Selten waren die Reaktionen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts so euphorisch wie nach dem Urteil vom letzten Donnerstag
Das Gericht entschieden [1], dass künftig auch Umweltverbände ein Klagerecht haben.
Ausgelöst hatte die Entscheidung ein Umweltverband, der das Land Hessen verklagte, weil es den Maßhalteplan für die Verminderung der gesundheitsgefährdenden Schadstoffkonzentration von Feinstaub und Stickoxiden nicht eingehalten hat. Denn dazu hätte sie sich mit der Autolobby anlegen müssen und Durchfahrt- und Nachtfahrverbote für besonders vom Feinstaub belastete Straßenzüge erlassen müssen.
Nachdem der Umweltverband gegen diese Rechtsbeugung zugunsten von ADAC und Co. klagte, verpflichtete das Verwaltungsgericht die hessischen Behörden, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass in absehbarer Zeit die Ziele des Maßhalteplans erreicht werden. Dazu kommt die Einrichtung von Umweltzonen in Betracht. Das Land Hessen wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren und dem Umweltverband das Klagerecht absprechen. Damit ist es nun gescheitert.
Anpassung an EU-Recht
Die euphorischen Kommentare der Verbände sind daher verständlich. So pries [2] die Deutsche Umwelthilfe die Entscheidung mit den Worten: „Zeitenwende im Umweltrecht.“ Andere wollen sogar eine Revolution im Umweltrecht erkennen. Etwas mehr Nüchternheit wäre aber angebracht. Mit dem Urteil hat das Leipziger Gericht nur die Vorgaben der EU umgesetzt. Jede andere Entscheidung wäre genau damit kollidiert.
So heißt es in der Pressemeldung des Bundesverwaltungsgerichts:
„Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Aarhus-Konvention [3] fordert das Unionsrecht einen Zugang von Umweltverbänden zu den Gerichten zur effektiven Durchsetzung des europäischen Umweltrechts. Bei Beachtung dieser Leitlinie kann das deutsche Recht so ausgelegt werden, dass den nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannten Umweltverbänden ein Recht auf Beachtung der Vorgaben des zur Umsetzung einer unionsrechtlichen Richtlinie erlassenen Luftreinhalterechts eingeräumt ist, das sie gerichtlich geltend machen können.“
Da mag die Autolobby zetern, dass nun auch das ungeschriebene deutsche Grundrecht der freien Fahrt für freie Bürger nicht mehr ungehindert umgesetzt werden kann. Tatsächlich ist das Urteil ein Beispiel mehr, dass eben durch die EU Mitwirkungsrechte gestärkt werden können. Erst vor wenigen Wochen konnte die Deutsche Umwelthilfe ebenfalls mit EU-Hilfe einen Erfolg gegen die Autolobby verbuchen [4]. So hatte der Europäische Gerichtshof bestätigt [5], dass Bundeswirtschaftsminister Rösler die Einflussnahme der Autolobby auf die Klimaschutzverordnung offenlegen muss. Diese Transparenz hatte er mit Unterstützung der Justiz in Deutschland bisher verweigert.
Auf diese Weise können sicher graduelle Verbesserungen im Umweltrecht und die Verbände gestärkt werden. Doch eine Orientierung auf den Rechtsweg wird diese Verbände noch mehr integrieren und verhindern, dass sie grundsätzliche Kritik üben. Die von dem Publizisten Thomas Wagner kritisierte Mitmachfalle [6] funktioniert eben nur, wenn diejenigen, die mitmachen sollen, auch hin und wieder ein Erfolgserlebnis verbuchen können. Schließlich leistet die Industrie erfolgreich Lobbyarbeit. So wurde erst kürzlich den Airlines bei Reisen in außereuropäische Länder ein Teil der Verschmutzungsrechte erlassen [7].
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154915
Peter Nowak 06.09.2013
Links
[1]
http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2013&nr=60
[2]
http://duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=3171
[3]
http://www.aarhus-konvention.de
[4]
http://www.presseportal.de/pm/22521/2529037/bundeswirtschaftsminister-roesler-muss-einflussnahme-der-autolobby-auf-klimaschutzverordnung
[5]
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62011CJ0515:DE:HTML
[6]
http://www.heise.de/tp/blogs/6/154753
[7]
http://www.taz.de/!123146/