Nach dem Ölzeitalter

Eine Berliner Ausstellung widmet sich der Stadt der Zukunft
Auch wenn sich die Experten noch streiten, wann das Erdöl zu Ende geht, für das Leben danach ist ein Vorlauf an guten Ideen nötig. Die sind Thema in der Ausstellung »Post-Oil City – Die Stadt nach dem Öl«, die am Freitag in Berlin eröffnet wurde.
Es könnte die Zapfsäule der Zukunft sein, die am Donnerstagabend einige Stunden vor der Berliner IFA-Galerie stand. Es war eine Ladestation für Elektroautos. Wer die Ausstellung über das Leben nach dem Erdöl besuchen will, sollte etwas Zeit mitbringen. Auf zahlreichen Tafeln wurde die Geschichte der Nachhaltigkeit bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgt. Vermutlich nicht nur für Laien eine verblüffende Erkenntnis: Bereits nach dem großen Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755 begann die systematische Sammlung von Umweltdaten. Der erste Großmarkt am Stadtrand hingegen wurde in den USA vor knapp 50 Jahren eröffnet und der Begriff »ökologischer Fußabdruck« ist ab 1994 nachweisbar. Interessant ist es auch, die Konjunktur der heute wieder favorisierten Stadtgärten in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Verelendung von Teilen der Bevölkerung zurückzuverfolgen.

 Ein wichtiger Teil der Ausstellung befasst sich mit bis in die 60er Jahre zurückreichenden Lösungsansätzen für die Probleme der Städte bei Verkehrsverringerung, Müllvermeidung und Nachhaltigkeit. Damals waren Elektroautos ebenso in der Planung wie ein System von Kabinentaxis, die als eine Art Schwebebahn überirdisch fahren und den Autoverkehr in den Großstädten reduzieren helfen sollten. Obwohl diese Modelle weit entwickelt waren, scheiterte die Umsetzung am billigen Benzin und der Autolobby. Die Konjunktur solcher Alternativen nach der ersten Ölkrise blieb kurzlebig.

Als Beispiel für aktuellen nachhaltigen Städtebau werden Projekte CO2-freier Städte an der Meerenge von Formosa zwischen China und Taiwan ebenso vorgestellt wie eine energieautarke Stadt in Äthiopien oder die arabische Ökocity Masdar. Allerdings fragt man sich, bei den Betrachtungen der Fotos und Videoinstallationen, ob diese mondäne Lebenswelt für die Mehrheit der Bevölkerung überhaupt begehbar ist. Denn die kommt dort nicht vor. Anders ist es bei der High-Line, einer 2,3 Kilometer langen, stillgelegten Hochbahntrasse im Westen von New York, die von der Natur zurück erobert worden ist. Es waren Stadtteilinitiativen, die dafür kämpften, daraus einen öffentlich zugänglichen Park zu machen. Auch über die Renaturierung des ehemaligen Flughafens Tempelhof in der Berliner Innenstadt machen sich Anwohnerinitiativen Gedanken. Doch diese erwänt die Ausstellung nicht. Stattdessen wird ein Eco-Tec-Projekt vorgestellt, für deren Realisierung »ein kreatives, wissenschaftsfreundliches Klima« erzeugt werden soll, wie es in den Erläuterungen heißt. Damit wird deutlich, dass auch nachhaltige Projekte an den Bedürfnissen von engagierten Initiativen vorbei geplant werden können.

Die Ausstellung ist bis 18. Juli in der IFA-Galerie Berlin, Linienstraße 139/140 (Dienstag – Sonntag von 14-20 Uhr, sonnabends 12-20 Uhr) zu sehen. Der Eintritt ist frei.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/169808.nach-dem-oelzeitalter.html

Peter Nowak