzahl der an der Schule vertretenen Religionen und Glaubensrichtungen angesichts begrenzter personeller und sächlicher Ressourcen der Schule die organisatorischen Möglichkeiten sprengen und die Konfliktlage auch nicht vollends beseitigen würde.“

Der Gerichtskommentator Christian Rath nannte das Urteil „völlig überzogen“. Die von ihm interviewte Juristin Kirsten Wiese von der Humanistischen Union sieht gar die Religionsfreiheit infrage gestellt. Dass die Forderung nach der Trennung von Schule und Religion eigentlich eine alte emanzipatorische Forderung ist, bleibt dabei unerwähnt. Dann müssten aber alle Religionen gleich behandelt haben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/147722

 

Peter Nowak

Einknickende Hochschulen

Hessens Landesregierung steht in diesen Tagen selbst in den eigenen Reihen wegen ihrer Kürzungspläne im Bildungsbereich in der Kritik. Und nun bescheren ihr ausgerechnet die Hochschulpräsidenten, die vor einigen Wochen noch den Widerstand proben wollten, einen Erfolg. Sie knickten vor der Landesregierung ein und unterzeichneten die Hochschulpläne. Dabei hatten die hessischen Wissenschaftler präzise die Folgen ausgemalt, die die Einsparungen von 34 Millionen Euro für die Bildungslandschaft bedeuten. Die Qualität de Ausbildung wird weiter sinken und der Wissenschaftsbetrieb noch mehr als bisher zum Niedriglohnsektor.

Nach dem schnellen Einknicken der Hochschulleitungen muss sich nun zeigen, ob die Gewerkschaften, die Studierenden und die Schüler in der Lage sein werden, den Protest fortzusetzen. Die ersten Anzeichen sind hoffnungsvoll. In Gießen, Marburg und Frankfurt am Main gab es bereits Demonstrationen und eine Autobahnbesetzung, nachdem die Unterzeichnung des Vertrags bekannt geworden war. Setzen sie die Proteste fort, könnten die hessischen Kommilitonen sogar eine Pilotfunktion für die Neuformierung von Bildungs- und Antikrisenprotesten auch über das Bundesland hinaus bekommen. Deswegen ist Entiwcklung, die sich dieser Tage im AStA der Frankfurter Goethe-Universität vollzogen hat, ein falsches Signal. Während durch die Bündnispolitik der Jusos mehrere an den Protesten aktive Hochschulgruppen draußen bleiben, sitzt mit Willy Witthaut nun ein FDP-Mitglied in der Studentenvertretung, das nach Angaben der ebenfalls ausgegrenzten Grünen Hochschulgruppe bei der Kandidatenbefragung mit dem Begriff Hochschulpakt nichts anfangen konnte. Doch auch in der Vergangenheit haben protestierende Studenten nicht um Erlaubnis des AStA gebeten und die linken Hochschulgruppen können auch auf Hochschulebene den außerparlamentarischen Protest üben.

Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/171388.einknickende-hochschulen.html

Peter Nowak

Angst vor einer Schavan-Show?

Die Bildungsministerin ruft zur Bolognakonferenz, die mit einem Gegengipfel beantwortet wird
Am kommenden Montag will Bildungsministerin Schavan mit Studierenden über deren Kritik am Bildungssystem konferieren. Weil sich der Unmut vieler Studierender am Bolognaprozess bzw. an dessen Umsetzung entzündet hat, wurde das Meeting auch Bolognakonferenz genannt. Das Treffen ist ein Resultat der Studierendenproteste der letzten Semester.

Neben Schavan sollen auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, und der Chef der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle zu den Teilnehmern gehören. Von studentischer Seite werden der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften und der SDS.Die Linke Vertreter zu dem Treffen schicken.

Der der Linkspartei nahestehende Studierendenverband will den Gipfel allerdings kritisch begleiten und warnt vor einer Schavan-Show. Deshalb beteiligt er sich auch einen Gegengipfel, der am Montag in der Berliner Humboldtuniversität stattfinden soll. Die Organisatoren haben den Anspruch formuliert, gemeinsam mit Unterstützern aus dem Wissenschaftsapparat konkrete Alternativen zur aktuellen Bildungspolitik auszuarbeiten. Allerdings wird dort sicherlich auch die Perspektive der Bildungsproteste zur Sprache kommen. In den letzten Wochen war in der Taz eine kontroverse Debatte darüber entbrannt. Während der SDS.Die Linke in seiner Bildungsstreikagenda 2010 für eine inhaltliche Zuspitzung unter anderem durch Besetzungen der Hochschulen eintrat, warnten andere vor Aktionismus.

So empfahl der emeritierte Berliner Politologe Peter Grottian den Studierenden "mehr Zeit zum Nachdenken" und ein gesundes Misstrauen gegenüber den Politikern. Auch der langjährige Bildungsprotestorganisator Clemens Himperle innerhalb plädiert für stärkere inhaltliche Auseinandersetzungen der Protestbewegung. Aktivisten des SDS.Die Linke verweisen darauf, dass sich unabhängig von dieser Debatte in diesem Semester bereits neue Protestbündnisse gegründet haben. Der Ausgang der Perspektivdebatte dürfte für die Bildungsproteste entscheidender als die Konferenz am Montag sein. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147628

Peter Nowak

Mehr als nur Lobbyismus

Kaum hat das Semester begonnen, mobilisieren Hessens Hochschulen zum Protest. Nicht nur Studierende, auch viele Professoren und Dekane sind dieses Mal dabei. In Marburg haben 300 Professoren in einem Offenen Brief an alle Landtagsabgeordneten vor einer ernsthaften Gefährdung von Lehre und Forschung gewarnt. Der Stein des Anstoßes trägt den Namen »Hochschulpakt 2011- 2015«. Damit will die schwarz-gelbe Landesregierung rund 30 Millionen Euro in der Bildung einsparen.

Die Folgen wären nach Ansicht neben der weiteren Verschlechterung der Studienbedingungen auch die weitere Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb. In verschiedenen Städten haben deshalb auch die Gewerkschaften zu Protesten aufgerufen. Ein erster Höhepunkt soll am 11. Mai eine Großdemonstration in Wiesbaden werden. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es gelingt, an die Bildungsproteste der letzten Monate anzuknüpfen. Gerade in Hessen gab es in den letzten Jahren einen lang anhaltenden und erfolgreichen Protest gegen die Studiengebühren. Die Unimaut wurde von einer kurzzeitigen parlamentarischen Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei abgeschafft und auch von der aktuellen konservativ-liberalen Majorität nicht wieder eingeführt.

Angesichts der Kürzungswelle könnte das Bezahlstudium von wirtschaftsliberaler Seite wieder in die Diskussion gebracht werden. Schließlich geht es vielen, die jetzt protestieren, eher um Lobbyismus als um Widerstand. Die Gefahr, dass Hochschulen gegeneinander ausgespielt werden, ist daher real. Umso wichtiger, dass sich in den Protesten Stimmen artikulieren, denen es um mehr geht als um die Verteidigung von Hochschulstandorten. Die in den letzten Monaten öfter verwendete Parole »Wir zahlen nicht für Eure Krise« könnte hier ganz praktisch werden. Schließlich begründet die Landesregierung ihren Sparkurs mit den wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170536.mehr-als-nur-lobbyismus.html

Peter Nowak