In Frankreich, Italien, Griechenland sind Leute auf die Straße gegangen, in Tunesien wurde sogar die Regierung gestürzt. Doch man sollte genauer hinschauen, was in den einzelnen Ländern gefordert wird und wer die Proteste dominiert

Corona und die neue Protestkultur

Schon werden die ersten Clubs in NRW wieder geschlossen und die Meldungen über neue Ansteckungen häufen sich. Wie lange wird es dauern, bis ein neuer Lockdown wieder für unausweichlich erklärt wird, auch wenn Politiker aller Parteien diesen jetzt noch kategorisch ausschließen? Dann wird es auch in Deutschland wieder neue Proteste auf den Straßen geben. Die Frage wird nur sein, ob sie nach dem Modell Griechenland von rechten, irrationalen Kräften und Impfgegnern dominiert sind oder ob nach dem Modell Frankreich die soziale Frage und Impfungen für Alle nicht nur im globalen Norden im Mittelpunkt stehen.

Der Konflikt zwischen den rechtspopulistischen tunesischen Präsidenten und der nicht weniger reaktionären islamistischen Regierungspartei schwelt schon lange. Doch erst die Proteste gegen die Ausbreitung von Corona und die Reaktion der Regierung darauf, haben dazu geführt, dass ….

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Prozessbeginn bei Air France

Gewerkschafter, die ihre Bosse angegangen haben sollen, stehen vor Gericht

»Streiken wie in Frankreich«, heißt es auf Aufklebern, die in den letzten Monaten wieder vermehrt in Deutschland zu sehen sind. Damit wird Solidarität mit Arbeitskämpfen ausgedrückt, die Fabrikbesetzungen und andere kreativen Protestformen mit einbeziehen. Doch deswegen werden in Frankreich vermehrt Gewerkschaftsmitglieder kriminalisiert.

Am 27. September begann in Bobigny bei Paris der Prozess gegen 15 Beschäftigte von Air France wegen gezielter Gewalt und Sachbeschädigung. Ihnen wird vorgeworfen am 5. Oktober 2015 bei Protesten gegen die Entlassung von 2900 Beschäftigten in einen Sitzungssaal eingedrungen und zwei Air-France-Manager bedrängt zu haben. Die Bilder, auf denen zu sehen ist, wie die Manager auf der Flucht vor den wütenden Beschäftigten über einen Zaun steigen und sich dabei ihre Hemden zerreißen, gingen damals um die Welt. Das Gericht versucht mit Hilfe des von der Polizei gesammelten Bildmaterials die 15 Angeklagten als Rädelsführer hinzustellen. Ein Bündnis verschiedener Gewerkschaften, darunter CGT und Sud, hatten zu Solidaritätsaktionen während des Prozesses aufgerufen,

»Im Gerichtssaal herrschte eine überaus solidarische, aber auch teilweise aggressive Stimmung. Der Richter drohte mehrmals mit Räumung des Saals«, erzählt der Basisgewerkschafter Willi Hajek, der den Prozess besuchte, gegenüber »nd«. Es seien Erklärungen verlesen worden, die die sofortige Wiedereinstellung der entlassenen Air-France-Beschäftigten und den Freispruch aller Angeklagten forderte. Die Staatsanwaltschaft forderte für fünf Angeklagte Haftstrafen von zwei bis vier Monate mit Bewährung. Zehn Beschuldigte sollen eine Strafe von 1000 Euro bezahlen. Ein Urteil wird für den 30. November erwartet.

»Der Prozess gegen die Air France Kollegen ist nur ein Teil der Repression gegen Akteure der Bewegungen gegen das Arbeitsgesetz el Khomri und gegen kämpferische Gewerkschafter«, meint Hajek. So müssen sich am 19. Oktober acht CGT-Mitglieder des Traktorenreifenwerks Goodyear in Amiens wegen Bossnapping vor Gericht verantworten. Sie gehörten zum Verhandlungskomitee. Ihnen wird vorgeworfen, im Kampf gegen die Werkschließung zwei Manager in ihrem Büro eingeschlossen zu haben, um mit ihnen die Modalitäten der Schließung zu verhandeln.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1027834.prozessbeginn-bei-air-france.html

Peter Nowak