Gülaferit Ünsal beendet ihren Hungerstreik

Weil sie in der Haft schikaniert worden sein soll, nahm Gülaferit Ünsal aus Protest keine Nahrung mehr auf. Jetzt hat die Gefängnisleitung reagiert.

Am 29. Mai hat Gülaferit Ünsal nach 54 Tagen ihren Hungerstreik erfolgreich beendet. In einem von Ünsal, ihrer Rechtsanwältin, der Gefängnisleitung und dem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Canan Bayram (Grüne) unterschriebenen Protokoll wurde festgehalten, dass die Gefangene Zeitungen und Post künftig sofort ausgehändigt bekommt. Die Gefängnisleitung verpflichtete sich gegenüber Ünsal »zu einem Umgang in interkulturell respektvoller Form«. Zudem sollten künftig Bedrohungen von Ünsal im Gefängnis untersucht und geahndet werden.

Die Gefangene hatte seit Monaten über Mobbing durch einige Mitgefangene und das Vorenthalten von legalen linken Zeitungen geklagt. Nachdem sie im letzten Jahr vergeblich mit Briefen auf ihre Situation aufmerksam gemacht hatte, war sie am 6. April in den Hungerstreik getreten. Die Nachricht vom erfolgreichen Ende des Hungerstreiks wurde am Freitagabend mit großer Freude von den rund 60 Menschen aufgenommen, die sich vor der JVA für Frauen in Pankow versammelt hatten, um Ünsal ihre Solidarität auszudrücken. Mehrmals wöchentlich fanden in den letzten Wochen Kundgebungen in unmittelbarer Nähe der JVA statt. Organisiert wurden sie von der Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe und dem Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen«. Ünsal war im Mai 2013 vom Berliner Kammergericht zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren wegen »Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung« verurteilt worden.

»Für mich als Anwältin ist es absurd, dass man mehr als 50 Tage in den Hungerstreik gehen muss, um seine Rechte zu bekommen«, erklärte Canan Bayram gegenüber »nd«. Die Rote Hilfe sagte, es wird jetzt notwendig sein, dass die Öffentlichkeit weiterhin beobachtet, ob die Vereinbarungen mit Ünsal eingehalten werden. Canan Bayram will die Gefangene einmal im Monat besuchen. Auch Hakan Taş, der für die LINKE im Abgeordnetenhaus sitzt, hat einen Besuch bei Ünsal angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/972852.guelaferit-uensal-beendet-ihren-hungerstreik.html

Peter Nowak

Hungern aus Überzeugung

PROTEST Gülaferit Ünsal ist in der JVA Pankow in Hungerstreik getreten und fordert freien Medienzugang

„Schluss mit der Zensur von Zeitschriften und Zeitungen. Schluss mit der Provokation und dem Mobbing“ – so beginnt die Hungerstreikerklärung von Gülaferit Ünsal, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pankow inhaftiert ist. Seit 6. April verweigert die nach dem Paragraf 129 b wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilte Frau die Nahrung. Damit protestiert Gülaferit Ünsal dagegen, dass ihr die linke türkische Zeitung Yürüyus nicht ausgehändigt wird und andere Zeitungen mit großer Verspätung ankommen. Als weiteren Grund für den Hungerstreik nennt Ünsal das Mobbing von anderen Gefängnisinsassen.

„Sie wird von Mitgefangenen immer wieder beschimpft und bedroht“, erklärt Wolfgang Lettow vom Netzwerk „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, der Ünsal regelmäßig besucht und mit ihr in Briefkontakt steht. „Ünsal hat seit Monaten versucht, ihre Situation mit juristischen Mitteln zu verbessern. Erst als das scheiterte, griff sie zum Mittel des Hungerstreiks“, sagte Lettow der taz.

Nach mehr als einem Monat der Nahrungsverweigerung beginnt langsam die Solidaritätsarbeit. Die Ortsgruppe der Roten Hilfe Berlin will mit Kundgebungen die Forderungen von Ünsal unterstützen.

Solidaritätshungerstreik

Ab 11. Mai ist Ahmed Yüksel, der in der JVA Düsseldorf inhaftiert ist, in zunächst auf drei Tage befristeten Solidaritätshungerstreik getreten. Sollte sich die gesundheitliche Situation von Ünsal verschlechtern, wollen weitere Gefangene teilnehmen.

Zum 1. Mai hatten sich sieben Insassen aus verschiedenen Gefängnissen mit einer Erklärung zu Wort gemeldet, in der sie sich als revolutionäre, widerständige und politische Gefangene bezeichnen.

Auch Gülaferit Ünsal hat diesen Aufruf unterschrieben. Die Mehrheit der UnterzeichnerInnen wurde wie sie wegen angeblicher Mitgliedschaft und Unterstützung der in Deutschland und der Türkei verbotenen Revolutionären Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) verurteilt.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F05%2F12%2Fa0141&cHash=6da23a95fbf880a96ab6ea84aea83789

Peter Nowak

Mobbing im Knast

PANKOW In der Frauen-JVA soll eine Gefangene drangsaliert werden. Grüne und Linke wollen klären, ob es einen politischen Hintergrund gibt

An Silvester wird es diesmal gleich zwei Knastdemonstrationen geben. Neben der traditionellen Demo, die um 22.45 vom U-Bahnhof Turmstraße zur JVA Moabit zieht, gibt es eine zweite Demonstration, die auf das Schicksal von Gülaferit Ünsal aufmerksam machen will.

Ünsal, die in der JVA für Frauen in Pankow einsitzt, hatte Anfang Dezember in einem offenen Brief über Schikanen durch Mitgefangene geklagt. „Im Gefängnis, im Hof, bei der Arbeit, während der Arztbesuche und auf den Stationen bin ich heftigen Provokationen von anderen Häftlingen ausgesetzt“, schreibt Ünsal in dem Brief, der der taz vorliegt.

Gegenüber BesucherInnen hat Ünsal erklärt, sie sei von den Gefangenen aufgefordert worden, die Toiletten in der Gefängnisetage zu putzen. Als sie erklärte, dafür seien alle Gefangenen gemeinsam zuständig, sei sie bedroht und beleidigt worden.

Ünsal sieht sich als politische Aktivistin. Die 43-Jährige wurde im Mai 2013 vom Berliner Kammergericht zu einer sechseinhalbjährigen Haftstrafe nach dem Paragrafen 129b wegen „Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation“ verurteilt. Das Gericht beschuldigte sie, für die türkische Revolutionäre Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) Spenden gesammelt und Solidaritätskonzerte organisiert zu haben.

Inzwischen haben der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrendt, und die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke die Gefängnisverwaltung um Aufklärung der Vorwürfe gebeten. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine unbequeme, weil politische und noch dazu nichtdeutsche Gefangene Einschüchterungen und Bedrohungen ausgesetzt ist“, meint Jelpke.

„In einer Justizvollzugsanstalt befinden sich Menschen in einer nicht selbst gewählten Gemeinschaft. Das macht das Zusammenleben nicht unbedingt leichter“, erklärt die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Justiz, Claudia Engfeld, gegenüber der taz. Man versuche in Einzelgesprächen mit allen Beteiligten Lösungen zu finden.

Treffpunkt 15 Uhr, U-Bahnhof Bernauer Straße

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F12%2F30%2Fa0110&cHash=16786c3f46571354decadea5ab5a2590

Peter Nowak